Katz und Maus in Nordkurdistan
Es ist der letzte Tag vor den Wahlen. Aus den Trümmern der Viertel, die im Zeitraum 2015 bis 2016 in Grund und Boden bombardiert wurden und in denen sich die „Keller des Grauens“ befanden – über 170 Menschen wurden in den Kellern, in denen sie Schutz suchten, durch Angriffe der türkischen Armee getötet – ragen schroff Neubauten hervor. Die Viertel sind abgesperrt, die Präsenz der Sicherheitskräfte enorm. Seit unserer Ankunft beschatten sie uns durchgehend, natürlich zu unserer Sicherheit. Bei der Einfahrt in die Stadt werden wir eine Stunde lang kontrolliert, der andere Übersetzer der Gruppe und ich auf einen Plausch mit den Beamten des Sicherheitsdezernats „eingeladen“. Es geht darum, was wir machen, aber auch um unsere Bildungswege, darum wie es ist, als Türke in Deutschland zu leben und viele andere Dinge. Ich erzähle von meinen persönlichen Erfahrungen, doziere ausgiebig über das „Paradox der 3. Generation“, wie es in der Mainstream Migrationsforschung genannt wird. Dann werden wir abrupt, einfach so, gehen gelassen: „Ihr macht ja nichts Illegales hier. Es gibt auch keine Probleme mehr hier wie einst. Ruft uns an, wann immer ihr wollt, wir werden unser Bestes versuchen, um euch zu helfen.“ Zuvor tuschelte der eine dem anderen zu: „Ach lass sie doch gehen, wir können sie doch eh in der Stadt beschatten."
Als wir später die Zivis in der Stadt, die uns ganz unverdeckt an den Fersen kleben, ansprechen und sie darauf hinweisen, dass noch mehr Delegationsmitglieder später am Abend kommen werden, antworten sie nur: „Machen Sie sich keine Sorgen, wir geben das durch. Eure Kollegen werden keine Probleme haben beim Kontrollpunkt.“ Die haben sie dann auch tatsächlich nicht. Die HDP-Leute und die Zivis reden sich freundschaftlich mit Vornamen an. „Was willst du machen? Irgendwann kennt man sich halt“, meint unser Begleiter nur leicht zynisch und fügt hinzu: „Die vom Sicherheitsdezernat sind ok. Hauptsache nicht die Özel Harekat“ – also die hochmilitarisierten Sondereinsatzkräfte der Polizei – „denn dann haben wir ein Problem.“ Barış bey, so der Name eines penetrant freundlichen Zivis des Sicherheitsdezernats, wird eine Konstante unseres Aufenthaltes in Cizre bilden. Er taucht immer mal wieder irgendwo extrem freundlich auf, wir schütteln Hände, die HDP-Leute bieten ihm Wasser an, er verschwindet wieder unter Achtung aller Höflichkeitsfloskeln. Ich stelle mir vor, wir sind in einem surrealen Film und spiele mit.
Unbeachtete Geschichten
Yasin wird uns ins angrenzende Idil fahren, wo wir am Wahltag unsere Wahlbeobachtungsmission ausführen werden. Davor gehen wir noch an den Ufern des Tigris Çay und die ganz besondere Zitronenlimonade Cizres trinken, die mit Milch hergestellt wird. Ein paar Stunden zuvor haben wir noch einen kleinen Geschichtsunterricht über Cizre erhalten, eine der ältesten Städte der Region, in der der Legende zufolge einst auch die Arche Noah stationiert war. Die Altstadt wurde angeblich sogar nach ihrem Muster gebaut. Ähnlich geschichtsträchtig ist Idil: Erst dieses Mal erfahre ich, dass es dort eine aramäische Kirche gibt – ein wunderschöner Bau inklusive eines mehrstöckigen Gästehauses mit einem großen Garten. Alles dort lädt zum Verweilen ein. Unter dem angenehmen Schatten der Bäume blicken wir auf die vor Hitze flimmernden Weiten des Tals. Keine paar Dutzend Meter von uns entfernt befindet sich die älteste Zisterne von Idil, der Timur-Brunnen, der während der Auseinandersetzungen völlig zweckfrei zerschossen wurde, sowie ein uralter Sonnentempel, von dem niemand so richtig die Geschichte kennt. Viele weitere Ruinen alter Bauten erstrecken sich durch das ganze aramäische Viertel. „Waren denn noch keine verrückten deutschen Archäologen hier? Die reisen doch überall hin“, witzele ich. Ich kann mir kaum vorstellen, dass all dies noch nicht erforscht wurde. Mir wird bewusst, dass ich in diese Gegend bisher nur als Journalist oder anderweitig in Krisenzeiten gekommen bin. Ich hoffe inbrünstig, dass ich in meinem Leben noch Zeiten erleben werde, in denen ich unbeschwerten Gemütes auch mal als historisch und kulturell interessierter Tourist in die Region reisen kann.
Gestern Kugeln, heute Katz und Maus
Yasin hat Glück: Er hat seinen Job noch. Das liegt vermutlich daran, dass er zwar an das Bildungsministerium angebunden ist, aber an einer Privatschule arbeitet, was Entlassungen erschwert. Jedenfalls hält er sich dennoch politisch bedeckt und taucht ungern in HDP-Büros auf. Sein großer und sein kleiner Bruder sind wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft bei der PKK eh schon im Knast, einer ist noch rechtzeitig geflohen. Aber natürlich gehen er und seine gesamte Familie kollektiv am Wahltag an die Urne und wählen HDP. Sein Familienhaus liegt in Idil in einem Gebiet, in dem 2015 bis 2016 die kurdische Autonomie ausgerufen wurde. Damals war ich als Journalist bei ihm zu Gast. Wir hüpften in der Dunkelheit von Häuserwand zu Häuserwand in der Illusion, den Snipern somit entgehen zu können und führten Interviews mit den Kämpfenden auf kurdischer Seite. Nachts lagen wir ganz flach im Wohnzimmer auf dem Boden, um nicht von den Kugeln getroffen zu werden, die nur so durch die Gegend schwirrten.
Irgendwann, als die Gefechte zu heftig werden, flieht Yasin mit seiner Familie. Als sie zurückkommen, ist das Haus durchlöchert und von innen komplett ausgebrannt, inklusive der teuren beyaz eşya, die „weißen Möbel“, wie Kühlschrank sowie Wasch- und Spülmaschine im Türkischen genannt werden. Eine typische Vorgehensweise der Sicherheitskräfte damals, die damit die Bevölkerung „bestraften“. Das gesamte Haus muss komplett saniert werden, was mehrere zehntausend Liras kostet. Nur die Hälfte erhalten sie vom Staat erstattet. Überhaupt sieht man in Idil noch sehr viele Gefechtsspuren: teils mehr schlecht als recht überkleisterte Einschusslöcher, Ruinen, hässliche Neubauten. Idil ist eine Kleinstadt von 25.000 Einwohner*innen, hier kommt niemand aus dem Ausland hin. Deshalb hat der Staat auch keine Eile damit, „sauber“ zu machen – anders zum Beispiel in Diyarbakır, wo das Gras scheinbar friedlich vor sich hin wächst.
Aber die Gastfreundschaft ist nach wie vor dieselbe. Yasins Mutter begrüßt mich strahlend. „Endlich siehst du mal nach was aus!“, übersetzt mir Yasin ihr Kurdisch. Diesmal habe ich Piercing und Ohrringe entfernt und ein dezent kariertes Hemd an. Ich witzele, ein Übersetzer müsse eben schick sein. Das opulente Abendbrot auf Silbertablett im Schneidersitz inmitten des zweiten Wohnzimmers, das nur an den Wänden mit Kissen ausgelegt ist und sonst keine Möbel besitzt, der Tee, die Gespräche – alles fühlt sich auf eine angenehme Art und Weise bekannt an. Nur die Polizei nicht, die uns bis vors Haus folgt und Yasin erzürnt zur Rede stellt: „Woher kennst du diese Leute? Was machen die hier? Wie lange bleiben die???“ Am nächsten Morgen ein ähnliches Theater. Ganze vier Mal ruft tagsüber – als wir schon längst das Haus verlassen haben mit dem festen Vorsatz, nicht mehr zu kommen, um Yasin und seiner Familie Unannehmlichkeiten zu ersparen – ein Kommissar bei Yasin an. Er hat irgendwie seine Nummer aufgetrieben und fragt nach, wer wir sind, was wir tun und so weiter und so fort. Bei der nächsten Polizeikontrolle der Antiterrorpolizei, in die wir geraten, bin ich kurz davor, dem Beamten erzürnt zu verstehen zu gehen: „Hier, das sind wir, ihr könnt euch auch einfach an uns wenden statt an Yasin, ihr wisst doch sowieso, wo wir zu jeder Tageszeit sind.“ Dann aber fällt mir wieder ein, dass ich hier in der Rolle des Übersetzers bin, und ich nehme mich zurück. Letztlich weiß ich ja, dass es hier um pure Schikane geht und um sonst nichts Anderes.
Der Kollege von der HDP, bei dem wir dann am Abend darauf bleiben, ist eigentlich ein sehr ruhiger, angenehm schweigsamer Mann, der sich mit Juristerei und Autohandel beschäftigt. Auf unsere besorgten Nachfragen hin, ob es dann auch wirklich keine Probleme für ihn mache, wenn wir bei ihm bleiben – wir hören noch aus seinem Innenhof heraus das Brummen des extra für uns abgestellten Panzerfahrzeuges in der Straße vor seinem Haus – meint er leicht erheitert: „Hach ja, das Tor zu meinem Innenhof haben sie vier Mal, die Wand zwei Mal und die Tür zur Wohnung einmal aufgebrochen. Insofern ist das alles altbekannt.“
Das ganz große Theater
Am Wahltag selbst erheben wir und all die unterschiedlichen Staatsapparate, die sich am Spiel beteiligen wollen, das Katz-und-Maus-Spielchen auf eine höhere Stufe, zu einem ganz großen Theater. In die erste Schule – gewählt wird in der Türkei in Schulen, jede Schule beherbergt mehrere Urnen, jede Urne in etwa 300 bis 400 Stimmen – rauschen wir einfach so rein, begrüßen ganz freundlich die sich rechtswidrig überall aufhaltende Bereitschaftspolizei, die so ein wenig überrumpelt ist von unserem offiziösen Auftreten, schütteln Hände, lächeln und lachen. Die Delegationsteilnehmer*innen machen erste Fotos. Auch die erste Begegnung mit dem Antiterrorbeamten, mit dem sich im Laufe des Tages unsere Wege noch mehrmals kreuzen werden, gestaltet sich recht angenehm. Erst nach Rücksprache mit wem auch immer und aufgrund des Umstandes, dass wir keine vom türkischen Staat offiziell anerkannten Beobachter sind, verweist er uns höflich des Schulgebäudes. Wir dürften uns, heißt es, nur im Schulhof aufhalten, aber dort auch Fotos machen. Die Angaben dazu, was wir machen dürfen und was nicht, werden sich allerdings ab jetzt quasi stündlich ändern. „Habt ihr hier Fotos gemacht?“ beginnt der Antiterrorcop zu fragen, „Nein, nein, quatsch, wir müssen jetzt auch los, danke Herr Beamter“, wiegelt der uns begleitende Anwalt professionell die drohende Löschung der wenigen Bilder, die wir machen konnten, ab und wir rauschen so schnell wieder los, wie wir ankamen.
„Schnell, ins Dorf!“, ist die Ansage vom Anwalt. „Das gehört quasi uns und da gibt es keine Polizei, nur Gendarmerie, und die ist lässiger. Da können wir noch mehr Bilder machen.“ Ich sehe, irgendwie macht es auch dem Anwalt Spaß. Wir flitzen in sein Geburtsdorf, Sulak, und rauschen in die dortige Schule hinein. Hier gibt es nur zwei Urnen. Fast alle wählen HDP, wir werden königlich empfangen. Nur einer der offiziellen Wahlbeobachter, der offensichtlich nicht von der HDP ist, schaut ein bisschen mürrisch drein, mischt sich aber nicht ein. Wir gehen in den Urnenraum, schütteln der gesamten Wahlurnenkommission die Hände, verbeugen uns höflich – und machen Bilder. Als wir wenige Minuten später zügig die Schule wieder verlassen, kommt der lokale Gendarmeriekommandant gemütlich um die Ecke. Er wird ebenfalls königlich empfangen, ist sehr entspannt, schüttelt uns die Hände und setzt sich hin. Irgendwo im Schatten, 100 Meter vom Wahlort entfernt, stehen drei Gendarmeristen mit G3-Gewehren ebenfalls sehr entspannt herum. Alles ist easy, den Umständen entsprechend. Bis wir wieder losfahren. Da setzt der Telefonterror beim Anwalt ein. Zuerst das Sicherheitsdezernat: „Sofort zum Kontrollpunkt kommen!“ Dann der Gendarmeriekommandant, gleich zwei Mal hintereinander. Er ist erzürnt: „Der Provinzgouverneur hat mich gerade angerufen! Ihr seid gar nicht offizielle Beobachter! Ihr dürft das gar nicht! Sofort her mit den Personalien!“ Der arme Anwalt. Aber er ist ein professioneller Abwiegler, der seines gleichen sucht. Chapeau! Die Bilder jedenfalls nimmt uns niemand mehr ab.
„Den ganzen Tag schon laufen wir euch hinterher! Schaut mal, lasst das sein, wir haben auch keine Lust auf das Prozedere“, meint ein Polizist vom Sicherheitsdezernat am Kontrollpunkt. „Das Prozedere“ heißt hier: Untersuchungshaft. Was er sagen will, ist: Wenn ihr so weitermacht, muss ich euch halt festnehmen. Das Dealen darum, was wir dürfen und was nicht, geht wieder los: Dürfen wir dies, dürfen wir das, geht jenes nicht, aber dieses schon? Diesmal heißt es: Nicht mal in den Schulhof dürft ihr, aber außerhalb rumstehen, mit den Leuten reden und Fotos machen. Na immerhin! Unsere Aufgabe – den Ablauf der Wahlen zu beobachten – ist damit hinfällig, aber wir lassen uns nicht unterkriegen. „Dann erst recht“, ist so ein bisschen die Mentalität der Gruppe. Im HDP-Büro witzelt man schon über die Menge an Staatsapparaten, die uns hinterherläuft. „Fehlt nur noch das Büro für Drogenbekämpfung“, meint schallend lachend unser Fahrer.
Wir hüpfen mit der Parlamentskandidatin der HDP sowie den abgesetzten Co-BürgermeisterInnen von Idil von Schule zu Schule. Sie gehen rein, wir stehen draußen rum, machen Späße mit den für uns abgestellten Polizeibeamten, die so langsam gute alte Bekannte werden. Jeder von ihnen lässt die zwei, drei Wörter Deutsch raus, die er mal irgendwo aufgeschnappt hat. Irgendwann brummt ganz, ganz langsam ein Panzerfahrzeug der Polis Özel Harekat vorbei. Es passiert nichts, Glück gehabt. Während wir uns im Gespräch mit der Antiterrorpolizei – das sind so quasi fast die härtesten Jungs im Staate – erneut die Erlaubnis für das „vor der Schule rumstehen“ holen, meint irgendein anderer vom Sicherheitsdezernat zum Anwalt: „Ihr lasst das lieber sein.“ Wem sollen wir glauben? Es herrscht Chaos im Staat, die Zeiten sind exzellent, interpretieren wir die Sachlage, und machen weiter. Ein Gigolo mit gegelten Haaren und nicem Style läuft gemeinsam mit einem Kollegen vor der nächsten Schule breit lächelnd und mit einem brüchigen „Hallooooo Freunde!“ auf Deutsch auf uns zu, meint nur kurz und wie nebenbei – woran wir überhaupt merken, dass er Polizist ist –: „die Regeln kennt ihr, ja? Alles klar, keine Probleme, alles easy.“ Dann umarmt er mich seitlich: „Hier schau mal, komm das nächste Mal mit Akkreditierung und ich persönlich werde dir alles zeigen.“ Sein Arm macht einen großzügigen Halbbogen, der die gesamte Stadt und das Tal einschließt. Welch guter Freund. Er verabschiedet uns ganz herzlich und voller Lebensfreude.
Kurz darauf ist Schluss mit „lustig“. Die Vorsitzende der Bezirkswahlkommission selbst, die höchste Richterin im Bezirk, hat keinen Sinn für Humor. Sie ruft im HDP-Büro an und gibt kurz und knapp durch: „Meine letzte Warnung. Wenn die nochmal rausgehen, lass ich sie festnehmen.“ Drei andere Delegationsmitglieder, die ins nahe gelegene Uludere zur Wahlbeobachtung gefahren sind, wurden schon in Gewahrsam genommen und werden die ganze Nacht dort bleiben; rechte Revolverblätter verbreiten schon die Bilder ihrer Personalausweise mit dem Kommentar: „Deutsche Agenten, die Unruhe stiften wollen“. Es ist kurz vor fünf Uhr. Wir finden, wir haben alles versucht, was wir konnten und begeben uns in die freiwillige Büro-Haft. Bald werden die ersten Ergebnisse eintrudeln.
Zwischen Feier und Ernüchterung
In Cizre kommen wir ein paar Stunden später wieder an – kurz bevor die HDP laut offiziellen Zahlen der regierungstreuen Nachrichtenagentur Anadolu Ajansı die 10 Prozent-Wahlhürde knackt. Als das passiert, erheben sich aus der ganzen Stadt Jubelstimmen, sofort fangen die Autokonvois an. Ich kann das natürlich sehr gut nachvollziehen; gleichzeitig weiß ich, dass alle anderen Zahlen nicht sehr gut aussehen, weshalb ich mich bedeckt halte. Kurze Zeit später heißt es aus der HDP-Zentrale, dass nicht gefeiert werden soll und die Autokonvois verstummen fast unmittelbar. Die Straßen werden wieder dominiert von Wasserwerfern und Panzerfahrzeugen.
Ich weiß, dass Barış bey, der mir noch vor ein paar Stunden bei meiner Rückkehr nach Cizre voller Sympathie und bei Einhaltung aller Respektfloskeln anerkennend mit „Alp bey, ich hoffe Sie sind zufrieden“ die Hände geschüttelt halt, uns folgt und uns beschattet. Wenn ich mich umdrehe, verschwindet er in einer Seitengasse. Sein Auto und das seiner Kollegen folgen uns bis spät nachts, tauchen mal aus einer Seitenstraße vor, mal aus einer hinter uns auf, geradezu als ob sie uns in ihrer penetrant höflichen Art zu verstehen geben wollen: „Alp bey, keine Sorge, wir sind auch noch da, stets zu Diensten!“ Bei meinem Abflug – ich reise alleine ab – werde ich nicht mehr beschattet und sowieso überhaupt nicht belästigt. Ich bin ja der Übersetzer der Gruppe und von den Sicherheitskräften offensichtlich als Türke, also als „einer von uns“ kategorisiert. Es gibt ein türkisches Sprichwort, elçiye zeval olmaz – frei übersetzt: Der Botschafter trägt keine Schuld. Weshalb ihm auch nichts angetan wird. „Ihr seid nur ein paar Tage hier und geht dann wieder; wir sind immer hier“, ist das, was wir oft in Cizre und Idil hören. Was wird mit Yasin passieren? Wird er „bestraft“ werden dafür, dass er uns beherbergt hat? „Passt schon“, entgegnet er, als er mich zum Flughafen von Şırnak fährt, auf meine tausenden betretenen Entschuldigungen, dass wir ihn in diese missliche Lage gebracht haben. „Wir sind das gewohnt. Und ansonsten komm ich einfach zu euch. Ihr werdet mir doch Tür und Tor öffnen, oder nicht?“, meint er mit einem verschmitzten Lächeln.