Seit 2015 riefen verschiedene Teile der antikapitalistischen, antiautorit\u00e4ren Linken mit mehreren einflussreichen Texte dazu auf, die Zersplitterung und Szene-Isolation zu \u00fcberwinden und einen \u00fcberregionalen, gesellschaftlich sichtbaren und handlungsf\u00e4higen Zusammenschluss aufzubauen. [1] Diese Aufrufe sind auf reges Interesse gesto\u00dfen und es wurden mehrere Prozesse gestartet, die in ihnen enthaltenen Denkanst\u00f6\u00dfe praktisch umzusetzen. Jedoch sind diese Prozesse mittlerweile teils gescheitert, teils nicht recht in Fahrt gekommen.
So fand auf dem Kongress Selber machen in Berlin im April 2017 ein sehr gut besuchtes Treffen von Gruppendelegierten zur Frage einer \u00fcberregionalen Organisierung statt. Konkrete Schritte folgten jedoch nicht. In Frankfurt am Main begann 2017 der sogenannte Koup-Prozess mit dem Ziel, eine regionale Organisierung aufzubauen. Trotz enormer Begeisterung scheiterte der Prozess im Jahr 2018, weil sich ausgerechnet die Basisinitiativen aus Frankfurt nicht beteiligt hatten. Dann lud die Zeitschrift Kosmoprolet eine Reihe von Gruppen und Einzelpersonen mit dem Ziel der Milieubildung f\u00fcr September 2017 zu einer Tagung in Neu-Anspach ein. Hieraus haben sich viele bilaterale Kontakte sowie eine Folgetagung im April 2019 ergeben, eine Dynamik zum Aufbau eines arbeitenden Zusammenschlusses stellte sich jedoch nicht ein. Mitte 2018 begann der Prozess Kongress der Kommunen, von dem sich jedoch vor einigen Monaten bereits einzelne Gruppen wieder zur\u00fcckgezogen haben, und der mittlerweile insgesamt wieder infrage steht. Konfliktpunkte waren, soweit ich Einblick habe, die starke Orientierung an der kurdischen Bewegung, eine zu starke Verbindlichkeit des Zusammenschlusses und Probleme mit der Dominanz einzelner Gruppen. In Berlin hat sich Anfang 2018 das Widerstandskomitee gebildet, in dem sich sozialrevolution\u00e4re Gruppen mit internationalistischer Ausrichtung treffen. Jedoch wird es aufgrund seiner starken Orientierung an der kurdischen Bewegung von anderen Berliner Gruppen kritisiert, die sich unter anderem darum nicht beteiligen. Im Januar 2019 hat sich der Zusammenschluss welche-gesellschaft.org gegr\u00fcndet, der bewegungsnahen Institutionen (NGOs, Teile der Gewerkschaften) und Akteuren sozialer Bewegungen besteht. Dieser Zusammenschluss steht zwar sozialrevolution\u00e4ren \u00dcberlegungen in seinen Worten fern, stellt sich aber ernsthaft die Frage, wie aus Alltagsk\u00e4mpfen gro\u00dffl\u00e4chige Ver\u00e4nderungen erwachsen k\u00f6nnen und bringt Akteure aus verschiedensten K\u00e4mpfen an einen Tisch. Regionale Prozesse gibt es au\u00dferdem in Niedersachsen und N\u00fcrnberg. \u00dcberregional wurden k\u00fcrzlich die Assoziation autonomer Gruppen und die anarchokommunistische plattform gegr\u00fcndet.
Soweit ein kurzer R\u00fcck- und Rundumblick \u00fcber aktuelle Prozesse und einige ihrer Probleme. Letztere d\u00fcrfen die sehr wichtige Arbeit, die in diesen Prozessen steckt, nicht \u00fcberdecken. Jede Genossin, die ihre Zeit und Energie in sie steckt, leistet gro\u00dfartiges und bringt uns um vieles voran. Warum aber gelingt es bisher nicht, den Zusammenschluss antiautorit\u00e4rer, antikapitalistischer Gruppen aufzubauen, obwohl ein so starkes Interesse vorhanden ist? Was h\u00e4lt die Gruppen vom Zusammenschluss ab? Was blockiert die Dynamik der Prozesse? Und warum gibt es so viele spezialisierte Prozesse, statt einfach den einen Zusammenschluss aufzubauen?
Meiner Meinung nach haben wir mit mehreren Problemen zu k\u00e4mpfen, die den Prozessen nicht als ihre eigenen Fehler vorzuwerfen sind, sondern die aus den althergebrachten Praxisformen der radikalen Linken herr\u00fchren. Um diese Praxisformen zu \u00fcberwinden, m\u00fcssen wir diese Probleme bearbeiten und aus dem Weg schaffen. Im Folgenden beschreibe ich daher, welche Probleme die Prozesse hin zum Zusammenschluss blockieren und m\u00f6chte Vorschl\u00e4ge unterbreiten, wie wir sie m\u00f6glicherweise l\u00f6sen k\u00f6nnen.
Die gegenw\u00e4rtige politische Situation \u2013 Krise, Rechtsruck, Klimawandel, um nur die zentralen Dinge zu nennen \u2013 l\u00e4sst uns daf\u00fcr nicht mehr viel Zeit. Wenn wir uns nicht bald zusammenraufen und in die politische Offensive kommen, wird unser Leben richtig schwierig werden. Die Perspektive dagegen kann nur ein \u00fcberregional sichtbarer und handlungsf\u00e4higer antikapitalistischer Zusammenschluss sein. Daf\u00fcr reicht es nicht, 200 Leute aus der eigenen Ingroup zusammenzuschlie\u00dfen, sondern wir m\u00fcssen mittelfristig einige tausend ansprechen und zwar auch unabh\u00e4ngig von der Szene-Zugeh\u00f6rigkeit.
Warum der \u00fcberregionale Zusammenschluss?
Die zu Anfang genannten Textbeitr\u00e4ge und Aufrufe argumentieren ungef\u00e4hr wie folgt f\u00fcr den \u00fcberregionalen Zusammenschluss von Basisinitiativen:
Obwohl die gesellschaftliche Situation immer krisenhafter wird, fehlt eine handlungsf\u00e4hige und sichtbare Gegenmacht, die die Krisen von links aus beantworten und f\u00fcr Emanzipation k\u00e4mpfen kann. Das gilt sowohl f\u00fcr das Soziale \u2013 siehe die Wohnungsnot und die Rentenk\u00fcrzungen \u2013 als auch f\u00fcr die Aufr\u00fcstung des Staates, wie in den Polizeiaufgabengesetzen oder dem Fl\u00fcchtlingsregime. Die extreme Rechte erstarkt, global wie vor unserer Haust\u00fcr. Die Gefahr von gro\u00dfen Kriegen r\u00fcckt wieder n\u00e4her. Der Klimawandel ist nur mehr sehr schwierig einzud\u00e4mmen und stellt das Leben der n\u00e4chsten Generationen \u00fcberhaupt infrage.
Hiergegen offensiv vorzugehen sollte also eher fr\u00fcher als sp\u00e4ter passieren. Aber die antikapitalistische Linke ist derzeit nicht in der Verfassung, diese Gegenmacht zu organisieren. Sie besteht aus zahllosen Kleingruppen und aus vielen monothematischen Organisierungen (zum Beispiel zur Mietenpolitik oder fokussiert auf Antirassismus), jeweils ohne verbindlichen Zusammenhang miteinander. Die antikapitalistische Linke grenzt sich gro\u00dfteils von der Bev\u00f6lkerung ab, statt mit ihr gemeinsam zu k\u00e4mpfen. Zur Zeit haben zwar reformorientierte linksradikale Str\u00f6mungen, die auf Hegemonie und linke Regierungsmehrheiten abzielen, federf\u00fchrend die iL, einen gewissen Schwung, aber es gibt im heutigen Kapitalismus offensichtlich keine wirklichen Spielr\u00e4ume f\u00fcr staatliche Reformpolitik, noch f\u00fcr gro\u00dffl\u00e4chige Reallohnerh\u00f6hungen, wie sp\u00e4testens seit dem SYRIZA-Debakel in Griechenland im Jahr 2015 klar geworden sein sollte. Die einzige Alternative ist das entschlossene K\u00e4mpfen im Bestehenden mit explizit antikapitalistischer Zielsetzung.
Die Basis dieser Gegenmacht, so die Grundidee der genannten Texte, besteht in der Organisierung vieler Menschen in ihren unmittelbaren Lebensverh\u00e4ltnissen, damit sie in ihren Konflikten widerstandsf\u00e4hig werden. Diese Organisierung im Alltag ist insofern die Basis von Gegenmacht, weil erst durch sie auch gesamtgesellschaftlicher Druck aufgebaut werden kann: \u201eDie Basis einer gesellschaftlichen Kraft ist die Organisierung.\u201c (Bremer Kollektiv) Hier ist in den letzten Jahren einiges in Bewegung geraten. Zahlreiche Stadtteil-Initiativen und Frauenstreik-Basisgruppen wurden gegr\u00fcndet, und auch die Selbstorganisierung von Mietsh\u00e4usern und in den Betrieben, etwa im Gesundheitssektor, ist in einer enormen Entwicklung begriffen.
Diese lokalen Organisierungen stellen aber erst dann eine Gegenmacht mit wirklich antikapitalistischem Potential dar, wenn sie sich zu einem \u00fcberregionalen Zusammenschluss mit explizit antikapitalistischer Perspektive zusammentun. Die Texte f\u00fchren diesen Gedanken in verschiedener Weise aus: Erst dann k\u00f6nnen sich die einzelnen lokalen K\u00e4mpfe auf die Emanzipation vom Kapitalismus beziehen, die nur kollektiv erreichbar ist. Erst dann wird eine Alternative zum Bestehenden \u00f6ffentlich sichtbar, die als praktisches Argument gegen Ideologien von Alternativlosigkeit, Nationalismus und Rassismus fungieren, und die \u00fcberhaupt den Kampfgeist der Menschen befl\u00fcgeln kann. Erst dann ist ein kollektives Handeln auf politischer Ebene m\u00f6glich. Erst dann kann zum Beispiel politisch gestreikt oder k\u00f6nnen bei Gro\u00dfevents die organisierten Basiskollektive mobilisiert werden. Und diese grundlegendere Gegenmacht w\u00e4re dann nicht allein abstrakt auf die \u00dcberwindung des Kapitalismus ausgerichtet, sondern w\u00fcrde dann gerade auch die einzelnen lokalen oder sektoralen K\u00e4mpfe befl\u00fcgeln, also eben zum Beispiel den Mietenkampf oder den Arbeitskampf im Gesundheitssektor.
Um dies m\u00f6glich zu machen, m\u00fcssen wir aber konkret die organisatorische Aufgabe des \u00fcberregionalen Zusammenschlusses bew\u00e4ltigen, die meines Ermessens im Augenblick vor zahlreichen Problemen steht.
Unartikulierte linksradikale \u00c4ngste vor dem Zusammenschluss
In den Diskussionen um den \u00fcberregionalen Zusammenschluss wird immer wieder die Unsicherheit ge\u00e4u\u00dfert, ob dieser angestrebte Zusammenschluss wirklich das Richtige sei. Ich glaube, dass das an zwei linksradikalen \u00c4ngsten liegt. Zum einen die Angst, aus dem Schutz der Szene in eine \u00f6ffentliche Sichtbarkeit zu treten, und zum anderen die Angst vor einer Bevormundung der Basis durch einen \u00fcbergeordneten Apparat. Beide \u2013 vor allem aber die erste \u2013 werden oft nicht direkt ausgesprochen, so dass sie auch schlecht diskutierbar sind. Das ist ein Problem. Wir m\u00fcssen diese \u00c4ngste und ihre Ursachen verstehen und diskutieren und perspektivisch innerhalb des noch zu entwickelnden Zusammenschlusses Strukturen schaffen, die diese \u00c4ngste aufl\u00f6sen helfen.
Die Angst vor dem Verlassen der linken Szene betrifft \u00fcblicherweise die etwas besser gestellten Genossinnen, die meist studiert haben und sich auf einer b\u00fcrgerlichen Berufslaufbahn befinden, oder Genossinnen, die das vorhaben. Oft sind diese Jobs nur symbolisch und sozial, nicht aber finanziell \u201ebesser gestellt\u201c. Ein \u00fcberregionaler und sichtbarer Zusammenschluss bereitet nat\u00fcrlich den Kleingruppen und Szenel\u00e4den, in denen man unter sich und anonym bleibt, ein Ende. Sichtbarkeit bedeutet gerade, dass man sowohl im Alltag, zum Beispiel am Arbeitsplatz, als auch in \u00f6ffentlichen Diskussionen so auftritt, dass man den Antikapitalismus ernst meint und daf\u00fcr auch in konkreten Konflikten den Kapitalismus wirklich herausfordern will. Ein gr\u00f6\u00dferer, \u00fcberregionaler Zusammenschluss bedeutet auch, dass man tats\u00e4chlich kollektiv viel angreifbarer wird. Solange man in der Anonymit\u00e4t der linksradikalen Kleingruppe bleiben kann, kann man \u2013 trotz allem \u201eradikalen\u201c Engagement \u2013 insgesamt immer noch unter dem Radar bleiben. Solange man in dieser Anonymit\u00e4t bleibt, genie\u00dft man noch relativ viele Freiheiten, man riskiert keinen Ausschluss aus bestimmten sozialen Milieus und gef\u00e4hrdet die b\u00fcrgerliche Berufslaufbahn nicht.
Der Zusammenschluss muss diesen sozialen und \u00f6konomischen Ausschluss auffangen k\u00f6nnen. Er muss die Leute auffangen, wenn sie in pers\u00f6nliche Krisen geraten oder vereinsamen. Vorstellbar ist auch, entsprechend dem Ansatz der Solidarisch-Gruppen, dass wir uns gegenseitig weiterhelfen, wenn Leute aus ihren Jobs fliegen. Um die \u00c4ngste aufzul\u00f6sen, m\u00fcssen wir auf solche Unterst\u00fctzung bauen k\u00f6nnen.
Zum Zweiten, die Angst vor der Apparatdominanz. Die scharfe Kritik an zentralistischen Organisationen (wie dem Konzept der Kommunistischen Partei) und Apparaten (wie den Gewerkschaften) geh\u00f6rt zu den grundlegenden Einsichten der antiautorit\u00e4ren Linken. Allerdings schl\u00e4gt diese Kritik immer wieder in eine blo\u00dfe Anti-Haltung um: Dann wird jede Form von zentralen Instanzen eines Organisierungsprozesses als Problem und letztlich als ebenso problematischer Apparat wie all die anderen gesehen.
Um gesellschaftlich handlungsf\u00e4hig und sichtbar zu sein, ben\u00f6tigen wir aber zentrale Instanzen wie zum Beispiel Kasse, Website, Massenzeitung, Bildungsmaterial, Koordinierungsarbeit, Verwaltungsarbeit. Diese sollten aber nicht autonom arbeiten, sondern die Autonomie sollte jederzeit an der Basis liegen. Um das zu gew\u00e4hrleisten, ist eine klare Analyse der basis- und r\u00e4tedemokratischen Struktur n\u00f6tig. Diese Analyse muss Mechanismen wie die folgenden umfassen: Alle zentralen Positionen werden gew\u00e4hlt, und sie sind gegen\u00fcber den W\u00e4hlenden rechenschaftspflichtig und jederzeit abw\u00e4hlbar. Sie sind nach dem Rotationsprinzip besetzt, niemand kann die Positionen f\u00fcr l\u00e4ngere Zeit innehaben. Die Basis muss in ihrer Handlung jederzeit vollst\u00e4ndig frei sein \u2013 es gibt keine Organisationsdisziplin. Diese Mechanismen m\u00fcssen allerdings nach dem jeweiligen Bedarf und auch nach pragmatischen Gesichtspunkten ausgestaltet werden. Diese Analyse der Struktur muss gemeinsam mit der scharfen Kritik am Zentralismus explizit gemacht werden. Das sollte die blo\u00dfe Anti-Haltung entkr\u00e4ften.
Keine Disziplin?
Der Punkt mit der Abwesenheit von Organisationsdisziplin ist m\u00f6glicherweise kontraintuitiv. Wie soll ein so gro\u00dfer politischer Zusammenschluss funktionieren, wenn alle einzelnen Gruppen vollst\u00e4ndig autonom sein sollen? Widerspricht sich das nicht? Ist es nicht selbstverst\u00e4ndlich, dass Organisationsdisziplin in so einem gro\u00dfen Zusammenschluss n\u00f6tig ist? Die Autonomie der Basis hei\u00dft aber nicht, dass es kein gemeinsames Handeln gibt und jede Gruppe blo\u00df unabh\u00e4ngig ist. Die einzelnen Gruppen schlie\u00dfen sich ja gerade zusammen, um zusammenzuarbeiten und gemeinsam zu handeln. Praktisch hei\u00dft das, dass es intensive Kontakte zwischen den Gruppen gibt und dass sie sich auf Vollversammlungen regelm\u00e4\u00dfig treffen. Sie f\u00fchren eine gemeinsame Diskussion, sprechen gemeinsame Aktionen ab und entwickeln sich gemeinsam weiter. \u201eKeine Organisationsdisziplin\u201c hei\u00dft allerdings durchaus, dass weder die zentralen Instanzen noch die Vollversammlungen Weisungen an die einzelnen Gruppen richten k\u00f6nnen, die diese dann auch bei Kritik befolgen m\u00fcssen. Konkret hei\u00dft das: Die Minderheit muss Mehrheitsbeschl\u00fcsse nicht umsetzen. Es kann nat\u00fcrlich Situationen geben, in der es nicht anders geht, als dass die Minderheit den Mehrheitsbeschluss akzeptiert, aber das ist nicht das Prinzip der Sache.
Das Problem mit der Organisationsdisziplin ist, dass die einzelnen Gruppen st\u00e4ndig Dinge machen m\u00fcssen, die sie eigentlich f\u00fcr nicht sinnvoll oder sogar kontraproduktiv halten, dass sie aber trotz ihres \u201eblo\u00df subjektiven\u201c Widerspruchs um der \u201eh\u00f6heren Sache\u201c willen Gehorsam leisten. Als Folge entstehen dann K\u00e4mpfe, Gerangel, Rhetoriken, in denen jeder seinen Standpunkt durchsetzen will. Der Unterschied zu b\u00fcrgerlich-kapitalistischen Organisationen (Parteien, Unternehmen, staatliche Beh\u00f6rden) ist da nicht so ganz gro\u00df. Wir brauchen die Organisationsdisziplin aber auch gar nicht, weil der Zusammenschluss keine geschlossene Truppe sein soll, die als ein kollektives Subjekt entschlossen handelt und die Staatsmacht \u00fcbernimmt. Im Gegenteil, es geht \u00fcberhaupt nicht um die Staatsmacht. Vielmehr soll der Zusammenschluss die R\u00e4teverfassung der nichtkapitalistischen Gesellschaft schon im Ansatz widerspiegeln, der Zusammenschluss soll im Endeffekt kein rein politischer sein, sondern in der Tendenz bereits die Trennung zwischen Politik und Leben aufheben. Die nichtkapitalistische Gesellschaft muss aus r\u00e4tef\u00f6rmigen Strukturen wie unserem Zusammenschluss hervorgehen: Der Weg ist wie das Ziel. [2]
Der Zusammenschluss wird aber heute auch, in Anbetracht der Lage der deutschen antikapitalistischen Linken, nur ohne die Einheit einer Organisationsdisziplin funktionieren. Denn es gibt zahlreiche innerlinke Kontroversen mit hochgradig zentrifugalen Tendenzen. Diese Kontroversen m\u00fcssen innerhalb des Zusammenschlusses nebeneinander bestehen k\u00f6nnen, ohne dass sie per Mehrheitsentscheid auf einen Nenner gebracht werden. Zum Beispiel gehen einige Berliner Gruppen auf Abstand zum Widerstandskomitee, weil dieses sich sehr auf Ans\u00e4tze aus der kurdischen Bewegung festgelegt hat. Ich werde auf diese innerlinken Kontroversen sp\u00e4ter noch genauer eingehen, in Bezug auf die Organisationsdisziplin ist hier aber zu sagen, dass wir das Nebeneinander von heterogenen Praxisformen und politischen Ans\u00e4tzen nicht als Problem sehen sollten, sondern vielmehr als St\u00e4rke, weil alle diese heterogenen Richtungen ja einen bestimmten Grund haben, in dem sie eine Antwort darstellen. Man muss das nicht zwangsweise vereinheitlichen. Wir sollten da auch \u00fcberhaupt mal gelassener werden, wenn andere etwas machen, was wir \u201egar nicht richtig\u201c finden. Wir sollten lernen zuzulassen, dass Menschen in unseren Zusammenh\u00e4ngen Dinge machen, die wir falsch finden, die ihnen aber wirklich wichtig sind.
Die Distanzierung der Basisinitiativen
Viele Basisinitiativen beteiligen sich nicht an den Prozessen f\u00fcr einen \u00fcberregionalen Zusammenschluss, weil sie ihn f\u00fcr nicht zielf\u00fchrend f\u00fcr ihre lokale Praxis halten. Das ist nat\u00fcrlich ein gro\u00dfes Problem, denn der Zusammenschluss soll von der Idee her vor allem diese Basisinitiativen zusammenschlie\u00dfen.
Argumentiert wird zumeist so: Die Basisorganisierung sei schon Zeitaufwand genug. Die Arbeit in einem Zusammenschluss halte nur davon ab und sei f\u00fcr die Basisorganisierung selbst nicht notwendig. Zugleich sei gerade diese heute politisch n\u00f6tig, nicht aber ein gesellschaftlich agierender Zusammenschluss der Basisinitiativen.
Um dem zu entgegnen, wird es praktisch gesehen n\u00f6tig sein, dass die Basisinitiativen in dem Zusammenschluss einen echten Mehrwert f\u00fcr ihre Praxis entdecken k\u00f6nnen: Zum Beispiel dass sie dadurch Zeit einsparen k\u00f6nnen, ihre Praxis durch Erfahrungsaustausch erleichtert wird oder Unterst\u00fctzung (z. B. im Streikfall) unkompliziert mobilisiert werden kann.
Umgekehrt droht den Basisinitiativen die Integration ins System, wenn sie ohne \u00fcbergreifenden Zusammenschluss mit antikapitalistischer Zielsetzung und organisierter Solidarit\u00e4t weiter machen. Und das sogar auch dann, wenn sie erkl\u00e4rterma\u00dfen Widerstand im Alltag leisten und nicht-kapitalistische Beziehungen entwickeln wollen. Solange die Basisinitiativen sich nicht in einem antikapitalistischen Zusammenschluss organisieren, haben sie keine praktische revolution\u00e4re Perspektive. Die Integration l\u00e4uft \u00fcber zwei Mechanismen: der Korporatismus f\u00fcr autonomen Widerstand und die Marktzw\u00e4nge f\u00fcr solidarische Inseln.
Korporatismus
Die klassische Situation ist die autonome Organisierung von Lohnabh\u00e4ngigen und ihr autonomer Arbeitskampf, den die Gewerkschaft wieder unter Kontrolle bekommt. Das Engagement von Militanten f\u00fcr die Autonomie der Lohnabh\u00e4ngigen schl\u00e4gt dann um: Die Gewerkschaft geht gest\u00e4rkt aus dem Konflikt heraus und die Integration der Lohnabh\u00e4ngigen ist st\u00e4rker als vorher. \u00c4hnliches geschieht, wenn mietenpolitische K\u00e4mpfe durch politische Parteien befriedet werden, indem diese individuelle L\u00f6sungen herbeif\u00fchren. Auch Sozialarbeit ist oft korporatistisch.
Die Gewerkschaft hat damit immer Erfolg, weil sie viele Leute wirklich von sich beeindrucken und davon \u00fcberzeugen kann, dass sie die bessere Karte ist gegen\u00fcber der autonomen Organisierung. Sie kann mit ihrem Knowhow und ihrem leistungsf\u00e4higen Apparat, der f\u00fcr \u00f6ffentliche Sichtbarkeit und Austausch mit anderen Belegschaften sorgt, beeindrucken. Und damit, dass sie alles \u201ewieder in geordnete Bahnen\u201c lenkt. Au\u00dferdem ist es bequemer, wenn der Apparat f\u00fcr die Leute verhandelt, und die Lohnabh\u00e4ngigen schlie\u00dflich Lohnerh\u00f6hungen erhalten, ohne dass sie selbst aktiv werden m\u00fcssen. Mit diesen Mitteln kauft die Gewerkschaft die Leute und betr\u00fcgt sie zugleich.
Um diesem Betrug der Gewerkschaften entgegen zu treten, braucht es den \u00fcberregionalen antikapitalistischen Zusammenschluss:
- Dieser kann ebenfalls Knowhow, \u00f6ffentliche Sichtbarkeit, bundesweiten Austausch, sowie die reale Streiksolidarit\u00e4t anderer bieten und so der Selbstinszenierung der Gewerkschaften die Stirn bieten.
- Er hat kein Interesse an Sozialpartnerschaft und Befriedung, kann daher viel entschlossener k\u00e4mpfen als die Gewerkschaften und so auch real bessere Resultate erzielen, die die K\u00e4mpfenden wirklich interessieren.
- Der \u00fcberregionale Zusammenschluss verk\u00f6rpert durch diese allgemeine Streiksolidarit\u00e4t das Bewusstsein des Antikapitalismus. N\u00e4mlich, dass nicht nur die kleine Verbesserung, sondern die Abschaffung des Verh\u00e4ltnisses notwendig ist, und dass aber zweitens der konkrete eigene Kampf ein Baustein auf dem Weg zu dieser Abschaffung ist.
Solidarische Inseln
Die Geschichte hat immer wieder gezeigt, dass sehr radikale Projekte \u2013 Hausbesetzungen, Betriebsaneignungen, anarchistische Kommunen, egalit\u00e4re Kollektivbetriebe \u2013 im Laufe der Jahre kapitalistische Akteure geworden sind, die lediglich nach innen kollektiv und egalit\u00e4r organisiert sind, aber nach au\u00dfen hin kapitalistisch auf dem Markt agieren m\u00fcssen. Sie sind solidarische Inseln, verfolgen aber \u00fcber ihre Organisationsgrenzen hinaus keine antikapitalistische Praxis. Siehe etwa die vielen legalisierten Hausprojekte in Berlin oder die ehemals linke Tageszeitung taz.
Aktuell betrifft dieses Problem vor allem die vielen Solidarisch-Projekte, die in den letzten Jahren entstanden sind (wie die Solidarische Aktion Neuk\u00f6lln). In den Solidarisch-Projekten muss man nicht vereinzelt mit Jobcenter, Vermieterin, Chefin und so weiter k\u00e4mpfen, sondern kann dies als Kollektiv tun. Dies ist allerdings ein Fortschritt und bessert die Lebenssituation ungemein. Aber es birgt eben auch die Gefahr, dass dies die Konflikte des Kapitalismus nur von einer Einzelperson auf ein Kollektiv von 15 Leuten ausweitet. Das ist dann zwar besser, weil kollektiv statt einzeln, aber dieses Kollektiv ist trotzdem nur ein kollektiver Egoist, der sich weiterhin im Kapitalismus behaupten muss.
Um dieses Umkippen zu egoistischen Kollektiven zu verhindern, braucht es die Einbindung der Solidarisch-Projekte in einen antikapitalistischen Zusammenschluss:
- Nur dann kann das jeweilige solidarische Projekt die eigene organisierte Alltagswiderst\u00e4ndigkeit auch als Teil einer kollektiven Aktion aus\u00fcben (zum Beispiel als politischer Streik oder politischer Mietenstreik).
- Nur dann organisiert sich das solidarische Projekt in seinem Alltag mit einem Bewusstsein, konkret Teil dieses antikapitalistischen Kampfes zu sein.
Hahnenkampf der Standpunkte
Diskussionen in der antikapitalistischen Linken sind fast immer vom Standpunkt-Denken bestimmt. Es geht den Beteiligten um die Behauptung und Durchsetzung des eigenen Standpunkts gegen jeweils andere. Linke Identit\u00e4t hei\u00dft, sich in einem Standpunkt wie \u201ekommunistisch\u201c oder \u201ehegemoniepolitisch\u201c zu positionieren und sich in diesem behaupten k\u00f6nnen. Demgegen\u00fcber m\u00fcsste die Diskussion eigentlich eine Auseinandersetzung \u00fcber das Problem sein, um es gemeinsam zu verstehen und praktisch zu l\u00f6sen. Gerade darum m\u00fcssten antikapitalistische Linke imstande sein, auch scharfe Kontroversen auszuhalten. Das w\u00e4re ein praxisorientiertes Wahrheitsverst\u00e4ndnis.
In den Prozessen um die \u201eNeuausrichtung der radikalen Linken\u201c hat sich diesbez\u00fcglich viel getan, trotzdem dominiert weiterhin das Standpunkt-Denken die Auseinandersetzungen in den Prozessen. Das Standpunkt-Denken begrenzt jedoch die Reichweite der jeweiligen Prozessbeteiligten und blockiert die Prozesse intern. Um das aufzul\u00f6sen, braucht es organisatorisch-strukturelle Konsequenzen.
Typische, sich nach diesem Prinzip gegen\u00fcber stehende Standpunkte sind:
Praxis versus Theorie: \u201eDie ganze Theorie hilft f\u00fcr die Praxis nichts weiter und ist nur intelligente Selbstbespa\u00dfung\u201c, gegen: \u201eDas Machen und Organisieren der Aktivistinnen ist nur blinder Aktionismus, der ohne vorheriges Nachdenken sinnlos ist.\u201c
Anarchismus versus Kommunismus: \u201eWir m\u00fcssen hier und jetzt mit dem anderen Leben anfangen. Es ist falsch zu sagen, dass wir die Massen dazu bringen m\u00fcssen: jede einzelne muss es selber machen\u201c, gegen: \u201eOhne antikapitalistische Organisation, die den Kapitalismus fl\u00e4chendeckend bek\u00e4mpft, bleiben alle Experimente im Kleinen fruchtlos und blo\u00dfe Handwerklerei.\u201c
Weitere h\u00e4ufig debattierte Gegens\u00e4tze sind zum Beispiel: antikolonial versus antinational, revolution\u00e4r versus realsolidarisch, antirassistisch versus klassenk\u00e4mpferisch, feministisch versus klassenk\u00e4mpferisch und so weiter.
In solchen Diskussionen versuchen die Beteiligten, ihre Standpunkte mit diversen Mitteln durchzusetzen. Man versucht die anderen durch technische Tricks aus der Diskussion hinaus zu dr\u00e4ngen. Zum Beispiel indem man sie in gro\u00dfen Plena reden l\u00e4sst, ohne auf die jeweiligen Punkte einzugehen. Man versucht das Publikum durch rhetorische Mittel zu beeindrucken. Man geht auf Vorschl\u00e4ge, Dinge konkret und pers\u00f6nlich auszudiskutieren, nicht ein. Man versucht, die Anderen aus der Linken auszugrenzen, indem man ihnen Nationalismus, Paternalismus, Eurozentrismus und so weiter vorwirft. Wenn man das alles ernst n\u00e4hme, dann s\u00e4\u00dfen die gr\u00f6\u00dften Reaktion\u00e4re gerade in den Reihen der Linken selbst. Die Konsequenzen solcher eskalierender Diskussionen sind regelm\u00e4\u00dfig Spaltungen von Gruppen, Sektierertum, vermeintlich un\u00fcberbr\u00fcckbare pers\u00f6nliche Differenzen, ritualhaftes Abgrenzen von bestimmten Standpunkten. Das kollektiv! Bremen hat all das k\u00fcrzlich hier auf dem re:volt magazine sehr anschaulich anhand eines B\u00fcndnisses beschrieben.
Das Problem ist hierbei nicht, dass die Beteiligten f\u00fcr konkrete Ziele eintreten und diese praktisch zu erreichen suchen, sondern dass es ihnen um den Standpunkt als Standpunkt geht, um seine Behauptung und Durchsetzung als Standpunkt gegen andere.
Wir brauchen eine andere Diskussionskultur, in der wir nicht streiten, um gegen die anderen die Diskussion zu gewinnen, sondern weil jede die anderen braucht, um das Problem zu verstehen. Die Wahrheit w\u00e4re dann kein Standpunkt mehr, sondern w\u00e4re erst durch die Kontroverse m\u00f6glich, und h\u00e4tte nicht den Sinn, den Standpunkt zu behaupten, sondern praktische Probleme zu l\u00f6sen.
Ein Hauptgrund des Standpunkt-Denkens liegt denke ich in der Unsicherheit, die viele in ihrer antikapitalistischen Position haben. Heute sind Ideologien v\u00f6llig gefestigt und eine kr\u00e4ftige Gegenmacht und damit Alternative zum Kapitalismus ist nicht sichtbar. Darum erscheint jeder Antikapitalismus als verr\u00fcckt und gesellschaftlich \u201eung\u00fcltig\u201c. Wenn man jetzt einen eindeutigen und \u201egefestigten\u201c Standpunkt einnimmt, dann ist man gegen die Angriffe der Mehrheitsgesellschaft abgeschottet und hat keine Unsicherheit mehr. Das ist nat\u00fcrlich dann auch ein schematischer Standpunkt, dem es nicht um\u2019s Probleme-L\u00f6sen, sondern um das Aushalten von Angriffen geht.
Um das Standpunkt-Denken aus der antikapitalistischen Diskussionskultur herauszubekommen, braucht es organisatorisch-strukturelle Bedingungen:
- Das Verbindende des Zusammenschlusses soll nicht ein gemeinsamer Standpunkt sein, etwa eine gemeinsame politische Doktrin, sondern die widerst\u00e4ndige Praxis organisierter Basiskollektive. Und dies mit der Perspektive, dass Gegenmacht, wie auch sp\u00e4ter die Revolution, in ihrem Kern in der Entwicklung nichtkapitalistischer Beziehungen im Alltag besteht. Der Grund des Zusammenschlusses sollte also das Zusammenwirken f\u00fcr so eine konkrete Praxis der Basiskollektive sein. Trotzdem muss der Zusammenschluss, um arbeiten zu k\u00f6nnen, einen gewissen inhaltlichen Rahmen abstecken. Dies sollte in Form von politischen Kerninhalten stattfinden. Dazu sollten etwa geh\u00f6ren: Antistaatlichkeit, Internationalismus, Klassenkampf, Triple-Oppression-Ansatz. [3] Diese politischen Kerninhalte m\u00fcssen offen sein, damit kontroverse Diskussionen innerhalb des Zusammenschlusses m\u00f6glich sind. Kritik an rassistischen, sexistischen, paternalistischen Denkweisen innerhalb der Plattform muss jederzeit m\u00f6glich sein, aber ohne damit unmittelbar pers\u00f6nliche Ausschl\u00fcsse zu fordern.
- Es m\u00fcssen moderierte Diskussionen organisiert werden, in denen die Kontroversen ausgetragen werden, und zwar explizit innerhalb des gemeinsamen Zusammenschlusses (oder in Perspektive darauf). Der Ort daf\u00fcr sind Podiumsdiskussionen und Zeitungsdebatten. Die Moderation hat die Aufgabe, die Form der Diskussion zu beobachten, und sie wenn n\u00f6tig explizit zu kritisieren.
W\u00e4rmestrom
Es fehlt der \u201eW\u00e4rmestrom\u201c (Ernst Bloch) in unserem Herangehen an den antikapitalistischen Zusammenschluss. Wir arbeiten nach der Devise \u201eDies und das ist politisch notwendig, um unsere Interessen zu verteidigen\u201c. Unser Engagement daf\u00fcr ist \u201eernsthaft\u201c, muss anstrengende Arbeit sein. Wir sehen den Zusammenschluss lediglich als Instrument f\u00fcr antikapitalistische und antifaschistische Ziele.
Aber ein Zusammengehen von Menschen in so einen Zusammenschluss wird nicht gelingen, wenn der Begr\u00fcndungszusammenhang allein so rational und kalt ausf\u00e4llt. Er wird sich nur zusammen b\u00fcndeln k\u00f6nnen, wenn er auch eine emotionale Grundlage hat und die Menschen sich daf\u00fcr begeistern k\u00f6nnen, in ihm mitzumachen. Er muss getragen werden von dem kollektiven Gef\u00fchl, dass er f\u00fcr ein anderes, sch\u00f6nes, befreites Leben steht. Und dass dieses Leben genau in diesem Zusammenschluss bereits ansatzweise gelebt wird. Dieser W\u00e4rmestrom entsteht \u00fcberall da, wo unsere Beziehungen ihre kapitalistische Entfremdung abwerfen k\u00f6nnen und wir erleben, wie reich unser Leben wirklich ist. In der Nachbarschaftsinitiative, der Arbeiterinnenautonomie wie in der Platzbesetzung. \u00dcberall da, wo die Herrschaft der kapitalistischen Notwendigkeiten zeitweise au\u00dfer Kraft gesetzt wird, wo das Leben gemeinsam gestaltet wird und jedes Individuum mit seinen Bed\u00fcrfnissen dazu geh\u00f6rt.
Dort kann in ersten Anl\u00e4ufen eine Kultur entstehen, in der die Menschen nicht immer \u00e4ngstlich auf den eigenen Besitz, auf den eigenen Spa\u00df oder Selbstverwirklichungsgewinn, die eigene investierte Arbeitszeit schauen m\u00fcssen. Wo sie sich nicht mehr auf Kosten anderer profilieren m\u00fcssen, um selbst besser da zu stehen, oder sich von den \u201eUncoolen\u201c abwenden, um selbst nicht schief angesehen zu werden. Wo Kranke in ihrer Krankheit anerkannt sind und nicht mehr allein daf\u00fcr verantwortlich sind. Es handelt sich dann nicht mehr um Beziehungen von atomisierten Menschen, die sich quasi vertragsm\u00e4\u00dfig aufeinander einlassen, sondern um solche, in denen das Interesse des einen am anderen konkret etwas mit dem andern zu tun hat. Es w\u00e4re ein Leben, in der man keine Angst mehr haben muss, am Ende auf sich allein gestellt zu sein. In dem man nicht verbissen k\u00e4mpfen muss, um am Ende nicht hinten runter zu fallen. In dem der innere Druck, immer mehr leisten zu m\u00fcssen als man kann, endlich aufh\u00f6rt, weil das einfach nicht mehr n\u00f6tig ist. In dem man gemeinsam versucht, Gewalt aus der Welt zu schaffen.
Dies ist der W\u00e4rmestrom, die Energie, die unseren Zusammenschluss f\u00fcr ein nichtkapitalistisches Leben tragen wird.
Gegenmacht aufbauen!
Sofern meine Problemanalysen zutreffen, wird es keineswegs leicht werden, den \u00fcberregionalen Zusammenschluss aufzubauen. Wir schleppen eine gewaltige Hypothek aus der Geschichte der radikalen Linken mit. Um sie abzubauen, wird viel Energie und Einsatz n\u00f6tig sein, und wir werden ganz sch\u00f6n viel Bereitschaft erbringen m\u00fcssen, unsere Positionen zu \u00fcberdenken, auf andere zuzugehen und lieb gewonnene Reflexe aufzugeben. Es ist auch keineswegs gesagt, dass diese Anstrengungen wirklich gelingen und wir den \u00fcberregionalen Zusammenschluss erreichen. N\u00f6tig jedoch ist er unbedingt, um eine Gegenmacht aufzubauen, die der sozialen Krise, der Aufr\u00fcstung der Staatsapparate, dem Erstarken der extremen Rechten und dem Klimawandel effektiv etwas entgegensetzen kann.
Anmerkungen:
[1] So zum Beispiel: Antifa Kritik & Klassenkampf, Der kommende Aufprall, 2015; Bremer Kollektiv, \u201eF\u00fcr eine grundlegende Neuausrichtung linksradikaler Politik\u201c, 2015; Peter Schaber, \u201eVom Reden zum Tun\u201c, 2018; Proletarische Autonomie Magdeburg und Finsterwalde, \u201eNeue sozialrevolution\u00e4re Bewegung\u201c, 2018; LCM-Redaktion, \u201eKongress der Kommunen\u201c, 2018; Vidar Lindstr\u00f6m, \u201eGedanken zu einem Kongress der Kommunen\u201c, 2018.
[2] Eine etwas ausf\u00fchrlichere Er\u00f6rterung dieser anarchosyndikalistisch-r\u00e4tekommunistischen Revolutionstheorie findet sich in Der kommende Aufprall der Antifa Kritik & Klassenkampf vom Jahre 2015 sowie in einigen Beitr\u00e4gen von diskus 2/2016, die den kommenden Aufprall diskutieren.
[3] Triple Oppression hei\u00dft, dass es drei (oder mehr) Unterdr\u00fcckungsformen gibt, die nicht aufeinander reduzierbar sind, n\u00e4mlich diejenigen, die durch Rassismus, Sexismus und Klassenherrschaft entstehen.
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