Welche Art der Selbstbestimmung? Zur Rojava-Revolution
\n1.\nNationale Selbstbestimmung
\n\nK\u00e4mpfen\num nationale Selbstbestimmung steht die deutschsprachige Linke meist\nablehnend gegen\u00fcber \u2013 genau dieser Kampf ist allerdings zentrales\nKernelement und Motivationskraft in der Revolution von Rojava wie\nauch in den Auseinandersetzungen in den anderen Teilen Kurdistans.\nBekannterma\u00dfen existierten relativ autonome kurdische Provinzen in\nMesopotamien seit sp\u00e4testens dem 15. Jahrhundert und wurden auf\nzeitgen\u00f6ssischen Landkarten auch als \u201eKurdistan\u201c benannt. Im\nZuge des Ersten Weltkrieges wurde den Kurd*innen allerdings seitens\nder Imperialisten genau so wie seitens der neu entstehenden\nNationalstaaten die Bildung eigener Staaten oder Autonomiegebiete\nversagt. Das f\u00fchrte in allen vier Staaten (T\u00fcrkei, Irak, Iran,\nSyrien), auf die das historische Gebiet Kurdistan aufgeteilt wurde,\nbis zum heutigen Tag zur Unterdr\u00fcckung der Kurd*innen \u2013 und zum\nWiderstand und Kampf gegen diese Unterdr\u00fcckung und f\u00fcr die\nnationale Befreiung. Der Westen nahm hierbei eine ganz besonders\neklige Rolle ein: Er unterst\u00fctzte zwecks Schw\u00e4chung jener\nNationalstaaten phasenweise den Unabh\u00e4ngigkeitskampf der Kurd*innen\ngegen die Unterdr\u00fcckung, die er selbst sanktioniert hatte, nur um\ndie Unterst\u00fctzung sofort wieder zu entziehen, wo eine erneute\nEinigung mit den jeweiligen Nationalstaaten erreicht werden konnte.\nAm brutalsten fand dies im Zuge der kurdischen\nUnabh\u00e4ngigkeitsbewegung im Irak statt, die, mittlerweile unter\nF\u00fchrung von Barzani Jr., wenig von der eigenen Geschichte gelernt zu\nhaben scheint.
\n\nIn\nSyrien lief es nicht wesentlich anders ab. Im Zuge arabischer\nAufst\u00e4nde 1925 im damaligen Mandatsgebiet Syrien versuchten\ndieselben Franzosen, die den Kurd*innen noch vor wenigen Jahren die\nAutonomie versagt hatten, dieselben auf ihre Seite zu ziehen, indem\nsie sie f\u00fcr ihre Armee (Les Troupes Sp\u00e9ciales du Levant)\nrekrutierten. Als dann arabische Nationalisten in Syrien 1946 die\nUnabh\u00e4ngigkeit erk\u00e4mpften, erfolgte (zuerst schrittweise und erst\nab 1954/57 systematisch) eine massive Repressionswelle gegen\u00fcber den\nsyrischen Kurd*innen, die Vertreibung, Zwangsarbeit, Entzug der\nStaatsb\u00fcrgerschaft, Verhaftungen, Verbot kurdischer Traditionen,\nNamens\u00e4nderung von D\u00f6rfern usw. beinhaltete. Assad Sr. f\u00fcgte\ndieser Unterdr\u00fcckung 1973 die Errichtung eines schon lange geplanten\n\u201earabischen G\u00fcrtels\u201c (al-hizam al-'arabi) im heutigen\nRojava hinzu: Hunderttausende Kurd*innen wurden zwangsumgesiedelt,\nanstatt ihrer Araber*innen angesiedelt. Wie so oft sollte eine\nZersplitterung einer unterdr\u00fcckten Bev\u00f6lkerung und Vermischung mit\nanderen Bev\u00f6lkerungsteilen zu einer politischen Schw\u00e4chung und\nAssimilation der jeweiligen unterdr\u00fcckten Minderheit f\u00fchren.
\n\nIm\nGegensatz zu den anderen Teilen des historischen Kurdistans\nentwickelte sich der Befreiungskampf in Syrien aber dezidiert anders:\n1979-80 seilten sich die PKK-Gr\u00fcndungskader nach Syrien ab und\nlie\u00dfen sich von der PLO im Guerilla-Kampf trainieren. Gemeinsam\nwiderstanden sie 1982 der israelischen Invasion des Libanon. Ab dem\nPunkt wurde die PKK f\u00fcr den syrischen Staat interessant: Als\nDruckmittel gegen\u00fcber der T\u00fcrkei tolerierte er, dass die PKK ihre\nmilit\u00e4rischen Hauptausbildungslager in Syrien unterhielt, daf\u00fcr\nverzichtete die PKK darauf, die kurdische Frage in Syrien zu\nthematisieren, um ein ungest\u00f6rtes organisatorisches Hinterland zu\nhaben. Es waren die 1980er und 1990er, in denen die PKK das\nweitfl\u00e4chige und engmaschige Organisationsnetzwerk in (Nord-)Syrien\naufbaute, auf das sie dann 2011-12 erfolgreich zur\u00fcckgreifen konnte.\nLetztlich wurde das informelle B\u00fcndnis zwischen Assad-Regime und PKK\nin Syrien gek\u00fcndigt: Einerseits erlangte der revolution\u00e4re\nVolkskrieg in Nordkurdistan (S\u00fcdostt\u00fcrkei) eine Pattsituation, die\ndie PKK dazu brachte, einen Waffenstillstand zu erkl\u00e4ren und f\u00fcr\ndie \u00d6ffnung der politischen Sph\u00e4re zu k\u00e4mpfen. Damit allerdings\nverlor Syrien das Interesse an der Unterst\u00fctzung der PKK.\nAndererseits marschierte die 2. Armee der T\u00fcrkei an der syrischen\nGrenze auf und lie\u00df ein Ultimatum an Assad durchgeben: Entweder wird\ndie PKK sofort ausgewiesen und alle Lager geschlossen, oder wir\nmarschieren ein. Im Adana-Abkommen von 1998 akzeptierte Syrien die\nBedingungen der T\u00fcrkei, der PKK-F\u00fchrer \u00d6calan musste fliehen und\nfiel letztlich in Gefangenschaft. Aus der Isolationshaft heraus\nleitete er den Paradigmenwechsel der PKK von\nmarxistisch-leninistischem nationalen Befreiungsprogramm zum\ndemokratischen Konf\u00f6deralismus ein.
\n\nWichtig\nf\u00fcr die Perspektive der nationalen Frage war, dass die PKK ab nun in\nallen Teilen Kurdistans genuine politische (Massen-)Strukturen\naufbaute: Mit der PCDK im Irak (2002), der PYD in Syrien (2003) und\nder PJAK im Iran (2004) wurden PKK-nahe Strukturen erschaffen, die\nder Politisierung und Mobilisierung der Massen dienen sollten.\nEntsprechend repressiv reagierte der syrische Staat, als die\nkurdische Frage nun auch in Syrien wieder thematisiert wurde:\nT\u00fcrkischen Medienberichten zufolge wurden im Zeitraum von 2003 bis\n2011 etwa 1.400 Mitglieder der PYD in Syrien inhaftiert.
\n\nAls\nsich dann 2012, als es um das syrische Regime \u00e4u\u00dferst schlecht\nbestellt war, die syrischen Kr\u00e4fte weitestgehend aus Nordsyrien\nzur\u00fcckzogen, um die Kerngebiete des Regimes zu verteidigen,\n\u00fcbernahmen die sehr gut organisierten PKK-nahen Kr\u00e4fte in Teilen\nder heutigen Kantone Afr\u00een, Koban\u00ea und Ciz\u00eere die Macht. Sofort\nhoben sie alle anti-kurdischen Beschr\u00e4nkungen auf, legalisierten die\nkurdische Sprache, Organisationen und Feste und er\u00f6ffneten dutzende\nSchulen, Kulturinstitutionen usw. zur F\u00f6rderung der kurdischen\nSprache und Traditionen. Die nationale Befreiung war somit\nerfolgreich und strahlte bis in die T\u00fcrkei aus, in der sie die\nKurd*innen massenhaft motivierte.
\n\nInteressant\njedoch sind die Konflikte, die sich alsbald im kurdischen Lager um\nden Charakter der nationalen Befreiung einstellten: Sollte die\nnationale Befreiung demokratisch oder nationalistisch\nsein? \u00d6calan lobte vom Gef\u00e4ngnis aus die erfolgreiche nationale\nBefreiung, insistierte jedoch seit 2013 scharf darauf, dass die\nRevolution nicht dabei stehenbleiben d\u00fcrfe. Er dr\u00e4ngte die PKK und\ndie PKK-nahen Kr\u00e4fte dazu, \u201eRojava\u201c (auf Kurdisch Westen) in\neine Nordsyrische F\u00f6deration zu verwandeln, die nicht kurdisch zu\ndefinieren sei, sondern als Gebilde, die alle Rechte der in\nNordsyrien wohnenden Bev\u00f6lkerung anerkennt und mehrere Amtssprachen\nkennt \u2013 unter anderem Kurdisch. Den eher traditionalistisch\nausgerichteten Kr\u00e4ften, die dem nordirakischen Barzani-Clan\nnahestehen, hingegen war die Revolution nicht national genug: Sie\nverlangten eine explizit kurdische Definition des Gebildes und\nwandten sich von den Vorschl\u00e4gen der PKK-nahen Kr\u00e4fte ab, die sie\nzu kommunistisch und feministisch fanden.
\n\nLetztlich\nsetzte sich die demokratische Perspektive durch: Rojava und\nsp\u00e4ter die Nordsyrische F\u00f6deration wurde als multiethnisches,\nmultilinguales und multireligi\u00f6ses Gebiet begriffen und\ninstitutionalisiert, unterschiedliche Minderheitenquoten auf\nunterschiedlichen Ebenen eingef\u00fchrt. Mit den Syrischen\nDemokratischen Kr\u00e4ften (SDF) schufen die PKK-nahe Partei der\nDemokratischen Einheit (PYD) sowie die Volksverteidigungseinheiten\n(YPG) eine Milit\u00e4rkoalition, die quantitativ betrachtet mittlerweile\nmindestens zur H\u00e4lfte von nicht-kurdischen Elementen gestemmt wird\n(auch wenn qualitativ betrachtetet die kurdische YPG dominiert),\nw\u00e4hrend die Stadtr\u00e4te der befreiten St\u00e4dte je nach ethnischer\nBev\u00f6lkerungszusammensetzung strukturiert sind: So dominieren z.B.\nAraber*innen den Stadtrat von Tel Abyad; beim politischen Pendant zum\nSDF, dem Syrian Democratic Council (SDC), verh\u00e4lt es sich ebenso.\nDiese Form der demokratischen Perspektive wird seitens PYD und\nanderen Organisationen letztlich ganz Syrien als L\u00f6sungsmodell f\u00fcr\ndie internen Konflikte vorgeschlagen. Daf\u00fcr spricht nicht zuletzt,\ndass es in Syrien wie im gesamten Nahostraum die (vom Westen\ngef\u00f6rderten) sektiererischen Spaltungen waren, die eine\nStabilisierung der Region bis heute verunm\u00f6glichten.
2.\nR\u00e4tedemokratische Selbstorganisierung\n
Es gibt\nein Kernst\u00fcck, f\u00fcr das sich die Linke weltweit interessiert, wenn\nes um Rojava geht, n\u00e4mlich die r\u00e4tedemokratische\nSelbstorganisierung. Dabei \u00fcbersehen Linke oft, dass das politische\nSystem in Rojava durchaus komplexer und widerspr\u00fcchlicher ist. PKK-nahe\nKr\u00e4fte f\u00fchrten das R\u00e4tesystem mit der Macht\u00fcbernahme 2011-12 in\nden Gebieten ein, in denen sie die F\u00fchrung innehatten. Grenzen fand\ndie Implementierung in der Skepsis nicht-PKK-naher sowie\nnicht-kurdischer Kr\u00e4fte als auch in den Gebieten, in denen der IS\nw\u00fctete. Das R\u00e4tesystem erwies sich als erstaunlich flexibel und\nrobust und konnte sich z.B. im Kanton Koban\u00ea nach der Vertreibung\ndes IS sofort wieder etablieren. Schritt um Schritt weitete sich das\nR\u00e4tesystem aus.\n
Das\nR\u00e4tesystem besteht von unten nach oben aus Kommunal-,\nStadtteil-/Dorfgemeinschafts- und Gebietsr\u00e4ten sowie einem obersten\nVolksrat, wobei der Volksrat quasi das politische Hauptorgan f\u00fcr\nganz Rojava ist. Der Kern sind die einzelnen Kommunen, die je nachdem\naus 40 bis 300 Haushalten eines Stra\u00dfenzugs konstituiert werden.\nEin- bis zweimonatlich tagt das Plenum der Kommune, an der jede*r aus\nder Kommune teilnehmen und mit entscheiden darf. Die Plena initiieren\nje nach Bedarf die n\u00f6tigen Kommissionen, w\u00e4hlen die Koordination\nsowie die Ko-Vorsitzenden und entscheiden in zentralen\nAngelegenheiten. In der Koordination, die durchschnittlich\nw\u00f6chentlich tagt, treffen sich die Ko-Sprecher*innen der insgesamt\nacht Kommissionen (Politik, Frauen, Verteidigung, Freie Gesellschaft,\nZivilgesellschaft, Ideologie, Justiz, Wirtschaft) sowie die\nKo-Vorsitzenden der Kommune, um \u00fcber die Koordination der einzelnen\nArbeitsfelder zu diskutieren und zu beschlie\u00dfen. Diese Treffen sind\n\u00f6ffentlich. Die Kommissionen hingegen arbeiten zu den jeweiligen\nTeilbereichen innerhalb der betreffenden Kommune: Sie beschlie\u00dfen\nInfrastrukturma\u00dfnahmen, k\u00fcmmern sich um M\u00fcllentsorgung sowie die\nVersorgung von Kranken und Mittellosen, organisieren die Sicherheit\nund wenden sich bei Problemen, die ihre Mittel \u00fcberschreiten, an die\nh\u00f6heren Strukturen. An den Kommissionen kann sich jede*r aus der\nKommune beteiligen. Die Kommune ist Kern des R\u00e4tesystems und\nzugleich dasjenige Element, das die gr\u00f6\u00dftm\u00f6gliche direkte\nPartizipation der Bev\u00f6lkerung erlaubt.\n
Auf der\nn\u00e4chsth\u00f6heren Ebene treffen sich die Koordinationen von sieben bis\n30 Kommunen zum Plenum des jeweiligen Stadtteil- bzw.\nDorfgemeinschaftsrats. Nach demselben Muster wie in den Kommunen\nwerden die dortigen Gremien gestaltet, kontrolliert und Beschl\u00fcsse\nin die Tat umgesetzt. Die Eigenm\u00e4chtigkeit der jeweiligen Kommunen\nwird dadurch gewahrt, dass sie die Stadtteilr\u00e4te zusammensetzen und\nzugleich dadurch, dass Entscheidungen der jeweiligen R\u00e4te in den sie\nbetreffenden Kommunen abgenickt werden m\u00fcssen. Diese Kompetenz der\njeweils unteren Strukturen, auch von Entscheidungen der oberen\nStrukturen abweichen zu d\u00fcrfen oder Einspruch einzulegen, gilt f\u00fcr\ndas gesamte System. Es ist nicht ganz klar, wie weit dieses Recht\ngeht.\n
Ab der\ndritten Stufe des R\u00e4tesystems, dem Gebietsrat (eine gesamte Stadt\nplus Umfeld), engagieren sich vermehrt Parteien und NGOs. W\u00e4hrend\ndas Plenum erneut aus den dazugeh\u00f6renden Koordinationen besteht,\nbekommen nunmehr Parteien, die auf der vierten und obersten Ebene des\nR\u00e4tesystems, dem Volksrat, aktiv sind, zus\u00e4tzliche Sitze in den\nPlena der jeweiligen Gebietsr\u00e4te. An die Gebietsr\u00e4te sind zum\nBeispiel auch die ehemals staatlichen Kommunalverwaltungen mit ihren\nkommunalen Diensten und Infrastrukturen angebunden. Die\nKoordinationen der Gebietsr\u00e4te scheinen hingegen viel st\u00e4rker bei\nder TEV-DEM, der Koalition PKK-naher Kr\u00e4fte, zu liegen. Als vierte\nund h\u00f6chste Instanz rangiert der Volksrat Westkurdistans, der\nebenfalls eng mit der TEV-DEM gekoppelt ist. In ihm werden\nAngelegenheiten, die ganz Rojava betreffen, koordiniert und\nbeschlossen.\n
Dies\nklingt zun\u00e4chst alles recht \u00fcbersichtlich strukturiert. Letzten\nEndes bleibt aber die genaue Struktur und vor allem die\nKompetenzverteilung der unterschiedlichen Elemente des politischen\nSystems von Rojava noch unklar bzw. noch nicht vollst\u00e4ndig\nentwickelt. Zus\u00e4tzlich bestehen seit 2014 zunehmend parallel zu den\nR\u00e4testrukturen parlamentarisch-demokratische Strukturen auf\nGemeinde- und Stadtebene. Hinzu kommt \u2013 seit dem\nGesellschaftsvertrag von Rojava \u2013 die Gliederung Rojavas in\neinzelne Kantone, die wiederum eher klassisch f\u00f6deral-parlamentarisch\norganisiert sind. In ihnen sind auch Kr\u00e4fte organisiert, die beim\nR\u00e4tesystem nicht mitmachen. Und die Transformation von Rojava in die\nNordsyrische F\u00f6deration im M\u00e4rz 2016 ging einher mit einer\nAusweitung auf Gebiete, die noch nicht einmal kantonal organisiert\nsind. Au\u00dferdem wurde erst vor kurzem (Ende Juli 2017) beschlossen,\ndie Kantonsstruktur wieder umzu\u00e4ndern in sechs Regionen mit drei\nKantonen. Alle diese \u00c4nderungen st\u00e4rkten zwar die politische\nIntegration des mittlerweile f\u00f6deralen Gebietes mittels Ausweitung\nund Inklusion von bis dato insbesondere nicht-kurdischen Akteuren und\nnicht-PKK-nahen Kurd*innen, die fast \u00fcberall mehrheitlich dem\nR\u00e4tesystem fernblieben. Aber die Verteilung von Kompetenzen und\nEntscheidungsgewalten und damit das politische System ist dadurch\nnoch verwirrender und unklarer geworden. Es scheint der Fall zu sein,\ndass vieles de facto geregelt wird und die R\u00e4te in den Gebieten, in\ndenen sie stark ausgebaut sind und wo die PKK-nahen Kr\u00e4fte stark\nsind, viel Bestimmungsmacht haben. An diesen Orten scheinen\nweitestgehend die Interessen der h\u00f6heren Entscheidungsebenen mit\ndenen der unteren sowie diejenigen der parlamentarischen Strukturen\nmit denen der R\u00e4te zu harmonieren. Es wird sich aber erst mit Ende\ndes Krieges und der Ausdifferenzierung (klassenf\u00f6rmiger) Interessen\nzeigen, wohin sich das politische System entwickeln wird.\n
Fakt\nist, dass neben der nationalen Befreiung insbesondere die politische\nStruktur des R\u00e4tesystems eine bisher nicht gesehene\nMassenpartizipation und Selbsterm\u00e4chtigung in den betreffenden\nGebieten insbesondere auf kommunaler Ebene entfesselte. Die Menschen\nder Viertel und D\u00f6rfer sind mittlerweile \u00fcberall, wo das R\u00e4tesystem\nentwickelt ist, aktiv an allen Belangen der jeweiligen Viertel und\nD\u00f6rfer beteiligt und stellen sogar die erste Stufe der\nSelbstverteidigungsmilizen dar. \u00dcber die an die Kommunen\nangekoppelten Kooperativen entwickeln sie zugleich erste Ans\u00e4tze von\nWirtschaftsdemokratie in den Betrieben und von gesellschaftlicher\nPlanung. Zudem werden Staatsapparate, die in b\u00fcrgerlichen Staaten\nklassisch b\u00fcrokratisch-autorit\u00e4r organisiert sind, politisiert: So\nw\u00e4hlen die Einheiten des kurdisch dominierten Milit\u00e4rs (YPG/J) ihre\neigenen Offizier*innen und sind den jeweiligen R\u00e4ten\nrechenschaftspflichtig. Dasselbe gilt f\u00fcr die Polizei (Asayish). All\ndies sorgt f\u00fcr eine demokratische Politisierung und\ngesellschaftliche Kontrolle von Apparaten, die in b\u00fcrgerlichen\nGesellschaften normalerweise hochprofessionalisiert und b\u00fcrokratisch\nsind und damit strukturell wie personell den Interessen der\njeweiligen gesellschaftlichen Eliten dienen.\n
Nicht\nzuletzt aus der Perspektive der Frauen(selbst)erm\u00e4chtigung ist die\nLeistung des R\u00e4tesystems beachtlich. An der von \u00d6calan entwickelten\nTheorie der Jineologie l\u00e4sst sich aus westlich-feministischer\nPerspektive mit Fug und Recht die Naturalisierung von\nGeschlechterrollen kritisieren. \u00dcbersehen sollte man deshalb aber\nnicht, unter welchen Umst\u00e4nden die Frauenbewegung in Rojava entsteht\nund was sie zu erreichen im Stande ist: Innerhalb weniger Jahre\nwurden in einem erzpatriarchalen Gebiet, in dem zudem der IS mit\nMassenversklavung und -vergewaltigung von Frauen w\u00fctete und\nweiterhin w\u00fctet, Gender-Quoten in politischen und milit\u00e4rischen\nAngelegenheiten normalisiert, eigenst\u00e4ndige Frauenr\u00e4te gebildet\nund, als Mittel der Frauenbefreiung, eigenst\u00e4ndige\nFrauen-Kampfeinheiten, die YPJ institutionalisiert. Insbesondere sie\nist, als origin\u00e4r milit\u00e4risch-politische Formation, die sich\nnicht allein auf milit\u00e4rische Handlungen reduziert, in der Lage,\nFrauen in der Region scharenweise zur politischen Partizipation und\nSelbsterm\u00e4chtigung zu organisieren. Frauenkooperativen hingegen\nsollen die Abh\u00e4ngigkeit der jeweiligen Frauen von den Familien und\nEhem\u00e4nnern aufheben. Eine eigens eingerichtete Notfallhotline soll\nFrauen, die z.B. wegen Zwangsverheiratung zu Suizid tendieren,\nhelfen; in Frauenh\u00e4usern k\u00f6nnen sich Frauen ohne zeitliche\nEinschr\u00e4nkung aufhalten und erhalten kostenlose Bildung. Was\nstrafrechtliche Angelegenheiten in Bezug auf Frauen und Kinder angeht\n(von Bel\u00e4stigung \u00fcber Vergewaltigung bis hin zu h\u00e4uslicher\nGewalt), ist eine sonders aus Frauen gebildete Sicherheitsbeh\u00f6rde,\ndie Asayisch-J, sowie aus Frauen gebildete R\u00e4te zust\u00e4ndig. \u00c4hnliche\nInstitutionen w\u00e4ren nicht nur in der deutschen Linken bitter n\u00f6tig.\nSie f\u00fchren ganz offensichtlich zu einer St\u00e4rkung, nicht Schw\u00e4chung\ndes gesamten Revolutionsprozesses.\n
Alle\ndiese Errungenschaften der Revolution damit zur Seite zu schieben,\nindem man behauptet, sie seien integrierbar in die imperialistischen\nPl\u00e4ne im Nahen Osten, da diese ja auch die \u201eMenschenrechte\u201c und\nden \u201ePluralismus\u201c hoch hielten, ist auf eine menschenverachtende\nArt und Weise zynisch. Der Imperialismus mag im Nahen Osten stets mit\ndem Menschenrechtsbanner einmarschiert sein; Folge waren aber noch\nmehr Chaos, Massaker und Sektierertum \u2013 das Gegenteil von\nDemokratie und Pluralismus. Jede Befreiung im Nahen Osten muss\nunabh\u00e4ngig gegen den Imperialismus, aber auch gegen die reaktion\u00e4ren\nRegime vor Ort erk\u00e4mpft werden.\n
3.\nKeine R\u00e4tedemokratie ohne revolution\u00e4re Kader-Kampfpartei\n
Bei der\nlinken Solidarit\u00e4t und Parteinahme f\u00fcr die Revolution in Rojava\nwird nicht nur oft diejenige Widerspr\u00fcchlichkeit, die in der\nParallelit\u00e4t unterschiedlicher politischer Strukturen und der mit\nihr einhergehenden unterschiedlichen gesellschaftlichen Interessen\nliegt, \u00fcbersehen. Auch die zentrale Rolle der revolution\u00e4ren\nKader-Kampfpartei geht unter. Daran hat nicht zuletzt der von \u00d6calan\neingeleitete Paradigmenwechsel gro\u00dfen Anteil, insofern es in der\nneueren Theorie des Demokratischen Konf\u00f6deralismus eigentlich keinen\nPlatz f\u00fcr sie gibt. In der Praxis sieht das ganz anders aus: Ohne\ndie Aktivit\u00e4t von PKK-Kadern und PKK-nahen Kr\u00e4ften w\u00e4ren weder PYD\nnoch YPG entstanden, Rojava und die R\u00e4tedemokratie w\u00e4ren undenkbar.\nAn fast allen f\u00fchrenden milit\u00e4rischen und politischen Stellen sind\nPKK-Kader aktiv: Die TEV-DEM, die im Prinzip in allen h\u00f6heren\nStrukturen des R\u00e4tesystems dominiert und auch in den f\u00f6deralen\nStrukturen stark mitredet, ist im Prinzip eine Koalition aus PYD,\nMassenorganisationen der PYD sowie kleinen PYD-nahen Parteien. Die\nPYD selbst hingegen wurde von PKK-Kadern gegr\u00fcndet. Bei der YPG und\nYPJ sieht das \u00e4hnlich aus: (ehemalige) PKK-Kommandant*innen waren\nf\u00fchrend am Aufbau der YPG beteiligt, noch heute sind die\nAusbilderinnen der YPJ-Milit\u00e4rakademien alte Veteraninnen der\nYJA-Star, der Frauenmilit\u00e4rformation der PKK. Die Initiierung und\nAusweitung der R\u00e4testrukturen wiederum ging wesentlich von der PYD\naus.\n
All das\nhei\u00dft nicht, dass alle Organisationen Tarnorganisationen der PKK\nsind und von ihr kontrolliert werden oder alles erstickt wird, was\nnicht passt oder nicht PKK-nah ist (wobei die Auseinandersetzungen\nzwischen Barzani-nahen und PKK-nahen Fraktionen in Rojava und im Irak\nteils ziemlich brutal ablaufen). Die Basisaktivit\u00e4t der Bev\u00f6lkerung\nund die R\u00e4te sind real, auch wenn das Verh\u00e4ltnis von \u201eobersten\u201c\npolitischen Machtstellen und \u201euntersten\u201c R\u00e4ten nicht ganz\ndurchsichtig ist. Die PKK und PKK-nahen Kader besorgen vor allem die\nmilit\u00e4rische Organisation und F\u00fchrung und die hohe Politik, d.h.\nVerhandlungen mit Assad und den anderen beteiligten Gro\u00dfm\u00e4chten,\nregionen\u00fcbergreifende Diplomatie mit den unterschiedlichen\nGruppierungen und Interessen in Gesamt Rojava/Nordsyrien sowie\nweitestgehend die Kontrolle \u00fcber Infrastruktur und Gro\u00dfbetriebe. Im\nEndeffekt bedingen sich in Rojava R\u00e4tedemokratie und revolution\u00e4re\nPartei gegenseitig: Ohne die revolution\u00e4re Partei h\u00e4tte es die\nMacht\u00fcbernahme und Initiierung von R\u00e4testrukturen sowie ihren\nSchutz vor dem IS, ohne die aktive Partizipation der Massen keine\nsoziale Verankerung der neuen Macht und der neuen\nGesellschaftsvorstellungen gegeben. Ebenso wenig wird es ohne breite\nMobilisierung, so l\u00e4sst sich sicher voraussagen, keine\nTransformation der \u00f6konomischen und gesellschaftlichen Verh\u00e4ltnisse\ngeben. Dass die Balance eine heikle ist, kennt man aus fr\u00fcheren\nsozialen Revolutionen. Auch in Rojava wird sich der Erfolg der\nsozialen Revolution daran bemessen, wie weit die Differenz zwischen\nRegierenden und Regierten aufgehoben werden wird.\n\n
4.\nDas heikle Thema der Produktionsweise\n
In\n\u00d6calans neueren Schriften lassen sich bekannterma\u00dfen ganz\nunterschiedliche Dinge zum Thema der Wirtschaft oder der\nProduktionsweise finden. So nehmen sich einerseits die liberalen\nArgumentationsmuster, die sich entlang einer Entgegensetzung von\nnat\u00fcrlicher, demokratischer Gesellschaft und repressivem,\nautorit\u00e4ren Staat formieren, als eher moralistisch, korporatistisch\nund vers\u00f6hnlerisch aus. Andererseits finden sich ebenso viele\nantikapitalistische Elemente, die auf eine Aufhebung der\nprofitwirtschaftlich und monopolistisch organisierten\nkapitalistischen Produktionsweise hin zu einer kooperativen und\nkommunalen \u00d6konomie mit Fokus auf Bed\u00fcrfnisbefriedigung zielen. Was\nEklektizismus in der Theorie ist, stellt sich in der Praxis als ein\nGanzes von teils auseinander strebenden Widerspr\u00fcchen und Tendenzen\ndar.\n
Die von\nden PKK-nahen Kr\u00e4ften verfolgte Umstrukturierung der Wirtschaft\nRojavas entwickelt sich anhand der Achse von Kooperativen und an die\nR\u00e4testrukturen gebundenen Wirtschaftskommissionen. Zahlen gibt es\nwenige. Fakt ist, dass die Wirtschaftskommissionen der R\u00e4te- und\nF\u00f6derationsstrukturen alles \u00fcbernahmen, was zuvor verstaatlicht war\n\u2013 die Rede ist von bis zu 70 bis 80 Prozent aller L\u00e4ndereien. Fakt\nist aber auch, dass Privatunternehmen, deren Besitzer nicht geflohen\nwaren, sowie Gro\u00dfgrundbesitz nicht angefasst wurden. Der Volksrat\nund die f\u00f6deralen Strukturen monopolisierten nicht nur die wenigen\ngro\u00dfen ehemaligen Staatsbetriebe (Elektrizit\u00e4t, Benzin,\nBrotproduktion und \u00f6ffentlicher Verkehr), sondern auch die\nVerteilung von Grundnahrungsmitteln und verteilten deren Produkte\nbedarfsorientiert. Zus\u00e4tzlich wurden Preiskontrollen f\u00fcr\nGrundnahrungsmittel, die \u00fcber den Markt verhandelt wurden,\neingef\u00fchrt. Mit diesen Ma\u00dfnahmen konnte eine stabile Infrastruktur\nund Grundversorgung der Bev\u00f6lkerung garantiert werden.\n
Unterhalb\ndieser Ebene der grundlegenden und umfassenden Versorgung und\nInfrastruktur wird die Entwicklung einer Kooperativenwirtschaft\nvorangetrieben und gef\u00f6rdert. So wird Land, das nicht benutzt wird,\nsowie Geb\u00e4ude und jeweilige Werkzeuge an Menschen zwecks Gr\u00fcndung\nvon Kooperativen \u00fcbergeben. Diese zumeist kleinen bis mittleren\nEinheiten \u00fcbernehmen in erster Linie Subsistenzproduktion und\ndr\u00fccken knapp 30 Prozent des Gewinns an die jeweiligen\nWirtschaftskommissionen ab, die damit die Gr\u00fcndung neuer\nKooperativen f\u00f6rdern. Zus\u00e4tzlich kontrollieren die zust\u00e4ndigen\nregionalen und kommunalen R\u00e4te Leitung und Gesch\u00e4ftst\u00e4tigkeit der\njeweiligen Kooperativen, um einen \u201eBetriebsegoismus\u201c, wie er sich\nzum Teil in der Sowjetunion und in Jugoslawien herausbildete, zu\nverhindern. Die Kooperativen stellen somit kein Privateigentum dar,\nk\u00f6nnen auch nicht privatisiert werden. Die Werkt\u00e4tigen der\nKooperativen betreiben sie zusammen mit den jeweiligen\nR\u00e4testrukturen. Allerdings zeigen die wenigen Zahlen, die vorliegen,\ndass die Kooperativenstruktur nicht stark ausgebildet ist: W\u00e4hrend\nzum\nBeispiel Talal Cudi aus der Leitung der\nWirtschaftskoordination der F\u00f6deration Nordsyrien davon spricht,\ndass Kooperativen nur f\u00fcnf Prozent der Landwirtschaft ausmachen,\ngeht eine\nandere Analyse davon aus, dass bisher nur\n100.000 der insgesamt 4,5 Millionen Bewohner*innen von Rojava in\nKooperativen organisiert sind.\n
W\u00e4hrend\nAnh\u00e4nger*innen der Revolution von Rojava den Aufbau der\nKooperativenwirtschaft als Aufbau einer alternativen,\nnichtkapitalistischen Wirtschaft feiern, reden kritische Stimmen von\n\u201enotd\u00fcrftigen \u00dcbergangsl\u00f6sungen\u201c, die im besten Fall in einer\nstabilisierten kapitalistischen Wirtschaft mit korporatistischen\nElementen m\u00fcnden werde. Korrekter lie\u00dfe sich festhalten, dass es\nunterschiedliche soziale Akteure mit unterschiedlichen Interessen\ngibt, die im Rahmen einer vom Krieg dominierten Wirtschaft\nzusammenkommen. Aber w\u00e4hrend die Neureichen der Kriegs\u00f6konomie\n(Schmuggel, Handel, informelles Finanzwesen) sowie \u00dcberreste der\nGro\u00dfgrundbesitzer und Unternehmer kein Interesse an einer\nnichtkapitalistischen Wirtschaftsordnung haben, haben die PKK-nahen\nKr\u00e4fte gro\u00dfes Interesse am Ausbau der Kooperativenwirtschaft und\nder linke Fl\u00fcgel hat Interesse an der \u00dcberwindung des Kapitalismus.\nSo planen die R\u00e4testrukturen, die demokratisch kontrollierte\nKooperativenwirtschaft \u00fcber die n\u00e4chsten Jahre hinweg massiv\nauszubauen. Die linken Kr\u00e4fte beklagen aber auch das Fehlen von\nstarken, unabh\u00e4ngigen Gewerkschaften sowie der st\u00e4rkeren\nVerankerung von Arbeiter*innenkontrolle in den gro\u00dfen, bisher von\nden f\u00f6deralen Strukturen verwalteten Betrieben \u2013 unter anderem\nauch als notwendiges Instrument daf\u00fcr, um gemeinsam mit kleineren\nund mittleren Kooperativen die Entwicklung von Privateigentum zu\nverhindern.\n
Der\nGesellschaftsvertrag von Rojava aus dem Jahre 2014 garantiert\neinerseits das Recht auf Privateigentum. Andererseits verbietet er\nMonopole, erkl\u00e4rt nat\u00fcrliche Ressourcen zum Gemeineigentum, erhebt\ndie Bed\u00fcrfnisbefriedigung und das w\u00fcrdevolle Leben f\u00fcr alle zum\nZweck der Wirtschaft und erm\u00f6glicht Enteignungen aus sozialen\nGr\u00fcnden bei Entsch\u00e4digung des Eigent\u00fcmers. Damit ist er\noffensichtlich eine Kompromiss-Verfassung f\u00fcr sehr diverse\npolitische Akteure, die sich eben auch in betreffs der Frage nach der\nProduktionsweise unterscheiden.\n
5.\nWiderspr\u00fcche ausnutzen oder von Widerspr\u00fcchen ausgenutzt werden?\nPerspektiven der Revolution in Rojava
Bekanntlich\nkooperierten die kurdischen Kr\u00e4fte und anschlie\u00dfend die SDF mit den\nUSA, gleichzeitig jedoch auch mit Russland und zeitweise auch mit dem\nsyrischen Regime, um ein Gleichgewicht zwischen den M\u00e4chten zwecks\nVerfolgung eigener Interessen herzustellen. Auch in der Frage der\nZusammenarbeit mit regionalen und internationalen Akteuren\nkristallisieren sich unterschiedliche Vorstellungen heraus: W\u00e4hrend\nder linke Fl\u00fcgel einerseits klarmacht, dass jede Zusammenarbeit mit\nkapitalistischen (Gro\u00df-)M\u00e4chten nur vor\u00fcbergehend und taktisch\nsein kann, ist der rechte Fl\u00fcgel daran interessiert, die USA\nl\u00e4ngerfristig in Rojava zu behalten und strategisch mit ihnen zu\nkooperieren, mutma\u00dflich um die eigenen kapitalistischen Interessen\nzu stabilisieren.\n
Es ist\nder Krieg, der in Kombination mit den klugen taktischen Schritten der\nPKK-nahen Kr\u00e4fte eine Koalition aus ganz unterschiedlichen Kr\u00e4ften\nin Rojava/Nordsyrien m\u00f6glich gemacht hat. Hat die erfolgreiche\nnationale Befreiung dazu gef\u00fchrt, dass bis in den Irak hinein die\nPKK und PKK-nahe Kr\u00e4fte immensen Zulauf unter der kurdischen\nBev\u00f6lkerung gewonnen haben, konnte der demokratische Charakter\nderselben letztlich auch Bev\u00f6lkerungsteile der anderen Nationen und\nEthnien integrieren. Gleichzeitig f\u00fchren die\nrevolution\u00e4r-demokratischen Elemente (das R\u00e4tesystem) vor allem zu\neiner (Selbst-)Erm\u00e4chtigung der an ihnen partizipierenden\nWerkt\u00e4tigen. Ob aber der Gro\u00dfgrundbesitzer und Scheich Mehdi\nDaham-al Hadi, Stammesf\u00fchrer der Shammar und Gr\u00fcnder der in die SDF\nintegrierten al-Sanadid Milizen, sowie die anderen Gro\u00dfgrundbesitzer\nund -unternehmer ein Interesse an der Ausweitung der demokratischen\nRevolution \u00fcber den b\u00fcrgerlichen Rahmen hinaus oder gar an einer\nVertiefung der sozialen Revolution haben \u2013 daran darf mit Fug und\nRecht gezweifelt werden. Es wird sich mit Ende des Krieges \u2013 so\ndies stattfindet \u2013 zeigen, welche Interessen sich st\u00e4rker\ndurchsetzen werden und wie weit die Revolution gehen wird.
Dieser Artikel ist eine erweiterte Version des Essays \"Rojava: Welche Art der Selbstbestimmung?\", welches am 10.10.2017 auf kritisch-lesen.de erschien.
Weiterf\u00fchrende\nLiteratur:\n
Anja\nFlach, Ercan Aybo\u011fa, Michael Knapp: Revolution in Rojava.\nFrauenbewegung und Kommunalismus zwischen Krieg und Embargo, 3.\naktualisierte Auflage, Hamburg, 2016.
David McDowall: A Modern History of the Kurds, 3rd ed., London, 2004.
Ismail K\u00fcpeli (Hrsg.): Kampf um Koban\u00ea, Kampf um die Zukunft des Nahen Ostens, M\u00fcnster, 2015.
Strangers\nTangled in Wilderness: A Small Key Can Open a Large Door: The\nRojava Revolution, 2015.\n
Thomas\nSchmidinger: Krieg und Revolution in Syrisch-Kurdistan: Analysen\nund Stimmen aus Rojava, 4. erweiterte Auflage, Wien, 2017.\n