Entscheidungsschlacht um Afr\u00een?
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Der t\u00fcrkische Staat handelt dabei\nnicht allein aus einer tiefsitzenden Kurdenphobie heraus, wie manche meinen. Vielmehr geschieht es aus einer\nPosition der Krise heraus, die Erdo\u011fan mit Gewalt zu l\u00f6sen\nversucht. Seit dem Jahre 2013 platzen von \u201eunten\u201c und \u201eoben\u201c\npermanent die antagonistischen Widerspr\u00fcche in Gesellschaft und\nStaat auf, das Land wird ersch\u00fcttert von einer schweren politischen\nKrise nach der anderen. Um den Laden zusammenzuhalten, verfolgt\nErdo\u011fan seitdem einen Gang der rasenden Faschisierung. Dabei geht es\neben nicht nur darum, alle demokratische und sozialistische\nOpposition zu zertr\u00fcmmern. Sondern genauso auch darum, im gesamten\nrechten und reaktion\u00e4ren Lager in Staat und Gesellschaft die\neinbrechende Legitimation wieder herzustellen, um weiter an der Macht\nbleiben zu k\u00f6nnen. Es gibt f\u00fcr Erdo\u011fan und seine Handlanger keine\nandere Option mehr.
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Aber\ndie Faschisierung klappt einfach nicht. Immer noch ist die H\u00e4lfte\nder Gesellschaft gegen die sich anbahnende Diktatur, immer noch\nk\u00e4mpfen die Unterdr\u00fcckten und Marginalisierten unerm\u00fcdlich weiter\nund immer noch erheben sich auch aus dem rechten und liberalen\nb\u00fcrgerlichen Lager Stimmen gegen die Faschisierung. Aber das\nvielleicht gr\u00f6\u00dfte Problem f\u00fcr Erdo\u011fan ist die hartn\u00e4ckige,\nmilitante Pr\u00e4senz der PKK und die Revolution in\nRojava. Die gesamte faschistoide Kriegskoalition, die den t\u00fcrkischen\nStaat gerade mit Ach und Krach noch zusammenh\u00e4lt, wird von diesen\nKr\u00e4ften permanent herausgefordert. Denn am (f\u00fcr die Verh\u00e4ltnisse)\nmilit\u00e4risch erfolgreichen Kampf der PKK und an der vorw\u00e4rts\nschreitenden Revolution in Rojava zeigt sich, dass der t\u00fcrkische\nFaschismus nicht absolut ist, dass man milit\u00e4risch und politisch\nerfolgreich gegen ihn ank\u00e4mpfen kann und dass unter anderem die\nBefreiung der Kurd*innen von nationaler Unterdr\u00fcckung mit\nrevolution\u00e4ren Mitteln m\u00f6glich ist. Das r\u00fcttelt an den\nreaktion\u00e4ren Grundfundamenten des despotischen t\u00fcrkischen Staates.\nErdo\u011fan und seine Bagage erhalten seit zwei, drei Jahren nur deshalb\nUnterst\u00fctzung von den erzreaktion\u00e4ren,\nnationalistisch-faschistoiden und bisher AKP-feindlichen Cliquen im\nStaat, weil die AKP offensiv Krieg gegen die Kurd*innen f\u00fchrt und\ndie totale Macht des Staates gegen jedwelche Opposition absolut\nsetzt. \u00dcbrigens ist es nicht nur das erzreaktion\u00e4re,\nnationalistisch-faschistoide Unterst\u00fctzerlager von Erdo\u011fan, das der\nInvasion zustimmt, sondern auch der quasi AKP-interne\nOppositionsf\u00fchrer und Partei-Mitbegr\u00fcnder Abdullah\nG\u00fcl sowie die Hauptoppositionspartei\nCHP.\nSo viel zur b\u00fcrgerlich-\u201edemokratischen\u201c Opposition in der\nT\u00fcrkei, auf die im Ausland immer so viel Wert gelegt wird.
Jedenfalls: Die Kriegskoalition kann sehr gewaltt\u00e4tig\nauseinander fliegen, sollte die bisherige Taktik Erdo\u011fans nicht\naufgehen und der Faschisierungsschub an die Wand fahren.
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Alleine zwischen Imperialisten
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Wie weit und tief die milit\u00e4rische\nKampagne gehen soll, ist noch nicht klar abzusehen. Es h\u00e4ngt aktuell\ninsbesondere davon ab, was die gr\u00f6\u00dferen Imperialisten f\u00fcr richtig\nerachten. Bekannterma\u00dfen haben die USA und Russland seit Jahren kein\ngr\u00fcnes Licht gegeben f\u00fcr eine t\u00fcrkische Invasion von Rojava. Da\nnun aber zum ersten Mal t\u00fcrkische Bomberjets nordsyrische Gebiete\nbombardieren, darauf keine Reaktion von syrischen und russischen\nLuftabwehrsystemen erfolgt und seitens der T\u00fcrkei eine\nBodenoffensive angek\u00fcndigt wird, muss damit gerechnet werden, dass\nzumindest Russland das Ganze toleriert. Da die USA den Angriff zwar\nhalbherzig \u201everurteilen\u201c,\naber nichts dagegen unternehmen, kann auch hier davon ausgegangen\nwerden, dass der Angriff geduldet wird.
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Dem russischen wie auch dem\nus-amerikanischen Imperialismus \u2013 und den mit ihnen jeweils\nkooperierenden regionalimperialistischen Kr\u00e4ften \u2013 ging es bei der\nKooperation mit den Kurden und der SDF von Anfang nicht darum, das Projekt einer\npopular-revolution\u00e4ren Demokratisierung Syriens oder gar des Nahen\nOstens voranzutreiben. Im Gegenteil: Dieser Perspektive sind sie, wie\nalle Imperialisten, spinnefeind. Von Anfang an ging es den\nImperialisten darum, die Kurden und die SDF in Rojava als Machtfaktor gegen die\nzu hohen und vor allem zu selbst\u00e4ndigen regionalimperialistischen\nAmbitionen der T\u00fcrkei zu nutzen und gleichzeitig darum, zu\nverhindern, dass sich die Kurden und die SDF auf die Seite einer einzigen\nimperialistischen Macht schlagen. Die F\u00fchrungsriegen der kurdischen\nBewegung hingegen wussten dies sehr genau und versuchten, aus einer\nPosition relativer \u00f6konomischer und geopolitischer Schw\u00e4che und\nIsolation heraus, die imperialistischen Widerspr\u00fcche f\u00fcr ihr\neigenes Vorw\u00e4rtskommen zu nutzen. Das klappte bisher recht gut, von\nAnfang an war jedoch klar, dass das M\u00e4chtegleichgewicht sehr\ninstabil ist. Offensichtlich ist nun der Punkt erreicht, an dem die\nImperialisten der Meinung sind, dass die Kurden zu eigenst\u00e4ndig und\nm\u00e4chtig sind.
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Wie weit die\nt\u00fcrkische Milit\u00e4roffensive gegen Afr\u00een aus der Perspektive der\nImperialisten gehen soll, ist noch nicht abzusehen. Aus Moskau kommen\ndazu widerspr\u00fcchliche\nSignale: Einerseits hei\u00dft es, man werde bei der UN ein Ende der\nt\u00fcrkischen Offensive erwirken, andererseits werden russische\nSoldaten aus Afr\u00een zur\u00fcckgezogen. Zugleich behauptet\nRussland, dass Waffenlieferungen der USA an die YPG/J Schuld seien an der t\u00fcrkischen Invasion, was den Einmarsch\nde facto legitimiert.
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Eventuell stimmt Russland zu, dass die\nT\u00fcrkei zu einem Vernichtungsfeldzug gegen Rojava zieht und riskiert\ndamit, dass sich die Kurden und die SDF vollends den USA zuwenden. Oder\naber Russland und die USA werden eine Teiloffensive der T\u00fcrkei\nund verb\u00fcndeter \u201eFSA\u201c-Einheiten erlauben, um diese wieder n\u00e4her\nan sich zu binden und gleichzeitig die eigenen Verhandlungspositionen\ngegen\u00fcber der PYD/SDF zu verst\u00e4rken. Was auch immer sie sich dabei\ndenken m\u00f6gen: Die PKK, Rojava und der populare Widerstand haben in\ndiesem Spiel noch einiges mitzureden.
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Afr\u00een zum Grab des Faschismus\nmachen!
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Vor\neinigen Tagen hat der Parteisprecher der HDP und\nParlamentsabgeordnete Ayhan Bilgen ganz richtig festgehalten: \u201eWenn\neine Operation gegen Afr\u00een gestartet wird, ohne dass von Afr\u00een aus\nAngriffe auf die T\u00fcrkei ausgehen, dann wird der Erfolg einer solchen\nOperation die Grundlagen eines B\u00fcrgerkriegs, der Misserfolg hingegen\ndie Grundlagen f\u00fcr einen Putsch schaffen.\u201c Die faschistoide\nKriegskoalition in der T\u00fcrkei befindet sich in ihrer instabilsten\nLage. Um die Krisenhaftigkeit ein f\u00fcr alle Mal zu l\u00f6sen, wird jetzt\ndieser milit\u00e4rische Gewaltakt vollzogen. Das gro\u00dfe Risiko f\u00fcr den\nt\u00fcrkischen Faschismus birgt zugleich eine gro\u00dfe Chance f\u00fcr die\ndemokratischen und revolution\u00e4ren Kr\u00e4fte: Bricht die Invasion in\nAfr\u00een oder wird der Staat in einen Krieg verwickelt, in dem er\nversumpft und zerm\u00fcrbt wird, wird die Kriegskoalition im Lande\nkollabieren. Es geht jetzt darum, den Speer in das Herz der Bestie zu\nsto\u00dfen. Der YPG-Kommandant\nPolat Can hat schon einen Gegenangriff auf die von der T\u00fcrkei\nund \u201eFSA\u201c gehaltenen Gebiete um Jarablus, Azez und al-Bab\nangek\u00fcndigt. Im Widerstand von Afr\u00een liegt derzeit die gr\u00f6\u00dfte\nHoffnung auf Zerschlagung des Faschismus und Demokratisierung der\nT\u00fcrkei. Lasst uns weiterhin auf die Stra\u00dfe gehen, um unsere\nSolidarit\u00e4t mit dem Kampf der Genoss*innen kund zu tun und den\nBRD-Imperialismus f\u00fcr sein Mitwirken am t\u00fcrkischen Faschismus\nanzuprangern!