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Mit BDI und Schulz gegen die AfD?

kayle-kaupanger-195942.jpg K. Kaupanger | unsplash
Direkt nach der Bundestagswahl fragt sich jetzt die revolutionäre und nicht so revolutionäre Linke: Wie sollte unser Umgang mit der im Bundestag sitzenden und auf der Straße und in den Köpfen der Menschen erstarkenden AfD sein?

Der AfD ist es innerhalb von vier Jahren seit ihrer Gründung 2013 gelungen, mit zum Teil offen faschistischen Parolen und trotz aller innerparteilicher Eklats und Konflikte größere Teile der Bevölkerung Deutschlands für sich zu gewinnen. In manchen Wahlbezirken wurde sie stärkste Partei. Das hat viele Gründe. Zum Beispiel, dass sie von Teilen des deutschen Kapitals finanziell gefördert wird oder dass sie monate- und jahrelang in Talkshows und auf Podiumsdiskussionen auftreten sowie Interviews geben konnte und exzessiv über sie berichtet wurde – auch schlechte Aufmerksamkeit ist Aufmerksamkeit. Ein Grund ist aber auch, dass ihre Positionen nicht der vom bürgerlichen mainstream propagierte „rechte Rand“ sind, sondern offen in Hetzblättern wie der Bild verbreitet werden. Für einen schärferen Umgang mit Geflüchteten, Sozialabbau und Ausbau der Bundeswehr – dafür plädieren fast alle Parteien im Bundestag. Außerdem konnten sie vom Bankrott der etablierten Parteien derart profitieren, dass sie sich ganz diffus aber dafür wortgewaltig als „Gegner des Establishments“ präsentieren konnten, obwohl ihr Parteiprogramm der Bevölkerung Deutschlands etwas ganz anderes verspricht als Gegnerschaft zum Establishment. All das sind Gründe, weshalb die AfD erstarkt ist und auch viele enttäuschte und perspektivlose ArbeiterInnen, Angestellte, Hausfrauen oder Arbeitslose sie gewählt haben.

Die Wahl der AfD ist jetzt natürlich ganz schön super für die herrschende Klasse. Man kann sich wahlweise an die Parolen der AfD dranhängen, oder man kann sich selber als Ritter der liberalen Demokratie darstellen und damit verdecken, wieviel Verantwortung am „Debakel“ man selbst hat. So beispielsweise Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), der den Wahlerfolg der AfD mit folgenden weisen Worten zu kritisieren weiß: „Der Rückzug ins Nationale ist für unser Land keine Alternative: Die AfD ist im Kern gegen das, was Deutschland stark gemacht hat und weiter stark machen muss.“ Was indes Deutschland stark macht, da fand Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), etwas unverblümtere Worte: Das Kardinalproblem der deutschen Unternehmen sei Fachkräftemangel, der mitunter durch Anwerbung aus dem Ausland Abhilfe geleistet werden müsse. Deutschland könne sich also Ausländerfeindlichkeit „auch nicht ansatzweise leisten“. Von der AfD profitiert aber auch Martin Schulz, der seine zusammengekrachte Partei unter anderem mit der Begründung die Oppositionsrolle zuweist, damit die AfD nicht Oppositionsführerin wird. An allen Ecken ertönt es jetzt, wir alle gemeinsam müssten „unsere“ Demokratie schützen, wir müssten die armen, verblendeten AfD-WählerInnen wieder der liberalen Demokratie zugänglich machen und sie zurückführen auf den richtigen Pfad. Meine Meinung dazu ist eine andere. Es ist nicht unsere Aufgabe als radikale Linke, in den Tenor der bürgerlichen DemokratInnen einzusteigen, die um ihre Posten bangen, oder darum, dass sie die migrantischen Teile der Bevölkerung nicht mehr so gut ausbeuten können. Es ist unsere Aufgabe zu zeigen, dass die AfD genauso zu diesem System gehört, gegen das sie zu opponieren vorgibt. Wenn wir die nächsten vier Jahre damit beschäftigt sind, Schulz und Merkel gegen noch bösere NationalistInnen zu verteidigen, oder gar versuchen AfD-WählerInnen mittels Übernahme rechter Parolen zu gewinnen, werden wir in vier Jahren genauso blöd dastehen wie jetzt. Die radikale Linke wird sich nicht als Alternative für die Ausgebeuteten präsentieren können, wenn sie nicht auch faktisch eine wird und ihre Gegnerschaft zu diesem kapitalistischen System ausdrückt.

Wenn wir sie lassen, wird die AfD aus der Regierungsperiode, in der sie als kreischende Opposition im Bundestag sitzen wird, profitieren. Sie wird entweder ihren WählerInnen den bereits vonstatten gehenden Rechtsruck als ihr Produkt verkaufen können, oder sie wird sich, das kennen wir ja schon, als unverstanden, ausgeschlossen, kurz: als das Opfer darstellen. Beides wird ihr nützen, denn ein beachtlicher Teil ihrer Wählerschaft wählte die AfD gar nicht in der Absicht, dass sie regieren soll, sondern damit sie stört und „denen da oben“ eine Lektion erteilen. Das Problem wird sich auf jeden Fall nicht einfach von alleine erledigen, wie es vielleicht einige zu hoffen wagen insbesondere angesichts der bereits ausbrechenden Flügelkämpfe. Genau hier können und müssen wir ansetzen und aufzeigen, dass niemandem außer der eigenen Klasse eine Lektion erteilt wird, wenn eine nationalistische und autoritäre Partei wie die AfD Macht hat. Dann wird die AfD auch keinen Profit mehr schlagen können.

Es kommt darauf an, dass wir uns auf uns und unsere Klasse verlassen. Es wird in Zukunft darauf ankommen, ob wir es schaffen, starke Organisationen zu schaffen, die überhaupt wahrgenommen werden. Entscheidend hierfür wird es sein, ob wir mit der richtigen Haltung zu den Menschen gehen und unsere oftmals nach außen getragene „linke Überlegenheit“ ablegen können (nicht jeder Mensch in Sachsen, der die AfD wählt, ist ein Nazi, auch wenn das eine so schön einfache Erklärung ist). Es wird darum gehen, ob wir wirklich reale Alternativen für die Menschen aufzeigen und mit ihnen erkämpfen können - nicht nur in der fernen Zukunft, sondern schon heute.