Ein anderer Journalismus ist m\u00f6glich!
\nGemeinsam schreiben, gemeinsam streiken: Als Redakteurinnen des re:volt unterst\u00fctzen wir den Aufruf \u201eEin anderer Journalismus ist m\u00f6glich\u201c. Den Aufruf haben schon am ersten Tag \u00fcber 80 Redakteurinnen* und (freie) Journalistinnen* unterschiedlicher Zeitungen und Magazine unterzeichnet. Uns eint die spitze Feder, mit der wir gegen Ausbeutung und Unterdr\u00fcckung anschreiben. Der Aufruf ist aber nicht nur f\u00fcr uns Schreibende, sondern eine Aufforderung an alle Frauen*: Wir geben uns nicht mit dem Bestehenden zufrieden. Unseren Kampf gegen kapitalistische Ausbeutung und damit verbunden gegen patriarchale und frauenverachtende Verh\u00e4ltnisse f\u00fchren wir nicht alleine, sondern weltweit gemeinsam. In diesem Sinne: Wir tr\u00e4umen nicht nur von revolution\u00e4ren Zeiten, sondern setzen alles daran, diese Wirklichkeit werden zu lassen!
Zum Aufruf
Am 8. M\u00e4rz 2019 werden Frauen und Queers [1] weltweit streiken. Die Streikenden setzen sich gegen all die Formen von Unterdr\u00fcckung und Ausbeutung zur Wehr, die Frauen betreffen: weil sie \u00fcberm\u00e4\u00dfig h\u00e4ufig prek\u00e4r besch\u00e4ftigt sind \u2013 etwa in Teilzeit oder im Niedriglohnbereich; weil sie sexualisierte und k\u00f6rperliche Gewalt und Bel\u00e4stigung erfahren; weil sie von klein auf mit massiv abwertenden Geschlechterbildern konfrontiert sind; weil von Frauen erwartet wird, den Gro\u00dfteil der Hausarbeit, Familienpflege und Kindererziehung unbezahlt zu leisten. Und nicht zuletzt, weil sie sich dagegen wenden, dass einige Wenige sich ihre Arbeit aneignen und zugleich patriarchale Machtverh\u00e4ltnisse am Leben halten. Ihre Arbeit ist f\u00fcr den Staat und die Unternehmen unersetzlich: Wenn Frauen und Queers all ihre bezahlte und unbezahlte Arbeit niederlegen, steht die Welt still!
Wir wollen den Streik unterst\u00fctzen und daher ebenfalls am 8. M\u00e4rz unsere Arbeit niederlegen. Als Medienschaffende haben wir die M\u00f6glichkeit, viele Menschen zu erreichen. Wir stehen mit diesem Aufruf f\u00fcr die Forderungen aller streikenden Frauen und Queers am 8. M\u00e4rz ein und wollen zudem die bestehenden Ungleichheiten in unserer eigenen Branche sichtbar machen.
Die schlechte Bezahlung und hohe Belastung in der Medienbranche trifft Frauen in besonderem Ma\u00dfe. Als Frauen leisten wir zus\u00e4tzlich zu unserer bezahlten Arbeit wesentlich mehr unbezahlte Haus- und Erziehungsarbeit als M\u00e4nner. Auch wir Journalistinnen sind auf allen Ebenen benachteiligt: als Festangestellte, als freie Mitarbeiterinnen, als M\u00fctter und unbezahlte Hausarbeiterinnen. Im Medienbereich gibt es wie in allen anderen Bereichen strukturellen Sexismus: Er offenbart sich in sexistischen Spr\u00fcchen, die Einzelnen von uns signalisieren, dass sie nicht ernst zu nehmen seien, in m\u00e4nnerb\u00fcndischen Netzwerken auch in unserer Branche, der Abwertung unserer Themen, der Geringsch\u00e4tzung unserer Arbeit, niedrigeren Honoraren und Geh\u00e4ltern oder auch darin, wer bef\u00f6rdert wird. Auch Bel\u00e4stigung und Gewalt im Arbeitskontext geh\u00f6ren f\u00fcr viele von uns zur \u00bbBerufserfahrung\u00ab. Hinzu kommt die Arbeitsverdichtung, die Redaktionen und Freie zunehmend in Zeitnot bringt.
Wir bestreiken am 8. M\u00e4rz Arbeits- und Geschlechterverh\u00e4ltnisse im Journalismus und fordern ohne Wenn und Aber:
- das Ende der Lohndiskriminierung: Abseits von Symbolpolitiken und zahnlosen Tigern wie dem Entgeltgleichheitsgesetz fordern wir umfassende Transparenz bei Gehalts- und Honorarverhandlungen \u2013 sowohl f\u00fcr Festangestellte in unterschiedlichen Positionen als auch f\u00fcr freiberufliche Journalistinnen.
- Gewalt als strukturelles Problem zu behandeln: Laut einer Umfrage von 2015 im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes kennen 60 Prozent der befragten Personalverantwortlichen und Betriebsr\u00e4t_innen keine Ma\u00dfnahmen gegen sexuelle Bel\u00e4stigung am Arbeitsplatz in ihrem Unternehmen beziehungsweise ihrer Verwaltung; in fast der H\u00e4lfte der Betriebe gibt es keine Beschwerdestelle f\u00fcr diese F\u00e4lle. Wir fordern von den Gewerkschaften, den Einsatz gegen Diskriminierung und Gewalt am Arbeitsplatz zum Gegenstand von Tarifverhandlungen machen.
- Arbeitszeitverk\u00fcrzung: Als Frauen tragen Journalistinnen weiterhin die Hauptlast in der Haus- und F\u00fcrsorgearbeit. Wir fordern daher Arbeitszeitverk\u00fcrzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich.
- Durchsetzung der Tarifbindung: Wir fordern eine generelle Tarifbindung f\u00fcr Journalist_innen und damit verbunden ein Ende des Ausspielens von oft noch prek\u00e4reren Freien, die als Druckmittel genutzt werden, damit Kolleg_innen Vertr\u00e4ge mit schlechteren Konditionen annehmen.
- Gute Arbeit auch in Haushalt und F\u00fcrsorge: Wir fordern eine \u00f6ffentliche Infrastruktur mit ausreichenden und hochwertigen Pflegeeinrichtungen, Kindertagesst\u00e4tten, Horten und Ganztagsschulen, damit Kolleginnen, die Kinder haben und/oder Angeh\u00f6rige versorgen, entlastet werden.
- Outsourcing zu beenden: Damit wir als Journalistinnen \u00fcberhaupt arbeiten k\u00f6nnen, brauchen Medienh\u00e4user Reinigungspersonal, Kantinenpersonal, Geb\u00e4udesicherheit und Menschen am Empfang. Zusteller_innen bringen die gedruckte Zeitung zu den Leser_innen. Besch\u00e4ftigte in diesen Bereichen werden immer h\u00e4ufiger outgesourct und verdienen besonders wenig. Doch unsere K\u00e4mpfe sind nicht begrenzt durch unsere Position in einem Geb\u00e4ude; wir geh\u00f6ren alle zusammen. Wir fordern die Eingliederung von outgesourctem Personal in die jeweiligen Unternehmen.
- feministischen Journalismus: Wir fordern einen Ausbau der Strukturen f\u00fcr guten Journalismus! Das hei\u00dft: Schluss mit Geschlechterstereotypen in den Medien und dem Desinteresse gegen\u00fcber Problemen, die Frauen betreffen, Schluss mit der inhaltlichen Verflachung. Gegen Ignoranz und Einzelk\u00e4mpfertum, gegen elit\u00e4ren Journalismus! F\u00fcr einen anderen, feministischen Journalismus!
Unsere Arbeitsbedingungen: Lohndiskriminierung, Bel\u00e4stigung und Gewalt
Der Journalistinnenbund fordert Journalistinnen auf, Lohndiskriminierung nicht als \u00bbnervig\u00ab abzutun, sondern ihre Rechte einzufordern. Und an dieser Stelle endet die Benachteiligung von Frauen in Medienberufen noch lange nicht.
Die Lage von Redakteurinnen
Ein paar wenige Journalistinnen in Leitungsfunktionen sind oft das Feigenblatt der m\u00e4nnlich gepr\u00e4gten Redaktionen. Befristete Vertr\u00e4ge, konstanter Stress und unbezahlte \u00dcberstunden \u2013 die Arbeitsbedingungen sind ohnehin mies, doch noch mieser f\u00fcr Frauen, die Kinder haben, einen Gro\u00dfteil der Haushaltsarbeit erledigen m\u00fcssen und kranke Angeh\u00f6rige zu versorgen haben. Journalistinnen verdienen durchschnittlich 5,6 Prozent weniger als Journalisten \u2013 selbst wenn sie die gleiche Berufserfahrung haben und immer Vollzeit arbeiten. Auch innerhalb der Redaktionen ist m\u00e4nnliche Dominanz tagt\u00e4glich zu sp\u00fcren \u2013 zum Beispiel, wenn es darum geht, wer die Themen setzt, wessen Beitrag einen prominenten Platz erh\u00e4lt oder wer als kompetenter gilt, ein Thema zu kommentieren. Hinzu kommt, dass feministische Themen und Themen, die Frauen betreffen, mitunter so behandelt werden, als ob sie keine Expertise voraussetzten. Doch Feminismus und Genderthemen sind keine Kleinigkeit, die man sich mal eben nebenbei aneignet. Auch diese Themen setzen jahre- und jahrzehntelange Besch\u00e4ftigung und Erfahrung voraus. Auch hierdurch wird die Arbeit von Frauen und Queers unsichtbar gemacht, ihre Kenntnisse abgewertet.
Die Lage von freien Journalistinnen
Es ist bekannt, dass die soziale Lage freier Journalistinnen schlecht ist, weil auch Medienunternehmen sich bei Honoraren immer weiter gegenseitig unterbieten. Weniger bekannt ist der Gender Pay Gap, also die unterschiedliche Bezahlung nach Geschlecht, unter freiberuflichen Journalistinnen: Rund 35 Prozent der weiblichen Freelancer sind Geringverdienende, bei ihren m\u00e4nnlichen Kollegen sind das nur etwa 23 Prozent. Freiberuflichkeit trifft Frauen also h\u00e4rter. Honorare sind au\u00dferdem h\u00e4ufig intransparent, was Raum f\u00fcr Diskriminierung l\u00e4sst. Au\u00dferdem werden in vielen Redaktionen bei der Auftragsvergabe M\u00e4nner bevorzugt.
\u2026 und dar\u00fcber hinaus als Frau
Eine Journalistin in Deutschland verdient durchschnittlich 2.436 Euro netto, ein Journalist 3.151 Euro. Der Unterschied liegt somit bei 22,7 Prozent. Ein Grund: Frauen \u00bbsetzen aus\u00ab, weil sie Menschen versorgen m\u00fcssen, oder sie arbeiten in Teilzeit. Wenn sie dann wieder voll in den Beruf einsteigen, haben M\u00e4nner, die ohne Unterbrechung gearbeitet haben, einen Vorsprung. Doch dass Frauen am Ende ihrer Berufslaufbahn als Journalistinnen durchschnittlich 600 Euro weniger verdienen, hat auch damit zu tun, dass sie nicht die gleichen Chancen haben \u2013 selbst wenn sie, wie viele es tun, kinderlos bleiben und durchg\u00e4ngig Vollzeit arbeiten.
Ob in der Redaktion oder als Freie: Wir Frauen tragen die Hauptlast nicht nur f\u00fcr Kindererziehung, sondern auch f\u00fcr Hausarbeit und F\u00fcrsorge f\u00fcr \u00e4ltere und kranke Menschen. In heterosexuellen Paarhaushalten, in denen beide Vollzeit berufst\u00e4tig sind, arbeiten Frauen laut Deutschem Institut f\u00fcr Wirtschaftsforschung pro Tag etwa drei Stunden mehr. Da M\u00e4nner in heterosexuellen Beziehungen immer noch weniger Haus- und F\u00fcrsorgearbeit verrichten als Frauen, und dies immer h\u00e4ufiger zu Konflikten f\u00fchrt, w\u00e4hlen finanziell besser gestellte Paare oft den Weg, Haus-und F\u00fcrsorgearbeit an migrantische Frauen auszulagern. Durch diesen Kompromiss wird das Konfliktpotenzial von Hausarbeit in Partnerschaften abgemildert. Dass die \u00f6ffentliche Infrastruktur aus Kindertagesst\u00e4tten, Horten oder Ganztagsschulen unzureichend ist, verst\u00e4rkt diesen Trend zur Auslagerung an Migrantinnen, die T\u00e4tigkeiten wie Kinderbetreuen, Waschen, Putzen oder Pflegen zu geringen L\u00f6hnen und h\u00e4ufig illegal erledigen. Doch Emanzipation f\u00fcr reichere, die mit der Benachteiligung und geringerem Lohn f\u00fcr migrantische Frauen einhergeht, kann nicht das Ziel von Feminismus sein. Die K\u00e4mpfe von illegal und prek\u00e4r Besch\u00e4ftigten, etwa Haus- und Pflegearbeiterinnen, h\u00e4ngen mit unseren K\u00e4mpfen als Journalistinnen zusammen; Erstere erm\u00f6glichen unsere journalistische Arbeit oft erst. In diesem Sinne fordern wir: ein bedingungsloses Aufenthaltsrecht f\u00fcr alle Menschen, die in Deutschland leben, sowie bessere Bedingungen auch in diesen Arbeitsbereichen.
Gewerkschaften m\u00fcssen sich st\u00e4rker politisch positionieren
Angemessener Lohn ist die Grundlage f\u00fcr guten Journalismus. In letzter Zeit gehen immer mehr Medienh\u00e4user dazu \u00fcber, die Tarifbindung und vormals vereinbarte Tarifstandards zu umgehen (eine Liste dieser Verlage findet man etwa bei ver.di). Redakteur_innen werden in eigenst\u00e4ndige, nicht tarifgebundene Gesellschaften
ausgelagert, Leiharbeit wird au\u00dfertariflich geregelt und Personen im Volontariat werden nicht mehr direkt beim Verlag oder Medienhaus angestellt. Ver.di wirft zudem dem Bundesverband Druck und Medien vor, durch die M\u00f6glichkeit der \u00bbOT-Mitgliedschaft\u00ab (ohne Tarifbindung) an der Tarifflucht beteiligt zu sein. Weil Frauen nicht nur von Sexismus betroffen sind, sondern viele von uns auch aufgrund von Rassismus, Behindertenfeindlichkeit, Homofeindlichkeit, Transfeindlichkeit oder Abwertung aufgrund der sozialen Herkunft Diskriminierung erleben, fordern wir, dass alle Benachteiligungen, die Frauen erleben, ernst genommen werden, und dass Gewerkschaften diese zum Gegenstand von Tarifverhandlungen machen. Sexuelle Bel\u00e4stigung und Gewalt am Arbeitsplatz m\u00fcssen als allgemeines und strukturelles Problem behandelt werden.
Gegen die geltenden \u00bbStandards\u00ab und die Strukturen der Branche
Gegen Geschlechterstereotype in den Medien und gegen das Desinteresse an Problemen von Frauen
Wenn \u00fcber Gewalt gegen Frauen, Strafprozesse wegen sexualisierter Gewalt oder familienrechtliche Fragen berichtet wird, sind sexistische Stereotype omnipr\u00e4sent. Frauen werden wahlweise dargestellt als stumme Opfer, als intrigante L\u00fcgnerinnen oder als rachs\u00fcchtige M\u00fctter, die ihren Ex-Ehem\u00e4nnern oder Ex-Partnern die Kinder vorenthalten wollten. Einzelf\u00e4lle sexualisierter Gewalt werden von antifeministischen rassistischen Kr\u00e4ften instrumentalisiert und medial umfassend begleitet. Medial ignoriert werden dagegen h\u00e4ufig die Erfahrungen von Frauen, die als Reinigungskr\u00e4fte in Hotels, in der Gastronomie, als Angestellte in Massagesalons oder als Sexarbeiterinnen t\u00e4tig sind und kaum Schutz vor sexualisierter Gewalt erfahren. In vielen journalistischen Formaten, etwa im Fernsehen, sind Frauen und Queers extrem unterrepr\u00e4sentiert. Laut der Studie \u00bb#frauenz\u00e4hlen\u00ab der Universit\u00e4t Rostock pr\u00e4sentieren etwa 80 Prozent aller non-fiktionalen Unterhaltungsprogramme M\u00e4nner. Ab Mitte 30 werden Journalistinnen hier quasi aussortiert. Auch auf Bildern sind Frauen und Queers systematisch unterrepr\u00e4sentiert. Wenn Frauen gezeigt werden, dann oft auf klischeehafte Weise. Die Unterrepr\u00e4sentanz von Frauen im Zusammenhang mit einer beruflichen Funktion ist ebenso untragbar wie die Ergebnisse des Global Media Monitoring Projects, demzufolge drei von vier Personen, die in den Nachrichten Erw\u00e4hnung finden, M\u00e4nner sind. Wir fordern mediale Inhalte und eine Bebilderung, in denen Frauen und Queers der Realit\u00e4t entsprechend divers und differenziert vorkommen. Dass sich im Journalismus rassistische, sexistische, b\u00fcrgerliche und weitere Ausschl\u00fcsse widerspiegeln, scheint fast schon ein Allgemeinplatz. Gerade aus diesem Grund m\u00fcssen Redaktionen st\u00e4rker sensibilisiert werden und kritischer, feministischer, antirassistischer Journalismus gest\u00e4rkt werden. Wir fordern mehr Ressourcen, um Ausma\u00df und Folgen sexistischer, rassistischer und sozialchauvinistischer Medienberichterstattung zu analysieren und \u00f6ffentlich zu machen. Hierf\u00fcr sind grundlegende Ver\u00e4nderungen in den Redaktionen n\u00f6tig, auch personelle. Es braucht zudem klare Mechanismen, um mit Konkurrenz- und Dominanzverhalten umzugehen, ebenso wie gewerkschaftlich oder anderweitig abgesicherte R\u00e4ume, in denen Frauen ihre Forderungen als Lohnarbeitende artikulieren k\u00f6nnen und Konsequenzen daraus gezogen werden.
Gegen Ignoranz und Einzelk\u00e4mpfertum
Dieser Punkt richtet sich insbesondere an die Ressortleiter_innen und Chefredakteur_innen: Wenn \u00fcber feministische Forderungen berichtet wird, konzentrieren sich Journalist_innen oft auf Forderungen nach Repr\u00e4sentation oder andere Aspekte, die besonders griffig sind \u2013 wie die Einf\u00fchrung des 8. M\u00e4rz als Feiertag in Berlin. Wir weisen darauf hin, dass feministische Kritik schon immer darin bestand, den m\u00e4nnlichen Standard in allen Bereichen der Gesellschaft \u2013 ob \u00d6konomie, Kultur, Politik, Psychologie oder Wissenschaft \u2013 aufzudecken, zu hinterfragen und ihm andere, eigene Werte entgegenzusetzen. F\u00fcr den Journalismus hei\u00dft das: Einzelk\u00e4mpfer_innen, die sich durch Dominanz und m\u00e4nnlich dominierte Netzwerke durchsetzen, sind von gestern. Der Fall Relotius sollte gezeigt haben, dass ein Journalismus, der die Genialit\u00e4t von Einzelnen als preisw\u00fcrdig betrachtet, keine Zukunft hat. Statt also diejenigen zu feiern, die angeblich alleine und unter gro\u00dfem Zeitdruck scheinbar geniale Texte produzieren, sollten eher langfristig angelegte, kollaborative Recherchen, hinter denen tiefgehende Einblicke stehen, Anerkennung erfahren. Das hei\u00dft zum Beispiel, solidarische Netzwerke mit feministischem Anspruch verst\u00e4rkt zu f\u00f6rdern und anderen Journalistinnen gegen\u00fcber zu \u00f6ffnen. Wir kritisieren zudem Auslandsberichterstattung, die zuarbeitenden lokalen Reporter_innen die Anerkennung verweigert; dies geschieht allzu h\u00e4ufig, etwa indem die Namen dieser Mitautor_innen nicht erw\u00e4hnt werden oder deren Arbeit nicht verg\u00fctet wird.
Gegen elit\u00e4ren Journalismus
Die Inhalte, die Menschen in Deutschland \u00fcber Medien rezipieren, werden bestimmt von einer kleinen Elite, die haupts\u00e4chlich aus M\u00e4nnern besteht, und die h\u00e4ufig dieselben politischen Perspektiven und Ziele teilen. Journalismus wird mehr und mehr zum Elitenjob, den sich nur leisten kann, wer finanzielle Unterst\u00fctzung durch Eltern, Gro\u00dfeltern, Lebenspartner, den Ehemann oder die Ehefrau erh\u00e4lt.
Gegen die inhaltliche Verflachung des Journalismus und gegen die Monopolisierung
Eine weitere Folge der schlechten Arbeitsbedingungen und niedrigen L\u00f6hne ist Qualit\u00e4tsverlust. Der Journalistinnenbund beobachtet etwa eine \u00bbOrientierung am Mainstream und oberfl\u00e4chliche Recherche, Nachrichtenfaktoren, die die Perspektive von Frauen ausblenden, und einseitige Interpretationen von Fakten\u00ab. Gleichzeitig leben wir in einer Zeit gesellschaftlicher Polarisierung, der mit kritischer, seri\u00f6ser und gr\u00fcndlich recherchierter Berichterstattung begegnet werden sollte. Daf\u00fcr braucht es Zeit und Geld. Wir fordern ausreichend Ressourcen, um dieser Aufgabe gerecht werden zu k\u00f6nnen, insbesondere auch f\u00fcr eine feministische Berichterstattung. Derzeit dominieren einige wenige m\u00e4chtige Medienh\u00e4user den medialen Diskurs. Unterdessen geht das Zeitungssterben weiter und die Medienkonzentration w\u00e4chst. Doch Medien sind f\u00fcr Demokratie essenzielle Mittel der Kritik und Kontrolle. Es braucht neue medienpolitische Strategien, um der gef\u00e4hrlichen Monopolisierung etwas entgegenzusetzen: Die Medienf\u00f6rderung darf nicht dem Markt \u00fcberlassen werden. Ein anderer, feministischer Journalismus ist m\u00f6glich!
Daf\u00fcr streiken wir am 8. M\u00e4rz 2019!
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Am 8. M\u00e4rz wird alle Redaktionsarbeit des re:volt magazine durch die Redakteurinnen bestreikt. Alle Redakteur_innen des re:volt magazine unterst\u00fctzen den Aufruf \u201eEin anderer Journalismus ist m\u00f6glich!\u201c. Erstver\u00f6ffentlichung am 5. M\u00e4rz auf der Seite des feministischen Streiks. Dort ist auch der Link zu den Unterzeichnerinnen* zu finden.
Anmerkung:
1) Queer kommt aus dem Englischen und beschreibt Dinge, Handlungen oder Personen, die von der heterosexuellen, zweigeschlechtlichen Norm vermeintlich oder tats\u00e4chlich abweichen. Ab den 1980er Jahren wurde der Begriff zunehmend zur positiven Selbstbezeichnung, die einige Schwule und Lesben sowie bisexuelle und intergeschlechtliche Menschen und trans-Personen verwenden. Wenn wir von Frauen reden, meinen wir damit selbstverst\u00e4ndlich auch trans Frauen. Dar\u00fcber hinaus sind wir uns bewusst, dass nicht alle Menschen sich selbst als Frau identifizieren, nur weil sie von au\u00dfen so eingeordnet werden.