Audio: Das ist nicht unser Haus!
Am Montag nach der zweiten großen Nazi-Demo anlässlich der Corona-Politik war sich die taz nicht zu schade, mit den Worten „Das ist unser Haus“ über einem Foto des Reichstags zu titeln. „Bitte was?“, möchte man da fragen. „Was ist bloß aus denen geworden?“. Und: „Was soll man dazu noch sagen?“
Eigentlich gibt es dazu Einiges zu sagen.
Die Bildung einer Phalanx aus Faschisten, Verschwörungsideolog_innen, Eso-Nazis und Bürgerlichen ist kein Anlass für Linke, sich der bürgerlich-liberalen Demokratie anzubiedern. Es wäre ein Fehler, in der Verbrüderung mit dem Liberalismus eine antifaschistische Strategie zu sehen, ist er doch eine Ideologie, die dem grassierenden rechten Gedankengut den Boden bereitet hat. Natürlich gibt es in der bürgerlich-liberalen Demokratie Rechte, für die wir auch als radikale, revolutionäre Linke stehen – Meinungs-, Presse-, Versammlungsfreiheit und eine, wenn auch stark begrenzte, Möglichkeit zur politischen Partizipation, wobei die Regierten natürlich immer die Regierten bleiben.
Es gibt diese Überschneidungen, weil wir als Linke demokratische politische Ziele haben. Es gibt aber auch die andere Seite der bürgerlich-liberalen Demokratie. Sie ist ein System zur Verwaltung und Führung von Menschen im Sinne des freien Marktes. Sie lässt der Bevölkerung immer so viel relative Freiheit, wie es braucht, um effektiv im Sinne einer kapitalistischen Produktions- und Verwertungslogik zu regieren. Für die Regierenden ist es sehr viel weniger gefährlich, wenn wir uns bei unseren grundrechtlich gesicherten Kundgebungen die Beine in den Bauch stehen, als wenn wir uns dem kapitalistisch-bürgerlichen System verweigern und entgegenstellen, weil wir unsere Fesseln deutlich genug spüren.
Die liberale Demokratie begrenzt die schlimmsten Auswüchse der Ausbeutung, um die Produktivität und Leistungsfähigkeit der Menschen zu erhalten, lässt aber noch so viel davon zu, dass der unternehmerische Profit gesichert ist. Sie hat kein Interesse an einer Überwindung des Kapitalismus, denn sie existiert in Symbiose mit ihm und profitiert von unserer Fügsamkeit am Arbeitsplatz.
Linke demokratische Forderungen müssen deshalb immer über das hinausgehen, was die bürgerliche Politik uns zugesteht. Wir müssen eine Perspektive anbieten, die sich klar gegen rechts, aber auch klar gegen das liberale Spektrum abgrenzt und es rechten Kräften nicht überlässt, sich als einzige Alternative zu den herrschenden Zuständen zu präsentieren. Wir müssen einen Weg aufzeigen, auf dem wir gemeinsam für soziale Gerechtigkeit, echte Partizipation und die kollektive Überwindung von Ausbeutung und Unterdrückung kämpfen und die Möglichkeit einer Gesellschaft vorzeichnen, in der grundlegende Rechte als Wert aufscheinen und nicht als politische Strategie.
Ein Haus, in dem ein Parlament täglich nur an der politischen Rahmenordnung für den Kapitalismus herumdoktert und darüber hinaus regelmäßig die Faschisten von der AfD das Wort bekommen, ist nicht unser Haus.
Und zur taz bleibt nur zu sagen: Zum Kopfschütteln peinlich. Oder: Ein Blatt, das AfD- und Bundeswehrwerbung abdruckt und nun den Reichstag zur Bastion gegen die Faschisierung stilisiert, ist schon lange nicht mehr links und nicht unsere Zeitung.