Unterstützt die Spendenkampagne "Lila Solidarität!"
Mor Dayanışma ist eine arbeitskämpferische Frauenselbstorganisation, die sich in Vierteln, an den Arbeitsplätzen und in den Häusern mit den Problemlagen von Frauen auseinandersetzt. Die feministische Struktur hat derzeit große finanzielle Schwierigkeiten und läuft damit auch Gefahr, ihre Stadtteiltreffs zu verlieren. Die sind aber ein sehr wichtiger Bezugspunkt für die Frauen*, auch und gerade in Covid-19-Zeiten. Daher ist unsere Solidarität dringend nötig!
Nach einem intensiven Austausch mit den Genossinnen in der Türkei haben wir uns an das LabourNet Germany gewandt und um Unterstützung für eine Spendenkampagne gebeten. Die großartigen Genoss:innen haben sich sofort solidarisch gezeigt und mit uns gemeinsam die „Spendenkampagne ‚Lila Solidarität“ auf den Weg gebracht. Wenn ihr also ein paar Euro für internationale Soli-Arbeit übrig habt, klickt auf die Kampagnen-Seite oder scrollt zum Ende dieses Artikels für die Kontodaten.
[Spendenkampagne „Lila Solidarität“]
LabourNet Germany und das re:volt magazine rufen zu Spenden für die Basisaktivistinnen von Mor Dayanısma in der Türkei auf“ !
Warum die Kampagne nötig ist
Die Organisation Mor Dayanışma lebt von einmaligen oder regelmäßigen Spenden, eine staatliche Unterstützung existiert nicht und ist auch politisch nicht gewollt. In der Türkei trifft die Covid-19-Krise auf eine ganze Reihe weiterer sozialer Antagonismen und verstärkt diese: Das betrifft die schwelende Wirtschaftskrise samt rasanter Inflation sowie die autoritären Konsolidierungsversuche Erdoğans ebenso wie die immer wieder aufflammenden Widerstände im Kontext von Chauvinismus und (sexualisierter) Gewalt gegen Frauen*. Die Arbeitslosenquote von Frauen stieg schon vor der Corona-Pandemie in fünf Jahren um 52 Prozent und erreichte 2019 16,6 Prozent (das bedeutet über 1 755 000 Frauen ohne Einkommen durch Lohnarbeit). Knapp drei Millionen Frauen arbeiteten derweil mehr als 45 Stunden pro Woche, 34,4 Prozent dieser Frauen waren informell beschäftigt.
Und nun, wie überall auf der Welt, haben die Frauen* in der Türkei auch im Zuge der Corona-Krise die meisten Einkommensverluste und die größte Zunahme von Care-Arbeit zu verbuchen. Für die Arbeiterinnen* in den Fabriken und auch im privaten Sektor, in Geschäften und kleinen Betrieben, gibt es viele Probleme in Bezug auf Mobbing und sexuelle Belästigung. Hinzu kommt der Mangel an notwendigen Hygienemaßnahmen an den Arbeitsplätzen; die fortgesetzte Arbeit in Menschenmengen, lange Arbeitszeiten, ungesicherte Arbeit, zunehmende Nachtschichten, Lohnkürzungen und Gefahr von Kündigungen setzen den Frauen zu. In einem aktuell veröffentlichten Survey der Organisation wurde das Ausmaß der Hoffnungslosigkeit deutlich, die Frauen ohne ein aktuelles Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich in Bezug auf ein Auskommen und eine ausreichend bezahlte Lohnarbeit artikulieren: Nur 35 Prozent suchen überhaupt noch nach einer Arbeit. Aufschlussreich sind dabei die Notizen, welche die befragten Frauen im Survey-Abschnitt "Was Sie hinzufügen möchten" geschrieben haben: "Ich habe keinen Ort, an den ich gehen kann, ich habe keine Beschäftigungsmöglichkeiten", "Schutzräume sollten vermehrt werden", "Schutzräume und rechtliche Unterstützung sind für Frauen von entscheidender Bedeutung" und ähnliches. Die Sätze zeigen die Reaktionen der Frauen über das hoffnungslose Klima im Land und ihre Suche nach Lösungen angesichts multipler Problemlagen, die mit den wirtschaftlichen Schwierigkeiten verflochten sind.
Mor Dayanışma arbeitet immer wieder mit Frauenplattformen und Initiativen, wie Barkod-Kadın Dayanışma Ağı, der Arbeiter*innenorganisation Ekmek ve Onur oder Basisinitiativen wie #İşçilerBirlikteGüçlü (Arbeiter*innen sind gemeinsam stark) zusammen, um den Frauen* in ihren ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen zur Seite zu stehen und gemeinsam dagegen zu kämpfen. Hierzu unterstützen die Frauen* beispielsweise Streiks der Arbeiterinnen* vor den Fabriktoren oder führen Informationsveranstaltungen zu Arbeitsthemen durch.
Die Treffpunkte von Mor Dayanışma sind inmitten der Viertel angesiedelt, in denen Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen, Armut und schlechter gesundheitlicher Versorgung leben. Die Dynamiken der Krise betreffen damit die Frauen*, die sich bei Mor Dayanışma treffen, in besonderem Maße - und zwar in allen Bereichen des Lebens. Sie benötigen dringend diese Orte des Austauschs, der Organisierung und der kollektiven Herstellung von Handlungsfähigkeit, die sie sich selbst mit so viel Herzblut und Arbeit aufgebaut haben.
Mor Dayanışma wurde 2014 im Geist der Gezi-Proteste in der Türkei gegründet. Seither gibt es Stadtteil- und Regionalstrukturen der Organisation von Edirne bis Şırnak, von Istanbul bis Hatay. Im Laufe der Zeit entstanden in vielen Städten Zentren und Orte der Zusammenkunft, in denen sich Frauen* weiterbilden, politisch aktiv werden und sich gemeinsam gegen das patriarchale kapitalistische System zur Wehr setzen, welches eine ganz besondere Herrschaft über die Arbeit, Identität und Körper von Frauen* ausübt. Die Frauen* treffen sich für kostenlose Fortbildungen, etwa, was Arbeitsschutz und gesundheitliche Vorsorge angeht; sie können über die Basis-Organisation anwaltliche, gewerkschaftliche oder psychologische Unterstützung finden, oder gemeinsam Schmuck und Handwerkskunst herstellen, welches ihnen ein eigenes oder zusätzliches Auskommen ermöglicht. In Zeiten der Pandemie wurde die Unterstützung teilweise umorganisiert, um die Frauen in der Pandemie zu erreichen. Die Harekete Geç (Komm' in Bewegung) -Kampagne entstand zu einer Zeit, als die Verletzungen von Frauenrechten unglaublich zahlreich waren, und entwickelte sich dann zum Güvende Değiliz (Wir sind nicht sicher) - Prozess. Als Ergebnis dieser Kampagne wurde im September 2020 die oben aufgeführte Umfragestudie veröffentlicht, die mit 1497 Frauen aus 76 Provinzen durchgeführt wurde.
Aus basisgewerkschaftlicher Perspektive ist zentral, dass durch die Netzwerke der Frauen* untereinander die Möglichkeit von Arbeitskämpfen diskutiert und kollektiv nach Lösungen gesucht werden. Dadurch erfahren die Frauen das Gefühl der Selbstwirksamkeit und fangen an, sich auch in politischen und gewerkschaftlichen Kontexten zu organisieren. Das ist insbesondere deshalb so wichtig, weil viele der Frauen* bei Mor Dayanışma informell beschäftigt und somit von vielen institutionell verankerten Rechten ausgeschlossen sind. Mor Dayanışma ist dafür auch mit anderen Basisorganisationen verknüpft und versucht, in den Medien (etwa durch kontinuierliche Präsenz in den Sozialen Medien sowie zahlreichen Online-Angeboten der Mitglieder) und auf der Straße mit ihrer feministischen Arbeit aktiv zu sein.
Solidaritätsbotschaft von İrem Kayıkcı, Sprecherin von Mor Dayanışma in Istanbul:
Liebe Freundinnen und Freunde,
inmitten der pandemischen Entwicklung in der Türkei, in der Gewalt gegen Frauen*, Rechtsverletzungen und wirtschaftliche Ausbeutung von Frauen zunehmen, bin ich dankbar für eure Unterstützung. Wir versuchen, uns überall Gehör zu verschaffen, von den Stadtvierteln bis zu den Fabriken, und kämpfen für Frauen, die in vielen verschiedenen Arbeitsbereichen und Haushalten unterschiedlichen Formen der Ausbeutung ausgesetzt sind. Ihre Unterstützung wird uns helfen, uns weiter zu organisieren und den Kampf für die Befreiung der Frauen weiter zu stärken.
Mit meinen aufrichtigen Wünschen und meiner Solidarität,
İrem Kayıkçı
LabourNet Germany, das re:volt magazine und viele andere Unterstützer*innen rufen zu Spenden für Mor Dayanışma auf:
Spendenkonto: Labournet e.V.:
IBAN DE 76430609674033739600
BIC: GENODEM1GLS
Verwendungszweck “Lila Solidarität”
(für eine e-mail an verein@labournet.de samt Adresse kann eine Spendenquittung ausgestellt werden)