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\nIn Hanau erschoss ein Mann am Abend des 19. Februar 2020 neun Menschen in zwei Shisha-Bars. In seinem Bekennerschreiben, das vor Rassismus, Misogynie und Verschw\u00f6rungsphantasien \u00fcberquillt, ist ganz offen die Rede davon, dass mehrere \u201eV\u00f6lker komplett vernichtet werden\u201c m\u00fcssen. Der rechtsterroristische Charakter seines Vorgehens ist offensichtlich: dem Inhalt des Bekennerschreibens nach, wie auch in der Wahl der Opfer. M\u00f6chte man zumindest meinen.
Politiker*innen bekunden bundesweit ihre Best\u00fcrzung und ihre Anteilnahme. Allerdings tr\u00e4gt ihr \u00f6ffentlicher Umgang mit Taten wie dieser oft dazu bei, dass der rechte Terror weiter um sich greifen kann. Ob aus Sorge, der eigene Anteil am Versagen in der Verhinderung rechter Anschl\u00e4ge k\u00f6nnte offensichtlich werden oder aus politischem Kalk\u00fcl: Die \u00c4u\u00dferungen vieler Repr\u00e4sentant*innen staatlicher Institutionen bewegen sich nach der Tat in Hanau, wie bei vergangenen rechten und neonazistischen Terrorattacken, auf einem Kontinuum zwischen Verharmlosung und der aktiven Bereitung des N\u00e4hrbodens rechter Gewalt.
Mit besonderer Schamlosigkeit stechen nach den Morden in Hanau Twitter-Meldungen von Sigmar Gabriel (SPD) und Hans Georg Maa\u00dfen (ehemaliger Pr\u00e4sident des Bundesamts f\u00fcr Verfassungsschutz) hervor. Ersterer stellt die Erschie\u00dfung von neun Menschen auf eine Stufe mit vermeintlicher Sachbesch\u00e4digung durch Linke, w\u00e4hrend Letzterer die Tat nutzt, um erneut gegen realsozialistische politische Systeme zu polemisieren und Antifaschist*innen mit Nazis gleichzusetzen. Nicht anders zu erwarten und dennoch an Ekelhaftigkeit kaum zu \u00fcberbieten, \u00e4u\u00dfern sich Mitglieder der AfD zum Anschlag und instrumentalisieren beziehungsweise relativieren die Tat. So betreibt der Berliner AfD-Mann Georg Pazderski (MdA) eine klassische T\u00e4ter-Opfer-Umkehr: Er fragt, ob das wirklich noch \u201edas 2017 von der #Merkel-#CDU beschworene 'Deutschland in dem wir gut und gerne leben'?\u201c sei; w\u00e4hrend J\u00f6rg Meuthen (AfD) im stets wiederholten Einzelt\u00e4ter-Sermon davon schwadroniert, die Tat sei \u201eweder rechter noch linker Terror\u201c sondern \u201edie wahnhafte Tat eines Irren\u201c. Den Gipfel der Relativierung legte mal wieder \u201eVogelschiss\u201c-Gauland (AfD) hin: \u201eTerror ist es ja meistens erst, wenn irgendein politisches Ziel erreicht werden soll. Bei einem v\u00f6llig geistig Verirrten seh\u2018 ich kein politisches Ziel.\u201c
Wie nach dem Mord an Walter L\u00fcbcke, dem Anschlag in Halle, nach dem Auffliegen faschistischer Organisationsgruppen in Bundeswehr und Polizei oder nun nach dem Massaker in Hanau: immer wieder wird die M\u00e4r von verwirrten und sich isoliert im Internet radikalisierenden Einzelt\u00e4tern beschworen, womit Rassismus und Menschenfeindlichkeit als strukturelles gesellschaftliches Problem verschleiert werden. Dass tats\u00e4chlich in vielen F\u00e4llen weit verzweigte Nazi-Terrornetzwerke und oft auch Verstrickungen mit staatlichen Apparaten hinter diesen Taten stehen, wird h\u00e4ufig sehr viel sp\u00e4ter und oftmals erst durch die engagierte Recherche antifaschistischer Aktivist*innen offengelegt.
Schon nach der Selbstenttarnung des NSU wurde offensichtlich, dass in der b\u00fcrgerlichen Politik kein Interesse daran besteht, rechte Mordtaten vollst\u00e4ndig aufzukl\u00e4ren und die Netzwerke, aus denen heraus sie begangen werden, zu zerschlagen. Seit Jahren und trotz zahlreicher handfester Indizien daf\u00fcr, dass der NSU in komplexe rechte Strukturen eingebunden war, die bis in staatliche Beh\u00f6rden reichen, wird die Behauptung eines allein handelnden Terror-Trios aufrechterhalten, das nur punktuell Hilfe durch Unterst\u00fctzer*innen bekam. Als ehemaliger Verfassungsschutz-Pr\u00e4sident spielte Hans-Georg Maa\u00dfen dabei eine nicht unwesentliche Rolle.
Die Strategie der Verharmlosung, des Herunterspielens und der Gleichsetzung von rechtem Terror mit linkem Aktivismus ist zum Steckenpferd vieler Politiker*innen geworden \u2013 und zwar weltweit. Wellen schlug Donald Trumps Statement nach dem Attentat in Charlottesville 2017, f\u00fcr das er antifaschistischen Demonstrant*innen eine Mitschuld gab. Weniger prominent, daf\u00fcr in eine \u00e4hnliche Richtung deutend, waren die \u00c4u\u00dferungen Silvio Berlusconis nach dem rechten Anschlag im italienischen Macerata 2018, der Gefl\u00fcchtete als \u201esoziale Bombe\u201c bezeichnete und des australischen Senators Fraser Annings, der nach dem terroristischen Massenmord in Christchurch 2019 in einer Twitter-Nachricht einen kausalen Zusammenhang zwischen Immigration und rechter Gewalt unterstellte. In zahlreichen vom Rechtsruck betroffenen L\u00e4ndern schaffen Politiker*innen mit solchen Aussagen ein Klima, in dem sich Nazis sicher f\u00fchlen in dem Bewusstsein, dass ihre Taten bagatellisiert, wenn nicht sogar gebilligt werden. Ein solches Vorgehen ist eine Verh\u00f6hnung der Opfer und eine gef\u00e4hrliche Verharmlosung rechtsterroristischer Taten.
Was bleibt, ist den geistigen BrandstifterInnen nicht die Deutungshoheit \u00fcber Anschl\u00e4ge wie in Hanau durch ihr rechtes Framing zu \u00fcberlassen und endlich auch die Mitschuld der b\u00fcrgerlichen Politik an der zunehmenden Gewaltbereitschaft der RassistInnen klarer zu benennen. Es ist jetzt die Zeit, auf die Stra\u00dfen zu gehen und lautstark gegen den faschistischen Terror und seine Wegbereiter*innen zu demonstrieren. Wenn Stimmen angeh\u00f6rt werden, dann m\u00fcssen es die Stimmen der Betroffenen und ihrer N\u00e4chsten sein, die viel zu oft in Krokodilstr\u00e4nen (alter) wei\u00dfer M\u00e4nner in \u00c4mtern und W\u00fcrden mit Floskeln \u00e0 la \u201eein Angriff auf uns alle\u201c ertr\u00e4nkt werden. Es sind dieselben, die in den letzten Jahrzehnten gegen Gefl\u00fcchtete, Ausl\u00e4nder*innen, Arbeitslose gehetzt und allesamt miteinander den neoliberalen Umbau in Deutschland betrieben haben, die jetzt vom \u201eWir, die Demokraten\u201c schwafeln im Angesicht dessen, dass RechtspopulistInnen und Neonazis die Ergebnisse jener Hetze und des neoliberalen Gegeneinanders besser auszunutzen wissen als \u201eunsere Demokraten\u201c. Diesem \u201eWir\u201c sollten wir uns als antifaschistische revolution\u00e4re Linke verweigern.