Anfang Dezember 2018 erschien auf dem der sogenannten \u201eantideutschen\u201c Str\u00f6mung [1] zuzurechnenden Blog Friedensdemo-Watch ein Outing-Artikel, welcher mutma\u00dfliche Mitglieder der ehemaligen Berliner Politgruppe Jugendwiderstand (nachfolgend: JW) mit Fotos und Namen ver\u00f6ffentlichte. Aufgezogen wurde das Outing mit mehreren aufeinander folgenden Artikeln in der b\u00fcrgerlichen Presse wie dem Tagesspiegel, Deutschlandfunk, Heise, rbb und vielen weiteren. Ein vermeintlicher Kopf der Gruppe wurde geoutet, seine Arbeitsstelle offengelegt. Es wurde versucht, sein Arbeitsumfeld gegen ihn in Stellung zu bringen. Dabei wurde in nachtr\u00e4glichen Beitr\u00e4gen auf Twitter auch nicht Halt vor der Offenlegung pers\u00f6nlicher Beziehungen gemacht.
Teile der Linken dachten sich daraufhin wohl: Wenn selbst b\u00fcrgerliche Bl\u00e4tter diese Gruppe als \u201eantisemitisch\u201c etikettieren und f\u00fcr vogelfrei erkl\u00e4ren, kann das Outing nicht sonderlich verkehrt gewesen sein. Dabei gilt gerade umgekehrt: Wenn vor allem b\u00fcrgerliche Bl\u00e4tter und Kan\u00e4le sowie der lokale Staatsapparat jubeln, sollte man doch meinen, dass eine radikale Linke aufhorchen m\u00fcsste. Dass genau das nicht passiert ist, wirft Fragen auf. Was ist der vorgebliche Anlass f\u00fcr die Autor*innen des Blog-Artikels, diese Gruppe in das Licht der \u00d6ffentlichkeit zu zerren? Warum ist das Vorgehen, den JW gegen\u00fcber dem Staat und der b\u00fcrgerlichen \u00d6ffentlichkeit \u201ezu outen\u201c, grundlegend falsch? Diesem Artikel liegen dabei folgende Ausgangsthesen zu Grunde:
- Gro\u00dfe Teile der so genannten \u201e(radikalen) Linken\u201c haben sich im vergangenen Jahrzehnt auf verschiedenen thematischen Feldern sukzessive dem b\u00fcrgerlichen Mainstream und seinen linksliberalen, staatsbejahenden Positionen angen\u00e4hert und beziehen daher konsequent Positionen, die einer revolution\u00e4ren Theorie und Praxis entgegenstehen.
- Sie scheuen sich, eben weil sie diese Ann\u00e4herung inhaltlich vollzogen haben, inzwischen auch praktisch nicht mehr davor, den staatlichen Repressionsapparat zu mobilisieren, um ihre linksliberale, staatstragende Politik in der Bewegung durchzusetzen und Gruppen mit davon abweichendem Anspruch, wie richtig oder falsch deren Agenda im Einzelnen zu bewerten ist, zu delegitimieren beziehungsweise zu kriminalisieren.
Eine detaillierte Abhandlung \u00fcber vermeintliche und reale Gewaltakte sowie politischen Positionen des JW ist nicht unser Ziel. Ideologie und Praxis des JW sind letztlich auch unserer Perspektive heraus hoch problematisch; gerade deshalb wollen wir in den Fokus r\u00fccken, was wir f\u00fcr noch problematischer erachten: die Normalisierung des enthemmten Outings linker Gruppierungen. Zur besseren Nachvollziehbarkeit unserer Kritik an der Praxis und letztendlich den Folgen dieses Outings werden wir allerdings einige zentrale Elemente der Theorie und Praxis des JW einf\u00fchrend kurz skizzieren und einordnen.
Ein eigent\u00fcmlicher MLM
Der JW verstand sich in den vergangenen Jahren als Vertreter einer marxistisch-leninistisch-maoistischen Str\u00f6mung (MLM). Viele ihrer Mitglieder waren zuvor an den Hamburger Maoist*innen von der Sozialistischen Linken (SOL) orientiert. Diese Gruppierung, wie auch der JW, orientierten sich international an verschiedenen linken (und bewaffnet k\u00e4mpfenden) Befreiungsbewegungen. Darunter an den Naxaliten (maoistische Parteien und Gruppen) in Indien, oder der revolution\u00e4ren Nuevo Ej\u00e9rcito del Pueblo (Neue Volksarmee) auf den Philippinen. Die Gruppe vertrat lange ein Amalgam aus diesen verschiedenen maoistischen Traditionen, seit einiger Zeit war jedoch eine Abwendung vom Maoismus hin zur Tradition der Th\u00e4lmann-KPD und ihren damaligen Leitlinien (unter anderem den \u201eSchlageter-Kurs\u201c, welcher auf B\u00fcndnisse mit Teilen der faschistischen Massenbasis schielte, um die eigene Massenbasis f\u00fcr die KPD-Parteiprogrammtik verbreitern zu k\u00f6nnen) zu erkennen. Die grundlegende inhaltliche Orientierung speist sich also aus einer historischen wie auch aktuell international k\u00e4mpfenden Linken.
Entsprechend dem eigenen Selbstverst\u00e4ndnis als kommunistischer Jugendverband wurde dann auch vorausgesetzt, eine allgemein g\u00fcltige, \u201erichtige und treffende ideologische Linie\u201c [2] aufzubauen und gegen revisionistische Kr\u00e4fte [3] verteidigen zu m\u00fcssen. Der Kurs wurde vor allem gegen liberale, trotzkistische, anarchistische und antideutsche Gruppen und Personen versucht durchzusetzen, gelegentlich auch mit drohendem Auftreten und Gewaltakten. Aus einer falsch verstandenen und derart entstellt genutzten Haupt- und Nebenwiderspruchsthese, die diese nicht als strategische, sondern als prinzipielle Setzung begreift [4], wurden beispielsweise sexistische, homo- und transphobe Positionen und Verhaltensweisen relativiert und im Klassenkampf \u2013 der offensichtlich als Jugendmassenarbeit konzipiert wurde \u2013 als bestenfalls nachgeordnet abgeschrieben. Es folgte daraus eine geringe Thematisierung in den eigenen Reihen und eine durchaus tolerante Haltung gegen\u00fcber, vor allem f\u00fcr Kommunist*innen, unw\u00fcrdigen und durchweg sexistischen und homo- und transphoben Ausf\u00e4llen von Sympathisant*innen oder Mitgliedern [5] im Internet. Was sich nun wie eine der zahlreichen selbstreferentiellen Geschichten der zersplitterten und gesellschaftlich weitgehend isolierten Berliner radikalen Linken liest, nahm mit der Ver\u00f6ffentlichung des Outing-Artikels durch das Internet-Projekt Friedensdemo-Watch heftig an Fahrt auf.
Angst vor dem Widerspruch
W\u00e4hrend sich in Berlin Teile der radikalen Linken zu freuen scheinen, durch das Outing endlich ein Bet\u00e4tigungsfeld in den eigenen Reihen gefunden zu haben, trauen sich nur wenige Gruppen und Personen, die \u00f6ffentliche Hatz auf mutma\u00dfliche Mitglieder des JW zu verurteilen. Nur hier und da \u00e4u\u00dfern Genoss*innen revolution\u00e4rer Gruppen Kritik an dem Vorgehen, welches urspr\u00fcnglich wichtiger Teil staatskritischer, antifaschistischer Praxis gegen\u00fcber Nazis in den Vierteln war, ist und weiterhin bleiben muss. Diese Kritik hinter vorgehaltener Hand ist dabei sogar in Gruppen anzutreffen, die selbst als vermeintliche \u201eSozialdemokrat*innen\u201c oder \u201eRevisionist*innen\u201c in den Fokus des JW kommen k\u00f6nnten. Viele andere Genoss*innen schweigen lieber zur Causa JW, um nicht selbst sozial und politisch innerhalb linker Str\u00f6mungen angegriffen zu werden. Was sich selbst als \u201eAkt gegen den autorit\u00e4ren JW\u201c feiert, ist damit tats\u00e4chlich selbst ein repressiv agierender Autoritarismus, der alles an abweichender Kritik am Outing mit \u00f6ffentlichem Outing und anderweitigem sozialen Ausschluss bedroht. Zu gro\u00df scheint bei vielen die Sorge, als vermeintliche Sympathisant*in ebenfalls in die \u00d6ffentlichkeit gezerrt zu werden.
Aus diesem Grund erscheint auch dieser Artikel, verfasst von radikalen Linken in Berlin, anonymisiert. Das Verh\u00e4ltnis zu der Splittergruppe JW scheint in Berlin derweil zur Gretchenfrage zwischen liberalen bis radikalen Linken geworden zu sein: \u201eUnd, wie stehst Du zum Jugendwiderstand?\u201c Dies kann nur in einer politischen Bewegung passieren, die weitgehend von inhaltlichen und ideologischen Auseinandersetzungen befreit und von einer Praxis gepr\u00e4gt ist, die mehr nach Innen versucht, die Reihen vermeintlich \u201erein\u201c zu halten, als in eine revolution\u00e4re Praxis und inhaltliche Auseinandersetzung mit der Gesellschaft zu gehen. Dem JW kommt hier obendrein eine Szene-Entlastungsfunktion zu: \u201eSexismus in den eigenen Reihen? Gibt es doch gar nicht, der JW ist doch noch schlimmer...\u201c, \u201eAntimuslimischer Rassismus? Schau mal auf den JW, der hat was gegen Juden...\u201c. Alles Schlechte und Reaktion\u00e4re \u2013 insbesondere sexistisches und chauvinistisches Verhalten \u2013, das es real ja auch in weiten Teilen der Linken in mehr oder minder ausgepr\u00e4gtem Ma\u00dfe gibt, werden so auf eine Gruppe ausgelagert, anstatt Methoden ihrer Bek\u00e4mpfung und Aufhebung zu erarbeiten und umzusetzen.
In Berlin \u00e4u\u00dfert sich diese nach Innen gerichtete Szene-Praxis des vermeintlichen \u201eReinhaltens\u201c besonders darin, dass wirklichen Neo-Faschist*innen, insbesondere in den Randbezirken, inhaltlich wie praktisch aus der Berliner Innenstadt heraus kaum noch etwas entgegengesetzt wird, w\u00e4hrend gleichzeitig die Kritik am JW viral geht und Teile der Szene offensichtlich zu umfassenden Recherche-Arbeiten [6] anh\u00e4lt oder tagelang auf Twitter besch\u00e4ftigt. Die Kritik wird zumeist mit Attributen wie \u201esexistisch\u201c, \u201eantisemitisch\u201c, \u201ev\u00f6lkisch\u201c, \u201enationalbolschewistisch\u201c ge\u00e4u\u00dfert \u2013 und damit, \u201eQuerfront\u201c [7] zu praktizieren. Es bleibt allerdings unklar, worin eigentlich inhaltlich die Kritik besteht, weil die Schlagworte nicht n\u00e4her definiert werden. Diese wirre Benutzung von ihrem Inhalt vollkommen entleerten Begriffen erschafft einen aufgeheizten Schlag(wort)abtausch, in dem kaum noch gefragt wird, was denn nun eigentlich warum problematisch sein soll. Beispielhaft sei hier die Emp\u00f6rung \u00fcber die erzb\u00fcrgerlichen und reaktion\u00e4ren, von JW-Mitgliedern selbst ver\u00f6ffentlichten, Abhandlungen zu \u201eTranssexualit\u00e4t\u201c und \u201ePseudo-Transsexualit\u00e4t\u201c genannt. Statt der blo\u00dfen Feindmarkierung k\u00f6nnte hier inhaltlich darauf verwiesen werden, dass ihre Genoss*innen auf den Philippinen sicher alles andere als begeistert \u00fcber solcherlei Ausf\u00e4lle w\u00e4ren \u2013 verf\u00fcgen die maoistischen Genoss*innen dort doch \u00fcber eigene LGBTI*-Frontorganisationen und Abteilungen der Guerilla. Oder es k\u00f6nnte ein intersektionales, revolution\u00e4res Verst\u00e4ndnis von Identit\u00e4t und Klasse [8] entgegengesetzt werden, statt schon Schnappatmung bei der blo\u00dfen Nennung der Gruppe zu bekommen.
Anstatt einer fundierten Kritik an der realen Orientierung des JW, am schwankenden Kurs ihres Vorbildes, der KPD unter Ernst Th\u00e4lmann zwischen linksradikal (\u201eSozialfaschismus-These\u201c) und rechtsopportunistisch (\u201eSchlageter-Kurs\u201c), folgt der Vorwurf, irgendwie \u201ev\u00f6lkisch\u201c \u2013 das hei\u00dft im Wortsinn \u201ebiologistisch rassistisch\u201c \u2013 zu sein. Die kritische Auseinandersetzung mit der hierzulande gerade von rechten Str\u00f6mungen etablierten inhaltlichen Gleichsetzung des Begriffs \u201eAntisemitismus\u201c mit jeder Form von Kritik an israelischer Politik zwecks Legitimation einer rechten und kolonialen Regierungspraxis [9] wird nicht gef\u00fchrt. Statt der Analyse des Antisemitismus entlang der Positionen von revolution\u00e4ren und friedensbewegten Gruppen in Israel und Pal\u00e4stina, das hei\u00dft der Betroffenen und Akteur*innen des Konflikts, werden Definitionen unkritisch \u00fcbernommen, die sogar vom Verfassungsschutz (!) geteilt werden, ohne daran Ansto\u00df zu finden. Die heftigen Auseinandersetzungen zur globalen, dezentralen Bewegung Boycott, Desinvest, Sanctions (BDS) und ihre im Mai 2019 durch den Bundestag vorgenommene Bewertung als geschlossen und programmatisch \u201eantisemitisch\u201c durch nahezu alle politischen Parteien des herrschenden Machtblocks hindurch, stehen exemplarisch f\u00fcr die offensichtlich unkritische \u00dcbernahme von Inhalten und Bewertungen des b\u00fcrgerlichen Konsenses seitens Teilen der \u201eLinken\u201c, bar jeder Differenzierung. Wie beim JW wird deutlich, dass hier die von reaktion\u00e4ren Kr\u00e4ften vorgegebene Antisemitismusdefinitionen als Schablone f\u00fcr die Bewertung linker und vermeintlich linker Inhalte auch von antifaschistischen Gruppen f\u00fcr allgemeing\u00fcltig erkl\u00e4rt werden.
Ein Pakt mit dem b\u00fcrgerlichen Anti-Extremismus-Diskurs
Durch die offensichtliche inhaltliche Paktiererei mit b\u00fcrgerlichen Medien und mindestens indirekt mit b\u00fcrgerlichen Politiker*innen und Repressionsorganen ist ein immenser Schaden in der Bewegung entstanden. Innerhalb weniger Wochen wurden in den in Berlin relevanten b\u00fcrgerlichen Presseorganen Tagesspiegel und rbb mehrere Recherche-Artikel zum JW ver\u00f6ffentlicht. Au\u00dferdem wurden via anonymer Accounts weitere Details \u00fcber das Privatleben der Geouteten publiziert. Auch das Onlineportal Belltower News, welches der \u201elinken\u201c Amadeu-Antonio-Stiftung nahesteht, gesellte sich dazu und schrieb die bis dato publizierten Artikel einfach zusammen.
Die b\u00fcrgerlichen Positionen, mit denen sich im Zuge dieses Prozesses gemein gemacht wurde, bedienten sich dabei an allen m\u00f6glichen Formen staatstragender und heute stets von der Rechten lancierter Theoriekonzepte der Extremismus- und Totalitarismustheorien. [10] Die b\u00fcrgerlichen Presseberichte st\u00fctzten sich neben den Inhalten des Friedensdemo-Watch-Artikels auch auf Erkenntnisse des Verfassungsschutzes. Nicht zuletzt m\u00fcssen die sich wohl bedankt haben f\u00fcr die m\u00fchevolle Recherchearbeit des Blogs und seiner Anh\u00e4nger*innen. Das Outing wurde auch von liberalen bis reaktion\u00e4ren Parteikr\u00e4ften dankbar aufgegriffen: Die Berliner Abgeordnetenhaus-Politikerin June Tomiak (Gr\u00fcne) dr\u00e4ngte auf intensivierte staatliche Repression gegen\u00fcber dem JW, der Neuk\u00f6llner CDU-Lokalpolitiker und Parteirechter Falko Liecke schoss mit Forderungen einer Distanzierung von \u201eExtremisten\u201c hinterher. Auch die Berliner SPD ereiferte sich in einem Parteibeschluss, den Repressionsdruck zu erh\u00f6hen.
In Zeiten von steigendem Druck auf soziale Einrichtungen sich von vermeintlichem \u201eLinksextremismus\u201c zu distanzieren, und wiederkehrenden Forderungen nach einer \u201eExtremismusklausel\u201c, wurde somit der Linken ein B\u00e4rendienst erwiesen, indem die berufliche T\u00e4tigkeit eines der Geouteten explizit hervorgehoben und skandalisiert wurde. Was hier naiv als Einheitsfront von \u201eprogressiven\u201c Liberalen gegen\u00fcber vermeintlich \u201enoch schlimmeren\u201c Kr\u00e4ften gefeiert werden k\u00f6nnte, entpuppt sich in der genauen Betrachtung nicht nur als politisch fatal, sondern auch als gef\u00e4hrlicher Repressions-Bumerang f\u00fcr die radikale Linke insgesamt. Das Outing und die damit abgestimmten nachfolgenden Presseartikel stellen eine Kampagne dar, welche die b\u00fcrgerlichen Medien nicht zuletzt als Steilvorlage f\u00fcr antikommunistische Stimmungsmache verwenden und einmal mehr die Institution des Verfassungsschutzes gegen\u00fcber dem imaginierten \u201eLinksextremismus\u201c-Problem in der Hauptstadt legitimieren k\u00f6nnen. Das Bespielen der b\u00fcrgerlichen Presse ist in diesem Fall eine aktive Zuhilfenahme jener Presselandschaft f\u00fcr politische Interessen in der Bewegung, die in dieser Form real staatliche Repression provoziert oder sogar aktiv hervorgebracht haben. Das hei\u00dft, dass hinter dem Outing kein Interesse an einer ideologischen und praktischen Auseinandersetzung und einer notwendigen, inhaltlichen Abgrenzung zum JW steht, sondern die physische (\u00f6konomische) wie psychische Eliminierung missliebiger Positionen und Personen unter zumindest Inkaufnahme staatlicher Sch\u00fctzenhilfe \u2013 eines Sch\u00fctzengehilfen allerdings, der strukturell nicht zwischen JW und der radikalen Linken im Allgemeinen differenziert, sondern am liebsten alle bek\u00e4mpft und dies am besten mittels Ausnutzung interner Auseinandersetzungen der Linken vorantreibt.
Dieser Bumerang-Effekt setzt die gesamten restlichen Fragmente der revolution\u00e4ren, staatskritischen Linken in Berlin, ML oder Nicht-ML, weiter unter Repressionsdruck. Die Frage, welches Interesse b\u00fcrgerliche Medien an der Abarbeitung an einer prinzipiell vollkommen irrelevanten Kleingruppe wie dem JW haben, sollten radikale Linke jeglicher Couleur daher vorrangig im Blick behalten. Der S\u00fcndenbock als Einfallstor f\u00fcr Repression gegen\u00fcber Gruppen mit revolution\u00e4rem Anspruch, so gravierend falsch oder so richtig der JW in seinen Positionen auch sein mag, steht bei b\u00fcrgerlichen Medien und insbesondere den involvierten Staatskr\u00e4ften auf der Agenda, nicht die notwendige oder nicht-notwendige revolution\u00e4re Abgrenzung vom JW und die revolution\u00e4re \u00dcberwindung reaktion\u00e4rer und mangelhafter Positionen und Praktiken innerhalb der Linken. \u00dcber die Entscheidung, was sinnvolle und konstruktive revolution\u00e4re Inhalte sind und welche nicht, entscheiden dabei weder ein einzelner Blog, dessen Betreiber*innen offensichtlich kein Problem mit den hier beschriebenen Konsequenzen f\u00fcr Dritte haben, noch die b\u00fcrgerliche Presselandschaft, die mit uns noch nicht einmal eine diffuse \u201eSzene-Zugeh\u00f6rigkeit\u201c gemein hat. Es geht hier um Aufgaben einer revolution\u00e4ren Bewegung, die sie selbst l\u00f6sen muss, will sie eine relevante, eigenst\u00e4ndige Akteurin sein.
Nur nebenbei wollen wir an dieser Stelle nicht unerw\u00e4hnt lassen, dass die mehr oder weniger radikale Linke, oder was sich in den 2000er Jahren in Berlin mal so nannte, in den vergangenen Jahren durchaus ihre Lohnarbeit in der liberalen Partei- und Presselandschaft gefunden hat. An den Beispielen der Amadeu-Antonio-Stiftung und ihres Projektes Belltower News oder haufenweise zivilgesellschaftlichen Demokratieprojekten entlang der Anti-Diskriminierung von A bis Z, zeigt sich oft das Dilemma der fehlenden revolution\u00e4ren wie vor allem auch \u00f6konomischen Perspektive einer Linken. Durch die politische und organisatorische Krise der radikalen Linken, die inzwischen epische Ausma\u00dfe in puncto Demoralisierung erreicht hat, sind viele aus der antifaschistischen Linken in vom Staat gef\u00f6rderten, linksliberalen Projekte im Bereich der Demokratiearbeit untergekommen. Sie verdienen hier das notwendige Lohn und Brot \u2013 aber befinden sich damit auch in konstanter Auseinandersetzung bis Kooperation mit staatlichen Organen und ihren politischen Linien. Offensichtlich fehlt hier oft ein Korrektiv in Form revolution\u00e4rer Organisierung parallel zu den liberalen Lohnarbeitsverh\u00e4ltnissen. Darum verwundert es nicht, wenn der Liberalismus und damit die staatsaffirmativen politischen Positionen zum diffusen Ausgangspunkt politischer Positionen innerhalb und au\u00dferhalb der Arbeitsverh\u00e4ltnisse werden. Fr\u00fcher reichte es immerhin noch f\u00fcr selbstreferentielle, aber wenigstens selbstorganisierte Auseinandersetzungsformen wie Kritikpapiere an anderen politischen Gruppen. Heute dagegen werden die b\u00fcrgerlichen Berufsfelder und Karriereperspektiven der \u201ealten Hasen\u201c, zu denen die Initiator*innen der Outing-Kampagne zu z\u00e4hlen sind [11], zur neuen Frontstellung vormals innerlinker Auseinandersetzungen. Die Folge ist eine weitgehende Aufgabe von konstruktiv-kritischen und revolution\u00e4r-\u00fcberwindenden Umgangsformen in und innerhalb einer weiter gefassten Linken und damit ein Einfallstor f\u00fcr eine Vielzahl repressionsrelevanter Praxen.
Ein Pakt mit dem Staat und seiner Repression
Die von b\u00fcrgerlichen Medien aufgegriffenen Argumente gegen den JW sind nicht abseits der Aufgaben und des Wirkens staatlicher Repressionsapparate zu betrachten. Wer die b\u00fcrgerliche Presse in Abgrenzung zum JW bem\u00fcht, ruft unweigerlich das Landeskriminalamt (LKA) und den Verfassungsschutz (VS) auf den Plan. Ihre Aufgabe ist es, jedwede revolution\u00e4re Organisierung zu beobachten, zu analysieren und (notfalls) zum Schutz der b\u00fcrgerlich-kapitalistischen Herrschaftssicherung zu zerschlagen. Diese Organe bezahlen Menschen, die 24/7 mit nichts anderem besch\u00e4ftigt sind, als genau das vorzubereiten und durchzusetzen.
Dass das Outing und die darauffolgenden Presseartikel darauf abzielten, den b\u00fcrgerlichen Staat und seine Organe zumindest indirekt zu repressiven Handlungen aufzufordern, ist kaum zu verhehlen. F\u00fcr uns, als staatskritische Linke, steht \u00fcberhaupt nicht zur Frage, ob der JW der Staatsrepression ausgeliefert werden soll oder nicht. Das ist die Fragestellung f\u00fcr Leute mit nicht-revolution\u00e4rem, b\u00fcrgerlichem Kompass, die sich mit dem Status Quo abgefunden haben und deshalb mit dem Staat arbeiten, hat aber nichts mit den Standards einer revolution\u00e4ren Linken zu tun. Das offensichtlich intendierte \u2013 wenn auch bislang nur indirekte \u2013 Zuarbeiten zur Repression des Staates gegen politische Gegner*innen in der linken Bewegung legitimiert letztlich nicht nur den Staat mit seiner gegen uns gerichteten Agenda, sondern bedeutet zugleich einen Dammbruch im Umgang mit Strukturen, die sich selbst trotz hoch problematischer und stellenweise auch reaktion\u00e4rer Positionen immer noch legitimerweise innerhalb der Linken verorten, weil sie sich auf historische oder aktuelle linke Diskurse und Praxen hier oder anderswo in der Welt beziehen \u2013 ob einem das jetzt nun gef\u00e4llt oder nicht, ob es nachvollziehbar erscheint oder komplett durchgeknallt: Denn ja, auch die Linke hat historisch wie aktuell teils gro\u00dfen Quark hervorgebracht; den k\u00f6nnen wir aber nur in innerlinker Auseinandersetzung und (Selbst-)Kritik revolution\u00e4r \u00fcberwinden. W\u00fcrden wir das Outing solcher Positionen und Gruppierungen in Zusammenarbeit mit der b\u00fcrgerlichen Ordnung zum Normalfall machen \u2013 wir k\u00e4men aus dem Outen nicht heraus. Gravierend daran ist, dass Praktiken wie Outings \u201eunliebsamer\u201c linker Gruppen in Zusammenarbeit mit der b\u00fcrgerlichen Ordnung darauf ausgelegt sind, linke Standards der Antirepression und eine grunds\u00e4tzlich staatskritische Haltung zu zerst\u00f6ren. Legitime Kritik und Auseinandersetzung wird durch die gew\u00e4hlte Form delegitimiert und wendet sich gegen die Linke selbst.
In den Verfassungsschutzberichten des Landes Berlin von 2017 und 2018 wird der JW unter der Kategorie \u201eLinksextremismus\u201c abgehandelt. [12] Die Berichte stehen sinnbildlich daf\u00fcr, dass der Staat den JW dank der Outing-Artikel und dem Druck durch die Presse umso leichter kriminalisieren kann. Doch diese Repression wird mittel- bis langfristig auch jene sich als moralisch und ideologisch \u00fcberlegen begreifenden Gruppen der radikalen Linken treffen, die sich derzeit noch ins F\u00e4ustchen lachen m\u00f6gen \u2013 sofern sie sich nicht eh schon stillschweigend aus der radikalen Linken verabschiedet haben. Aus der Arbeitslogik von LKA und VS sind sie jeweils Nuancen ein- und derselben \u201eextremistischen Linken\u201c, die es zu bek\u00e4mpfen und zu zerschlagen gilt. Der Umgang mit dem JW erlaubt es dem Staat getreu dem Motto \u201eteile und herrsche\u201c Spaltkeile innerhalb sich als revolution\u00e4r begreifenden linken Strukturen zu schlagen und die K\u00e4mpfe unter ihnen taktisch zur weiteren Schw\u00e4chung der gesamten radikalen Linken zu befeuern, V-Personen zu platzieren und schlussendlich Zersetzungsmomente zu generieren und auszunutzen. Wer das auch noch begr\u00fc\u00dft, klatscht letztendlich dem endg\u00fcltigen Niedergang der einstmals \u201eradikalen Linken\u201c Beifall.
Keine Toleranz mit staatstragender \u201elinker\u201c Praxis
Die im Artikel kritisierte Enthemmung, die als politischen Gegner ausgemachten Strukturen mit dem Staatsapparat zu verfolgen, ist zumindest in Berlin beispiellos. Das Abarbeiten an problematischen ideologischen Standpunkten mit Hilfe b\u00fcrgerlicher Medien und der zumindest indirekten Kooperation mit LKA und VS ist in keinem Fall zu tolerieren. Das Outing kann sich in keinem Fall als emanzipatorischer Akt begreifen, wenn es jene Strukturen um Hilfe bem\u00fcht. Der Akt selbst bleibt in der Essenz anti-links und st\u00e4rkt in der Konsequenz anti-linke Diskussionen und Praxen des Staates sowie der b\u00fcrgerlichen Presseorgane, mit denen sich schlussendlich dann tats\u00e4chlich revolution\u00e4re Gruppen und Einzelpersonen herumschlagen m\u00fcssen. Das hier skizzierte Vorgehen zeigt einmal mehr, wie inhaltsbefreit und zersetzend die politischen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Str\u00f6mungen inzwischen geworden ist.
Statt stringenter Argumentation gen\u00fcgen offensichtlich inzwischen im autorit\u00e4ren Twitter-Staccato-Sprech aneinander gereihte Schlagworte. Erschreckend ist in jedem Fall der Verfall an Bewusstsein im Antirepressions-Bereich. Das ganze Prozedere muss zum Gegenstand von Selbstkritik werden. Nicht die St\u00e4rkung revolution\u00e4rer und herrschaftskritischer Positionen gegen\u00fcber dem mangelhaften, teils reaktion\u00e4ren theoretischen Verst\u00e4ndnis und der teils hoch problematischen Praxis des JW und \u00e4hnlicher neuer K-Gruppen ist erreicht worden, sondern im Gegenteil die Delegitimierung der radikalen Linken und damit der legitimen innerlinken Kritik und Auseinandersetzung insgesamt mittels der Zusammenarbeit mit dem b\u00fcrgerlichen Repressionsapparat.
Mit keinem politischen Verst\u00e4ndnis ist die Unterst\u00fctzung dieser objektiv anti-revolution\u00e4ren und nach einem klassenk\u00e4mpferischen Gesichtspunkt nach anti-linken Organe zu verteidigen.
Anstatt \u2013 zum Beispiel \u2013 des Aufbaus einer intersektionalen, revolution\u00e4ren Agenda, die Identit\u00e4tspolitik nicht als per se kleinb\u00fcrgerlich versteht, sondern in eine klassenk\u00e4mpferische Agenda integriert, damit verschiedene Bev\u00f6lkerungsteile in linke Politik miteinbezieht und die r\u00fcckst\u00e4ndigen Inhalte des Jugendwiderstands in puncto Diskriminierung von Minderheiten ganz real und praktisch widerlegt, an den Rand dr\u00e4ngt und damit nach unseren (!) Standards bek\u00e4mpft, wird sich manisch an einer Splittergruppe abgearbeitet und der politische Feind linker Politik bedient.
Aber das eben als Problemstellung zu erkennen w\u00fcrde Kritik am eigenen Ankommen in der \u201eMitte der Gesellschaft\u201c und das hei\u00dft an dem schon lange erfolgten inhaltlichen Einknicken vor dem Liberalismus der Mehrheitsgesellschaft und dem Verrat an sich selbst und seinen Idealen bedeuten.
Die Problematik einer nahezu landesweit und insbesondere in Berlin mit dem b\u00fcrgerlichen Staatsapparat in ihrer Lebensrealit\u00e4t inzwischen Verschmolzenen einstmals \u201eradikalen Linken\u201c w\u00e4re schwerpunktm\u00e4\u00dfig zu diskutieren, nicht die Irrwege einer schlecht marxistisch geschulten und entsprechend m\u00e4\u00dfig argumentierenden Kleingruppe im S\u00fcden Berlins. Das Abarbeiten an ihr erf\u00fcllt derzeit offensichtlich f\u00fcr eine in der politischen Krise gefangenen, desorientierten, inzwischen ausschweifend theorielosen und sich selbst marginalisierenden Linken eine Entlastungsfunktion. Was an gesamtgesellschaftlich und innerlinks existierendem Antikommunismus, Sexismus, patriarchalen Praktiken, Homo- und Transphobie und so weiter existiert, kann nun gelabelt, auf den JW projiziert und zum Abschuss freigegeben werden. Wer das Outing verteidigt, hat seinen linken und emanzipatorischen Kompass verloren.
Anmerkungen:
[1] Eine sehr treffende Beschreibung und Kritik dieser Str\u00f6mung, von der die hier benannten Akteure beispielhafte Exemplare abgeben, wurde k\u00fcrzlich im re:volt magazine ver\u00f6ffentlicht.
[2] Siehe f\u00fcr die Ausf\u00fchrungen zum Konzept: Kommunistische Partei Perus, \u201e\u00dcber den Marxismus-Leninismus-Maoismus\u201c (1988).
[3] Der Maoismus geht realistischerweise davon aus, dass es auch in der Linken immer wieder zum Einsickern b\u00fcrgerlicher Politikkonzepte, Verhaltensweisen und Bewusstseinszust\u00e4nden kommt. Akteur*innen, die diese bewusst vertreten und bef\u00f6rdern, arbeiten laut klassischem Verst\u00e4ndnis anti-revolution\u00e4r und gelten als Revisionist*innen. In der maoistischen Diktion werden dann nicht-antagonistische Widerspr\u00fcche \u2013 Meinungsverschiedenheiten, die p\u00e4dagogisch gel\u00f6st werden k\u00f6nnen \u2013 zu antagonistischen Widerspr\u00fcchen \u2013 die konfrontativ zu l\u00f6sen sind \u2013, wenn Organisationen oder Personen bewusst gegen die revolution\u00e4re Linie vor oder nach der Revolution arbeiten.
[4] Das urspr\u00fcngliche Konzept geht auf Mao-Tse-Tung zur\u00fcck, der damit versuchte, das dogmatische, orthodoxe Verst\u00e4ndnis seiner Zeit aufzubrechen, das da hie\u00df: \u201eNur der Klassenwiderspruch ist relevant, alles l\u00f6st sich durch Ver\u00e4nderung der Produktionsverh\u00e4ltnisse.\u201c Das Konzept des Haupt- und Nebenwiderspruchs ist also einer ultra-orthodoxen Idee gerade entgegengesetzt und nicht etwa deren Ausdruck, da es anderen Widerspr\u00fcchen wie zum Beispiel eben auch die \u201eFrauenfrage\u201c, dem antikolonialer Kampf und so weiter konzeptionell zuspricht, federf\u00fchrend im revolution\u00e4ren Kampf werden zu k\u00f6nnen. Auch hier empfiehlt es sich dringend, die Lekt\u00fcre der Originale zu vollziehen, um der fast durchgehend falschen Rezeption zu entgehen. Es kommt nicht von ungef\u00e4hr, dass das intersektionale Modell einer maoistischen Partei \u2013 n\u00e4mlich der Black Panther Party \u2013 entspringt. Dass die deutschen K-Gruppen und nun auch der JW Konzepte falsch verstehen und anwenden ist deren theoretisches, wie praktisches Verfehlen.
[5] Beispielhaft: Man m\u00f6chte Haarausfall bekommen, wenn deutsche Neo-K-Gr\u00fcppler von Revolution \u2013 und im maoistischen Fall sogar von Kulturrevolution \u2013 reden, aber selbst b\u00fcrgerliche Konzepte eins zu eins \u00fcbernehmen, wenn es ihnen gerade nicht in den Kram passt, den eigenen Chauvinismus aufzuarbeiten. Was das Mitglied des JW in \u201eSelbstkritik eines Genossen und Kommentare zum Thema Transsexualit\u00e4t\u201c da verzapft, steht so dann auch \u2013 in der inzwischen antiken Fassung \u2013 des Katalogs f\u00fcr psychische Krankheiten ICD-10, in dem auch Homosexualit\u00e4t noch lange Zeit als \u201eKrankheit\u201c aufgef\u00fchrt wurde. Da hilft dann auch die Widerrede seiner Genossin nichts, die sein Verhalten zu Recht als eines Kommunisten unw\u00fcrdig herausstellt.
[6] In der Twitter-Blase tauchen regelm\u00e4\u00dfig neue denunziatorische Fake-Profile auf, die sich teils mit Memes, teils mit Outing-Informationen haupts\u00e4chlich um die Gruppe drehen. (Hashtag #Jugendwiderstand)
[7] Ausschlaggebend f\u00fcr den Vorwurf erscheint den \u201ealten Hasen\u201c des Outings \u201eDie Kameradschaft \u00bbJugendwiderstand\u00ab und die Neonazis: Die maoistische Gruppe aus Berlin auf extrem rechten Wegen\u201c, dass es im JW eine Person gibt, die in j\u00fcngsten Jahren \u2013 n\u00e4mlich mit 16 \u2013 bei der Neo-Nazi Jugendorganisation JN gewesen sein soll. Dass diese Person bereits vor Jahren im Alter von 18 Jahren glaubw\u00fcrdig \u00fcber eine linke Partei ausgestiegen ist, bevor sie erst mit Mitte 20 zum JW kam, und dass es die gleiche Person war, die im vergangenen Jahr in Folge von Stichverletzungen nach einem Nazi-Angriff beinahe gestorben ist, wurde wohl \u201eaus Versehen\u201c unterschlagen. Jedenfalls ist dieser Ex-JN-Aktivist wohl so beliebt und die Kooperation zwischen JW und Kameradschaften offensichtlich so eng und abgestimmt, dass die Kameraden ihren Renegaten wohl eher fr\u00fcher als sp\u00e4ter unter der Erde sehen wollen.
[8] Identit\u00e4tspolitik war der kommunistischen Bewegung schon immer inh\u00e4rent \u2013 anders als es uns die alten und neuen K-Gruppen mitunter mit einer falschen Rezeption von Haupt- und Nebenwiderspruchstheorien wei\u00df machen wollen. Anders lie\u00dfe sich nicht erkl\u00e4ren, warum beispielsweise auch solche hochidentit\u00e4ren Kategorien wie \u201eV\u00f6lker\u201c oder \u201eFrauen\u201c immer eine Rolle gespielt haben, ganz zu schweigen von den identit\u00e4ren Str\u00f6mungszuschreibungen von Trotzki bis Hoxha. Der Unterschied zur heutigen neoliberalen Identit\u00e4tspolitik liegt denn auch nicht in der Existenz und praktischen Konzeptionalisierung von Identit\u00e4ten an sich, sondern ob sie auf den Klassenkampf r\u00fcckbezogen und damit revolution\u00e4r werden oder nicht.
[9] Die 3D-Theorie (D\u00e4monisierung, Doppelstandards oder Delegitimierung des Staates Israels) geht auf den rechten israelischen Politiker und ehemaliger US-Spion im Kalten Krieg Natan Scharanski zur\u00fcck, der zun\u00e4chst die rechte israelische Partei Jisra'el ba-Alija gr\u00fcndete, die in den Likud und Jisra\u2019el Beitenu \u2013 beide gleicherma\u00dfen nach europ\u00e4ischen Standarts rechtspopulistisch \u2013 aufging. Scharanski selbst war Likud-Abgeordneter der Knesset. Diese explizit aus der Feder eines Antikommunisten und israelischen Rechten stammende Definition ist zu Recht umstritten. Insbesondere israelische Linke, die kritisch zum Narrativ ihres Staates stehen, greifen diese an. Warum eine aus dem rechten Spektrum gezielt gegen die kritische Agenda unserer israelischen Genoss*innen entwickelte Theorie, die obendrein den Antisemitismus bis zur Unkenntlichkeit \u00fcberdehnt und damit als letztes im Sinne von J\u00fcd*innen weltweit ist, einfach unkritisch \u00fcbernommen wird, ist unklar. Auch wenn es selbstverst\u00e4ndlich Antisemitismus gibt, der sich als Israelkritik tarnt, muss hier, genau wie bei jeder spezifischen Form von Rassismus auch, der entsprechende Einzelfall mit seinem Inhalt Beachtung finden. Die Pr\u00e4senz antisemitischer Handlungen und Aussagen oder Toleranz gegen\u00fcber diesen Haltungen macht allein noch keinen programmatischen Antisemiten oder eine strukturell antisemitische Organisation. Wenn es nach solcherlei Zirkelschl\u00fcssen ginge, w\u00e4re die deutsche Linke in G\u00e4nze programmatisch als sexistisch und rassistisch zu bewerten und damit in G\u00e4nze zu bek\u00e4mpfen, weil sexistische und rassistische Vorf\u00e4lle laufend in unseren Reihen geschehen.
[10] Die Namen Eckhard Jesse und Uwe Backes und deren Anbindung in die Neue Rechte hinein sollte eigentlich bekannt und eine Ablehnung ihrer Theorien aus eigenem Interesse Kanon sein.
[11] Die mutma\u00dflichen Verantwortlichen sind uns bekannt.
[12] Siehe VS-Berichte des Landes Berlin aus den Jahren 2017 und 2018 (mit Tor-Browser \u00f6ffnen!).
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