\u201eDie wahre Kritik steckt im Herzen eines Volks, das nicht aufgibt\u201c
\nAm 28. Mai veranstaltet die marxistische Tageszeitung junge Welt eine Konferenz mit dem Titel \u201eH\u00e4nde Weg von Venezuela \u2013 Solidarit\u00e4t mit den progressiven Kr\u00e4ften Lateinamerikas\u201c. Neben deutschen linken Gruppen und Parteien beteiligen sich auch migrantische Solidarit\u00e4tsgruppen an der Konferenz. re:volt-Redakteur Jan Schwab sprach mit dem lateinamerikanischen B\u00fcndnis Bloque Latinoamericano, das die Konferenz unterst\u00fctzt.
Jan [re:volt]: Hallo liebe Genoss*innen von Bloque Latinoamericano. K\u00f6nntet ihr uns etwas zu eurer Arbeit erz\u00e4hlen? Wer seid ihr und was macht ihr schwerpunktm\u00e4\u00dfig?
Bloque Latinoamericano: Wir sind ein Zusammenschluss von linken lateinamerikanischen Kollektiven und Einzelpersonen in Berlin und bundesweit. Der Bloque Latinoamericano entstand vor einem halben Jahr als Antwort auf den Vormarsch der Faschist*innen in Lateinamerika und die Geschehnisse in Chemnitz. Auf keinen Fall konnten wir danach weiter unorganisiert bleiben. Weder als Latinos/as in der Diaspora, noch als Migrant*innen in Deutschland. Eines unserer Ziele ist, die lateinamerikanischen K\u00e4mpfe in Berlin zu vereinen, um die K\u00e4mpfe unserer V\u00f6lker auf dem lateinamerikanischen Kontinent zu unterst\u00fctzen. Ein anderes ist die St\u00e4rkung linker migrantischer Politik in Deutschland. Dahinter stehen f\u00fcr uns die K\u00e4mpfe um W\u00fcrde und Demokratie, antikoloniale, feministische und antikapitalistische K\u00e4mpfe. Wir beteiligten uns in den letzten Monaten an zahlreichen Demonstrationen und Protesten gegen den Neo-Faschismus in Deutschland, die Regierung Bolsonaro in Brasilien und Moreno in Ecuador, gegen die imperialistische Intervention in Venezuela, oder f\u00fcr die Befreiung politischer Gefangener auf unserem Kontinent. Im April unterst\u00fctzten wir eine Initiative kolumbianischer Organisationen in Europa und zogen vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, um eine Anklage gegen die systematische Ermordung von Aktivist*innen in Kolumbien anzustrengen. Wir unterst\u00fctzen dar\u00fcber hinaus Gedenkveranstaltungen an unsere Genoss*innen, die ihr Leben im Kampf verloren haben, wie z.B. Marielle Franco in Brasilien und Berta C\u00e1ceres in Honduras. Am 8. M\u00e4rz beteiligten sich die Frauen* des Bloque Latinoamericano an einem internationalistischen Protestmarsch in Berlin-Lichtenberg zusammen mit anderen migrantischen Frauen*kollektiven. Wir machen auch Solidarit\u00e4tsarbeit mit dem kurdischen Befreiungskampf und unseren pal\u00e4stinensischen Genoss*innen, da wir verstanden haben, dass es sich in beiden F\u00e4llen um eine fundamental wichtige Arbeit in Deutschland handelt. Intern schaffen wir R\u00e4ume f\u00fcr gemeinsame Diskussionen und Analysen und entwickeln unsere regionale Arbeit mit der lateinamerikanischen Community in Berlin.
Jan [re:volt]: Seit Ende der 90er Jahre kamen in Lateinamerika immer mehr linke Regierungen an die Macht. Parallel dazu gab es immer wieder starke soziale Bewegungsproteste \u2013 von Ni una menos (Nicht eine weniger) in Argentinien, \u00fcber No+AFP in Chile oder die Proteste f\u00fcr den Frieden in Kolumbien. Wo liegen eure Bez\u00fcge in der lateinamerikanischen Linken?
Bloque Latinoamericano: Die K\u00e4mpfe der Lateinamerikaner*innen sind so vielf\u00e4ltig wie die aus einem historisch kolonisierten, ausgepl\u00fcnderten und sich in permanentem Widerstand befindenden Kontinent hervorgegangenen Identit\u00e4ten. Wir sprechen von Geschichten der K\u00e4mpfe im Plural, weil die Wege der Lateinamerikaner*innen im Ringen um ihre Befreiung schon immer vielf\u00e4ltig waren und unter unseren \u201eV\u00f6lkern\u201c ebenfalls eine Vielfalt an Kulturen, Sprachen und Weltanschauungen existieren. Die daraus entstehenden politischen Perspektiven gehen weit \u00fcber den westlichen Bezugsrahmen hinaus. Und es ist genau diese Vielfalt und kollektive Erinnerung, die es uns verbietet, unsere Geschichte der K\u00e4mpfe auf die sogenannten \u201eLinksregierungen\u201c der vergangenen Jahrzehnte zu reduzieren. Vor allem dann, wenn wir bedenken, dass jede einzelne Errungenschaft, alle Fortschritte in puncto sozialer Gerechtigkeit, Siege unserer K\u00e4mpfe waren \u2013 K\u00e4mpfe die uns Leben gekostet haben. Wir begleiten also als Bloque Latinoamericano die emanzipatorischen Ausdr\u00fccke unseres Kontinents. Wenn die Linksregierungen zu ihrer Zeit mit der Idee der Emanzipation, die eben nicht nur die letzten 10 oder 20 Jahre, sondern 500 Jahre zur\u00fcckreicht, in Einklang standen oder stehen, dann werden wir ihre Politiken hier sichtbar machen. Wenn aber die Regierungen, auch die Linksregierungen, nach der Pfeife neoliberaler Interessen tanzen und Politiken gegen die Arbeiter*innenklasse lancieren, wenn sie unsere L\u00e4ndereien und nat\u00fcrlichen Ressourcen an die multinationalen Konzerne verschachern, dann werden wir da sein und Widerstand leisten.
Jan [re:volt]: In der deutschsprachigen Diskussion finden sich ja h\u00e4ufig sehr kritische Haltungen zu den lateinamerikanischen Linksregierungen. Wo seht ihr die Erfolge und die Fehler der lateinamerikanischen Linksregierungen und sozialen Bewegungen?
Bloque Latinoamericano: Wir glauben, dass es in der europ\u00e4ischen Linken eine sehr paternalistische Haltung gegen\u00fcber Lateinamerika gibt. Dieser Stempel der \u201ealten und neuen Welt\u201c haftet auch den Analysen der Linken hierzulande an. Die Kritik aus der Ferne l\u00e4uft immer Gefahr in der Analyse Leerstellen zu hinterlassen und zu verflachen. Die Geschichten unserer V\u00f6lker, in der auch die Regierungen eine Rolle spielen, sind komplex und widerspr\u00fcchlich. Wir im Bloque Latinoamericano haben verschiedene Positionen in Hinblick auf die sogenannten Linksregierungen unseres Kontinents. Allerdings stellt dieser Aspekt auch nicht den Hauptpunkt unserer Debatte, oder unserer Praxis dar. Im Gegenteil. Die gegebene Komplexit\u00e4t zwingt und verpflichtet uns, mit Bescheidenheit den Berichten von mobilisierten V\u00f6lkern zuzuh\u00f6ren. Was h\u00e4ufig passiert ist, dass die Linke, auch die lateinamerikanische, den Fehler begeht, nur das zu \u201eunterst\u00fctzen\u201c, was aus ihrer Position heraus am \u201egenehmsten\u201c erscheint: dogmatisch abgeleitet aus ihrem theoretischen Verst\u00e4ndnis, was sie bereits \u201ekennt\u201c. Im Umkehrschluss verf\u00e4llt sie in eine \u201eKritik\u201c, die mit der Zur\u00fcckweisung von allem einhergeht, was sie selbst nicht zu verstehen vermag. Nehmen wir als Beispiel die internationalistische Unterst\u00fctzung der Zapatistas in Mexiko von Europa aus, im Gegensatz zu den \u201evorsichtigen\u201c linken Positionierungen zu Venezuela. Wir m\u00fcssen auch darauf hinweisen, dass eine sogenannte Linksregierung nicht notwendigerweise sozialistisch bzw. links ist. Die Linksregierungen Lateinamerikas bauen auf einer Entwicklungs\u00f6konomie auf, die das Leben der V\u00f6lker bedroht und die Natur als unendliche Ressource zur Akkumulation von Kapital begreift. Eine Perspektive, die nicht mit dem Kapitalismus als System bricht. Andererseits waren und sind diese Regierungen weder homogen noch statisch. Sie wandelten sich mit der Zeit und das aufgrund der linken Bewegungen in der Region. Das ist etwa der Fall, wenn wir uns Hugo Ch\u00e1vez' ansehen. Hier konnte man beobachten, wie sein Diskurs sich wandelte, wie er sich radikalisierte und als F\u00fchrer einer popularen Bewegung konsolidierte, die historisch, wie heute eine sozialistische Revolution fordert. Ch\u00e1vez machte sich auf Forderung des venezolanischen Volks und des Kontinents hin zum Anf\u00fchrer der bolivarischen Revolution. Aber in vielen Kapiteln unserer Geschichte wissen die F\u00fchrungen nicht, wie sie auf den Pfad, den die Volksbewegung einschl\u00e4gt, antworten sollen - auf eine Bewegung, die mit einer Machtstruktur kollidiert, die nicht bereit ist, ihre Privilegien zu verlieren. Fehler gibt es viele. Aber wichtiger als diese Fehler zu sehen, ist es, die Hoffnungen zu hinterfragen, die wir als soziale Bewegungen in diese Regierungen gesteckt haben und wie wir in vielen F\u00e4llen in Klientelpolitik gefangen geraten sind, die uns letztendlich demobilisiert hat. Es ist wichtig, klar zu haben, was wir aus dieser Erfahrung gelernt haben, und unseren Kampf fortzusetzen.
Jan [re:volt]: Venezuela war ja nun eines der am weitesten links stehenden Modelle, z.B. was Verstaatlichungen und Partizipation anbelangt. Seht ihr da einen grundlegenden Unterschied in der Politik von Hugo Ch\u00e1vez zu Nicol\u00e1s Maduro, oder hat letzterer schlicht Pech gehabt, dass die Krise des Wirtschaftsmodells in seine Amtszeit fiel?
Bloque Latinoamericano: Wir k\u00f6nnen uns erinnern, dass Ch\u00e1vez als ein Kandidat der Massen antrat, der eine Alternative zum neoliberalen Ausverkauf bot und mit dem sogenannten Punto Fijo-Abkommen brechen wollte. Dieser Pakt war unter zwei rechten Parteien geschlossen worden, die Venezuela f\u00fcr mehr als 40 Jahre regierten. Regierungen, die die reiche und ausbeuterische Klasse und ihren Erd\u00f6lschatz sch\u00fctzten. Sie bildeten Streitkr\u00e4fte und St\u00e4dte nach Vorbild des begehrten US-amerikanischen und europ\u00e4ischen Lebensstils. Es gen\u00fcgt, sich eine Stadt wie Caracas anzusehen, um zu verstehen, wie bis heute eine immense Spaltung zwischen dem Venezuela des Reichtums und der Verschwendung und dem Venezuela der Armut und des Hungers das Land durchzieht. Die Rechtsregierungen, die eine Politik des antikommunistischen Terrors betrieben, verursachten Massaker und lie\u00dfen Menschen verschwinden, in sogenannten \u201edemokratischen Zeiten\u201c. Es sind die gleichen Parteien, die sich heute als \u201eneue Parteien\u201c und als \u201eAlternative f\u00fcr ein neues Venezuela\u201c verkaufen wollen. Die Macht\u00fcbernahme durch Ch\u00e1vez bedeutete einen Aufbruch, wie er niemals zuvor vom venezolanischen Volk erlebt wurde. Und sie stellt etwas dar, was schwierig durch politische Theorien zu erkl\u00e4ren ist, weil es viel mit W\u00fcrde und dem Gef\u00fchl der Zugeh\u00f6rigkeit zu tun hat, mit einem individuellen wie kollektiven Prozess, der es ab den Sozialpolitiken der chavistischen Regierung schaffte, tiefgreifende Ver\u00e4nderungen in dieser so ungleichen Gesellschaft Venezuelas Ende der 90er zu bewirken. Millionen von Venezolaner*innen erhielten Zugang zu einer Gesundheitsversorgung und kostenloser sekund\u00e4rer, wie universit\u00e4rer Bildung. Dar\u00fcber hinaus schuf man Orte der demokratischen Partizipation, wie die riesigen Asambleas (Versammlungen) im gesamten Land, vor allem in den historisch marginalisierten Regionen, auf dem Land und in den Kommunen der Indigenen, um eine neue Verfassung zu diskutieren und zu schaffen. Genauso wie die Etablierung der Kommunalr\u00e4te als Orte der direkten Partizipation durch das Volk oder die Arbeiter*innen-R\u00e4te der Fabriken und Firmen, die verstaatlicht wurden, die in den ersten Momenten tats\u00e4chlich aber von den Arbeiter*innen selbst verwaltet wurden. Der Aufbau \u201eeiner neuen Gesellschaft\u201c stellte und stellt immer noch die Hoffnung nicht nur f\u00fcr das venezolanische Volk dar, sondern f\u00fcr die ganze Region.
Dennoch gibt es im Zuge dieses Aufbaus zwei entscheidende Faktoren, die zur Abkehr vom Weg f\u00fchren, der im Aufbau des Sozialismus gerade erst eingeschlagen wurde. Zun\u00e4chst der Verlust von Einflussr\u00e4umen f\u00fcr die heimatlose und entfremdete b\u00fcrgerliche Klasse, die immer versuchte, wieder zur\u00fcck in die politische Machtposition zu gelangen, es mittels Wahlen aber nicht schaffte. Weil sie keine populare Unterst\u00fctzung genoss, griff sie zur\u00fcck auf die Zusammenarbeit mit dem US-Imperialismus, auf die Gr\u00fcndung gewaltt\u00e4tiger, destabilisierender Gruppen, auf Ma\u00dfnahmen des \u00f6konomischen Drucks, politische Verfolgung von kommunalen Anf\u00fchrer*innen und B\u00e4uer*innen und die Pr\u00e4gung des internationalen Mediendiskurses von einem vermeintlichen Failed State. Auf gewaltvollen Protesten dieser \u201edemokratischen Opposition\u201c wurden in den letzten Jahren Menschen bei lebendigem Leibe verbrannt, weil sie \u201ewie Chavez-Anh\u00e4nger aussahen\u201c- Es ist mehr als offensichtlich, dass die so genannte venezolanische Opposition keinen demokratischen Weg zur L\u00f6sung des Konflikts sucht, f\u00fcr den sie selbst mit verantwortlich ist.
Auf der anderen Seite begann der bolivarische, durch Chavez angesto\u00dfene Prozess, der durch Kr\u00e4fte des organisierten Volkes begleitet wurde, unter den Massen jedoch an R\u00fcckhalt zu verlieren. Die Gr\u00fcnde daf\u00fcr waren, dass er nie den Staat beseitigte, der \u201edas Volk vertreten\u201c wollte, sich immer weiter von den Interessen der Mehrheit entfernte und daf\u00fcr partikularen Interessen ann\u00e4herte. Mit den Regierungen Ch\u00e1vez und Maduro entstand eine neue politische Klasse, die sich in der politischen Macht einnistete und begann, die R\u00e4ume der popularen Partizipation einzuschr\u00e4nken, sie sogar kriminalisierte, ebenso wie die Kritik aus den Reihen des Chavismus selbst. Wom\u00f6glich trat der Prozess des Zerfalls erst nach dem Tod von Ch\u00e1vez deutlicher hervor. Tats\u00e4chlich bedient sowohl die rechte Opposition, wie auch die Regierung, missbr\u00e4uchlich eines manich\u00e4ischen und verk\u00fcrzten Diskurses des \u201eBist du nicht mit mir, bist du gegen mich\u201c. Die Geschichte hat uns gelehrt, dass dieses Spiel seine Grenzen hat. Fr\u00fcher oder sp\u00e4ter wird das Volk anfangen sich zur\u00fcck zu holen, was ihm genommen wurde. Es wird die Notwendigkeit sehen, sich in einer politischen Identit\u00e4t zusammen zu finden, die es ihm erlaubt, einen bislang noch unklaren Weg zu beschreiten. Ein weiteres Element ist, dass es sich bei der venezolanischen Gesellschaft um eine patriarchale, katholische Gesellschaft handelt, deren Geschichtserz\u00e4hlung voll mit gro\u00dfen Helden und Schurken ist, die in Maduro aber keinen empathischen F\u00fchrer finden konnte - anders als in Ch\u00e1vez, der den Archetypen des sch\u00fctzenden Vaters und Erl\u00f6sers repr\u00e4sentierte. Die venezolanische Krise ist nicht nur eine \u00f6konomische, sondern eine tiefgehende moralische Krise. Eine Krise, von der wir glauben, dass sie die Perspektive der kontinentalen Befreiung schwer getroffen hat.
Jan [re:volt]: In der deutschsprachigen Linken wird sich in Bezug zu Venezuela ja sehr ambivalent positioniert. Die Mehrheit spricht sich gegen den Putsch aus, entsolidarisiert sich aber zugleich mit der Regierung Maduro. Ein Teil der Linken hierzulande spricht, wie die westlichen Medien von einem \u201eautorit\u00e4ren Regime\u201c. Was haltet ihr von solchen Positionen?
Bloque Latinoamericano: Venezuela, wie fr\u00fcher auch Kuba, ist eines der bevorzugten Ziele der Diffamierung durch die transnationalen Medien. Es handelt sich dabei um ein Kriegswerkzeug, das eine milit\u00e4rische Intervention, den Raubzug auf die Ressourcen des Landes und die Einmischung anderer Regierung in die souver\u00e4nen Entscheidungen des venezolanischen Volks rechtfertigen soll. Diese Medien sagen uns, \u00fcber welche L\u00e4nder \u201ewir besorgt sein sollten\u201c und \u00fcber welche nicht, wann wir ein im Fernsehen \u00fcbertragenes Massaker akzeptieren sollen, wer die Terrorist*innen sind und wer nicht, welches Regime autorit\u00e4r ist und welches nicht. Deshalb bek\u00fcmmert Venezuela derzeit die gesamte Welt, da es dort angeblich ein sehr schlimmes autorit\u00e4res \u201eRegime\u201c g\u00e4be, welches die Menschenrechte attackiere. Und kann es dann nicht sein, dass vereinzelte, verf\u00e4lschte Informationen sich am Ende in \u201eAnalysen\u201c verwandeln, inklusive jene der globalen Linken? Das ist unserer Ansicht nach etwas wirklich Besorgniserregendes, weil jene, die am lautesten die Fahne der \u201eMenschenrechte\u201c in Venezuela schwenken, die gleichen Parteien sind, die 40 Jahre lang das Gesetz zur Ausrottung des Kommunismus angewandt haben. Und das, w\u00e4hrend jene, die am meisten betroffen waren von den Widerspr\u00fcchen der Macht, die Anf\u00fchrer*innen der Bauernverb\u00e4nde, die Arbeiter*innen und die chavistischen Kommunen sind, die sich mutig gegen die Korruption, die Nachl\u00e4ssigkeit und den Klientelismus eingesetzt haben. So wie die Krise alle unterschiedlich hart getroffen hat, trifft auch nicht jede \u201eKritik\u201c ins Schwarze. Bei Staatsstreichen, dem Aufbau und der Finanzierung bewaffneter Gruppen mit faschistischen Praktiken, der Einforderung einer Milit\u00e4rintervention, einer Politik der Bestrafung und des Aushungerns eines Volks durch ein Embargo, kann man nicht von \u201eKritik\u201c sprechen. Wirkliche \u201eKritik\u201c ist die interessante Debatte, die die venezolanische Gesellschaft f\u00fchrt, die von ihr entwickelten Mechanismen des \u00dcberlebens und der Solidarit\u00e4t, die mit einem tiefen antiimperialistischen Gef\u00fchl einhergeht. Aber das ist etwas, was die Medien nicht bringen und was die gro\u00dfe Mehrheit der deutschen, wie internationalen Linken, deren Informationsquellen die gleichen Meiden sind, nicht h\u00f6rt. Das soll nicht hei\u00dfen, dass wir verneinen, dass Venezuela eine schwere Krise durchl\u00e4uft. Das Land bleibt weiterhin und auf lange Sicht abh\u00e4ngig von der Ausbeutung des Roh\u00f6ls und dem Verkauf seiner nat\u00fcrlichen Ressourcen. Ein Problem, das eine schwere Umweltkrise hervorgebracht hat. Es handelt sich um ein Land, das es weder geschafft hat, seine L\u00e4ndereien produktiv zu machen, noch die Politik der Landzur\u00fcckgewinnung weiterzuf\u00fchren oder wirkliche Arbeiter*innenkontrolle \u00fcber die Produktion zu erwirken. Die wahre Kritik steckt im Herzen eines Volks, das nicht aufgibt, das glaubte, der Moment der Gerechtigkeit und des Aufbaus des Sozialismus sei gekommen und trotzdem weiter in einer \u00e4u\u00dferst prek\u00e4ren Situation f\u00fcr das Leben, die Autonomie und die Befreiung k\u00e4mpft.
Die Mehrheit der deutschen Linken positioniert sich leider \u00fcberhaupt nicht, noch \u00e4u\u00dfert sie sich zur Situation in Venezuela. Hierzulande tappen wir wieder in die Polarisierungs-Falle, d.h. die Realit\u00e4t nur in zwei Polen zu sehen. Wir glauben, dass die deutsche Linke, ebenso wie jede andere Linke, sich h\u00e4ufig nicht traut, zuzuh\u00f6ren und \u00fcber den eigenen Tellerrand zu schauen, die ihr theoretischer Bezugsrahmen darstellt. Es ist kein Widerspruch gegen den Staatsstreich der USA mit Guaid\u00f3 zu sein und die Regierung von Maduro nicht zu unterst\u00fctzen. Maduro nicht zu unterst\u00fctzen, hei\u00dft auch nicht automatisch, den wachsenden Faschismus auf dem lateinamerikanischen Kontinent zu unterst\u00fctzen. Das Problem f\u00e4ngt da an, wo man die lebendigen Kr\u00e4fte nicht kennt, die sich vor Ort organisieren und mobilisieren, sondern eine Position beansprucht, die auf verzerrten Informationen beruht.
Wir erwarten von einer deutschen Linken, dass sie eine klare Position gegen die freche Einmischung der deutschen Regierung in Venezuela und dem gesamten Kontinent einnimmt, d.h. ihr neokoloniales Machtspiel, ihre Unterst\u00fctzung der Aushungerungspolitik gegen Venezuela oder ihre Unterst\u00fctzung f\u00fcr Guaid\u00f3 und die Lima-Gruppe. Darin unterscheidet sie sich nicht von den anderen imperialistischen M\u00e4chten, die sich die Kuchenst\u00fccke auf Kosten der Souver\u00e4nit\u00e4t eines Volkes untereinander aufteilen. Wir w\u00fcrden hier gerne mehr wirkliche Kritiken an den kolonialen Politiken der \u201eEurop\u00e4ischen Demokratie\u201c sehen. F\u00fcr uns ist der Kampf kein abstraktes Konzept von Stellungnahmen aus der Distanz, \u00fcber Dinge die uns nicht ber\u00fchren oder weh tun. Wir reden hier \u00fcber das Leben von Millionen von Menschen, wir reden von der Enthauptung einer ganzen Gesellschaft. Die Debatte ist notwendig, aber nur unter der Bedingung der internationalen Solidarit\u00e4t, der internationalistischen und revolution\u00e4ren Verpflichtung, die einen Krieg, der vor den Toren unseres Kontinents steht, sichtbar machen und hoffentlich auch verhindern kann.
Jan [re:volt]: Ihr mobilisiert auch zu dem Kongress \u201eH\u00e4nde Weg von Venezuela \u2013 Solidarit\u00e4t mit den progressiven Kr\u00e4ften Lateinamerikas\u201c. Warum unterst\u00fctzt ihr die Initiative der Tageszeitung junge Welt?
Bloque Latinoamericano: Zwischen dem 28. und 29. Mai hat der deutsche Au\u00dfenminister Heiko Maas zur Konferenz der \u201eLateinamerika-Karibik Initiative\u201c ins Ausw\u00e4rtige Amt geladen. Es kommen zahlreiche Au\u00dfenminister*innen aus Lateinamerika und der Karibik, um sich unter die geopolitische Strategie des deutschen Imperialismus unterzuordnen. Das Verhalten der Merkel-Regierung hat bereits hinreichend ihre Unterst\u00fctzung f\u00fcr die Intervention in Venezuela gezeigt. Sie war eine der Ersten, die Guaid\u00f3 die Unterst\u00fctzung zusagte, als dieser sich selbst Ende Januar zum Interims-Pr\u00e4sidenten Venezuelas ernannte. W\u00e4hrend seines Besuchs vor einigen Wochen, kokettierte Maas mit den faschistischen Regierungen Kolumbiens und Brasiliens und traf sich mit den Vertreter*innen des versuchten Putsches in Bogot\u00e1. Als Thema ist Venezuela in der deutschen Gesellschaft und Linken derart marginalisiert, dass es wichtig ist, die existierenden Initiativen zu unterst\u00fctzen und eine vereinte Front gegen Krieg und deutschen, wie US-Imperialismus zu bilden, die gleicherma\u00dfen unseren Kontinent bedrohen. Wir hoffen, dass die Konferenz \u201eH\u00e4nde weg von Venezuela - Solidarit\u00e4t mit den progressiven Kr\u00e4ften Lateinamerikas\u201c die progressiven Kr\u00e4fte in Berlin zusammenschwei\u00dft und unseren Widerstand hier im Herzen der Bestie st\u00e4rkt. Wir hoffen euch dort zu sehen!