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Hegemoniekampf oder selbstgewählte Isolation?

omar ramadan_free palestine GER demo (28.10.23).jpg Omar Ramadad

Seit dem Angriff der palästinensischen Nationalbewegung vom 7. Oktober 2023 und den sich darum entwickelnden Blutbädern mobilisieren die Herrschenden in Deutschland auf allen Ebenen gegen eine sich zunächst zaghaft und dann immer dynamischer entwickelnde Palästina-Solidaritätsbewegung. Die Repression reicht von offener Gewalt auf den Straßen durch BFE-Einheiten, über Streichung und Canceln von Projektmitteln, Demoverboten, psychische Gewaltausübung durch Schikanen, Stafverfahren, Entzug von Aufenthaltstiteln, bis hin zu emotionaler Gewaltausübung durch konstante Hetze, Verzerrung und Bloßstellung von Aktiven. Diese umfassende Repressionskampagne kann als Form des politischen Terrors gegen eine Minderheit verstanden werden. Nämlich dann, wenn wir darunter verstehen, dass es bei politischem Terror darum geht, durch Gewaltausübung auf allen Ebenen und der Schaffung einer Kultur der Angst Menschen davon abzuhalten, weiter Teil der Bewegung zu sein oder sich mit der Bewegung auch nur niederschwellig einzulassen. Trotzdem wuchs die palästinasolidarische Bewegung und so gingen im Laufe des Jahres 2024 immer größere Teile der Linken für ein Ende des Genozids in Gaza auf die Straße, politisierten sich Studierende und Schüler:innen, mobilisierten sich migrantische Communities und Refugees.

Wie verhielt sich die palästinasolidarische Linke dabei zu der wachsenden Bewegung? Welche Probleme charakterisieren die Bewegung aus einer Linken Perspektive? Das folgende ist primär eine Reflexion der Situation in Berlin. Die daraus gezogenen Lehren sind aber auch über Berlin hinaus von Bedeutung.

Die objektiven Faktoren des wachsenden Erfolgs

Zum Erfolg der Bewegung trugen einige maßgebliche politische Entwicklungen bei, die zunehmenden Widerstand hervorbrachten und damit den Nährboden bereitstellten, auf dem bereits vor dem 7. Oktober 2023 aktive Gruppen und Zusammenhänge aufbauten.

Zum einen wurde immer offensichtlicher, dass das Narrativ der Selbstverteidigung Israels angesichts der offensichtlichen Kriegsverbrechen der israelischen Armee nicht aufrecht zu erhalten ist. Zu offensichtlich die genozidalen Äußerungen israelischer Offizieller, zu hoch die zivilen Todeszahlen durch israelische Bombenangriffe, zu offensichtlich die deutsche Komplizenschaft und das Schweigen der Bundesregierung zu der immensen Zerstörung und Vertreibung in Gaza. Diese Tatsache mobilisierte bereits früh migrantische Communities, aber auch die üblichen Verdächtigen der Palästina-Solidarität auf die Straße.

Zum anderen gilt auch in puncto Staatsräson: Da, wo Herrschaft, das heißt die macht- und gewaltförmige Durchsetzung eines politischen Willens, wirkt, da wirkt auch immer der Widerstand in passiver, unsichtbarer oder aktiver und organisierter Form. Der von der Bundesregierung entfesselte und von zivilgesellschaftlichen Proxies, den Medien, der Polizei und den Geheimdiensten exekutierte Staatsterror gegen alles und jeden, der/die sich gegen ihre Komplizenschaft mit Israel positionierte, schreckte sicher einige Menschen ab, sich in der Bewegung zu organisieren. Das Vorgehen zog aber auch eine ganze Reihe an Menschen an, darunter jene, die diese Form des Umgangs mit Minderheiten bereits angesichts des Ukraine-Kriegs oder der Corona-Pandemie empörend fanden, aber auch solche, die aufgrund ihrer Migrationsgeschichte, also aus emotionalen oder familiären Bezügen heraus, mit der „Staatsräson“ über Kreuz liegen müssen.

Zuletzt dürfte der offen rassistische Diskurs der Ampel-Koalition und ihrer Sidekicks von CDU und AfD dafür gesorgt haben, dass auch die sorgsam gehegte und gepflegte Mauer des Schweigens in der deutschen Mehrheitslinken Risse bekommen hat und hier immer mehr prozionistisch eingehegte Kräfte sich zu lösen beginnen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Debatte in der Linkspartei, die seit vielen Jahren jede neue Weisung zum Staatsterror gegen Minderheiten aus den Rängen der Herrschenden mitträgt und nun wohl auch gegen ihre eigenen Mitglieder ausübt. [1] Andererseits ist die Tatsache, dass hier eine größere Diskussion entsteht und sich immer mehr Mitglieder an der Seite der Palästina-Bewegung wähnen, an sich bereits ein Erfolg.

Von der Taktik der prinzipiellen Offenheit

Nun erklären diese objektiven Faktoren zwar, warum eine ganze Reihe an Menschen in den individuellen Widerstand gegangen ist. Jedoch nicht, warum die Bewegung in der Lage war, dauerhafte kollektive Präsenz auf den Straßen zu entwickeln und in verschiedene gesellschaftliche Institutionen hinein Wirkung zu entfalten beziehungsweise die Politik unter Druck zu setzen. Dass der politische Gegner über die vergangenen Monate immer schreckhafter agiert und teilweise ausschweifend über einen wachsenden Einfluss der Bewegung herumjammert [2] sollte aufhorchen lassen – verweist es doch darauf, dass die Strategie des Staatsterrors angesichts der objektiven Entwicklungen und der subjektiven Widerstandskraft der Bewegung zumindest an Offensivkraft verliert, weshalb der Staat versucht, seine Offensive umzugestalten.

Tatsächlich passiert anhand der Palästina-Solidarität etwas in der Linken, das einen relevanten Kulturbruch in der Bewegungspraxis markiert und damit auch neue Herausforderungen aufwirft, die so bislang nicht vorhanden sein konnten. Zwar wurde in der Linken seit 2015 im Rahmen der Stadtteilarbeits-Debatte [3] oder daran anschließend der Debatte um Neue Klassenpolitik [4] oder auch in der Debatte um Linkspopulismus [5] immer wieder der Anspruch formuliert, eine populare Linke in Abgrenzung zu einer als gesellschaftlich isoliert wahrgenommenen Linken zu entwickeln.

Aber die Herausbildung einer popularen Linken verlangt nach einer Taktik der prinzipiellen Offenheit [6] in der Bewegung beziehungsweise in dem Kampffeld, in dem man sich bewegen will. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass nicht mit einer fertigen linken Agenda und einer abgefertigten linken Analyse von Allem in den Kampf getreten wird, sondern anhand linker realpolitischer und anknüpfungsfähiger Forderungen im Rahmen von Minimalkonsensen in Kontakt mit der gesamten Pluralität der Bewegung gearbeitet wird mit dem strategischen Ziel der Herausbildung oder Festigung der linken Hegemonie in dieser. Das bedeutet, dass man sich auch vorhandenen rechten Kräften und Einzelpersonen auf Bewegungsebene stellt und diese auf Bewegungsebene bekämpft statt von Außen mit zum Beispiel Gegendemonstrationen. In der Praxis bedeutet das viel aushalten, viel argumentativ überzeugen und anders als in den 2010er Jahren weniger ausschließen.

Bei welchen Akteuren der Palästinasolidarität dieser Kulturbruch bewusst konzeptionell vollzogen wird und wer sich umgekehrt eher opportunistisch den Notwendigkeiten der Bewegung unterwirft, ist ohne einen inneren Einblick in die jeweiligen Organisationen schwierig zu sagen. Dennoch lässt sich der Wandel in der Bewegungspraxis organisations- und spektrenübergreifend beobachten. Real umgesetzt wurde dieser Kulturbruch bei allen Debatten seit den 2010er-Jahren bisher nicht – wohl auch bedingt durch die Paukenschläge Corona-Pandemie, „Zeitenwende“ und Aufstieg der AfD.

Aber auch weil die Herausforderung bei einer solchen Bewegungspraxis bleibt, dass die herrschende Politik des Staatsterrors nun in der Palästina-Frage, aber zuvor eben auch schon in der Corona-Zeit und danach in puncto Ukraine-Krieg nicht unbedingt nur Linke oder mit der Linken sympathisierende Menschen in den Widerstand geführt hat, sondern von linksliberal bis rechts so ziemlich alles. In diesem Sinne ist eine Taktik der prinzipiellen Offenheit eine sehr unbequeme antifaschistische Angelegenheit und ihr Erfolg zum einen abhängig vom Kräfteverhältnis innerhalb der Bewegung, dann aber auch verbunden mit heftigen Hegemoniekämpfen mit rechten Kräften mit dem Ziel, diese schließlich zu isolieren oder auszuschließen.

Das Versuchsfeld dieser für große Teile der deutschen außerparlamentarischen Linken neuen Form politischer Taktik [7], die signifikant mit der hegemonialen linken Standpunktpolitik der 2010er-Jahre bricht, ist also nun die Palästina-Solidarität. Hier ist die Klammer der Bewegung sehr breit, wobei eine linksliberal-dissidente, postkoloniale Strömung dominiert. Neben dieser hegemonialen Strömung gibt es noch die Traditionslinken und auch rechte Kräfte, die eher nationalistisch-ethnisch und/oder religiös motiviert sind. Es ist darüber hinaus davon auszugehen, dass die palästinensischen Widerstandsfraktionen und auch türkische beziehungsweise iranische Proxies auf den Protesten präsent sind ohne sich transparent zu machen.

Wenn man es nun schlecht meint, könnte man sagen, dass die Tatsache, dass man es hier nicht mit deutschen, sondern migrantischen Rechten in einer Bewegung zu tun bekommt, die Hürde für eine palästinasolidarische deutsche Linke niedriger gesteckt hat, zur Taktik der prinzipiellen Offenheit überzugehen. Tatsächlich dürfte aber etwas anderes deutlich ausschlaggebender gewesen sein. Die genannten rechten Kräfte, ihre Organisationen und Einzelpersonen haben kein Interesse an der Politik in Deutschland und formulieren ein Ziel, das erst mal anknüpfungsfähig für die gesamte Breite der Bewegung ist: Nationale Selbstbestimmung, Völkerrecht, Ende der Besatzung und des Kriegs, Ende der rassistischen Diskriminierung in Palästina. Und bezüglich der Situation hierzulande: Ende der Repression und Gewalt. Wer der anderen Akteure der Palästina-Solidarität von liberal bis links kann dazu schon Nein sagen? Eben dieses Moment der taktischen Interessengleichheit bei unterschiedlicher weltanschaulicher Grundlage hält die Kräfte der Bewegung aufrecht und weiterhin in Dynamik. Dennoch gerät die Taktik der prinzipiellen Offenheit seitens der palästinasolidarischen linken Kräfte zunehmend in die Krise und droht in Opportunismus gegenüber den rechten Kräften innerhalb der Bewegung überzugehen. Auch deshalb, weil die Rechte selbst diese Taktik und zwar konsequenter betreibt als die Linke.

Von der Gefahr der radikalisierten Selbstisolation

Die rechten Kräfte in der Palästina-Solidaritätsbewegung sind nämlich alles andere als untätig, nur weil sie selten offen auftreten. Zwar verfolgen auch sie von rechts die Taktik der prinzipiellen Offenheit – denn sie wissen genau, dass sich abseits ihres eigenen Klientel nur die liberale oder radikale Linke in Deutschland und Israel für ihr Anliegen interessiert. Aber sie sind klug und erfahren genug, eine Taktik eben als eine Taktik zu betreiben, das heißt, als eine temporäre Bündelung von Kampfkräften an einer von ihnen gewählten Hauptkampflinie. Sie verfolgen aus ihrem Selbstverständnis heraus eben keine offene, internationalistische und solidarische Politik, sondern eine ethnozentristisch-nationalistische und/oder religiöse Politik in Abgrenzung zum israelischen Staat. Und dieses Selbstverständnis bringen sie mittelfristig strategisch in die Bewegung ein mit dem Ziel, ihre jeweiligen reaktionären Projekte vor allem in den migrantischen Communities zu promoten und ihre Basis damit auszubauen. Das langfristige strategische Ziel ist nicht progressive gesellschaftliche Veränderung hier in Deutschland, sondern reaktionäre Veränderung woanders in der Welt, eben in Nahost.

Woran erkennen wir, dass rechte Kräfte immer stärker versuchen dieses Selbstverständnis in die Palästina-Solidarität einzubringen?

Erstens: an einer politischen Praxis der identitären Schließung der Palästina-Solidarität durch ihr religiöses und nationalistisches Framing, zum Beispiel durch pauschal antisemitische Positionen oder aber auch durch sektiererische Adressierung der gesamten deutschen Mehrheitsbevölkerung und darunter vor allem dem weißen Teil als vermeintliche kollektive Mittäter:innen statt als gewinnbare Verbündete. Zur Praxis des Schließens gehört auch das forcierte Einbringen religiöser Bekundungen und Ansprachen an nur eine Religionsgemeinschaft durch Anhänger und Redner rechter Gruppierungen und Strömungen.

Zweitens: an der Unterordnung ihres politischen Handelns unter ihre reaktionäre Gesamtvision, die als Teil einer vermeintlichen „Achse des Widerstands“ und als alternativlos verstanden wird. Dazu gehört symptomatisch auch die teilweise hochproblematische positive Reaktion von Aktiven in den sozialen Medien oder auf den Straßen auf den Angriff des Irans auf Israel am Abend des 1. Oktobers 2024. Dazu gehört aber auch die bis heute leider nur dürftig ausfallende Kritik beziehungsweise sogar Legitimierung der problematischen wie erfolglosen Strategie der palästinensischen Nationalbewegung zur nationalen Befreiung, die der Militäraktion am 07. Oktober 2023 zugrunde lag und abseits der verurteilenswerten Massaker an zivilen israelischen Opfern auch ihr selbst massiv geschadet hat.

Drittens: an der monothematischen Hinwendung zum politischen Kampf im Kontext von Palästina und weg vom Denken im politischen Kontext in Deutschland. Das geht nicht nur damit einher, dass eine Verschränkung von Kämpfen hierzulande nicht versucht und breitere Bündnisse nicht geschlossen werden, sondern auch damit, dass realpolitische Forderungen nicht mehr gestellt und gewinnbare Kämpfe nicht mehr geführt werden. An ihre Stelle treten plakative, radikale wie unrealistische Maximalforderungen und ein zunehmend militantes, abschreckendes Auftreten.

Viertens: an dem pauschalen Silencen von jeder Kritik im Rahmen dieser Problemstellungen innerhalb der Bewegung, die durch rechte und rechtsoffene Kräfte aufgemacht werden mit dem Argument der vermeintlichen Spaltung. Üblich ist auch der Vorwurf der Instrumentalisierung durch die Linke – als ob allein die rechten Teile der Bewegung nichtinstrumentelles Interesse an der Sache hätten. Hier wird bewusst die rechts dominierte Volksfront der palästinensischen Nationalbewegung als Beispiel herangezogen, um eine solche Art der Einheit und des Vorgehens auch hier in der Bewegung festzuschreiben.

Problematisch ist, dass vor allem die linksliberale-dissidente, postkoloniale Mehrheitsströmung in der Palästina-Bewegung diese Momente nicht als das wahrnimmt, was sie sind: Der Aufstieg einer bürgerlich-konservativen bis rechten Hegemonie in der Bewegung und die Schwächung der klassenkämpferischen, linksoffenen Elemente. Stattdessen wird die Taktik der prinzipiellen Offenheit zum Dogma der prinzipiellen Offenheit verkehrt und dadurch vom hegemoniepolitischen Instrument der Linken zum hegemoniepolitischen Instrument der Rechten. Hier wird zum Beispiel der identitätspolitischen, postkolonialen Mehrheitsströmung ihr Hang zum kulturrelativistischen Essentialismus [8] genauso zum Verhängnis wie der Traditionslinken ihr Verharren in Konzepten der Volksfront beziehungsweise der nationalen Befreiung [9] aus der späten Stalin-Zeit. Wenn die Raumnahme rechter Kräfte und die Bedrohung, die damit für eine progressive Perspektive im Kampffeld Palästina verbunden ist, nicht gesehen wird, droht aber eine sektiererische Integration in die nationalistische/religiöse, identitäre Hegemonie und damit schließlich Selbstisolation und Zerfall der Bewegung in Deutschland.

Rückfall oder Schritte voran für eine populare Linke?

Fakt ist, dass die Palästina-Bewegung ein politischer Erfolg für die Linke in Zeiten des Rechtsrucks ist. Die palästinasolidarische Linke konnte hier erstmalig effektiv Widerstand gegen einen Grundpfeiler der Staatsräson und damit gegen den deutschen Imperialismus mobilisieren. Durch ihren Widerstand gegen den Staatsterror ist sie eine fundamental demokratische Bewegung gegen den weiteren Abbau unserer Grundrechte. Ein Fakt, den sich mehr Linke, die sich noch unsicher sind, wie sie sich verhalten wollen, vergegenwärtigen sollten. Zudem war die palästinasolidarische Linke nicht nur in der Lage, in eine neue Form der Bewegungspolitik einzutreten, sondern auch die Black Lives Matter- und Migrantifabewegung in eine weitere deutsch-migrantische Bewegung zu überführen. Diese wird von einer eine sehr breiten Klassenbasis getragen, darunter aber eben auch besonders von migrantischen Arbeiter:innenklasse-Elementen, die mehrfach unterdrückt werden. Das ist viel in Zeiten, in denen die Repression stärker wird, die Kriegsgefahr wächst und Faschisten vor Regierungsbeteiligungen stehen.

Die palästinasolidarische Linke sollte ihre Erfolge aber nun nicht verspielen. Je stärker das Moment der Selbstisolation der Bewegung wird, desto mehr gerät die Bewegung in die Fänge jener Kräfte, die einem internationalistischen und solidarischen Projekt gegenüber verschlossen sind. Sie täte gut daran, den Fehdehandschuh der rechten Kräfte aufzunehmen und sie argumentativ zu enttarnen und zu stellen. Und zwar ganz praktisch und konstruktiv indem alternative Positionen in der Innen- und Außenpolitik platziert werden, der Schließung die Öffnung gegenüber breiteren Gesellschaftsbereichen in Richtung breiterer Klassenbündnisse entgegengesetzt wird, die Hinwendung und Verbindung zu kommenden Kämpfen in Deutschland gesucht wird und Kritik an bedenklichen Positionen Raum erhält. Das eben wäre ein Zeichen dafür, dass die Taktik der prinzipiellen Offenheit nicht zum Opportunismus verkommt und im Rahmen einer Strategie der linken Hegemonie genutzt wird. Die Einsicht in die Notwendigkeit, dass auch Bewegungspolitik eben Politik ist und damit ganz nach deren Regeln des Machtkampfs um Deutung funktioniert, wäre überhaupt die Basis für den nächsten Schritt, denn: Den Willigen führt das Schicksal, den Widerstrebenden schleppt es mit.


Anmerkungen:

[1] Sehr unrühmlich ist hier zum Beispiel der parteiinterne Umgang mit dem durchaus streitbaren Genossen Ramsis Kilani (Sozialismus von unten), der vermutlich Startschuss für ähnlich geartete Prozesse gegenüber anderen ist. Sein Statement zum Parteiausschluss findet sich hier.

[2] Der Tagesspiegel-Autor Sebastian Leber etwa versucht sich in der Ehrenrettung dessen, was er die „Linke“ nennt.

[3] Vor allem geführt im Lower Class Magazine.

[4] Eine Sammlung zu dieser Debatte findet sich beim Journalisten Sebastian Friedrich.

[5] Konzeptionell aufbereitet beispielsweise von Violetta Bock und Thomas E. Goes.

[6] Diese Konzeptionalisierung stellt den Versuch des Autors dar, die von ihm beobachtete spektrenübergreifende Herangehensweise begrifflich zu fassen. Der Taktik der prinzipiellen Offenheit gegenüber steht eine Bewegungs- und Politikpraxis, die mit unveränderlichen Positionen von Außen versucht auf Bewegungen einzuwirken und mit harten Ein- und Ausschlusslogiken und/oder Repression arbeitet. Viele traditionslinke Parteien und Gruppen, etwa die MLPD mit ihrem missglückten Versuch bei Fridays for Future, arbeiteten so. Aber auch Teile der Autonomen Antifa, sowie an sie angeschlossenen Teilen der radikalen Linken arbeiten so und bekämpfen deshalb andere Bewegungen und Linke mit dem Vorwurf der vermeintlichen Querfront.

[7] Dem Autor ist bewusst, dass der beobachtete Ansatz an sich keineswegs neu und international mehr als üblich ist. Neubedeutet in diesem Kontext also gemessen an der durchschnittlichen Performance der Linken in Deutschland in den letzten Jahren. Der Vorläufer waren zum Beispiel die Versuche von Linken in den 2010er-Jahren die Occupy- und die Mahnwachen-Bewegung nach links zu ziehen, was in erstem Fall gut gelang und in die Blockupy Proteste mündete. In letzterem Fall unterschätzte man, dass rechte Kräfte hier bereits die gesamte Bewegungsinfrastruktur in der Hand hatten. Die Frage, in welcher Gewichtung die Kräfte in der Bewegung stehen und wie sehr man bereit ist, den Kampf zu führen, sind wohl ausschlaggebende Faktoren für den Erfolg im Kampf um die Hegemonie in politisch durchmischten Kämpfen.

[8] In der postkolonialen Theorie gibt es neben vielen bereichernden Erkenntnissen auch die eher problematische Tendenz, die Kultur insbesondere von unterdrückten und/oder kolonisierten Nationen usw. als politische Identität homogen, das heißt unter Ausklammerung beispielsweise von Klassenverhältnissen und Strömungsunterschieden zu mobilisieren und zum alleinig positiven Ausgangspunkt ihres Kampfes zu machen.

[9] Die Gefahr einer rechts dominierten Volksfront zeigt Alp Kayserilioğlu auf den Seiten dieses Magazins auf.

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