„Wir müssen uns Rassismus und Faschismus entgegenstellen, wo immer er sich zeigt“ - Interview mit Patrik Köbele (DKP)
Patrik [DKP]: Diese Problematik hat aus unserer Sicht mehrere Ebenen. Das hat unter anderem damit zu tun, dass der deutsche Imperialismus nach Außen und nach Innen aggressiver wird und der „Rechtsruck“ diese Tendenz ideologisch nach innen absichert. Der deutsche Imperialismus betreibt im Verbund mit der NATO bzw. im Rahmen der EU eine aggressive Politik, zum Beispiel durch Kriege, Zerstörung der Lebensgrundlagen und jeder sozialen Perspektive. Die Opfer dieser Politik kommen logischerweise dorthin, wo sie am ehesten für sich Perspektive sehen, d.h. unter anderem nach Deutschland. Bislang gelingt es den deutschen Eliten ganz gut, die Opfer ihrer Politik auszunutzen, um z.B. aber nicht nur in Ostdeutschland die Konkurrenz unter den Ausgebeuteten auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt zu erhöhen. Und sie schaffen es derzeit zusätzlich, die Perspektivangst der Menschen gegen sich selbst zu wenden. Das heißt, nicht auf die eigentlichen Ursachen, sondern gegen MigrantInnen. Es geht hier also darum, die Spaltung innerhalb der Ausgebeuteten zu vertiefen. Wir müssen uns Rassismus und Faschismus entgegenstellen, wo immer er sich zeigt. Und andererseits müssen wir versuchen, all jene, die aufgrund berechtigter Perspektivangst den RassistInnen auf den Leim gehen, wieder zurückzugewinnen. Das wird man nur schaffen, indem man Antworten auf diese Perspektivangst geben kann. Das ist für uns zunächst einmal die Antwort auf die Frage von Ursachen von Krieg, Flucht und Armut und deren Profiteure. Und aufzuzeigen, dass dort, bei diesen Profiteuren, eben auch das Geld liegt, mit dem die Konkurrenz unter den Ausgebeuteten abnehmen kann: durch Reinvestition dieses Geldes in sozialen Wohnungsbau, ins Gesundheits- und Bildungswesen und vieles mehr. Wir sind der Meinung, dass der Kampf gegen Rechts eine soziale Komponente haben muss.
Jan [re:volt]: Abseits von der von dir gerade erwähnten realpolitischen Positionierung: Was könnte der Beitrag der DKP im praktischen Kampf gegen rechts sein?
Patrik [DKP]: Wir haben das Problem, dass FaschistInnen und RassistInnen in einigen Teilen des Landes im „Kampf um die Straße“ erfolgreich sind. Da geht es also um einen aktiven Kampf auf der Straße, durch Blockaden, Gegendemonstrationen und so weiter. Dann müssen wir uns jedoch auch mit der staatlichen Repression auseinandersetzen. Das konnte man ja nun besonders in Chemnitz wieder sehen angesichts der Tatenlosigkeit der Polizei gegenüber dem rechten Mob. Das wird wiederum zum Ausgangspunkt genommen, um den Polizeistaat zu stärken. Dem müssen wir uns natürlich ebenfalls entgegenstellen. Und als drittes Standbein eben die soziale Frage, die wir als Linke angehen müssen, um die Hegemonie zurückzugewinnen und den Menschen eine andere Perspektive zu vermitteln.
Jan [re:volt]: Da waren die Occupy-Bewegung, die Friedensmahnwachenbewegung, die Bewegung rund um den Friedenswinter und so weiter, in der viele unzufriedene Menschen zusammenkamen. Darunter Linke, aber leider haben sich daran auch rechte oder ambivalente Personen beteiligt. Die Rechte ist also auch dort in mehreren Schritten stärker geworden. Glaubst du, wir haben als Linke dort Chancen vertan und Menschen an die Rechte verloren?
Patrik [DKP]: Wir haben als Linke insgesamt viele Fragen nicht so beantworten können, dass es für die Menschen nachvollziehbar gewesen wäre und haben damit selbst ein Vakuum geschaffen, in das die Rechte hineingestoßen ist. Die Rechte konnte in mehreren Parteianläufen, zum Beispiel mit den Republikanern, Erfahrungen sammeln. Wir können die Schuld nicht der herrschenden Klasse anlasten, dass sie die Ausgebeuteten unter Zuhilfenahme der Rechten gegeneinander ausspielt. Das gehört zur Strategie ihrer Herrschaftssicherung. Wir haben da einfach auch den Moment verschlafen.
Jan [re:volt]: In deiner eigenen Partei waren diese Projekte ja auch umstritten und in der gesamten Linken gab es da eine sehr heftig geführte Debatte. Etwa gab es da auch Diskussionen um umstrittene Personen wie Ken Jebsen und andere Leute, die sich ideologisch nicht mehr verorten wollen. Wie seht ihr das, kann man sich an solchen Konstellationen beteiligen, bei denen nicht klar ist, ob das rechts, oder links ist? Ist das Querfront?
Nein, das ist keine Querfront. Ich würde da an unserer Linie festhalten, die da lautete, dass da viele Menschen hingingen, die keine Rechten waren und dass man den Rechten nicht einfach den Raum überlassen darf. Man sollte da tatsächlich hingehen, aber eben nicht um einfach nachzuplappern, sondern um mit eigenen Inhalten die tatsächlich vorhandenen Rechten zu isolieren. Das ist natürlich widersprüchlich und komplex. Hier in Essen hatten wir das Problem, dass ein paar Menschen aus dem Friedensmahnwachen-Spektrum einen antifaschistischen Aufruf gegen eine HoGeSa-Demonstration in Essen nicht unterstützen wollten. Dann wurden die eben schlussendlich ausgeschlossen und isoliert. Aber von vornherein alle Menschen, die dort hingehen zu stigmatisieren, ist meiner Meinung nach nicht sinnvoll. Das hat sich im Prozess dann ergeben, wer sich am Ende gegen die HoGeSa-Nazis stellen wollte und da heißt es dann: ja oder nein.
Jan [re:volt]: Es gibt ja in der LINKEN andere konkurrierende Konzepte gegen den Rechtsruck. Da wäre zum Beispieldas ,,aufstehen“-Projekt von Wagenknecht und Lafontaine, das sich ja gerade formiert, um an die AfD verlorene WählerInnen zurückzugewinnen. Sieht die DKP darin mehr eine Möglichkeit oder eine Gefahr?
Patrik [DKP]: Das ist für uns gerade noch schwer einzuschätzen, da es zurzeit noch auf der medialen Ebene verharrt. Wenn das daraus wird, was nun öffentlich einsehbar ist, sie es also schaffen, die soziale Frage, die Friedensfrage und die Frage der EU wieder stärker in die Diskussion zu bringen und wenn man sagt, man will wirkliche Bewegung, die Massen auf die Straße kriegen und nicht nur medialen Hype für ihre Interessen, dann finde ich das eine begrüßenswerte Initiative. Ich finde es in diesem Kontext falsch, direkt den Bannstrahl auszusprechen oder die Äußerungen von Wagenknecht als rassistisch zu denunzieren, auch wenn ihre Argumentation offensichtliche Schwächen hat. Der Staat ist nicht neutral, er ist ein Instrument der herrschenden Klasse. Darum ergibt sich für mich zum Beispiel, dass sich Linke auf gar keinen Fall hinstellen und ein „besseres“ Einwanderungsgesetz fordern können, weil das wird nur dazu führt, dass man Politik für die herrschende Klasse macht. Und da muss man eben klar machen, dass einerseits die Menschen, die begründeter Weise hierher kommen, leider ausgenutzt werden und die Konkurrenz unter den Ausgebeuteten erhöht wird. Andererseits aber auch klar sein muss, dass das nicht die Schuld dieser Menschen ist, sondern am Ausbeutungsinteresse der herrschenden Klasse liegt.
Jan [re:volt]: Kommen wir doch mal konkret zur sozialen Frage. Die DKP schreibt in ihrem noch geltenden Parteiprogramm, dass sie in den sozialen Kämpfen (Ökologie, Frauenrechte, Frieden usw.) präsent sein will. Leider ist die DKP außer im Feld Friedenskampf für die außerparlamentarische Linke oftmals nicht wahrnehmbar. Steht da eurerseits eine Kehrtwende oder eine Intensivierung in den kommenden Jahren an?
Patrik [DKP]: Wir müssen offen eingestehen, dass unsere mangelhafte Präsenz in vielen Feldern das Ergebnis unserer realen Schwäche ist. Umgekehrt glaube ich, dass wir insbesondere in der Friedensfrage recht gut aufgestellt sind. Wir haben nun zum Beispiel den Aufruf „Abrüsten statt Aufrüsten!“ für den mittlerweile über 100.000 Unterschriften gesammelt wurden, mitgetragen. Dann sind wir in den Personalauseinandersetzungen im Gesundheitswesen stark präsent, bei den Streiks, aber auch den Volksbegehren. Darüber hinaus schaffen wir es lokal, uns bei den MieterInnenkämpfen einzubringen – in der Aktion, aber auch in den Interessenvertretungen. Wo du Recht hast und wo sich sicherlich etwas ändern muss, ist das mangelnde Engagement in der ökologischen Frage, wo wir historisch stark präsent waren und heute leider nicht mehr. Man müsste das Feld dahingehend sehen, dass es eben nicht zur Ablenkung von anderen Widersprüchen missbraucht wird, sondern, dass sich darin eben auch der Grundwiderspruch von Kapital und Arbeit widerspiegelt.
Jan [re:volt]: Du hast eine Problematik ja gerade selbst angesprochen, nämlich dass die Partei an Mitgliederschwund leidet. Generell organisieren sich ja junge Menschen sehr häufig eher parteifern als bei euch. Warum ist das eurer Meinung nach so, und mit welchen Konzepten will die Partei dieser Tendenz entgegentreten?
Patrik [DKP]: Ich würde das aus der Perspektive meiner Generation etwas anders sehen als du. Zum Beispiel sind Parteimitglieder in meinem Alter 1989/90 stark weggebrochen. Dennoch haben wir viele ältere GenossInnen. Dass ist ja nicht unwichtig, denn in diesen ist das Wissen und die Traditionen der ArbeiterInnenbewegung gespeichert. Nachwuchs bekommen wir insbesondere durch die enge Kooperation mit dem befreundeten Jugendverband SDAJ. Die Tendenz der außerparteilichen Organisierung gibt es sicherlich, so wie es generell eine Abwendung von organisierter Politik gesamtgesellschaftlich gibt. Aber da muss man auch festhalten, dass die kommunistische Partei natürlich einmal Partei, aber eben zugleich Anti-Partei ist, in dem Sinne, dass es ja nicht unser Ziel ist, im Parlamentarismus zu verharren. Aber da wo du recht hast ist, dass wir als Partei da Attraktivität gewinnen können, wo es darum geht aufzuzeigen, dass revolutionärer Elan, den ich persönlich für sehr wichtig halte, nur dann zu Schlagkraft wird, wo er zusammengeht mit revolutionärer Weltanschauung. Und dass wir als DKP eben nicht eine weitere bürgerliche Partei sind, sondern zumindest versuchen, Träger dieser revolutionären Weltanschauung zu sein. Denn ohne diese, ist Revolution nicht zu machen. Das dürften auch jene Kreise verstehen, die heute sagen, dass man solche disziplinierten Haufen wie uns nicht mehr bräuchte.
Jan [re:volt] Um das gerade hinterherzuschieben. Wera Richter hatte auf dem letzten Parteitag ernüchtert konstatiert, dass die Partei nicht ausreichend in der Arbeiterklasse präsent ist. Das muss für euch als KP ja eine sehr ernüchternde Feststellung gewesen sein. Wie diskutiert ihr als DKP denn die Klassenfrage und wo seht ihr euch in der Auseinandersetzung in Klassenkämpfen?
Patrik [DKP]: Wir sind der Meinung, dass man neuere Prozesse, wie die Debatte um Industrie 4.0 und Digitalisierung in jedem Fall analysieren und auswerten muss. Dazu gehört, zu verstehen, wie die herrschende Klasse Digitalisierung nutzt, etwa zur Zerschlagung des Normalarbeitsverhältnisses. Da geht es um Werkverträge, Leiharbeit und Prekarisierung. Erschwerend ist in diesem Feld so hinzugetreten, dass Teile der alten ArbeiterInnenklasse aus ihrem Umfeld gelöst wurden und teilweise für klassische Betriebsarbeit unerreichbar geworden sind. Dazu tritt die Idee, dass man selbst schuld sei an seinem Elend, was natürlich vollkommener Unsinn ist. Also die Spaltung der Klasse durch die neuen Technologien hat massiv zugenommen. Wir kämpfen nun zunächst gegen diese Negativauswirkungen, insbesondere in den Bereichen, in denen wir stärker präsent sind, etwaim Gesundheits- und Bildungswesen. Dennoch kommen wir als kommunistische Partei nicht an der Frage vorbei, wie wir auch im Industrieproletariat Fuß fassen können. Wir haben da noch kein Patentrezept parat. Klar ist, es geht nur über revolutionäre Kleinarbeit. Es bringt nichts, sich mit der roten Fahne vor den Betrieb zu stellen und die KollegInnen zu überzeugen, dass sie jetzt gefälligst mal einsehen, dass sie das revolutionäre Subjekt sind und dann kommen sie in Massen. Sondern es kann nur über kleinteilige Interessenvertretung im Betrieb, aber auch in der Kommune laufen. Das heißt dort, wo die Klasse produziert und sich reproduziert.
Jan [re:volt]: Meinst du mit „Interessenvertretung“ nun Arbeit in den DGB-Vertretungen oder Aufbau von Basisgewerkschaften?
Patrik [DKP]: Wir halten Gewerkschaften immer noch für die Schulen des Klassenkampfs, auch wenn sie heutzutage zu einem hohen Grad integriert sind. Damit meine ich, dass sie oftmals reformistischen Konzepten folgen oder sogar nur Abwehrkämpfe führen. Und trotzdem ist es so, dass sie die Institutionen stellen, in denen größte Teile der Klasse organisiert sind und man muss dort deshalb auch die Kämpfe hineintragen, damit Bewusstsein eben auch entstehen kann. Und wenn ich dann hier auf die Streiks in Essen und Düsseldorf an den Kliniken blicke, dann ist das schon auch eine spürbare Geschichte. Ich würde aber diese Arbeit in den DGB-Gewerkschaft nicht gegen andere Ansätze des Interessenkampfs, in den Kommunen, Stadtteilen oder anderen Initiativen, stellen. Gerade in Kämpfen gegen die Schließung kommunaler Einrichtungen, gegen Privatisierung kann vermittelt werden, dass hinter dem Einzelwiderspruch letztlich der Klassenwiderspruch steht. Das hilft auch sozialpartnerschaftliche Illusionen zurückzudrängen.
Jan [re:volt]: In der außerparlamentarischen Linken wird gerade viel über das Konzept der Stadtteilarbeit diskutiert. Etwa darüber, mittels sozialer Zentren Menschen für den Mietkampf zu begeistern. Was hältst du davon? Siehst du die DKP als Teil solcher Initiativen in Zukunft?
Patrik [DKP]: Wir sind hier eigentlich schon recht gut aufgestellt – nicht nur was unser Engagement in Initiativen anbelangt, sondern auch in traditionellen Institutionen, wie dem MieterInnenschutzbund. Was da in den Städten stattfindet ist ja die Abwälzung der Krisenlasten von 2008 auf die Kommunen. Und damit einher geht der fortschreitende Privatisierungsprozess, der Abbau von Sozialhilfen und Fürsorge und so weiter. Das ist unserer Ansicht nach alles Teil eines Klassenkampfs von oben, wo es um die Erhöhung des Profits im Wohnbereich geht. Hier werden Grundfragen des Kapitalismus klar: er macht alles zur Ware, und wenn etwas zur Ware wird, dient es eben nicht mehr den Menschen. Und daher ist es wichtig, dass wir dort präsent gegen Mieterhöhungen und Privatisierungen aktiv sind, wobei wir immer klarmachen müssen, dass das keine Naturerscheinungen sind, sondern etwas mit Kapitalismus zu tun hat.