Die italienischen\nRegierungswahlen in diesem Jahr haben den erwarteten starken\nRechtsrutsch in Italien best\u00e4tigt. W\u00e4hrend den alten politischen\nParteien wie dem Partito Democratico (PD, zu diesem geh\u00f6rt\netwa der fr\u00fchere Premier Matteo Renzi) und der Forza Italia\n(der Silvio Berlusconi angeh\u00f6rt) eine Absage erteilt wurde, erlebten\nProteststimmen wie die rassistische Lega (ehemals Lega Nord (LN)) im Norden\nund die Populist*innen des Movimento 5 Stelle (M5S) einen massiven\nAufschwung. Mittlerweile ist klar, dass die M5S und die Lega die neue\nRegierung bilden werden. Doch die bisher abgeschlossenen Vertr\u00e4ge\nzeigen kaum einen Bruch mit dem herk\u00f6mmlichen Kurs des PD, sondern\nlediglich eine Akzentuierung neoliberaler und repressiver Ma\u00dfnahmen. Sie sind\nweitaus nicht so antieurop\u00e4isch wie erwartet. F\u00fcr die\nPrekarisierten und auch die Arbeiter*innen so wichtige Wahlversprechen\nwie die R\u00fcckg\u00e4ngigmachung des Jobs Act oder der Rentenreform werden\nim Vertrag nicht erw\u00e4hnt, ebenso wenig die Einf\u00fchrung des\nGrundeinkommens (ein schillerndes Wahlversprechen der M5S). Nach\nmehrmonatigen Verhandlungen stimmte nun Staatspr\u00e4sident Sergio\nMattarella einem Vorschlag von M5S und Lega zu: Ministerpr\u00e4sident\nwird aller Voraussicht nach der Jurist Giuseppe Conte, ein der M5S\nnahestehender Technokrat. Damit wird die dritte Republik eingel\u00e4utet.\nLinke Ideen fanden bei diesen Wahlen wenig Ausdruck, auch ehemalige\nlinke Parteien stehen vor einem Scherbenhaufen. Doch die aktuelle\npolitische Lage bringt auch neue linke Kr\u00e4fte auf den Plan. Wir\nf\u00fchren unsere lose Reihe zu Italien fort und sp\u00fcren diesen neuen\nGegenbewegungen nach. \n
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Dazu z\u00e4hlt neue\nkommunistische Bewegung \u00abPotere al\nPopolo\u00bb, die inzwischen italienweit aktiv ist. Der Impuls dazu\nentstand bereits im Jahr 2014 in einem sozialen Zentrum in Neapel\nals eine Art Netzwerk von lokalen Basisinitiativen. Diese haben sich\ninnerhalb des letzten Jahres national und international vernetzt und\nder Zusammenschluss trat bei den Wahlen in Italien im M\u00e4rz 2018 als\npolitische Bewegung an. Unsere Autorin Maja Tschumi hat mit dem\nAktivisten Maurizio aus Neapel \u00fcber die Entwicklung der\nkommunistischen Bewegung, \u00fcber ihre Grunds\u00e4tze, \u00fcber Erfolge und\nHerausforderungen und nicht zuletzt \u00fcber die notwendigen K\u00e4mpfe\ngesprochen, welche die junge Bewegung auch in Bezug auf die\nerstarkenden neofaschistischen Kr\u00e4fte in Italien vor sich hat.
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Maja\nTschumi [re:volt]: Euch gibt es nun\nseit knapp vier Jahren, bekannt wurde euer Name aber vor allem im\nletzten halben Jahr. Welche\nVorgeschichte hat die kommunistische Bewegung \u00abPotere al Popolo\u00bb?
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\nMaurizio: Dazu m\u00fcssen wir einige Schritte zur\u00fcckgehen. Seit den 2000er Jahren befinden wir uns in Italien in bewegten, aber schwierigen\nZeiten. Die Krise der institutionellen Repr\u00e4sentanz der\nLinken gipfelte in den Ausschluss der letzten Kommunist*innen aus dem\nParlament im Jahr 2008. Die soziale Bewegung war trotz gr\u00f6\u00dferen\nMobilisierungen unf\u00e4hig, Angriffe auf die Arbeiter*innenklasse\nabzuwehren. In diesen Jahren wurden die nationalen Tarifvertr\u00e4ge\nausgeh\u00f6hlt, der K\u00fcndigungsschutz aufgehoben, die L\u00f6hne eingefroren\nund Formen prek\u00e4rer Vertr\u00e4ge, vor allem f\u00fcr junge Arbeiter*innen,\nvervielf\u00e4ltigt. Nach und nach verlor die soziale Bewegung also an\nMobilisierungskraft, Demonstrationen verwandelten sich zu\nritual\u00e4hnlichen Anl\u00e4ssen, an denen wir uns immer im engeren Kreis\nwiederfanden. Dann, 2014, wurde rund um das Kollektiv \u00abClash City\nWorkers\u00bb, das mit ihrem Buch \u00abDove sono i nostri\u00bb [1]\ngrunds\u00e4tzliche Fragen innerhalb der sozialen Bewegung in Italien\nhineintrug, ein erstes italienweites Netzwerk gegr\u00fcndet. Die soziale\nBewegung hatte sich vom politischen Subjekt verabschiedet, welches\nder Motor der sozialen Ver\u00e4nderung sein kann. F\u00fcr den gr\u00f6\u00dften\nTeil der Bewegung w\u00e4hlte die Arbeiter*innenklasse rechts, in einigen\npolitischen Ans\u00e4tzen gab es sozialen Klassen und daher den\nKlassenkampf schon gar nicht mehr. Wir haben die Klassenfrage wieder\nauf die Tagesordnung gebracht und starteten italienweite Treffen. In\nder Folge lancierten wir einen Prozess, welcher ausgehend von der\nAnalyse der Zentralit\u00e4t des Klassenkonflikts zwischen Kapital und\nArbeiter*innen die politische Arbeit neu zu interpretieren versuchte:\nEs ging nicht nur mehr darum, vor den Fabriktoren oder w\u00e4hrend\nDemonstrationen mit einem Flugblatt zu erkl\u00e4ren, was Ausbeutung ist\nund wie wir darauf antworten m\u00fcssen, sondern zu fragen, was die\naktuellen Bed\u00fcrfnisse der sehr heterogenen Arbeiter*innenklasse sind,\nzusammen mit Arbeiter*innen diese Fragen und Probleme zu diskutieren\nund entsprechende Mobilisierungsm\u00f6glichkeiten zu finden. Denn auf\ndem ganzen italienischen Territorium wird gek\u00e4mpft, diese K\u00e4mpfe\nbleiben aber territorial isoliert. Denken wir an die K\u00e4mpfe der\nLogistikarbeiter*innen im Norden Italiens oder an die 25-j\u00e4hrige\nBewegung gegen die Hochgeschwindigkeitsstrecke Turin-Lyon, NoTAV.
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Maja\nTschumi [re:volt]: Das\nhei\u00dft ihr habt versucht, die unterschiedlichen K\u00e4mpfe in Italien\nwieder gemeinsam zu denken und zusammenzuf\u00fchren. Wie war denn die\nLage in Neapel zu dieser Zeit?
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Maurizio: F\u00fcr\nuns in Neapel war das Jahr 2015 ein wichtiges Jahr. Im M\u00e4rz haben\nwir, das sind die \u00abClash City Workers\u00bb, zusammen mit dem\nStudierendenkollektiv CAU und dem Sch\u00fcler*innenkollektiv SAC, ein\nehemaliges psychiatrisches Gef\u00e4ngnis besetzt, welches seit\n2007 leer stand: Das \u00abEx OPG\u00bb. So\nkonnten wir einen qualitativen Sprung nach vorne machen. Wir hatten\nnun einen Ort und eine Struktur zur Verf\u00fcgung, auf deren Basis die\nAktivit\u00e4ten in den Quartieren und mit den Arbeiter*innen zusammen\nentwickelt werden konnten. Innerhalb von drei Jahren haben wir\nzahlreiche soziale Aktivit\u00e4ten und Aktivit\u00e4ten der gegenseitigen\nHilfe (Mutualismus) vorangetrieben, welche jede Woche hunderte\nMenschen zusammenbringen: vom medizinischen Ambulatorium zur\nAnlaufstelle f\u00fcr Migrant*innen, von der proletarischen\nArbeiter*innenkammer zu kulturellen und Sportaktivit\u00e4ten und vieles\nmehr. [2].
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Maja\nTschumi [re:volt]: Im\nNovember 2017 wurde \u00abPotere al Popolo\u00bb dann als eine gr\u00f6\u00dfere\npolitische Bewegung ins Leben gerufen, welche sich auf das Terrain\nder Wahlen wagte. Was war die Ausgangslage f\u00fcr die Ausweitung zu\neiner nationalen Bewegung?
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Maurizio: Potere\nal Popolo, verstanden als Zusammenschluss linker Organisationen und\nBasisinitiativen, wurde auf der Basis der obengenannten Entwicklungen\ngeboren. Wir stehen vor massiven sozialen Problemen und Konflikten,\ndie organisiert bek\u00e4mpft werden m\u00fcssen. Die Arbeitsmarktreform Jobs\nAct und die Bildungsreform \u00abbuona scuola\u00bb haben eine uferlose\nFlexibilit\u00e4t eingef\u00fchrt, vor allem f\u00fcr junge Arbeiter*innen, die\nnun schon w\u00e4hrend der Schulzeit unentgeltet Praktikas in Betrieben\nakzeptieren m\u00fcssen; Schwarzarbeit ist mittlerweile zu einem\nStrukturmerkmal des Arbeitsmarktes geworden; j\u00e4hrlich migrieren\n124.000 Italiener*innen ins Ausland\n(England, Deutschland, Schweiz die ersten Ziell\u00e4nder) [3], 40\nProzent davon sind 24- bis 34-j\u00e4hrige, 50 Prozent aus dem\n\u00abMezzogiorno\u00bb (dem S\u00fcden Italiens). T\u00e4glich sterben drei\nArbeiter*innen am Arbeitsplatz und 1700 Arbeitsunf\u00e4lle werden\ngemeldet. Die Mitte-Links-Koalition (Partito Democratico, PD) sprang\nschon vor L\u00e4ngerem auf den repressiven und fremdenfeindlichen Zug\neiner rechtskonservativen Politik auf, links davon scheiterten alle\nVersuche der Neuzusammensetzung einer alternativen politischen Kraft.\nDaraufhin haben wir uns entschlossen, den Spie\u00df umzudrehen: Wenn wir\n\u2013 damit gemeint sind junge M\u00e4nner, Frauen*, Prek\u00e4re \u2013 von\nniemandem repr\u00e4sentiert werden, warum repr\u00e4sentieren wir uns nicht\neinfach selbst und sto\u00dfen von den zahlreichen Basisinitiativen\nausgehend einen eigenen Organisierungsprozess an? Das war am 14.\nNovember 2017. Nach einem entsprechenden Aufruf in den Sozialen\nMedien versammelten sich nur vier Tage sp\u00e4ter, am 18. November 2017,\nim \u00abTeatro Italia\u00bb in Rom 800 Basisaktivist*innen aus ganz Italien,\num eine gemeinsame Perspektive und unsere Rolle bei den anstehenden\nnationalen Wahlen zu diskutieren. Das war ein gro\u00dfer Erfolg und ein\ndeutliches Zeichen, dass wir mit unserer Einsch\u00e4tzung einen Nerv\ngetroffen haben. \n
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Maja\nTschumi [re:volt]: Warum\nder Name \u00abPotere al Popolo\u00bb? Welche Rolle spielt darin die Idee\neines linken Populismus und welche Konnotationen hat der Begriff\n\u00abPopolo\u00bb in Italien?
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Maurizio: \u00abPopolo\u00bb\nist sowohl ein soziologischer, als auch ein politischer Begriff.\nSoziologisch entspringt er der aktuellen Analyse: Die nun seit \u00fcber\nzehn Jahren andauernde Krise und die politischen Antworten der\nBourgeoisie haben nicht nur die klassischen \u00abproletarischen\u00bb\nArbeiter*innen empfindlich getroffen und in die Armut getrieben,\nsondern auch Teile der Mittelschicht prekarisiert. Wir m\u00fcssen also\ndie Neuzusammensetzung der Klasse auf der Basis dieser politischen\nund \u00f6konomischen Dynamiken fassen: Deindustrialisierungsprozesse,\nprek\u00e4re Schwarzarbeit in den boomenden Sektoren (Tourismus,\nGastronomie, Hotelbranche, Call Center), Biographien zwischen\nArbeitslosigkeit, Stellensuche und prek\u00e4ren Jobs, ein massiver Abbau\nsozialer Dienste, in erster Linie im Gesundheits- und Bildungssektor.\nPolitisch k\u00f6nnen wir uns nicht darauf beschr\u00e4nken, zum \u00abklassischen\nProletariat\u00bb zu sprechen. \u00abPopolo\u00bb integriert in dieser\nPerspektive all diejenigen sozialen Subjekte, die als Arbeitslose,\nKleinh\u00e4ndler*innen, erwerbslose Hausarbeiterinnen etc. \u00abproletarische\nExistenzen\u00bb leben. \n
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Zudem\nist der Name Potere al Popolo historisch auf eine bestimmte\npolitische Tradition zur\u00fcckzuf\u00fchren. Wir denken da konkret an die\nErfahrungen der \u00abBlack Panther Party\u00bb, welche die politische\nOrganisierung der schwarzen Bev\u00f6lkerung in den USA und die soziale\nGleichheit zwischen Schwarzen und Wei\u00dfen zum Ziel hatte. Bekannt\nwurden sie durch die Bilder von bewaffneten M\u00e4nnern in schwarzer\nLederjacke und Barett. Weniger bekannt sind ihre Basisaktivit\u00e4ten \u2013\ndie kostenlosen Fr\u00fchst\u00fccke, welche sie den Armen verteilten, die\nmedizinischen Ambulatorien, die sie f\u00fcr die Communities aufbauten\noder auch die Alphabetisierungsprogramme f\u00fcr Schwarze. Sie gingen\nalso von konkreten sozialen Bed\u00fcrfnissen von gesellschaftlich\nMarginalisierten aus, um ihre sozialen Aktivit\u00e4ten aufzubauen und\npolitische Organisierung vorzubringen. Wir befinden uns heute\nnat\u00fcrlich in einer historisch total anderen Situation, doch wir\nstellen fest, dass der freie Markt und der Staat immer mehr Menschen\nvom sozialen Reichtum ausschliesst. Von diesen historischen\nErfahrungen gibt es also jede Menge zu lernen. Potere al Popolo\nstellt sich in diese theoretische und politische Perspektive.
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Maja\nTschumi [re:volt]: Welche\nAnalyse habt ihr von der Linken Italiens \u2013 wo steht sie und warum\nbraucht es eine Bewegung wie \u00abPotere al Popolo\u00bb?
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Maurizio: Nicht\nnur die italienische Linke, sondern die Linke insgesamt\nhat in den letzten drei Jahrzehnten den Bezug zu den Ausgebeuteten\nund Unterdr\u00fcckten fast komplett verloren oder aufgegeben. Dies ist\nunter anderem darauf zur\u00fcckzuf\u00fchren, dass linke Parteien\nb\u00fcrokratische Apparate geworden sind und sich viele politische\nAktivist*innen jenseits der konkreten Probleme der Arbeitenden\nverstehen. Wir verstehen uns als einen Teil dieser sozialen Gruppe.\nWir arbeiten prek\u00e4r und haben \u2013 mit oder ohne\nUniversit\u00e4tsabschluss \u2013 kaum Zukunftsperspektiven. Im S\u00fcden\nItaliens betr\u00e4gt die Arbeitslosenquote unter 20-30j\u00e4hrigen im\nSchnitt 36 Prozent, in gewissen Regionen sogar \u00fcber 50 Prozent. F\u00fcr\nuns kann sich eine radikale Linke nur dann neu konstituieren, wenn\nsie im Sozialen verankert ist. Das Prinzip, das wir hier verfolgen,\nist der Mutualismus. Dabei geht es uns um folgendes: Zu erforschen,\nwas die allt\u00e4glichen Probleme und Bed\u00fcrfnisse der arbeitenden\nKlasse sind, Formen der Organisierung zu finden, um diese Probleme\nangehen zu k\u00f6nnen und \u00fcber angemessene Mobilisierungsstrategien\nkollektive K\u00e4mpfe zu starten \u2013 immer mit dem Ziel, unsere\nexistenziellen Bed\u00fcrfnisse zu garantieren und zur\u00fcck zu erk\u00e4mpfen,\nwo sie bedroht sind. Das geht von selbstverwalteten Kinderkrippen\n\u00fcber kulturelle und Sportangebote (Theater, Tanzkurse, Boxgym) bis\nhin zu selbstorganisierten medizinischen Ambulatorien und \u00abCamere\nPopolari del Lavoro\u00bb (proletarische Arbeiter*innenkammern). Diese\nAktivit\u00e4ten und Strukturen stellen eine Art \u00abTrainingsorte\u00bb des\npolitischen Kampfes dar: \u00dcber die Mobilisierungen und K\u00e4mpfe wird\nPartizipation, Organisierung und Selbstverwaltung ge\u00fcbt, evaluiert\nund wenn m\u00f6glich auf eine neue Ebene gehoben. Im Grunde genommen\nmachen wir aber nichts Neues, sondern kn\u00fcpfen an die Tradition der\nersten sozialistischen, kommunistischen und anarchistischen\nErfahrungen an, die ab Mitte des 19. Jahrhunderts \u00fcber\nmutualistische Aktivit\u00e4ten und in den von den Arbeiter*innen gebauten\n\u00abCase del Popolo\u00bb (Volksh\u00e4user) breite Bewegungen zu organisieren\nvermochten.
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Maja\nTschumi [re:volt]: In\neurem Programm steht die \u00abVerteidigung der Verfassung\u00bb an erster\nStelle. Ihr sprecht an verschiedenen Stellen immer wieder von\nDemokratie \u2013 ist euer erkl\u00e4rtes Ziel nicht Sozialismus beziehungsweise\nKommunismus und eine revolution\u00e4re Umw\u00e4lzung der bestehenden Gesellschaft?
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\nMaurizio: Unser Programm ist das Resultat\nvon Auseinandersetzungen zwischen den unterschiedlichen politischen\nKr\u00e4ften, die sich in Potere al Popolo versammeln. Um den Bezug auf\ndie Verfassung zu verstehen, m\u00fcssen drei Dinge erkl\u00e4rt werden:\nErstens geht die italienische Verfassung aus dem Partisanenkampf\ngegen den Faschismus hervor, sie beinhaltete also historisch wichtige\nElemente f\u00fcr die Befreiung der Arbeiter*innenklasse. Zweitens ist der\nPunkt zur Verteidigung der Verfassung in unserem Programm in einen\nkonkreten historischen Kontext zu setzen: Im Dezember 2016 wurde in\nItalien ein Referendum gegen die Verfassungsreform gewonnen.\nMinisterpr\u00e4sident Matteo Renzi (PD) wollte das wenige Progressive,\nwas die Verfassung heute noch beinhaltet, auch noch verabschieden und\nein Pr\u00e4sidialsystem einf\u00fchren, welches seine Macht noch mehr\nzentralisieren sollte. Das Referendum wurde auch dank wichtigen\nMobilisierungen von unten gewonnen. Drittens k\u00f6nnte es zwar den\nAnschein erheben, dass unsere Forderungen rund um die Verfassung uns\nausschliesslich in einem b\u00fcrgerlich-demokratischen Rahmen situieren,\ndoch wir denken, dass im gegebenen historischen Kontext solche\nAuseinandersetzungen und Mobilisierungen f\u00fcr ein gr\u00f6\u00dferes St\u00fcck\nvom Kuchen als Sprungbrett dienen k\u00f6nnen, um sich die ganze B\u00e4ckerei\nzu nehmen. Klar, wir stehen hier vor objektiven Grenzen des Kapitals,\nin dieser Krisenzeit \u00fcberhaupt was abgeben zu k\u00f6nnen. Doch (leider)\nist eine kommunistische Perspektive heute nicht erreichbar. Darum\nsind intermedi\u00e4re Auseinandersetzungen, Mobilisierungen und K\u00e4mpfe\nnotwendig. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass K\u00e4mpfe f\u00fcr die\nErlangung von Arbeitsvertr\u00e4gen von illegalisierten Arbeiter*innen,\ndie Anerkennung des medizinischen Ambulatoriums von Seiten der\n\u00f6ffentlichen Gesundheitseinrichtungen etc. K\u00e4mpfe darstellen, dank\ndenen wir uns als Kommunist*innen wieder einen sozialen und\npolitischen Raum erarbeiten und Hoffnung und Begeisterung ausl\u00f6sen\nk\u00f6nnen f\u00fcr gr\u00f6\u00dfere Ziele. Ohne diese \u00abZwischenschritte\u00bb ist es\nschwierig, eine kommunistische Perspektive zu denken. Denn wir stehen\nauch vor kulturellen Schwierigkeiten: Wir werden tagt\u00e4glich medial\nmit Nachrichten bombardiert, die die Klasse spalten und im\nmateriellen Leben die Ausgebeuteten und Unterdr\u00fcckten in eine noch\nnie dagewesene kapitalistische Konkurrenz beziehungsweise einen \u00abKrieg unter\nden Armen\u00bb st\u00fcrzen. Wir m\u00fcssen also auch einen Weg finden, mit\nunseren Worten die Ausgebeuteten und Unterdr\u00fcckten zu erreichen.\nDazu geh\u00f6rt, aktuelle politische Diskurse aufzugreifen und eine\neigenst\u00e4ndige Analyse und Antwort darauf zu geben. Nur so k\u00f6nnen\nMobilisierungen funktionieren und K\u00e4mpfe angestossen werden. \n
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Maja\nTschumi [re:volt]: Ihr\nversucht die Basisarbeit und den Stra\u00dfenkampf mit der Teilnahme an\nden Wahlen, das hei\u00dft einem Weg \u00fcber die Institutionen, zu verbinden.\nWelches sind die H\u00fcrden, die sich dabei stellen und wie habt ihr\nvor, sie zu \u00fcberwinden?
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Maurizio: Die\nEntscheidung, als neue politische Kraft an den nationalen Wahlen im\nM\u00e4rz 2018 teilzunehmen, erlaubte uns, den im 2014 angesto\u00dfenen\nProzess der Vernetzung zu intensivieren und in ganz Italien\nBasisversammlungen zu organisieren, an denen hunderte von\nAktivist*innen teilnahmen: Alte Genoss*innen, die aber seit Jahren\nnicht mehr organisiert waren; junge Menschen, die sich zuvor noch nie\nin einem Kollektiv organisiert hatten; Basisaktivist*innen, die sich\nin den letzten zehn Jahren auf ihre sozialen Aktivit\u00e4ten\nfokussierten und nun mit Potere al Popolo eine politische Perspektive\nwiederentdeckten. Von Anfang an pochten wir darauf, nicht einfach\neine neue Partei oder eine Wahlkoalition zu sein, die\nParlamentsmitglieder stellt, sondern diesen medialen Moment zu\nnutzen, um die Aufmerksamkeit auf die vielen sozialen Aktivit\u00e4ten zu\nrichten, die im ganzen Land von Genoss*innen vorangetrieben werden.\nWir kritisieren dieses Modell der politischen Repr\u00e4sentation\ndurchaus und halten trotz Teilnahme an den nationalen Wahlen an\ndieser Kritik fest. Denn ohne Mobilisierungen und Anst\u00f6\u00dfe von unten\nist es unm\u00f6glich, auch auf der Ebene der institutionellen\nRepr\u00e4sentanz Einfluss nehmen zu k\u00f6nnen. Die nationalen Wahlen\nstellten f\u00fcr uns in erster Linie auch eine M\u00f6glichkeit dar, auf\neiner nationalen Ebene sichtbar und h\u00f6rbar zu werden und an Kraft zu\ngewinnen. Von Anfang an war also klar, dass es nicht lediglich um die\nWahl von Potere al Popolo gehen kann und auf institutioneller Ebene\nf\u00fcr die Verbesserungen der Lebens- und Arbeitsbedingungen zu\nk\u00e4mpfen. Viel zentraler war f\u00fcr uns der Versuch, das Vertrauen an\ndirekte und kollektive Aktionen zu st\u00e4rken und daf\u00fcr den Kontext\nder nationalen Parlamentswahlen zu nutzen. Uns ist nat\u00fcrlich bewusst, dass dies Gefahren mit sich bringt und lediglich eine sch\u00f6ne\nAbsichtserkl\u00e4rung bleibt, wenn nicht weiterhin Basisarbeit in Form\nvon lokalen Organisierungen und Mobilisierungen geleistet wird. F\u00fcr\nuns sind die sozialen und mutualistischen Aktivit\u00e4ten der einzige\nWeg, um eine starke Bewegung aufzubauen. \n
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Maja\nTschumi [re:volt]: Wer\nwurde zur Kandidatur aufgestellt?
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Maurizio: Die\nKandidatinnen* und Kandidaten von Potere al Popolo waren territoriale\nAktivist*innen von allen politischen Strukturen. Es waren also nicht\ngro\u00dfe und bekannte Namen, sondern die entlassene Call-Center\nArbeiterin, die in den letzten 18 Monaten einen Arbeitskampf gegen\ndie Entlassung von 1666 Mitarbeitenden angef\u00fchrt hat, Aktivist*innen\nder NoTAV-Bewegung gegen die Hochgeschwindigkeitsstrecke Turin-Lyon,\nAktivist*innen der \u00abBrigate di solidariet\u00e0 attiva\u00bb, welche sich vor\netwa acht Jahren gebildet haben, um w\u00e4hrend den Naturkatastrophen\nwie \u00dcberschwemmungen oder Erdbeben direkte Hilfe zu leisten und so\nweiter. Die Kandidat*innen waren also immer Ausdruck lokaler K\u00e4mpfe,\nMobilisierungen und Basisinitiativen. Damit wollten wir auch zeigen:\nPolitik ist nicht nur institutionelle Repr\u00e4sentanz in Hemd und\nAnzug, sondern auch Widerstand, sich die H\u00e4nde schmutzig machen,\nHoffnung auf tats\u00e4chliche Ver\u00e4nderung, Enthusiasmus von unten.
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Maja\nTschumi [re:volt]: Ihr\nseid ganz klar eine klassenk\u00e4mpferische \u00abBewegung\u00bb. Wie w\u00fcrdet\nihr die Klasse der Arbeiter*innen heute in Italien fassen?
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Maurizio: Die\nmassive Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, die Rentenreform, welche\ndas Rentenalter erh\u00f6hte, die Schulreformen, welche immer mehr\njunge Menschen in einen hochprekarisierten Arbeitsmarkt dr\u00e4ngen, der\nAb- und Umbau des \u00f6ffentlichen Gesundheitssystems (in zehn Jahren\nsind alleine in der Stadt Napoli zehn Notfallstationen geschlossen\nworden), ein Migrationssystem, welches vor allem im S\u00fcden des Landes\ndie informelle Arbeit aufbl\u00e4st und vieles mehr haben sowohl die\nsoziale Zusammensetzung der Arbeiter*innenklasse, wie auch die\nWiderstands- und Organisierungsformen ver\u00e4ndert. Es ist kein Zufall,\ndass beispielsweise die wichtigsten Mobilisierungen der letzten Jahre\nin Sektoren organisiert wurden, in denen die migrantischen\nArbeiter*innen dominieren, n\u00e4mlich in der Logistikbranche im Norden\nund bei den landwirtschaftlichen Hilfsarbeiter*innen im S\u00fcden. Zudem\nhat sich die Integration der jungen Arbeiter*innen in den Arbeitsmarkt\nin den letzten Jahren ver\u00e4ndert, Schwarzarbeit und Vertragslosigkeit\n\u2013 obwohl schon seit jeher Strukturmerkmal des (s\u00fcd-)italienischen\nArbeitsmarktes \u2013 haben sich weiter verbreitet und sind zur\nNormalit\u00e4t geworden. Schliesslich werden \u00e4ltere Arbeiter*innen, die\nin den 1980er Jahren noch in den Genuss der erk\u00e4mpften\nErrungenschaften der 1970er Jahren kamen (automatische Lohnanpassung,\nK\u00fcndigungsschutz, gute Renten) zunehmend prekarisiert. Das sind nur\neinige Beispiele, welche die Dynamiken der Klassenzusammensetzung\nabbilden. Die andere Seite der Medaille sind die neuen\nOrganisationsformen, die von der Klasse ausgehen. Dabei denken wir an\ndie vor wenigen Wochen gegr\u00fcndete Gewerkschaft\nder Riders,\nan die seit Jahren nun immer gr\u00f6ssere Bedeutung der Basis- und an\nden politischen Niedergang der konf\u00f6deralen Gewerkschaften und so\nweiter.
Maja\nTschumi [re:volt]: Welche\nStrategien verfolgt \u00abPotere al Popolo\u00bb auf regionaler, nationaler\nund internationaler Ebene? \n
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Maurizio:\nKernpunkt unserer politischen Struktur sind die\nterritorialen Versammlungen, von denen in den letzten sechs Monaten\n\u00fcber 150 in ganz Italien entstanden sind. Die territorialen\nVersammlungen sind offen, jede* und jeder kann seine Themen\neinbringen. An den Versammlungen werden politische Analysen generiert\nsowie Aktionen und Kampagnen organisiert. Ende\nMai wird eine nationale Versammlung organisiert,\nbei der es um die Frage geht, wie wir uns in naher Zukunft national \u2013\nund international \u2013 organisieren und vernetzen wollen. Wir bestehen\ndarauf, dass \u00fcberall \u00abCase del Popolo\u00bb (Volksh\u00e4user) nach dem\nVorbild der Besetzung Ex-OPG in Napoli entstehen sollen, in denen man\nsich treffen kann, soziale Aktivit\u00e4ten und Aktivit\u00e4ten der\ngegenseitigen Hilfe vorangetrieben, politische K\u00e4mpfe organisiert,\nSolidarit\u00e4t in Unterdr\u00fcckungs- und Ausbeutungserfahrungen erfahren\noder auch einfach eine soziale und politische Gemeinschaftlichkeit\ngelebt werden kann. Wir wollen einen Ort schaffen, der sich auf\ndiskursiver und praktischer Ebene gegen einen individualisierten\nAlltag zur Wehr setzt und antirassistische, antisexistische und\nsolidarische Beziehungen innerhalb der Klasse f\u00f6rdert und bewahrt.\nW\u00e4hrend der Wahlkampagne haben wir viele Kontakte im Ausland kn\u00fcpfen\nk\u00f6nnen. Es waren vorwiegend Auslanditaliener*innen, teils von der\nalten Migration, proletarische Arbeiter*innen, die in den 1960er,\n1970er migriert sind und in den Strukturen der damaligen\nKommunistischen Partei und der Gewerkschaften eine \u00abpolitische\nHeimat\u00bb hatten, teils von der neuen Migration, also Junge, die nach\nAbschluss ihres Studiums ausgewandert sind und heute entweder an\nUniversit\u00e4ten Forschung betreiben, oder eben auch in den\nitalienischen Restaurants in der K\u00fcche oder als KellnerInnen\narbeiten. Die soziale Zusammensetzung der Potere al Popolo-Kollektive\nim Ausland ist also sehr heterogen, was wiederum den Reichtum dieser\nKollektive darstellt. Mittlerweile gibt es Potere al Popolo-Kollektive fast in jeder gr\u00f6\u00dferen europ\u00e4ischen Stadt. Ja, sogar in\nMexiko-City wurde ein Kollektiv gegr\u00fcndet. Diese Strukturen sind\nnat\u00fcrlich fundamental f\u00fcr unsere internationalistische Perspektive.\nDar\u00fcber hinaus sind wir international mit vielen Kollektiven,\nOrganisationen und Parteien einen Austausch getreten: Vom\nArbeiter*innenkollektiv \u00abBerlin Migrant Strikers\u00bb \u00fcber die antifa\nGruppe \u00abantifascisti Bruxelles\u00bb, die Rosa-Luxemburg-Stiftung bis\nhin zu Parteien wie der Kommunistischen Partei Belgiens (PTB), La\nFrance Insoumise (LFI), der katalanischen CUP oder der\nbrasilianischen Landlosenbewegung MST (movimento sem terra). \n
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Maja\nTschumi [re:volt]: Die\nWahlen selbst sind dann eher katastrophal zu Gunsten der Populist*innen des\nMS5 und des rechts-konservativen und neofaschistischen Lagers\nausgefallen (eine Analyse\ndazu schrieb Raffaele\nTraini f\u00fcr re:volt). In Napoli erreichte der MS5 sogar \u00fcber 50\nProzent der Stimmen. Potere al Popolo erreichte 1,13 Prozent. Warum\nkonnten die W\u00e4hler*innen nicht mit linken Argumenten abgeholt werden? \n
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Maurizio: Es\nw\u00e4re naiv gewesen zu denken, wir k\u00f6nnten mit einer kaum vier Monate\njungen politischen Bewegung ein besseres Resultat erreichen als wir\njetzt erreicht haben. Zudem haben wir eine starke mediale Marginalisierung\nund Verdrehung erlebt. So wurden w\u00e4hrend der Wahlkampagne in\ndiversen St\u00e4dten Treffen von neofaschistischen Gruppen wie CasaPound\noder Forza Nuova organisiert, wogegen auf Antira- und Antifa-Demonstrationen mobilisiert wurde. Die Zeitungen sprachen aber zum\nBeispiel kaum von der gro\u00dfen Demonstration in Macerata Anfang\nFebruar, nachdem ein durchgeknallter Neofascho\nauf sechs Schwarze Menschen\nschoss, an der \u00fcber 20.000 Menschen teilnahmen und f\u00fcr die wir\ntausende Aktivist*innen von Potere al Popolo aus ganz Italien\nzusammenbringen konnten. Wenn \u00fcber uns gesprochen wurde, dann nur in\neinem Atemzug mit den \u00abExtremen\u00bb von Rechts \u2013 der bekannte\nDiskurs der \u00abopposti estremismi\u00bb. F\u00fcr uns ist entscheidend, dass\nwir in dieser kurzen Zeit eine mediale Pr\u00e4senz \u00fcber Italien hinaus\nerreicht haben. In Italien haben uns fast 400.000 Personen gew\u00e4hlt,\nin den St\u00e4dten und Stadtteilen, in denen wir sozial und politisch\naktiv sind, haben wir bis zu 8 Prozent Stimmanteil geholt. Diese\nStimmen zeigen uns, dass wir weitermachen m\u00fcssen und unsere\nForderungen auf offene Ohren stossen. Selbstkritik ist aber insofern\nangebracht, als auch wir es nicht geschafft haben, bei den\nW\u00e4hler*innen eine breite Sensibilit\u00e4t f\u00fcr linke Themen zu wecken.\nErstens haben wir die Populist*innen des M5S falsch eingesch\u00e4tzt: Wir\ndachten, sie h\u00e4tten ihren Zenith erreicht und die linken W\u00e4hler*innen,\ndie bisher M5S w\u00e4hlten, k\u00e4men nun dank einem linken, alternativen\nAngebot in unsere Reihen. Das war nicht der Fall. Im Gegenteil: Die\nM5S konnte ihren Wahlanteil vor allem im S\u00fcden massiv ausbauen, ohne\njedoch eine soziale Pr\u00e4senz in den Territorien zu haben. Zweitens\nhaben wir es nicht vermocht, mit unseren Argumenten \u00fcber den\ntraditionellen linken W\u00e4hler*innenanteil hinaus zu \u00fcberzeugen und zu\nmobilisieren. Wir m\u00fcssen verstehen, warum das so ist und daran\narbeiten.
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Maja\nTschumi [re:volt]: Italien\nnach den Wahlen. Was sind die Herausforderungen und wie geht es mit\nPotere al Popolo weiter?
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Maurizio: Es gibt\ndrei gro\u00dfe mittel- und langfristige Herausforderungen. Erstens muss\nes uns gelingen, die vielen territorialen, sozialen und\nmutualistischen Aktivit\u00e4ten zu intensivieren, zu verallgemeinern und\nzu organisieren. Nur so k\u00f6nnen wir die gesellschaftlichen und\npolitischen Konflikte auf die Spitze treiben und ausgehend von\nlokalen Mobilisierungen eine nationale oder gar europaweite Bewegung\netablieren. Zweitens m\u00fcssen wir die politische Schulung unserer\nAktivist*innen vorantreiben, um unsere Analyse- und\nInterventionsinstrumente zu sch\u00e4rfen und f\u00fcr die\nraschen politischen und gesellschaftlichen Umw\u00e4lzungen \u00abbewaffnet\u00bb\nzu sein. Diesbez\u00fcglich sind wir mit anderen internationalen\nBewegungen im Kontakt, um von ihren Erfahrungen zu lernen, zum Beispiel mit\nder Landlosenbewegung Brasiliens MST. Sie hat mit der Er\u00f6ffnung\nihrer Schule \u00abFlorestan Fernandez\u00bb im\nJahre 2005 zu einer Verbindung von allt\u00e4glichem und politischem\nWissen beigetragen und so viele Aktivist*innen ausbilden k\u00f6nnen, die\nlangfristig im Kampf des MST engagiert sind. Trotz unterschiedlicher\nhistorischer und sozio\u00f6konomischer Kontexte k\u00f6nnen wir davon viel\nlernen. Drittens m\u00fcssen wir uns eine organisatorische Struktur\ngeben, die \u00fcber die einfache Summe vieler Kollektive und\nOrganisationen hinausgeht. Ein medizinisches Ambulatorium in Neapel\nist eine unmittelbare Antwort auf die Krise des Gesundheitssystems\nder Stadt und eine proletarische Arbeiter*innenkammer kann\nArbeitsvertr\u00e4ge f\u00fcr eine Gruppe von illegalisierten Arbeiter*innen\nerk\u00e4mpfen. Denn ohne die Strukturierung \u00fcber ein Netzwerk hinaus\nbleiben wir machtlos gegen\u00fcber den massiven Angriffen des Kapitals,\nwelche wir heute erleben. In diesen Herausforderungen und Prozessen\nbefinden wir uns im Moment.
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Fu\u00dfnoten:
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[1] Hier findet sich eine deutsche\nBuchbesprechung von Clash\nCity Workers, Dove sono i nostri. Lavoro, classe e movimenti\nnell\u2019Italia della crisi, la casa usher, Lucca 2014. 202\nSeiten.
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[2]\nAls Mutualismus verstehen wir eine Methode, um das Politische und das\nSoziale zu verbinden: Durch die Praxis der gegenseitigen Hilfe werden\nProbleme identifiziert, konkrete Antworten von unten darauf gegeben\nund durch kollektive Mobilisierungen und K\u00e4mpfe politisiert. Diese\nMethode kn\u00fcpft an die Erfahrungen der ersten sozialistischen\nBewegungen Mitte des 19. Jahrhunderts an.
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