,,Wir k\u00f6nnen uns darauf einigen, dass wir alle AntirassistInnen und AntifaschistInnen sind\u2018\u2018
\nRed and Anarchist Skinheads\n(RASH) ist eine Str\u00f6mung in der Skinhead-Subkultur, die ihre\nUrspr\u00fcnge in der antirassistischen Gegenbewegung Skinheads Against\nRacial Prejudice (SHARP) aus den USA hat und denen ein schlichter\nAntirassismus zu wenig war. Weltweit organisieren sich linke\nSkinheads \u00fcber politische Grenzen hinweg in kulturpolitischen\nGruppen. Auch in Kolumbien, einem Land mit einem 50-j\u00e4hrigen\nbewaffneten Konflikt zwischen linken Guerilla-Gruppen und dem Staat\nbzw. seinen ultrarechten paramilit\u00e4rischen Gruppen, gibt es eine\nlebendige Skinhead-Szene, in der politische Themen eine besondere\nBrisanz haben. W\u00e4hrend seines letzten Aufenthalts in Kolumbien hatte\nunser Redakteur Jan Schwab die M\u00f6glichkeit, mit einem Mitglied von\nRASH Bogota ins Gespr\u00e4ch zu kommen.
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Jan\n[re:volt]: Hallo liebe GenossInnen, ihr seid Mitglieder von RASH\nBogota, einer linken Skinhead-Gruppe aus Kolumbien. Erz\u00e4hlt mir doch\nf\u00fcr den Anfang etwas \u00fcber eure Gruppe. Wann habt ihr euch gegr\u00fcndet\nund was macht ihr so?
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Pote:\nRASH Bogota ist eine Organisation, die um das Jahr 1997\nherum gegr\u00fcndet wurde und ist ein Projekt, das aus anderen\nVorl\u00e4uferorganisationen hervorging. Wir verstehen uns als eine\nGruppe gegenkultureller, politischer Skinheads. Unsere Aktivit\u00e4ten\numfassen zum einen unseren politischen Aktivismus, zum anderen aber\nauch gegenkulturelle Arbeit, wie z.B. Konzerte, Murales [1],\nVersammlungen, aber auch Informations- und Bildungsveranstaltungen\nf\u00fcr unsere eigenen Mitglieder.
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Jan\n[re:volt]: Ihr versteht euch als eine explizit politische Gruppe. Das\nist ja nicht ganz selbstverst\u00e4ndlich. In Deutschland w\u00fcrden sich\nviele Skinheads weder in Gruppen organisieren, noch sich als\nsonderlich politisch verstehen. In welchem Verh\u00e4ltnis steht die\nSkinhead-Subkultur zur politischen Arbeit bei euch? \n
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\nEs ist uns an dieser Stelle wichtig zwischen Subkultur und\nGegenkultur zu unterscheiden. Aus unserer Sicht begreifen wir das,\nwas wir tun, nicht als Subkultur. Das ist ein Begriff, den wir\nablehnen. Gegenkultur definieren wir entgegen dem Subkulturbegriff\nnach dem marxistischen Theoretiker Antonio Gramsci als\ngegen-hegemoniales Projekt, d.h. gegen eine dominante und\ndurchgesetzte Mehrheitskultur gerichtet. Wir sind da im Vergleich\nrelativ radikal. Die Gegenkultur steht bei uns nicht \u00fcber der\nPolitik, die Politik aber auch nicht \u00fcber der Gegenkultur. Es\nhandelt sich da schlicht um zwei Seiten unseres politischen Kampfs. \n
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Jan\n[re:volt]: Habt ihr einen bestimmten Ort, an dem ihr eure Aktivit\u00e4ten\ndurchf\u00fchrt, z.B. ein besetztes Haus, soziales Zentrum oder ein Caf\u00e9\n, in dem ihr regelm\u00e4\u00dfig Konzerte veranstaltet?
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\nPote: Leider gibt es derzeit in Bogota keine gegenkulturellen\nZentren mehr, weil die Regierung dagegen vorgegangen ist, z.B. auch\ngegen Caf\u00e9s und kommunale Treffpunkte, was uns ohne Ort f\u00fcr unsere\nVeranstaltungen zur\u00fcckgelassen hat. Das ist der Grund, warum wir\nKonzerte immer in Kooperation mit anderen, befreundeten Gruppen aus\nBogota durchf\u00fchren, z.B. mit der Partido Comunista Colombiano\n(PCC) oder auch anderen Organisationen, die in den Barrios aktiv\nsind und sich dort f\u00fcr die Menschen einsetzen.
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Jan\n[re:volt]: Die urspr\u00fcngliche Skinhead-Subkultur in England war ja im\nPrinzip eine ArbeiterInnenklassenkultur, die auf jamaikanische\nReggae-Tunes feierte und aus der Gemengenlage schwarzer und wei\u00dfer\nArbeiterkids hervorging. Wie ist das hier in Kolumbien und wie seid\nihr so aufgestellt?
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\nPote: Wir als Organisation sind da sehr breit aufgestellt \u2013\nwie das eben auch der Zusammensetzung unserer Gegenkultur hier vor\nOrt entspricht. Dementsprechend sind bei uns ArbeiterInnen genauso\norganisiert, wie LehrerInnen, Sch\u00fclerInnen, StudentInnen usw., was\nwir als Bereicherung f\u00fcr unsere Sache ansehen. Aber na klar, wir\nbegreifen uns als Teil der arbeitenden Klasse und das entspricht auch\nder Realit\u00e4t unserer Mitglieder. Die Mehrheit geht einer Lohnarbeit\nnach, um eben irgendwie \u00fcber die Runden zu kommen. Und das l\u00e4uft\nnat\u00fcrlich mit den Urspr\u00fcngen der Skinhead-Kultur zusammen, wobei\nwir uns insbesondere positiv auf die antifaschistischen und\nantirassistischen Wurzeln der Skinhead-Kultur beziehen. Wir greifen\nin RASH Bogota aber auch andere Gegenkulturen wie Punk,\nHardcore oder Ska auf. \n
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\nJan [re:volt]:\nWelche Bands organisiert ihr denn in eurem gegenkulturellen Netzwerk?\nVeranstaltet ihr auch Skinhead-Nighter?
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\nPote: Die meisten Bands bewegen sich im Bereich Punk und\nHardcore. Da w\u00e4ren z.B. die Bands Tierra Sangre, Red Terror\nund Red Noise. Im Prinzip sind alle diese Bands bzw. ihre\nMitglieder bei RASH Bogota organisiert. Die Skinhead-Nighter\nsind auch Teil unserer Gegenkultur. Wir sind regelm\u00e4\u00dfig G\u00e4ste bei\nSkinhead-Nightern und den Veranstaltungen der 69-Skins in Bogota.\nDar\u00fcber hinaus haben wir in unseren Strukturen viele Mitglieder die\ndie traditionelle Skinhead-Szene und ihre Events unterst\u00fctzen.
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\nJan [re:volt]:\nWelche Gruppen gibt es denn au\u00dfer euch in Bogota, die sich\nzur Skinhead-Kultur zugeh\u00f6rig f\u00fchlen und wie steht ihr zu denen?
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\nPote: Oh da gibt es einige. Zu nennen w\u00e4re da nat\u00fcrlich\nSHARP Bogota, aber auch Terror Crew, Cabezas\nRapadas, GRABO und Family Oi\nim S\u00fcden. Darunter gibt es nat\u00fcrlich Gruppen, die sich politischer\npositionieren wie RASH und GRABO und solche wie Terror\nCrew, Cabezas Rapadas und Familiy\nOi, die mehr gegenkulturell orientiert sind. Das Positive in\nBogota ist, dass sich die verschiedenen Gruppen in der Coordinadora\nAntifascista de Bogota, einer Art Antifa-B\u00fcndnis, sammeln\naufgrund der Tatsache, dass es in Bogota leider auch rechtsradikale\nGruppen, wie z.B. Tercera Fuerza [2] gibt, gegen die\netwas unternommen werden muss. Daher gibt es heute\nVereinigungstendenzen unter den Gruppen. Das war nicht immer so,\ndenn bevor wir angefangen haben miteinander zu arbeiten, gab es \u00f6fter\nSchl\u00e4gereien und andere Rivalit\u00e4ten auf der Stra\u00dfe. Das ist jetzt\naber pass\u00e9. Wir k\u00f6nnen uns darauf einigen, dass wir alle\nAntirassistInnen und AntifaschistInnen sind.
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\nJan [re:volt]: Du hast die neofaschistischen Skinhead-Gruppen ja\ngerade schon angesprochen. Wie sch\u00e4tzt du das ein, stehen die auch\nim Kontakt mit rechtsradikalen Paramilit\u00e4rs und Politikern?
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\nPote: Ja ganz klar! Da gibt es zum einen Querverbindungen zum\nurbanen Paramilitarismus, zweitens aber auch zu ultrarechten\nParteien. Wir haben Informationen, nach denen einige F\u00fchrer\nneofaschistischer Gruppen mit Senatoren ultrarechter Parteien, z.B.\ndem Centro Democratico [3], zusammenarbeiten. Die\ngleichen Verwicklungen gibt es aber z.B. auch in den Polizeiapparat\nhinein, der mit den Paramilit\u00e4rs und den neofaschistischen\nSkinhead-Gruppen eine Art Netzwerk bildet. \n
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\nJan [re:volt]: In eurem Land w\u00fctet ja nach wie vor ein\nbewaffneter Konflikt. Inwieweit hat der Konflikt zwischen linken\nGuerillagruppen und dem Staat und seinen Paramilit\u00e4rs eure\nArbeit in der Vergangenheit beeinflusst?
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\nPote: Wei\u00dft du, in Kolumbien ist das nicht nur so, dass du Todesdrohungen\nbekommst, sondern sie lassen dich auch verschwinden, oder bringen\ndich gleich um. Das ist eine Realit\u00e4t, mit der auch wir als\ngegenkulturelle politische Gruppe tagt\u00e4glich konfrontiert sind. Zum Beispiel\nwurde bereits ein Genosse von uns im Umland von Bogota umgebracht.\nUntersuchungen haben dann ergeben, dass der M\u00f6rder ein Mitglied\neiner paramilit\u00e4rischen Gruppe war. Dar\u00fcber hinaus haben bereits\neinige GenossInnen Todesdrohungen erhalten, darunter auch Drohungen\nseitens der staatlichen Sicherheitskr\u00e4fte. Das setzt sich dann auf\nDemonstrationen fort, wo wir als Kollektiv bevorzugt mit\nGaskartuschen und Schlagst\u00f6cken angegriffen werden. Das ist die\nRealit\u00e4t f\u00fcr Linke in einem Land wie Kolumbien und nat\u00fcrlich sind\nwir von Gewalt betroffen \u2013 insbesondere durch den Paramilitarismus\n[4].
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\nAnmerkungen
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\n[1] Murales sind Wandbilder, die politische und/oder\ngesellschaftskritische Inhalte transportieren. Es handelt sich beim\nMuralismo um eine in Lateinamerika popul\u00e4re Kunstform, die in\nden 20er Jahren in Mexiko popul\u00e4r wurde und sich dann verbreitete. \n
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\n[2] Bei Tercera Fuerza (Dritte Kraft) handelt es sich um eine\nneo-nazistische Kleinpartei in Kolumbien, die sich am deutschen\nNationalsozialismus orientiert. Im Wesentlichen kopiert die Partei\nden Stil und die Strategien westlicher Nazi-Parteien, so auch die\nVereinnahmungsversuche der Skinhead-Bewegung. \n
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\n[3] Das Centro Democratico (Demokratisches Zentrum) ist eine\neinflussreiche rechtsradikale Partei, die vor dem jetzigen\nPr\u00e4sidenten Juan Manuel Santos mit Alvaro Uribe Velez f\u00fcr 10 Jahre\nden Pr\u00e4sidenten stellte. Die Partei ist ber\u00fcchtigt f\u00fcr ihre\nVerbindungen zu den neofaschistischen Paramilit\u00e4rs und ausgemachter\nFriedensgegner.
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\n[4] Der Paramilitarismus ist ein gegen linke, liberale und\nandere progressive Kr\u00e4fte in Kolumbien gerichtetes neofaschistisches\nAusl\u00f6schungsprogramm. Er spaltet sich in verschiedene Gruppierungen\nauf und unterh\u00e4lt Verbindungen zu Teilen des Staatsapparats,\ninsbesondere Polizei und Milit\u00e4r, sowie zu lokalen Landlords und der\nNarco-Mafia. Ihre Strategie ist die einer Konter-Guerilla. Seit\nAnfang des Jahres ermordeten Paramilit\u00e4rs \u00fcber 100\nMenschenrechtsaktivistInnen im Land.