Den Gordischen Knoten zerschlagen \u2013 aber wie?
\nUm es von Anfang an unmissverst\u00e4ndlich zu sagen: Die Ergebnisse der Doppelwahl in der T\u00fcrkei vom 14. Mai 2023 \u2013 f\u00fcr Parlament und Pr\u00e4sidentschaft \u2013 waren ein relativer Sieg f\u00fcr den amtierenden t\u00fcrkischen Pr\u00e4sidenten Reccep Tayyip Erdo\u011fan und ein relativer Misserfolg der Opposition, sowohl der linken als auch der rechten. Selbst wenn das Pr\u00e4sidentschaftsrennen noch nicht entschieden ist \u2013 keiner der Kandidaten konnte die f\u00fcr den Sieg in der ersten Runde der Pr\u00e4sidentschaftswahlen erforderlichen 50 %+1 der Stimmen f\u00fcr sich verbuchen, so dass am 28. Mai eine zweite Runde anberaumt ist \u2013 k\u00f6nnen wir schon jetzt einige wichtige analytische Schlussfolgerungen ziehen und Perspektiven diskutieren. Nicht zuletzt gibt es auch gen\u00fcgend Gr\u00fcnde, den Kampf um den Sieg \u00fcber Erdo\u011fan am 28. Mai nicht aufzugeben. N\u00e4hern wir uns dem vertrackten gordischen Knoten Schritt f\u00fcr Schritt.
Die Best\u00e4ndigkeit des institutionalisierten autorit\u00e4ren Populismus an der Macht
Die Wahlergebnisse der ersten Runde zeigen einen relativen Sieg von Erdo\u011fan. Klar, autorit\u00e4re Repression, stark ungleiche Ausgangsbedingungen im Vorfeld und am Wahltag sowie Wahlbetrug in einer erneut von mysteri\u00f6sen Unregelm\u00e4\u00dfigkeiten \u00fcberschatteten Wahlnacht sind wie gehabt sehr wichtige Elemente, die diesen relativen Sieg erm\u00f6glicht haben. Es gibt bereits deutliche Anzeichen daf\u00fcr, dass sich der Wahlbetrug vor allem darauf konzentriert hat, Stimmen f\u00fcr die linke, pro-kurdische Gr\u00fcne Linkspartei (Ye\u015fil ve Sol Partisi, YSP) in Stimmen f\u00fcr die rechtsextreme nationalistische Partei, die Partei der Nationalistischen Bewegung (Milliyet\u00e7i Hareket Partisi, MHP), den wichtigsten Verb\u00fcndeten von Erdo\u011fan, umzuwandeln (siehe z. B. den Hashtag #Ye\u015filSolPartininOylar\u0131Nerede \u2013 \u201eWo sind die Stimmen f\u00fcr die YSP?\u201c \u2013 auf Twitter). Zum Zeitpunkt, an dem ich diesen Artikel schreibe, ist das Ausma\u00df des Betrugs noch nicht klar und auch nicht, ob dieser entscheidende Auswirkungen auf das Wahlergebnis haben wird. Die Entwicklungen sind, wie so oft in der T\u00fcrkei, hochdynamisch. Dennoch: Der Betrug kann an sich nicht die enorme Unterst\u00fctzung der Bev\u00f6lkerung f\u00fcr Erdo\u011fan als Pr\u00e4sidentschaftskandidaten und sein regierendes B\u00fcndnis, die Volksallianz (Cumhur Ittifak\u0131, CI) erkl\u00e4ren.
Erdo\u011fan kam nach den offiziellen (staatlichen) Zahlen mit bisher 49,50 % der W\u00e4hler:innenstimmen (gegen\u00fcber 52,60 % und einem Sieg in der ersten Runde im Jahr 2018) knapp an den Sieg in der ersten Runde des Pr\u00e4sidentschaftsrennens heran, w\u00e4hrend sein Konkurrent, der Vorsitzende der Republikanischen Volkspartei (Cumhuriyet\u00e7i Halk Partisi, CHP), Kemal K\u0131l\u0131\u00e7daro\u011flu, der auch das wichtigste b\u00fcrgerliche Oppositionsb\u00fcndnis, die Allianz der Nation (Millet Ittifak\u0131, MI), anf\u00fchrt, etwas weniger als 45 % der W\u00e4hler:innenstimmen auf sich vereinte. Obwohl Erdo\u011fans CI mit einer W\u00e4hler:innenunterst\u00fctzung, die nahe an der von Erdo\u011fan liegt (49,46 % gegen\u00fcber 53,60 % im Jahr 2018 nach den bisherigen Zahlen), etwas weniger als die absolute Mehrheit gewonnen hat, verf\u00fcgt die CI aufgrund der Wahlarithmetik mit 322 von 600 Abgeordneten immer noch \u00fcber die absolute Mehrheit im t\u00fcrkischen Parlament. Obwohl die CI und Erdo\u011fan Stimmenanteile verloren haben und Erdo\u011fan es nicht geschafft hat, in der ersten Runde zu gewinnen, sollte die Tatsache, dass die MI und der zweite, linke Oppositionsblock, das B\u00fcndnis f\u00fcr Arbeit und Freiheit (Emek ve \u00d6zg\u00fcrl\u00fck Ittifak\u0131, E\u00d6I) unter F\u00fchrung der YSP, es nicht geschafft haben, die Macht der CI im Parlament zu brechen, sowie die Tatsache, dass K\u0131l\u0131\u00e7daro\u011flu die erste Runde des Pr\u00e4sidentschaftswahlkampfs weder gewonnen noch angef\u00fchrt hat, eindeutig als relativer Sieg f\u00fcr Erdo\u011fan verstanden werden. Warum?
Im Gegensatz zu liberal-demokratischen Behauptungen \u00fcber das starke Abschneiden der Opposition in der T\u00fcrkei, wenn man sie mit der Opposition in Russland und Ungarn vergleiche (ein ausgezeichneter Artikel entlang dieser Argumentationslinie findet sich hier), sollte man den entscheidenden Unterschied des autorit\u00e4ren Regimes in der T\u00fcrkei im Vergleich zu den genannten betonen, der das Wahlergebnis zu einem relativen Sieg f\u00fcr das Regime macht: Es ist n\u00e4mlich im Verh\u00e4ltnis zu den tiefen und vielf\u00e4ltigen Krisen zu sehen, in die das Regime das Land gest\u00fcrzt hat. Die T\u00fcrkei befindet sich in der schwersten Wirtschaftskrise seit \u00fcber 20 Jahren (zumindest f\u00fcr die breite Masse der Bev\u00f6lkerung), wobei das Schlimmste wahrscheinlich erst noch bevorsteht. Das Land hat bei der Pandemie im Bereich der \u00f6ffentlichen Gesundheit sehr schlecht abgeschnitten und Anfang diesen Jahres die schlimmsten Erdbeben in der modernen Geschichte der T\u00fcrkei durchlebt, f\u00fcr deren fatale Auswirkungen die Regierung eine gro\u00dfe Verantwortung tr\u00e4gt. Trotz alledem beh\u00e4lt das Erdo\u011fan-Regime die Oberhand. Und dies, im \u00dcbrigen, auch im Erdbebengebiet, wo der R\u00fcckgang der Unterst\u00fctzung f\u00fcr die CI und insbesondere f\u00fcr die AKP zwar nicht zu vernachl\u00e4ssigen ist, sie aber trotzdem weitab vorne liegen, w\u00e4hrend Erdo\u011fan als Pr\u00e4sidentschaftskandidat kaum Verluste hinzunehmen hat im Vergleich zu 2018. Keines der etablierten rechtsautorit\u00e4ren Regime weltweit durchlebte bisher auch nur im Entferntesten derartig tiefe Krisen wie dasjenige unter F\u00fchrung von Erdo\u011fan.
Dies f\u00fchrt zu einer ersten wichtigen theoretischen Schlussfolgerung, die auch im globalen Ma\u00dfstab relevant ist: Ein institutionalisierter autorit\u00e4rer Populismus an der Macht und seine Mechanismen der polarisierten Identit\u00e4tsbildung k\u00f6nnen selbst angesichts tiefer und massiver Krisen hartn\u00e4ckig Bestand haben.
Einem Gro\u00dfteil der schockierten Reaktionen auf die Wahlergebnisse scheint ein liberaler, aufkl\u00e4rungsphilosophischer Ansatz zugrunde zu liegen, der davon ausgeht, dass niemand aus rationalen Gr\u00fcnden ein Regime w\u00e4hlen w\u00fcrde oder sollte, das die Bev\u00f6lkerung \u2013 erneut aus vermeintlich rationalen Gesichtspunkten betrachtet \u2013 immer wieder im Stich l\u00e4sst. Diese Argumentation war und ist erkenntnistheoretisch und ontologisch offensichtlich unangemessen, um zu verstehen, was in der jetzigen Wahl geschehen ist und was seit Jahren geschieht.
Erdo\u011fan und die AKP konnten zun\u00e4chst auf der Welle eines \u201eeingebetteten Neoliberalismus\u201c reiten, das hei\u00dft, den Neoliberalismus in Mechanismen der minimalen Gesundheitsversorgung und oft recht paternalistische und klientelistische Formen der Umverteilung integrieren. Dies ging einher mit Diskursen und Praktiken, die das Gef\u00fchl einer umfassenden sozialen Teilhabe vermittelten. Diese waren wiederum vermittelt durch Subjektivierungsmechanismen nach konservativem Muster und einer nur restriktiven, das hei\u00dft nicht-strukturellen Erm\u00e4chtigung der subalternen Teile ihrer Unterst\u00fctzer:innenbasis. Diese gesellschaftliche Verankerung von Erdo\u011fan und der AKP ist der Schl\u00fcssel zum Verst\u00e4ndnis, wie es Erdo\u011fan gelungen ist, seinen verschw\u00f6rungstheoretisch-autorit\u00e4ren Diskurs und seine Politiken der Polarisierung so zu verankern, dass er ein veritables Ma\u00df an gesellschaftlicher Zustimmung auf sich vereinen und ein B\u00fcndnis mit extrem nationalistischen Kr\u00e4ften wie der MHP schmieden konnte. Ohne diesen tiefenanalytischen Hintergrund bleibt man schlicht an der Oberfl\u00e4che der Ereignisse kleben, wie so viele politikwissenschaftliche Analysen, die beispielsweise die Polarisierungstaktiken oder den \u00f6konomischen Populismus von Erdo\u011fan hervorheben, aber nicht erkl\u00e4ren k\u00f6nnen, warum das bei Erdo\u011fan seit Jahren trotz tiefen Krisen klappt, bei Trump, Bolsonaro und Johnson aber nicht.
Der Erfolg, sich als F\u00fchrer und die AKP als f\u00fchrende Partei zu pr\u00e4sentieren, die die Anliegen des Volkes vorantreibt entlang der oben genannten Linien und des oben genannten historischen Hintergrunds, verlieh der Anziehungskraft von Erdo\u011fan/CI auch in Krisenzeiten eine gewisse Best\u00e4ndigkeit und verhinderte eine massive Abnahme der Zustimmung unter der Erdo\u011fan/CI-W\u00e4hler:innenschaft. Hinzu kommt die reale und symbolische Selbst-Erhebung, die die Unterst\u00fctzer:innen durch die Annahme des autorit\u00e4ren Angebots, Teil des von Erdo\u011fan/CI vertretenen \u201enationalen Willens\u201c (mill\u00ee irade) zu sein, erlangen. Auch die Auswirkungen der populistischen Wirtschaftspolitik im Vorfeld der Wahlen d\u00fcrfen nicht untersch\u00e4tzt werden: Deckelung der Mieten, Erh\u00f6hung des Mindestlohns, Ausweitung der Rentenanspr\u00fcche und Erh\u00f6hung der Renten, Energieverbrauchssubventionen, Versprechen, das Erdbebengebiet innerhalb eines Jahres wieder aufzubauen, Versprechen, die H\u00e4lfte der Kosten f\u00fcr neue Wohnungen im Erdbebengebiet zu finanzieren und so weiter. Nichts von alledem d\u00fcrfte nachhaltig sein. Aber die Versprechungen f\u00f6rderten das bereits bestehende erfolgreiche F\u00fchrerimage. Eine typische Erdo\u011fan/CI-W\u00e4hler:inmentalit\u00e4t, die in den letzten Wochen h\u00e4ufig zu sehen und zu h\u00f6ren war, besteht in der Klage \u00fcber viele Dinge, etwa die Wirtschaft; gekoppelt aber mit dem Glauben, dass immer noch Erdo\u011fan/CI die beste/einzige Option zur L\u00f6sung der Probleme sei.
Es ist also auch die Unzufriedenheit innerhalb der Erdo\u011fan/CI-W\u00e4hler:innenschaft gro\u00df, was sich in den Stimmenverlusten f\u00fcr Erdo\u011fan und die CI im Vergleich zu 2018 und in bestimmten qualitativen Feldstudien und \u00f6ffentlichen Umfragen widerspiegelt. Warum ist es der Opposition dann nicht gelungen, diese Unzufriedenheit st\u00e4rker als bisher von Erdo\u011fan/CI weg zu kanalisieren?
Die Grenzen eines halbherzigen progressiven Neoliberalismus
Wie bereits mehrfach von kritischen Stimmen hervorgehoben wurde, ist der wichtigste b\u00fcrgerliche Oppositionsblock eher schwach darin, eine \u00fcberzeugende alternative Vision f\u00fcr Staat und Gesellschaft zu pr\u00e4sentieren \u2013 und noch weniger gut darin, eine solche Perspektive in sozialen Praktiken zu verankern, die mit den Menschen in Verbindung stehen. Ihre polit\u00f6konomische Perspektive beinhaltet die Restauration eines klassischen neoliberalen Akkumulationsregimes, m\u00f6glicherweise mit einem developmentalistischen Einschlag. Sie stehen damit f\u00fcr ein Akkumulationsregime, das haupts\u00e4chlich verantwortlich ist f\u00fcr ein Wachstum ohne Besch\u00e4ftigungszuwachs (jobless growth), die zunehmende Ungleichheit von Einkommen und Verm\u00f6gen und die Zerst\u00f6rung der Organisation der Arbeiter:innenklasse \u2013 und damit f\u00fcr ein Akkumulations, das die Grundlage bot und bietet f\u00fcr die B\u00fcndelung der Unzufriedenheit auf reaktion\u00e4re Weise, wie es Erdo\u011fan tat und weiterhin tut.
Auch in dieser Hinsicht \u00e4hnelt der Fall der T\u00fcrkei dem globalen Trend einer vorherrschenden innersystemischen Dialektik zwischen progressivem Neoliberalismus und reaktion\u00e4rem Populismus vor dem Hintergrund einer tiefen und vielschichtigen Krise der globalisierten neoliberalen Weltordnung. In der T\u00fcrkei jedoch mit einer noch weniger ausgepr\u00e4gten \u201eProgressivit\u00e4t\u201c auf der neoliberalen Seite der Dialektik als etwa bei Macron in Frankreich, Biden in den USA oder der \u201eFortschrittskoalition\u201c in Deutschland. Wie und warum ist das so?
Die Forderung der MI nach Demokratie bleibt recht unbestimmt, da vor allem die innerstaatliche Dimension der Demokratisierung von der Hauptopposition dargelegt wird im Rahmen einer Perspektive hin zu einem gest\u00e4rkten parlamentarischen System. In den einschl\u00e4gigen Dokumenten der MI finden sich viele gute Vorschl\u00e4ge, zum Beispiel in Bezug auf das Justizwesen. Allerdings sollte man nicht vergessen, dass das derzeitige Pr\u00e4sidialregime in der T\u00fcrkei nicht mit dem Fallschirm vom Himmel auf die Erde gesprungen ist, sondern sich aus eben einem parlamentarischen System heraus entwickelt hat \u2013 genauer gesagt dadurch, dass Erdo\u011fan/CI gesellschaftliche Konflikte instrumentalisiert haben, um vor dem Hintergrund einer Hegemoniekrise den \u00dcbergang zu einem autorit\u00e4ren Pr\u00e4sidialregime zu forcieren. In dieser Hinsicht bleibt die Forderung der Hauptopposition nach Pluralismus in den gesellschaftlichen Beziehungen weit weniger detailliert, da hoch umstrittene Themen wie die kurdische und alevitische \u201eFrage\u201c und das Thema der LGBTQI+-Rechte umgangen werden. Positive Verweise auf historische Institutionen ausgrenzender religionsbasierter Politik wie das Direktorat f\u00fcr religi\u00f6se Angelegenheiten (Diyanet) finden sich bei der CHP, aber auch bei anderen Parteien der MI. Ebenso finden sich positive Verweise auf neuere symbolische und institutionelle Elemente des Rechtsnationalismus und Autoritarismus, etwa auf die Einleitung und die ersten vier Paragraphen der vom Milit\u00e4r auferlegten und immer noch g\u00fcltigen Verfassung von 1982. Diese beinhalten ein ethnisch-ausgrenzendes Verst\u00e4ndnis der t\u00fcrkischen Nation und einen autorit\u00e4ren \u201eAtat\u00fcrkismus\u201c. Elemente wie diese, gepaart mit einem starken Fokus auf aggressiven Nationalismus und patriarchale Werte, waren die Schl\u00fcsselthemen, die von Erdo\u011fan/CI instrumentalisiert wurden, um auf dem Weg zum aktuellen Pr\u00e4sidialsystem auf Zustimmung zu dr\u00e4ngen. Und sie bleiben die Schl\u00fcsselelemente, die von Erdo\u011fan/CI instrumentalisiert werden, um aktuell den autorit\u00e4ren Konsens zu konsolidieren. Nicht zuletzt \u00e4hnelte die Mobilisierung der Hauptopposition jener von Erdo\u011fan/CI: Das hie\u00df, die Menschen kleinzuhalten und zu demotivieren, selbst aktiv zu werden oder auf die Stra\u00dfe zu gehen, indem sie sie vor schlimmen Dingen warnen, die sonst passieren k\u00f6nnten. Sie setzen darauf, dass die Menschen demobilisiert bleiben oder nur auf eine paternalistische und kontrollierte Weise mobilisiert werden.
Ein ausgrenzender (extremer) Nationalismus, eine ausgrenzenden religionsbasierten Politik sowie die einem autorit\u00e4ren Staatsglauben und der Staatssicherheit einger\u00e4umte Vorrangstellung gegen\u00fcber der selbstt\u00e4tigen Aktivit\u00e4t der Massen und der popularen Demokratie sind zentrale Themen der herrschenden Bl\u00f6cke seit der Gr\u00fcndung der modernen Republik T\u00fcrkei. Nichts davon war und ist unangefochten und unver\u00e4ndert. Ein Intermezzo gro\u00dfer sozialer Auseinandersetzungen 1960-80 stellte diese autorit\u00e4ren Grundlagen der Republik in Frage. Diese wurden jedoch von der Milit\u00e4rjunta des Staatsstreichs vom 12. September 1980 und ihrer autorit\u00e4ren Verfassung in modifizierter Form wiederhergestellt.
Seitdem ist das zunehmende Erstarken eines rechtsgerichteten Konservatismus zu verzeichnen, der Nationalismus und Islamismus einschlie\u00dft. Er wird von den wichtigsten b\u00fcrgerlichen Parteien und dem Milit\u00e4r propagiert und instrumentalisiert und f\u00fcllt das Vakuum, das die zerst\u00f6rte revolution\u00e4re Linke hinterlassen hat. St\u00e4rkere oder schw\u00e4chere Alternativ- oder Gegentrends gab und gibt es nach wie vor, wie der kurzlebige Aufstieg der Sozialdemokratie in den fr\u00fchen 1990er Jahren, die illusion\u00e4ren Versuche eines \u201eprogressiven Neoliberalismus\u201c unter der fr\u00fchen AKP und in j\u00fcngerer Zeit vor allem der Gezi-Aufstand von 2013 gezeigt haben. Die Republikaner und die republikanische Linke haben es jedoch vermieden und vermeiden es weiterhin, Gegentendenzen zu einer umfassenden nicht-neoliberalen Alternative zu formulieren, w\u00e4hrend die revolution\u00e4re Linke nach 1980 viel zu schwach blieb und bleibt oder in Teilen liberal wurde. Das ist der Hauptgrund, warum es seit geraumer Zeit eine unabh\u00e4ngige dritte, linke und pro-kurdische Koalition in der T\u00fcrkei gibt.
Dass der wichtigste Oppositionsblock heute ebenfalls versucht, auf der dominierenden Welle des Konservatismus zu reiten, sollte daher nicht \u00fcberraschen. Noch weniger, wenn man bedenkt, dass im Grunde alle Parteien innerhalb der MI neben der CHP Abspaltungen von der AKP (Davuto\u011flus GP, Babacans DEVA) oder der MHP (Ak\u015feners IYI) sind, au\u00dferdem eine Nachfolgepartei der Vorg\u00e4ngerpartei der AKP (Karamollao\u011flus SP) und eine Partei, die in der Haupttradition der rechten Mitte in der T\u00fcrkei steht (Uysals DP). Es handelt sich also um Parteien der rechten Seite des politischen Spektrums, weswegen die manchmal zu vernehmende Rede von einer \u201egro\u00dfen, parteien\u00fcbergreifenden Koalition\u201c in Bezug auf die MI schlicht falsch ist.
Es gibt keine offene Zusammenarbeit mit der YSP oder dem E\u00d6I, diese wird von fast allen Parteien innerhalb der MI au\u00dfer der CHP rundweg abgelehnt. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die YSP und ihre Vorl\u00e4uferin, die Demokratische Partei der V\u00f6lker (Halklar\u0131n Demokratik Partisi, HDP) bei den Kommunalwahlen 2019 ma\u00dfgeblich zum Erfolg der Opposition beigetragen haben und jetzt wieder dazu beitragen, den Stimmenanteil von K\u0131l\u0131\u00e7daro\u011flu zu erh\u00f6hen. In der Tat erzielte K\u0131l\u0131\u00e7daro\u011flu in den \u00fcberwiegend kurdischen Gebieten der T\u00fcrkei die h\u00f6chsten Werte, oft weit \u00fcber 60 % der Stimmen. Im Gegensatz dazu h\u00f6rt man oft Aufrufe aus dem liberalen Lager an K\u0131l\u0131\u00e7daro\u011flu und die CHP, sich zug\u00e4nglich gegen\u00fcber konservativen und nationalistischen W\u00e4hler:innen zu zeigen, um eine erfolgreiche demokratische Koalition zu schmieden und die Macht von Erdo\u011fan/CI \u00fcber diese W\u00e4hler:innenschaft zu brechen. \u00c4hnliche Aufrufe an K\u0131l\u0131\u00e7daro\u011flu und die CHP, sich der HDP/YSP oder dem E\u00d6I anzun\u00e4hern, gibt es allerdings kaum. Offensichtlich ist die MI nicht nur aus pragmatischen Gr\u00fcnden der Ansicht, dass ein Einlenken gegen\u00fcber einer scheinbar dominanten konservativen Str\u00f6mung ihr die Oberhand bei den Wahlen verschaffen w\u00fcrde. Der Schluss ist naheliegend, dass die Mehrheit der MI auch aktiv davon \u00fcberzeugt ist, dass der Konservatismus die \u201erichtige\u201c Art und Weise ist, zu regieren und die Gesellschaft zu gestalten. Gerade dieses Appeasement an den rechtskonservativen Trend machte es schon vor den Wahlen fragw\u00fcrdig, wie weit eine Demokratisierung unter F\u00fchrung der MI gehen k\u00f6nnte.
Allerdings scheint diese Anpassung an den dominanten rechtskonservativen Trend als Alternative gar nicht erst \u00fcberzeugend genug zu sein, um einen Wandel in der Legislative einzuleiten, wie schon vor den Wahlen oft kritisch angemerkt wurde: Die MI blieb bei den Parlamentswahlen im Wesentlichen bei ihren Stimmenanteilen von 2018 (damals 33,94%, jetzt 35%), wobei die IYI etwas weniger (jetzt 9,7% gegen\u00fcber 9,96% 2018) und die CHP etwas mehr als bei den letzten Wahlen (25,33% gegen\u00fcber 22,65%) erzielte. Da die CHP jedoch nur durch die viel gepriesene Taktik, mit allen MI-Mitgliedern au\u00dfer der IYI mit gemeinsamen Listen in den Wahlkampf zu ziehen, mehr Abgeordnete gewinnen konnte, werden sich diese Gewinne in Verluste verwandeln, da die CHP mehr Sitze an MI-Mitglieder abgeben wird, als sie gewonnen hat. Man fragt sich schon, ob die Taktik, eine Mitte-Rechts-Koalition zu schmieden, um das demokratische Potenzial gegen den Autoritarismus zu kanalisieren, doch nicht so gut aufgegangen ist und ob ein alternatives Mitte-Links-B\u00fcndnis, etwa mit der CHP und der HDP im Kern, bei guter Durchf\u00fchrung, nicht erfolgreicher gewesen w\u00e4re.
Die Lehren aus dem relativen Scheitern der Opposition sind meines Ermessens daher diese hier: Ohne eine umfassende alternative gesellschaftliche Vision, inklusive einer alternativen polit\u00f6konomischen Vision, plus einer Praxis, die sich im Alltag und in der sozialen Praxis der Menschen mit diesen verbindet, um die Alternative tats\u00e4chlich zu verankern und die Menschen umfassend handlungsf\u00e4hig subjektiviert und daher die reaktion\u00e4ren Subjektivierungsmechanismen ersetzt, wird es kaum gehen. Oder es wird gehen zu einem immer st\u00e4rker steigenden Preis, das hei\u00dft auf dem Hintergrund von immer schwereren Krisen, deren Materialit\u00e4t dann irgendwann die Materialit\u00e4t und Superstruktur des Erdo\u011fanismus brechen wird, allerdings dann mit einer Sto\u00dfrichtung, die radikal offen bleibt in alle Richtungen, fortschrittlich wie reaktion\u00e4r.
Schlimmer jedoch als die nur mittelm\u00e4\u00dfige Performance der MI ist, dass das Einlenken gegen\u00fcber dem Rechtskonservatismus, um dessen extremste autorit\u00e4re Form, n\u00e4mlich das faschistoide Regime unter Erdo\u011fan, zu st\u00fcrzen, dazu beigetragen hat \u2013 wohl unbeabsichtigt, nehme ich an, aus der Sicht der Mehrheit der Republikaner:innen \u2013, die steigende Flut des rechten (extremistischen) Konservatismus zu st\u00e4rken. Auch das war eine gro\u00dfe Gefahr, vor der kritische Analysen schon seit geraumer Zeit gewarnt haben.
Der Aufstieg des extremen Rechtskonservatismus
Der heimliche Gewinner der Wahlen in der T\u00fcrkei vom 14. Mai 2023 scheint derzeit der (extreme) Rechtskonservatismus zu sein, der als allgemeine Tendenz b\u00fcndnis\u00fcbergreifend erstarkt und verschiedene Unterstr\u00f6mungen wie extremen Nationalismus und extremen Islamismus umfasst. Z\u00e4hlt man die (rechtsextremen) nationalistischen Parteien aus der Regierungskoalition wie die MHP, aber auch aus der Opposition wie die bereits erw\u00e4hnte IYI, aber auch die rasend fl\u00fcchtlingsfeindliche Partei des Sieges (Zafer Partisi, ZP), die ihrerseits eine Abspaltung der IYI ist, zusammen, ergibt sich f\u00fcr diese Str\u00f6mung ein Gesamtstimmenanteil von etwa 24-25 %. Das gro\u00dfe bisher ungel\u00f6ste R\u00e4tsel in dieser Gleichung ist die starke Performance der MHP. Waren ihr im Durchschnitt aller Umfragen vor den Wahlen 6-7% der Stimmen vorhergesagt worden, konnte sie mit knapp \u00fcber 10% der Stimmen ihre Zustimmungswerte von 2018 im Allgemeinen fast ohne Verluste verteidigen. Eine \u00e4hnliche massive Fehlvorhersage fast aller Wahlumfrageinstitute f\u00fcr das Abschneiden der MHP war schon 2018 aufgetreten.
Auf der anderen Seite, w\u00e4hrend die AKP als Partei, obwohl sie immer noch die st\u00e4rkste Partei bleibt, der gro\u00dfe Verlierer dieser Wahlen ist (35,58% im Vergleich zu 42,56% im Jahr 2018), werden die extremen Islamisten von Erbakans Neuer Wohlfahrtspartei (Yeniden Refah Partisi, YRP) mit 2,82% der Stimmen als Teil der CI f\u00fcnf Mitglieder ins Parlament schicken. Dar\u00fcber hinaus sind vier Abgeordnete der kurdisch-islamistischen Partei der Freien Sache (H\u00fcr Dava Partisi,H\u00dcDA-PAR) \u00fcber die AKP-Listen ins Parlament eingezogen. Die YRP wurde der CI hinzugef\u00fcgt, um deren Anziehungskraft im islamistischen Lager zu verst\u00e4rken, w\u00e4hrend die H\u00dcDA-PAR dem B\u00fcndnis hinzugef\u00fcgt wurde, um die Anziehungskraft unter konservativen Kurd:innen zu erh\u00f6hen. W\u00e4hrend H\u00dcDA-PAR in der Tradition der t\u00fcrkischen Hizbullah steht, die in den 1990er Jahren f\u00fcr barbarische Massaker und F\u00e4lle brutaler Folter verantwortlich war, pflegen sowohl H\u00dcDA-PAR als auch YRP eine aggressive Feindseligkeit gegen\u00fcber queeren Menschen und Frauen*rechten. Wie der erfahrene republikanische Journalist Murat Yetkin zu Recht feststellt, ist das derzeitige Parlament auf dem besten Wege, das nationalistischste und islamistischste Parlament in der Geschichte der modernen T\u00fcrkei zu werden. Im Pr\u00e4sidentschaftswahlkampf hat der rechtsextrem-nationalistische Kandidat Sinan O\u011fan, der sich ebenfalls von der IYI abgespalten hat und sich f\u00fcr das im Rennen um das Parlament an sich unbedeutende ATA-B\u00fcndnis (wortw\u00f6rtlich \u201eB\u00fcndnis der Vorfahren\u201c) aufstellen lie\u00df, mit einem Gesamtstimmenanteil von 5,17 % entscheidend dazu beigetragen, dass das Rennen nun in eine zweite Runde geht.
Auch wenn wir noch nicht \u00fcber wissenschaftlich fundierte Analysen der W\u00e4hler:innenstr\u00f6me verf\u00fcgen, k\u00f6nnen wir vorl\u00e4ufig davon ausgehen, dass ver\u00e4rgerte AKP-W\u00e4hler:innen f\u00fcr Parteien innerhalb desselben B\u00fcndnisses (wie etwa die YRP) und in geringem Ma\u00dfe f\u00fcr Parteien au\u00dferhalb der Regierungskoalition, die dieser ideologisch nahe stehen, gestimmt haben.
Es zeichnet sich ab, dass nationalistisch orientierte Neuw\u00e4hler:innen und ver\u00e4rgerte W\u00e4hler:innen anderer Parteien, insbesondere diejenigen, die IYI gew\u00e4hlt haben, Sinan O\u011fan ihre Stimme gaben. IYI-Parteichefin Meral Ak\u015fener scheint durch das Wahlergebnis nicht so sehr aus der Fassung gebracht zu sein zu sein wie die Republikaner oder die Linke; sie hat sich in der Wahlnacht und bis zum jetzigen Zeitpunkt (Mittwoch, 17. Mai) \u00fcberhaupt nicht zu den Wahlergebnissen ge\u00e4u\u00dfert. Man kann nur vermuten, dass ein extremer Nationalist aus der gleichen Tradition wie Ak\u015fener als mutma\u00dflicher K\u00f6nigsmacher in der zweiten Runde der Pr\u00e4sidentschaftswahlen sie ebenso erfreut wie das allgemein starke Abschneiden des (extremen) Nationalismus bei den Wahlen.
Zusammenfassend haben die jahrelange D\u00e4monisierung der relativ zentristischen CHP und insbesondere der HDP/YSP als terroristisch von einem extrem nationalistischen Standpunkt aus ebenso wie das Fehlen einer Alternative zum Rechtskonservatismus und die Beschwichtigung desselben durch den wichtigsten Oppositionsblock zu diesen Ergebnissen gef\u00fchrt.
Das hei\u00dft, Politik hat zu dieser Situation beigetragen und nicht irgendeine mysteri\u00f6se allgemeine Soziologie der T\u00fcrkei, derzufolge reaktion\u00e4rer Konservatismus/Nationalismus irgendwie ein fester Bestandteil der t\u00fcrkischen Nation seit ehedem sei. Dennoch: Wie beispielsweise Cihan Tu\u011fal hervorgehoben hat, werden diese strukturellen Verschiebungen in der allgemeinen W\u00e4hler:innenstimmung und der Identit\u00e4tsbildung in den wenigen Tagen vor der zweiten Runde der Pr\u00e4sidentschaftswahlen h\u00f6chstwahrscheinlich nicht mehr r\u00fcckg\u00e4ngig gemacht werden k\u00f6nnen, auch wenn K\u0131l\u0131\u00e7daro\u011flu das wollte (was er, \u00fcbrigens, offensichtlich nicht tut; siehe weiter unten). Bevor ich mich der Wahlnacht und den Perspektiven f\u00fcr den zweiten Wahlgang zuwende, m\u00f6chte ich einen kurzen Blick auf den Zustand der Linken werfen.
Revolution\u00e4re Fehlz\u00fcndungen
Nach den aktuell vorliegenden offiziellen Ergebnissen bleibt das Abschneiden des linken E\u00d6I mittelm\u00e4\u00dfig. Sie k\u00f6nnte sogar Stimmenanteile verloren haben (10,54 % jetzt gegen\u00fcber 11,70 % f\u00fcr die HDP im Jahr 2018). Dies gilt insbesondere f\u00fcr die YSP (jetzt 8,81 %), unter deren Dach die HDP kandidierte, da letztere mit einem politisierten Schlie\u00dfungsverfahren vor dem Verfassungsgericht konfrontiert ist. Da sich die Diskussionen um Wahlbetrug jedoch speziell auf die Stimmen f\u00fcr die YSP und in geringerem Ma\u00dfe f\u00fcr die Arbeiterpartei der T\u00fcrkei (T\u00fcrkiye I\u015f\u00e7i Partisi,TIP), die Teil des E\u00d6I ist, konzentrieren, werden detaillierte Diskussionen \u00fcber den Wahlerfolg oder das Scheitern des E\u00d6I warten m\u00fcssen, bis sich der Nebel des Krieges gelichtet hat. Dennoch lassen sich bereits jetzt einige allgemeinere Aussagen treffen.
Der bereits erw\u00e4hnte Betrug und die autorit\u00e4re Repression sowie der allgemeine Anstieg des Rechtskonservatismus der letzten Jahre haben den Aktionsradius des E\u00d6I eingeschr\u00e4nkt. Dennoch bleibt das E\u00d6I eine wichtige Kraft, mit der man rechnen muss, und zwar seit Jahren. Das B\u00fcndnis stellt den einzigen wirklichen Garant f\u00fcr die Demokratisierung in der T\u00fcrkei dar, und aufgrund der sozialistischen und linken Tendenzen innerhalb des E\u00d6I auch f\u00fcr die M\u00f6glichkeit einer sozialen Perspektive f\u00fcr die T\u00fcrkei \u00fcber den Neoliberalismus hinaus. Das ist einer der Gr\u00fcnde f\u00fcr die D\u00e4monisierung des E\u00d6I und insbesondere der HDP/YSP durch die meisten Parteien des politischen Spektrums: Sie wollen diese Ausrichtung einer Alternative f\u00fcr die T\u00fcrkei auf die Kurd:innen und einige marginalisierte Elemente der Linken beschr\u00e4nken, da der Rechtskonservatismus von den dominierenden politischen Parteien als soziale Vision f\u00fcr die T\u00fcrkei bevorzugt wird.
Das E\u00d6I wurde erst kurz vor den Wahlen gegr\u00fcndet und bezog noch mehr sozialistische Parteien als zuvor in ein strategisches B\u00fcndnis mit den pro-kurdischen linken Kr\u00e4ften ein. Dies war ein wichtiger Schritt, da es die Reichweite eines strategischen B\u00fcndnisses von Sozialist:innen und pro-kurdischen Linken um diejenigen Parteien und Organisationen erweiterte, die fr\u00fcher in relativer Distanz zur kurdischen Bewegung standen. Allerdings f\u00fchrten Meinungsverschiedenheiten dar\u00fcber, ob man \u00fcber gemeinsame Listen unter dem Dach der HDP/YSP oder \u00fcber verschiedene Listen in den Parlamentswahlkampf eintreten sollte, zu schwerwiegenden Reibereien innerhalb des B\u00fcndnisses. Letztendlich entschied sich nur die TIP aus den Reihen des E\u00d6I, \u00fcber eine unabh\u00e4ngige Liste neben der HDP/YSP anzutreten, w\u00e4hrend alle anderen sozialistischen Parteien \u00fcber HDP-Listen kandidierten. Positiv am Wahlergebnis f\u00fcr das E\u00d6I ist die Tatsache, dass die TIP aus dem Stand heraus vier Abgeordnete mit 1,73% der Stimmen gewinnen konnte, das ist die gleiche Anzahl an Abgeordneten wie bei und nach ihrer ersten Kandidatur 2018 \u00fcber HDP-Listen. Dies ist prinzipiell zu begr\u00fc\u00dfen, da es zeigt, dass eine sozialistische Partei in strategischer Allianz mit der HDP/YSP in der Lage ist, selbst als Newcomer im parlamentarischen Wettbewerb Stimmen und Sitze zu gewinnen. Auch hier liegt bislang keine klare Analyse der W\u00e4hler:innenstr\u00f6me vor, so dass nicht genau festgestellt werden kann, woher die Stimmen f\u00fcr die TIP kamen. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass TIP Stimmen von linksgerichteten CHP-W\u00e4hler:innen, bisherigen Nichtw\u00e4hler:innen und HDP/YSP-W\u00e4hler:innen erhalten hat. Sollte die TIP mehr Stimmen von linksgerichteten CHP-W\u00e4hler:innen und Nichtw\u00e4hler:innen als von HDP/YSP-W\u00e4hler:innen erhalten haben, k\u00f6nnte man davon ausgehend argumentieren, dass die eigenst\u00e4ndigen Listen der TIP im Prinzip zum Wachstum des Gesamtstimmenanteils des E\u00d6I beigetragen hat.
Wie auch immer die W\u00e4hler:innenstr\u00f6me im Einzelnen aussehen m\u00f6gen: Auf der negativen Seite des Wahlergebnisses f\u00fcr das E\u00d6I steht die Tatsache, dass die Kandidatur \u00fcber getrennte Listen nach einigen Berechnungen f\u00fcr das E\u00d6I aufgrund der Spaltung der linken W\u00e4hler:innenschaft in bestimmten Wahlbezirken zu einem Verlust von etwa vier Abgeordneten f\u00fchrte (Berechnungen \u00fcber potenzielle Verluste von Parlamentssitzen bleiben noch provisorisch). W\u00e4hrend ein Zusammenschluss mit dem vorrangigen Ziel, mehr Abgeordnete zu erhalten \u2013 und damit der Verzicht auf unabh\u00e4ngige Organisation und Propaganda \u2013 in normalen Zeiten als eine autorit\u00e4re Perspektive des Ausb\u00fcgelns von Differenzen um des st\u00e4rksten Teils der Einheit willen aus rein pragmatischen Gr\u00fcnden (= mehr Abgeordnete) angesehen und kritisiert werden muss, war die T\u00fcrkei am 14. Mai nicht auf normale Wahlen eingestellt: Die absolute Mehrheit der CI im Parlament zur\u00fcckzudr\u00e4ngen und Erdo\u011fan als Pr\u00e4sidentschaftskandidaten zu schlagen, war und bleibt der Schl\u00fcssel, um den konsolidierten Autoritarismus an diesem kritischen historischen Punkt empfindlich zu treffen. Darum ging es am 14. Mai. Der Zeitpunkt der TIP-Initiative, mit eigenen Listen anzutreten und auch dort separat zu kandidieren, wo dies absehbar zu einem Verlust von Abgeordneten f\u00fcr das E\u00d6I insgesamt f\u00fchren w\u00fcrde, muss daher als grober Fehler gewertet werden, der die gemeinsame Dynamik des B\u00fcndnisses besch\u00e4digte und als solcher scharf kritisiert werden sollte.
Andererseits hat der Geist der Debatten \u00fcber die Listenfrage und die Perspektive nach den Wahlen zuweilen die Grenzen des legitimen Wettbewerbs und der Kritik innerhalb eines Linksb\u00fcndnisses verlassen und war auch f\u00fcr den Geist des B\u00fcndnisses \u00e4u\u00dferst destruktiv. Wenn wir die bisherigen offiziellen Ergebnisse f\u00fcr bare M\u00fcnze nehmen (und dabei immer den Betrugsvorbehalt im Hinterkopf behalten), hat die HDP/YSP mehr Stimmen verloren als die TIP gewonnen hat, selbst in Gebieten, in denen die TIP nicht parallel zur HDP/YSP antrat, wie in (Teilen von) Izmir, Ankara, Bursa, Ayd\u0131n, Kocaeli und Manisa. Die Besch\u00e4digung des B\u00fcndnisgeistes k\u00f6nnte zu einer Demoralisierung und folglich zu einem Verlust von Stimmenanteilen insgesamt beigetragen haben. Eine n\u00fcchterne Selbstreflexion und -kritik ist notwendig, um die Gr\u00fcnde f\u00fcr den relativen Verlust von Stimmenanteilen zu finden. Innerhalb des B\u00fcndnisses stehen an den beiden extremen Polen der Debatte die Klage des TIP-Abgeordneten Ahmet \u015e\u0131k \u00fcber \u201ekurdische Faschisten\u201c und die Behauptung der HDP-Ko-Vorsitzenden Pervin Buldan, jede Stimme f\u00fcr eine andere Partei innerhalb des E\u00d6I als die HDP/YSP sei eine Stimme f\u00fcr Erdo\u011fan (beide entschuldigten sich sp\u00e4ter). Auch nach der Wahlnacht ging die Suche nach einem S\u00fcndenbock innerhalb des E\u00d6I viral. Dies ist keine akzeptable Form, eine b\u00fcndnisinterne Debatte zu f\u00fchren.
Die E\u00d6I-Mitglieder und -Mitgliedsparteien sollten sich rasch wieder auf die Wiederherstellung des B\u00fcndnisgeistes besinnen, ohne sich dabei berechtigte Kritik zu verkneifen. Gerade jetzt sind alle Kr\u00e4fte notwendig, um die seit der Wahlnacht einsetzenden allgemeinen Demoralisierungstendenzen umzukehren, um auf dem steinigen Weg zum 28. Mai wieder die Initiative zu ergreifen.
Man kann nicht genug betonen, wie wichtig es ist, sich so schnell wie m\u00f6glich auf die zweite Wahlrunde vorzubereiten. Zudem: Mittel- bis langfristig, unabh\u00e4ngig von den Ergebnissen des 28. Mai, ist eine starke und geeinte E\u00d6I notwendig, um dem Aufstieg des Rechtskonservatismus entgegenzuwirken, mehr Kr\u00e4fte f\u00fcr eine Demokratisierung der T\u00fcrkei mit einer starken sozialen Perspektive zu sammeln und das Kr\u00e4ftegleichgewicht in eine solche Richtung zu bewegen. Dies wird der E\u00d6I nicht gelingen, wenn sie in eine Psychologie der Niederlage zur\u00fcckf\u00e4llt, die die destruktiven Energien nach innen lenkt, anstatt sie in positive Energien nach au\u00dfen zu wenden.
Ein harter Kampf steht bevor
Momente und Elemente, die keine zentralen Bestandteile von Strukturen oder von mittel- bis langfristigen Tendenzen darstellen, k\u00f6nnen dennoch kurzfristig von gro\u00dfer Bedeutung sein. Sie werden historisch entscheidend, wenn das Kurzfristige selbst ein kritischer historischer Kreuzungspunkt ist.
Die Wahlnacht bleibt nach wie vor geheimnisumwittert, da die Ver\u00f6ffentlichung neuer Daten zum Wahlergebnis durch alle relevanten Instanzen, einschlie\u00dflich des von CHP und MI konstruierten alternativen Systems, mitten in der Nacht f\u00fcr einige Stunden gestoppt wurde. Selbst die sonst sehr lautstarken CHP-B\u00fcrgermeister von Istanbul und Ankara, Ekrem Imamo\u011flu und Mansur Yava\u015f, die die offizielle Ausz\u00e4hlung und die AKP-Blockademan\u00f6ver am Abend und in der Nacht angefochten hatten, verstummten ohne jede Erkl\u00e4rung. Dabei hatte Imamo\u011flu bei den Kommunalwahlen am 31. M\u00e4rz 2019 die ganze Nacht hindurch die offizielle Ausz\u00e4hlung in ganz \u00e4hnlicher Weise angefochten, was als entscheidendes Element f\u00fcr den Sieg der CHP gegen den versuchten Wahlbetrug durch die AKP angesehen wird. Was ist dieses Mal passiert? Drei Tage danach gibt es immer noch keine befriedigende Erkl\u00e4rung. Es gibt viele Ger\u00fcchte und Anzeichen \u2013 wie den R\u00fccktritt der Person, die innerhalb der CHP f\u00fcr die Wahlsicherheit und die Wahlberichterstattung zust\u00e4ndig ist \u2013, die darauf hindeuten, dass innerhalb der CHP etwas grundlegend schief gelaufen ist. Aber die breite Bev\u00f6lkerung wird \u00fcber Details im Unklaren gelassen und dadurch demobilisiert. Hinzu kommt, dass Wahlbetrug, dessen Ausma\u00df nach wie vor hoch umstritten ist, bereits zwei Tage nach den Wahlen aufgedeckt wurde. Vielleicht ist es reiner Zufall und die hohe analytische Begabung des Innenministers S\u00fcleyman Soylu (AKP), dass er das Wahlergebnis am Wahltag fast exakt genau vorhersagte (49,50% f\u00fcr Erdo\u011fan, 320-325 Sitze f\u00fcr CI). Oder vielleicht auch nicht.
Selbst wenn der Betrug die immer noch hohe W\u00e4hler:innenunterst\u00fctzung f\u00fcr Erdo\u011fan und die CI nicht erkl\u00e4rt: Wenn Betrug das Wahlergebnis auch nur um 1-3% zugunsten von Erdo\u011fan und der MHP und gegen K\u0131l\u0131\u00e7daro\u011flu und die YSP ver\u00e4ndert hat, wird er entscheidend f\u00fcr den Moralfaktor im Vorfeld der zweiten Runde des Pr\u00e4sidentschaftsrennens sein. Was in der Wahlnacht vor aller Augen geschah \u2013 zahllose Einw\u00e4nde von AKP-Militanten gegen die Ausz\u00e4hlung von Wahlurnen in Istanbul und Ankara \u2013 k\u00f6nnte dann als Ablenkungsman\u00f6ver interpretiert werden, um Aufmerksamkeit, Zeit und Energie von den Wahlurnen abzulenken, wo der eigentliche Betrug stattfand. Die Entlarvung dieses m\u00f6glichen Wahlbetrugs wird K\u0131l\u0131\u00e7daro\u011flu h\u00f6chstwahrscheinlich keinen Sieg in der ersten Runde bescheren und vermutlich auch nicht die absolute Mehrheit der CI im Parlament zunichte machen. Aber das unerwartet starke Abschneiden der MHP im Parlament und der Beinahe-Sieg von Erdo\u011fan in der ersten Runde waren die beiden Schl\u00fcsselelemente der weit verbreiteten Demoralisierung in und nach der Wahlnacht. Sicherlich tragen auch die von den politischen Parteien gen\u00e4hrten \u00fcberzogenen Erwartungen ihren Teil der Verantwortung f\u00fcr diese Demoralisierung. Dennoch w\u00fcrde eine Verringerung des Stimmenanteils der MHP und von Erdo\u011fan durch die Aufdeckung dieser Betrugsf\u00e4lle die Moral erheblich st\u00e4rken.
Es kann nicht genug betont werden, wie wichtig es ist, den genauen Umfang des Wahlbetrugs so gut wie m\u00f6glich zu ermitteln und die Ergebnisse so schnell wie m\u00f6glich zu kippen, um die allgemeine Stimmung auf dem steinigen Weg zum 28. Mai zu \u00e4ndern. Trotzdem: Auch ohne die Aufdeckung des Betrugs ist der selbst in manchen kritischen Analysen festzustellende Def\u00e4tismus im Hinblick auf die zweite Runde der Pr\u00e4sidentschaftswahlen von vornherein ein falscher Ansatz.
Sinan O\u011fan und die rund 5 % der Stimmen, die er auf sich vereinigen konnte, sind entscheidend geworden f\u00fcr den 28. Mai. O\u011fan hat erkl\u00e4rt, er werde mit beiden Seiten sprechen und seine Forderungen f\u00fcr eine Unterst\u00fctzung seinerseits am 28. Mai vorlegen. Diese lassen sich im Wesentlichen auf die Forderung reduzieren, dem extremen t\u00fcrkischen Nationalismus und der Anti-Gefl\u00fcchteten-Hetze Respekt zu zollen. O\u011fan scheint im Moment dazu zu tendieren, K\u0131l\u0131\u00e7daro\u011flu am 28. Mai zu unterst\u00fctzen, w\u00e4hrend er bereits mit vorgezogenen Neuwahlen in zwei bis drei Jahren rechnet \u2013 unabh\u00e4ngig davon, wer gewinnt, da er, nicht ganz zu Unrecht, eine instabile Situation nach dem 28. Mai voraussieht. Andererseits ist der Charakter von O\u011fans W\u00e4hler:innenschaft noch nicht wirklich klar. Sie sind offensichtlich in Opposition zu Erdo\u011fan und durch nationalistische Gef\u00fchle motiviert, zugleich aber auch auf Distanz zu K\u0131l\u0131\u00e7daro\u011flu. K\u0131l\u0131\u00e7daro\u011flu kann sich entscheiden, dem t\u00fcrkischen Nationalismus noch mehr Zugest\u00e4ndnisse zu machen, als er ohnehin schon gemacht hat, um die O\u011fan-W\u00e4hler:innen f\u00fcr sich zu gewinnen. Hierdurch l\u00e4uft er jedoch Gefahr, die Unterst\u00fctzung der Linken und der Kurd:innen zu verlieren. Oder er setzt auf die Betonung der anti-Erdo\u011fan und antifaschistischen, pro-demokratischen Perspektive, die von Teilen der O\u011fan-W\u00e4hler:innen geteilt zu werden scheint \u2013 und riskiert, im Gegenzug die Unterst\u00fctzung der Hardcore-Nationalist:innen zu verlieren. Mit Stand heute (Mittwoch, 17. Mai) scheint er ersteres zu bevorzugen und beginnt mit einer aggressiven Anti-Gefl\u00fcchteten-Hetze sowie einem Lob auf das Vaterland und den nationalistischen Militarismus.
Wie dem auch sei, ein Sieg von K\u0131l\u0131\u00e7daro\u011flu w\u00e4re der Schl\u00fcssel zur Schw\u00e4chung von Erdo\u011fan und der CI, da das autorit\u00e4re Pr\u00e4sidialsystem dem Pr\u00e4sidenten die M\u00f6glichkeit gibt, die gesamte Regierung und einen gro\u00dfen Teil der oberen B\u00fcrokratie zu bestimmen, unabh\u00e4ngig davon, wer das Parlament kontrolliert. Eine Situation der Doppelherrschaft, in der ein Block den Pr\u00e4sidenten und der andere das Parlament kontrolliert, w\u00fcrde also nicht automatisch zu einem Verwaltungschaos f\u00fchren, wie manche meinen. Die Exekutive und die B\u00fcrokratie unter K\u0131l\u0131\u00e7daro\u011flu, einschlie\u00dflich der Sicherheitsapparate, der wirtschaftspolitischen Institutionen und gro\u00dfer Teile der oberen Gerichtsbarkeit, k\u00f6nnten so agieren, dass sie die absolute Mehrheit der CI im Parlament umgehen. Aus hegemonialer Sicht w\u00e4re eine solche Situation jedoch h\u00f6chstwahrscheinlich nicht f\u00fcr l\u00e4ngere Zeit haltbar, insbesondere angesichts des Versprechens der MI, das Pr\u00e4sidialsystem zu beenden.
Die Opposition gegen den Faschisierungsprozess in der T\u00fcrkei hat auf dem steinigen Weg zum 28. Mai einen schweren Stand. Zwar hat die partielle Aufdeckung des Betrugs, dessen Ausma\u00df nach wie vor umstritten ist, die Moral bis zu einem gewissen Grad wiederhergestellt, doch haben Erdo\u011fan und die CI nach wie vor die Oberhand, und es sieht aus heutiger Sicht wahrscheinlicher aus, dass sie den 28. Mai gewinnen werden. Das ist jedoch keine ausschlie\u00dfliche Notwendigkeit, und es besteht eine realistische Chance, dass auch K\u0131l\u0131\u00e7daro\u011flu gewinnt. Dies sollte nicht leichtfertig abgetan werden, da der Erfolg oder Misserfolg des Kampfes gegen die Demoralisierung und die Wiedererlangung der Initiative mit dar\u00fcber entscheidet, ob Erdo\u011fan am 28. Mai besiegt wird oder nicht. Der Erfolg oder Misserfolg am 28. Mai ist nicht nur eine intellektuelle, erkenntnistheoretische \u00dcbung der rationalen Analyse dessen, was mehr oder minder wahrscheinlich geschehen wird, sondern eben auch eine Frage der Praxis, die den Ausgang der Wahl mit entscheidet. Nichts anderes bedeutet es in praktischer Hinsicht, von M\u00f6glichkeiten statt von Notwendigkeiten zu sprechen. Def\u00e4tismus \u00e0 la \u201eErdo\u011fan hat eh schon gewonnen, ich mach mir \u00fcberhaupt keine Hoffnungen\u201c ist eine Luxusware aus der Sicht all jener oppositionellen und dissidenten Menschen, die im Falle eines Erdo\u011fan/CI-Doppelsieges keine realistische Perspektive haben, aus dem Land zu fliehen. Die Depression, die aus der Wahrnehmung einer ausweglosen Perspektive von weiteren f\u00fcnf Jahren Erdo\u011fan in Koalition mit der Hizbullah entstanden ist, hat schon jetzt die 20-j\u00e4hrige K\u00fcbra Ergin in den Freitod getrieben. Die Verbreitung einer solchen Wahrnehmung der Ausweglosigkeit l\u00e4sst sich stoppen, das sind wir K\u00fcbra Ergin und vielen anderen schuldig. Alle Kr\u00e4fte m\u00fcssen jetzt geb\u00fcndelt werden, um f\u00fcr eine Niederlage von Erdo\u011fan am 28. Mai zu k\u00e4mpfen. Nur so besteht die M\u00f6glichkeit, dass der faschistische Ansturm kurzfristig etwas nachl\u00e4sst, was notwendig ist, um die Grundlagen f\u00fcr den Aufbau einer sozialen Kraft und einer Vision zu schaffen, die den gordischen Knoten durchschlagen k\u00f6nnte. All dies nat\u00fcrlich ohne der Illusion zu verfallen, dass eine Pr\u00e4sidentschaft von K\u0131l\u0131\u00e7daro\u011flu der T\u00fcrkei Demokratie und Sozialismus bringen wird, umso weniger, wenn Konzessionen ultranationalistischer Art an O\u011fan damit einhergehen. Die Alternative ist jedoch, dass die Tore der H\u00f6lle sperrangelweit ge\u00f6ffnet werden. Dann kann man sich die revolution\u00e4ren mittel- bis langfristigen Perspektiven vermutlich auch erst mal gr\u00fcndlich abschminken. Dar\u00fcber sollte man sich schon im Klaren sein, bevor man in einen bequemen Pessimismus verf\u00e4llt oder sich umgekehrt in einen revolution\u00e4ren Ultralinksradikalismus st\u00fcrzt.