Mehr als eine Minute des Schweigens
\nAls wir am Nachmittag des 1. Juni auf dem H\u00fcgel des Parc de Belleville stehen und \u00fcber Paris blicken, h\u00e4ngen die Wolken tief und die Stadt liegt grau und neblig vor uns. Der Eiffelturm \u00fcberragt als graues und in der diesigen Luft unscharf erscheinendes Stahlunget\u00fcm alle \u00fcbrigen Geb\u00e4ude von Paris und nur die goldene Kuppel des Invalidendoms blitzt als heller Tupfer aus dem verregneten Stadtbild hervor.
Es ist das dritte Mal, dass wir im Zusammenhang mit dem Gedenken an Cl\u00e9ment nach Paris reisen. Bevor wir an den geplanten Gedenkveranstaltungen teilnehmen, laufen wir im Nieselregen durch die Stadt und besuchen einige bekannte Orte wieder, die wir mit dem Gedenken an ihn verbinden: das von zahlreichen kleinen Gesch\u00e4ften, Bars und Bistros gepr\u00e4gte alternative und proletarischeViertel M\u00e9nilmontant, die bunte H\u00e4userwand, an der Cl\u00e9ments Freund_innen Graffitis im Gedenken an ihn spr\u00fchen und die steinerne Gedenkplakette auf dem Friedhof P\u00e8re Lachaise f\u00fcr die Ermordeten der Pariser Kommune von 1871, die heute noch einen wichtigen historischen Bezugspunkt f\u00fcr viele Pariser Antifaschist_innen darstellt. Anschlie\u00dfend machen wir uns auf den Weg in den Vorort Montreuil, wo in dem linken Nachbarschaftszentrum La Parole Errante die internationale Gedenkkonferenz mit vielen Veranstaltungen stattfindet. In der Halle wird an zahlreichen St\u00e4nden Informationsmaterial verschiedener Initiativen und Gruppen wie die Antifastrukturen La Horde und AFA Paris-Banlieue, dem Collectif ViesVol\u00e9es \u2013 Ein Kollektiv, das sich f\u00fcr die Aufkl\u00e4rung von Morden durch Polizist_innen einsetzt \u2013und den Cheminots en Gr\u00e8ve (Eisenbahner_innen im Streik) angeboten. Es gibt Essen, Getr\u00e4nke und auf der anderen Seite der Halle ist eine B\u00fchne und eine Zuschauer_innentrib\u00fcne aufgebaut. Auf dem Plan stehen heute eine Infoveranstaltung \u00fcber rechte Strukturen und Gruppen in Frankreich sowie ein Podium mit dem Collectif de M\u00e8res solidaires, den Madri Per Roma Citta\u2019 Aperta, Madres Contra la Represi\u00f3n und Mamme in Piazza per la Libert\u00e0 di Dissenso: Das sind allesamt solidarische Zusammenschl\u00fcsse von M\u00fcttern, die sich f\u00fcr die Freiheit ihrer inhaftierten oder von Repression betroffenen T\u00f6chter und S\u00f6hne und das Gedenken f\u00fcr von Nazis ermordete Antifaschist_innen einsetzen. Sie nutzen die Konferenz, um von ihren K\u00e4mpfen zu berichten und sich untereinander zu vernetzen.
Wenn M\u00fctter von ihren Kindern erz\u00e4hlen, die staatliche Gewalt erlebt haben, die nur aufgrund ihrer politischen \u00dcberzeugungen im Knast sitzen, oder von Nazis aus dem Leben gerissen wurden, ist das ein ergreifender Moment. Als sie das Wort ergreifen, sind die Zuschauer_innentrib\u00fcne und der Raum darum herum voller Menschen, die ihnen zuh\u00f6ren: \u201eWir sind antikapitalistisch, internationalistisch und revolution\u00e4r und wir m\u00fcssen den Kampf weiterf\u00fchren!\u201c Die Wut und Verzweiflung \u00fcber das Unrecht, das ihren Kindern angetan wurde, aber auch die Kraft und Entschlossenheit, mit der sie f\u00fcr sie k\u00e4mpfen, beeindrucken uns nachhaltig.
Einen Tag sp\u00e4ter empf\u00e4ngt uns Paris mit strahlendem Sonnenschein. Wir stehen auf der Place Gambetta, wo die gro\u00dfe Gedenkdemonstration f\u00fcr Cl\u00e9ment starten wird. Kurz nach unserem Eintreffen l\u00e4uft eine Antifa-Spontandemonstration auf den Platz zu und trifft unter Jubel, Parolen-Rufen und dem Z\u00fcnden von Pyro-Technik auf die bereits Wartenden. Wenig sp\u00e4ter wird eine Feuerwerksbatterie abgefeuert und markiert den Beginn der Demonstration. Zahlreiche Menschen stellen sich auf der Stra\u00dfe auf, klatschen im Takt und rufen \u201eCl\u00e9ment!\u201c oder \u201eCl\u00e9ment, Cl\u00e9ment, Antifa!\u201c. Die Demo setzte sich auf der Avenue Gambetta am Friedhof P\u00e8re Lachaise vorbei in Bewegung. Ganze vorne laufen die Angeh\u00f6rigen und Freund_innen Cl\u00e9ments und die M\u00fctter, die am Vorabend auf der Konferenz gesprochen hatten. Auf dem Front-Transparent ist das Konterfei Cl\u00e9ments mit den Worten \u201eNe pas baisser les yeux \u2013 5 ans Cl\u00e9ment toujours pr\u00e9sent\u201c (\u201eNicht den Blick senken \u2013 5 Jahre Cl\u00e9ment, noch immer pr\u00e4sent\u201c) zu sehen. Dazu halten die Demonstrierenden ein Gedenkbanner f\u00fcr Carlos Palomino [1] und Transparente unterschiedlicher Antifagruppierungen. Auf der Demo wehen zudem viele Fahnen, auch die des Baskenlands, die PKK-Fahne und die Pal\u00e4stina-Flagge. Auch ein Block der Sans-Papiers-Bewegung l\u00e4uft in der Demo mit.
Die gesamte Demonstration verl\u00e4uft ohne Zwischenf\u00e4lle: Sie ist laut, kraftvoll und schafft es, das Gedenken an Cl\u00e9ment und all die anderen entschlossen, k\u00e4mpferisch und w\u00fcrdevoll auf die Pariser Stra\u00dfen zu tragen. Die Parolen werden von Rauch und Pyrotechnik in allen erdenklichen Farben begleitet. An der Place de la R\u00e9publique trifft der Demozug auf eine weitere Demonstration gegen Abschiebung und f\u00fcr die Rechte von Migrant_innen und vereinigt sich mit dieser. Insgesamt beteiligen sich zahlreiche Initiativen und Einzelpersonen aus unterschiedlichsten L\u00e4ndern. Nach der Demo f\u00fchrt uns unser Weg erneut ins La Parole Errante in Montreuil, wo sich bereits viele Demonstrant_innen bei gutem Wetter im Garten ausruhen. Heute findet eine Diskussionsveranstaltung in dem Zentrum statt und im Anschluss ein Hip-Hop-Konzert mit franz\u00f6sischen und internationalen K\u00fcnstler_innen, das zahlreiche Zuschauer_innen anzieht.
Der Sonntag ist der letzte Tag des Gedenkwochenendes f\u00fcr Cl\u00e9ment. Auf dem Plan steht ein Fu\u00dfballspiel des FC M\u00e9nilmontant 1871 im Pariser Vorort Bobigny. Der MFC 1871 gr\u00fcndete sich erst vor wenigen Jahren aus Mitgliedern der Action Antifasciste Paris-Banlieue und Jugendlichen aus Paris und den Banlieues. Der Name bezieht sich zum einen auf das k\u00e4mpferische Arbeiter_innenviertel M\u00e9nilmontant, aus dem viele (Gr\u00fcndungs-)Mitglieder kommen und zum anderen auf die Pariser Kommune, die 1871 gegr\u00fcndet und kurze Zeit sp\u00e4ter blutig zerschlagen wurde. Das Wetter ist warm und sonnig und die Stimmung auf der kleinen Zuschauer_innentrib\u00fcne gut. Fu\u00dfball- und Gedenkparolen f\u00fcr Cl\u00e9ment werden gerufen, Pyrotechnik gez\u00fcndet, Fahnen geschwenkt. Die Teilnehmer_innenrunde ist kleiner als bei den vergangenen Veranstaltungen des Wochenendes und es ist sp\u00fcrbar, wie der Stress, den die Durchf\u00fchrung einer so gro\u00dfen Konferenz mit sich bringt, von vielen Organisator_innen abf\u00e4llt. Obwohl der MFC an diesem Tag 1:2 verliert, ist die Begeisterung der Spieler und der Fans w\u00e4hrend und nach dem Spiel gro\u00df.
Der Mord an Cl\u00e9ment M\u00e9ric: Ein R\u00fcckblick
Am 05.06.2013 suchte Cl\u00e9ment gemeinsam mit Freund_innen ein Klamottengesch\u00e4ft in der Pariser Innenstadt auf. Zuf\u00e4llig besuchten auch einige Neonazis den Laden an diesem Tag. Es war die Zeit, in der die gro\u00dfen homophoben \u201eManif-pour-tous\u201c-M\u00e4rsche (\u201eDemo f\u00fcr alle\u201c) aufkamen und Cl\u00e9ment hatte sich an den jeweiligen Gegenprotesten beteiligt. Die Nazis erkannten ihn wieder und riefen einige Kamerad_innen zur Verst\u00e4rkung herbei. Vor dem Gesch\u00e4ft kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen den Gruppen, in deren Zug einer der Nazis \u2013 Esteban Morillo \u2013 Cl\u00e9ment einen Schlag gegen den Kopf versetzte. Er benutzte dabei mutma\u00dflich einen Schlagring. Die daraus resultierende Kopfverletzung war t\u00f6dlich. Cl\u00e9ment verstarb noch am gleichen Tag im Krankenhaus.
Esteban Morillo und ein weiterer Hauptt\u00e4ter wurden kurze Zeit sp\u00e4ter festgenommen, aber schon bald wieder auf freien Fu\u00df gesetzt. Die Ermittlungen zu dem Fall dauern bis heute an und der Beginn des Gerichtsverfahrens ist bisher noch nicht in Sicht. Die Staatsanwaltschaft bezweifelt den Einsatz eines Schlagrings, obwohl die Gerichtsmedizin best\u00e4tigt hat, dass der Schlag gegen Cl\u00e9ments Kopf nicht mit blo\u00dfer Faust ausgef\u00fchrt worden sein konnte. Auf einen Schlagring als Tatwaffe wollte sie sich allerdings nicht festlegen. Die Anklage lautet dementsprechend auch nicht auf Mord, sondern auf Totschlag. Wie sich herausstellte, stammten die T\u00e4ter aus der Neonazi-Gruppe \u201eJeunesses Nationalistes R\u00e9volutionnaires\u201c(Revolution\u00e4re Nationale Jugend), die enge Verbindungen zum \u201eTroisi\u00e8me Voie\u201c (Dritter Weg, eine neonazistische, antikommunistische Organisation) und seiner damaligen F\u00fchrungsfigur Serge Ayoub hatte. Serge Ayoub ist ein seit Jahrzehnten aktiver Rechtsradikaler, der jahrelang Neonazistrukturen in Frankreich aufbaute und weitverzweigte Verbindungen in die rechte Szene und auch zur Rassemblement National (ehemals Front National) hat.
Der \u00f6ffentliche und mediale Aufschrei nach dem Tod von Cl\u00e9ment war gro\u00df. Er f\u00fchrte den Menschen vor Augen, dass es in Frankreich aktive Neonazis gibt, sie ein Problem darstellten und dass diese nicht davor zur\u00fcckschrecken, Menschen umzubringen. F\u00fchrende franz\u00f6sische Politiker_innen bekundeten ihre Anteilnahme und sahen sich dem Druck ausgesetzt, \u00f6ffentlichkeitswirksam gegen Nazi-Strukturen vorzugehen. Die damalige Regierung verbot daraufhin per Dekret die Gruppen \u201eJeunesses Nationalistes R\u00e9volutionnaires\u201c und \u201eTroisi\u00e8me Voie\u201c, womit die neonazistische Bet\u00e4tigung der jeweiligen Mitglieder freilich nicht gestoppt wurde, die \u00d6ffentlichkeit aber erstmal beruhigt war. In den Medien begann schon bald ein Diskurs \u00fcber den genauen Ablauf der Ereignisse vom 05. Juni und die \u201eSchuldfrage\u201c, in dessen Verlauf Serge Ayoub eine willkommene Plattform geboten wurde, seine verqueren Ansichten auf die Todesumst\u00e4nde Cl\u00e9ments und seine politischen \u00dcberzeugungen \u00f6ffentlich kundzutun. Ayoub konnte jedwede Verbindung zu Cl\u00e9ments M\u00f6rder erfolgreich leugnen, obwohl seine Organisation und die Gruppe um den Hauptt\u00e4ter nachweislich eng zusammenarbeiteten; er sogar auf einem Foto mit Esteban Morillo abgelichtet wurde und es Telefongespr\u00e4che zwischen den beiden vor und nach dem Mord gegeben haben soll. Sogar von gro\u00dfen franz\u00f6sischen Fernsehsendern wie BFMTV wurde Ayoub eingeladen und konnte davon sprechen, dass die Gruppe um Cl\u00e9ment zuerst angegriffen h\u00e4tte, Morillo sich lediglich verteidigt habe und dass der Tod von Cl\u00e9ment zwar tragisch, aber nicht von Morillo beabsichtigt gewesen sei.
Medien und Politik stellten den Mord an Cl\u00e9ment als einen Krieg zwischen extremistischen Banden dar \u2013 eine im Zuge von Nazimorden h\u00e4ufige Vorgehensweise, um sich nicht weiter mit der Problematik und Gef\u00e4hrlichkeit von Nazistrukturen auseinandersetzen zu m\u00fcssen. Schlie\u00dflich verschwand das Thema nach und nach aus der \u00f6ffentlichen Wahrnehmung. Von antifaschistischer Seite wurden gleich nach dem Mord gro\u00dfe Demonstrationen organisiert. Angeh\u00f6rige, Freund_innen und Genoss_innen gr\u00fcndeten das Comit\u00e9 pour Cl\u00e9ment, das das Gedenken an Cl\u00e9ment bis heute aufrechterh\u00e4lt und regelm\u00e4\u00dfig \u2013 insbesondere um seinen Todestag herum \u2013 Veranstaltungen organisiert.
Einer von uns: \u00dcber die Bedeutung von Gedenkpolitik
Cl\u00e9ment M\u00e9ric war einer von uns. Wir k\u00f6nnen das sagen, obwohl wir ihn nicht pers\u00f6nlich kannten, denn Cl\u00e9ment war ein Genosse, ein Antifaschist. Er k\u00e4mpfte f\u00fcr Ziele, f\u00fcr die auch wir k\u00e4mpfen und er k\u00e4mpfte gegen den Feind, gegen den auch wir k\u00e4mpfen. Er wurde nicht ermordet, weil er Cl\u00e9ment war, sondern weil er Antifaschist war. Nazis t\u00f6ten Menschen, die nicht ihrem Weltbild entsprechen oder dieses bek\u00e4mpfen. Die physische Vernichtung des politischen Gegners ist ihrer Ideologie zu eigen und es kann jede_n von uns treffen. Als wir 2017 auf der Gedenkkonferenz in Madrid im Rahmen des 10. Todestages von Carlos Palomino waren, sprachen die Genoss_innen in Bezug auf die von Nazis Ermordeten nicht von \u201eOpfern\u201c, sondern von \u201eGefallenen\u201c \u2013 eine treffende Bezeichnung, denn sie sind Gefallene in unserem gemeinsamen Kampf gegen Faschismus, an die wir uns erinnern wollen.
Wenn Nazis unsere Genoss_innen, unsere Freund_innen, unsere S\u00f6hne und T\u00f6chter ermorden, dann ist es wichtig, an diese furchtbaren Taten zu erinnern. Es ist wichtig, weil es tragisch ist, dass diesen Menschen gewaltsam das Leben genommen wurde. Es ist wichtig, weil sie wie wir f\u00fcr eine freiere und gerechtere Welt ohne Faschismus und Unterdr\u00fcckung k\u00e4mpften. Es ist auch wichtig, damit niemand vergisst, wie gef\u00e4hrlich Nazis und faschistisches Gedankengut und Handeln sind. Daf\u00fcr zu sorgen, dass unsere gefallenen Genoss_innen nicht vergessen werden, ist eine fortw\u00e4hrende Aufgabe. Gedenkpolitik, beziehungsweise das Andenken an die Ermordeten und die Aufkl\u00e4rung der Morde, lebt von dem Engagement der Antifaschist_innen, die auf verschiedene Weise an sie erinnern.
Oft nimmt das Interesse an Gedenkveranstaltungen f\u00fcr ermordete Genoss_innen mit der Zeit ab oder wird von anderen Themen \u00fcberlagert. So gingen nach den Morden an Carlos Palomino im Jahr 2007 in Madrid, wie auch nach dem Mord an Cl\u00e9ment in Paris, jeweils \u00fcber 10.000 Menschen auf die Stra\u00dfe, um ihre Trauer und Wut auszudr\u00fccken. In beiden St\u00e4dten berichteten uns die Freund_innen und Genoss_innen allerdings, dass mit den Jahren zunehmend weniger Menschen an den Gedenkveranstaltungen teilnahmen. Die Demos zu Carlos 10. und nun zu Cl\u00e9ments 5. Todestag waren zwar kraftvoll, bewegend und entschlossen, aber mit jeweils ca. 1.500 Teilnehmer_innen vergleichsweise klein. Beim Gedenkwochenende f\u00fcr Cl\u00e9ment zog das Konzert am zweiten Abend ein deutlich gr\u00f6\u00dferes Publikum an als die \u00fcbrigen Veranstaltungen. Auch das B\u00fcndnis Siempre Antifascista Berlin, das jahrelang ein Festival und Aktionen rund um den 11. November als internationalem Gedenktag f\u00fcr die von Nazis Ermordeten organisiert hatte, zog anl\u00e4sslich seiner Aufl\u00f6sung das Res\u00fcmee, dass das Interesse an konsum- und unterhaltungsorientierten Veranstaltungen im Gedenkkontext oftmals gr\u00f6\u00dfer war als an inhaltlichen. Trotzdem sind diese Veranstaltungen ein wichtiger Anlass zusammenzukommen und sich gemeinsam zu erinnern. Gegen das Vergessen zu k\u00e4mpfen und das Gedenken an unsere Genoss_innen aufrecht zu erhalten, liegt ganz bei uns.
Erinnern hei\u00dft K\u00e4mpfen
Die gedenkpolitische Arbeit ist oft bedr\u00fcckend, denn schlie\u00dflich ist sie die intensive Auseinandersetzung mit Genoss_innen, die nicht mehr unter uns sein k\u00f6nnen. Ihr wohnt jedoch auch eine eigene Kraft inne. Bemerkenswert ist im Zusammenhang mit dem Gedenken immer wieder die gro\u00dfe internationale Beteiligung. Das Gedenken wird zur Gelegenheit, sich zu treffen, auszutauschen, zu vernetzen, gemeinsam zu erinnern und st\u00e4rkt dadurch die antifaschistische Bewegung insgesamt. Es gibt auch Mut und ist beeindruckend, wenn die Hinterbliebenen trotz ihrer Trauer und Verzweiflung die Kraft finden, weiter f\u00fcr die Ziele ihrer Genoss_innen und Kinder zu k\u00e4mpfen. Indem wir an die Ermordeten erinnern und davon sprechen, wer sie waren und f\u00fcr welche Ziele sie sich eingesetzt haben, stehen auch wir f\u00fcr diese Ziele ein und bekennen uns zu ihnen. Wir haben auf unseren Reisen und Treffen mit Genoss_innen oft gefragt, was f\u00fcr sie wichtig ist am Gedenken. Auf die ein oder andere Weise war die Antwort immer die gleiche: Die beste Art zu gedenken ist es, den Kampf weiterzuf\u00fchren. Damit sie nicht umsonst gestorben sind. Und damit wir das, wof\u00fcr sie standen, irgendwann verwirklichen k\u00f6nnen.
Une vie de lutte \u2013 plus qu'une minute de silence! [2]
Anmerkungen:
[1] Der 16-j\u00e4hrige Carlos Javier Palomino wurde am 11. November 2007 in einer U-Bahn in Madrid von einem 24-j\u00e4hrigen neonazistischen Berufssoldaten erstochen.
[2] Der Slogan bedeutet in etwa: \u201eEin Leben des Kampfes- mehr als eine Minute des Schweigens!\u201c