re:volt magazine Archivhttps://revoltmag.org/articles/?tags=5912019-04-18T10:41:13.685965+00:00Angeklagt wegen sozialistischer Parteigründung2019-04-18T10:37:00.952036+00:002019-04-18T10:41:13.685965+00:00Mithatcan Türetkenredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/angeklagt-wegen-sozialistischer-parteigr%C3%BCndung/
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<link href="/static/revoltmag/app.bc8423e0087c1cde5a69.css" rel="stylesheet"><meta name="apple-mobile-web-app-title" content="re:volt mag"><meta name="apple-mobile-web-app-capable" content="no"><meta name="apple-mobile-web-app-status-bar-style" content="black"><meta name="theme-color" content="#99020b"><link rel="apple-touch-icon" sizes="180x180" href="/static/revoltmag/icon_180x180.f95a8c6b74bb715d326c7790779a0330.png"><link rel="manifest" href="/static/revoltmag/manifest.307d5e0f476ef238b243c472abadb46c.json"><link rel="icon" sizes="180x180" href="/static/revoltmag/icon_180x180.f95a8c6b74bb715d326c7790779a0330.png"><script defer="defer" src="/static/revoltmag/app.bc8423e0087c1cde5a69.js"></script>
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<h1>Angeklagt wegen sozialistischer Parteigründung</h1>
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<div class="rich-text"><p><i>Mithatcan Türetken wurde am 11. September 2018 gemeinsam mit unserem Genossen und Kollegen Max Zirngast, sowie Hatice Göz und Burçin Pekdemir aufgrund des Vorwurfs der „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ inhaftiert. Mithatcan ist Gründungsmitglied der sozialistischen Toplumsal Özgürlük Partisi (TÖP). Wir haben</i> <a href="https://revoltmag.org/articles/t%C3%B6p-versuch-der-sabotage-unserer-parteiinitiative/"><i>darüber</i></a><i> beim re:volt magazine</i> <a href="https://revoltmag.org/articles/sozialismus-statt-schreibtischszenarien/"><i>berichtet</i></a><i>.</i></p><p><i>Am 24. Dezember 2018 wurde Mithatcan gemeinsam mit Max und Hatice aus der Haft entlassen, aber das absurde Verfahren dauert an. Am 11. April 2019 fand nun der erste Prozesstag statt. Die Solidaritätskampagne #FreeMaxZirngast hat einen</i> <a href="https://freemaxzirngast.org/2019/04/bericht-und-stellungnahme-der-solidaritaetskampagne-zum-prozessbeginn/"><i>ausführlichen Bericht</i></a> <i>zum ersten Gerichtstermin sowie die</i> <a href="https://freemaxzirngast.org/2019/04/weder-agent-noch-terrorist-die-verteidigungsrede-von-max-zirngast/"><i>Verteidigungsrede</i></a><i> von Max</i> <i>öffentlich zugänglich gemacht. Wir haben die Verteidigungsrede von</i> <a href="https://revoltmag.org/articles/campushexe-strikes-back/"><i>Hatice</i></a><i> veröffentlicht; hier nun diejenige von Mithatcan. Freiheit für alle politischen Gefangenen!</i></p><p></p><p></p><p>Sehr geehrtes Gericht,<br/>bevor ich zu den Behauptungen und Bewertungen, die in der Anklageschrift gegen mich vorgetragen werden, Stellung nehme, möchte ich zuerst meine Meinung kundtun zu einigen verzerrten und unwahren Darstellungen hinsichtlich einiger Aktivitäten oder Personen.</p><h2><b>Was ist Toplumsal Özgürlük?</b></h2><p>Ich bin aktives Gründungsmitglied der <i>Toplumsal Özgürlük Partisi</i> (TÖP; dt.: Partei für Soziale Freiheit). In der Türkei eine sozialistische Partei zu gründen ist ein von der Arbeiter_innenklasse und den Werktätigen erkämpftes Recht; und ich arbeite innerhalb dieses Rahmens dafür, eine legale Partei zu gründen, was immer die Erfordernisse sein mögen. Mit Materialien wie Zeitungen, Flyer, Plakate, Broschüren und so weiter, die die politische Linie unserer Partei den Menschen näherbringen sollen, beschäftige ich mich und verteile sie. Ich schreibe für unsere Monatszeitung und verteile sie in meinem Umfeld. Ich nehme an Sitzungen, Presseerklärungen, Demonstrationen und dergleichen zu politischen Entwicklungen in der von uns bewohnten Region teil und drücke meine Gedanken innerhalb dieses Rahmens aus.</p><p>Unsere Partei ist jedoch kein verlängerter Arm einer anderen politischen Struktur oder Organisation, wie in der Anklageschrift behauptet wird. Toplumsal Özgürlük ist nichts außer der Form, in der sie sich selbst zum Ausdruck bringt. Ihre ganze Arbeit ist legal und legitim. Alle ihre Aktionen, Aktivitäten und Ankündigungen und die jeweiligen Umsetzungen macht sie öffentlich via soziale Medien, Zeitungen, Nachrichtenagenturen oder anderen Kommunikationskanälen bekannt. Ihre Arbeit und Politik sowie ihren ideologischen Rahmen bestimmt sie ausschließlich in ihren eigenen Organen und Einheiten. Sie formt mit keiner anderen Organisation ein bestimmendes Verhältnis in diesem Sinne. Selbstverständlich tritt sie in Verbindung zu und kommt zusammen mit vielen Parteien oder Vereinen, denen sie sich nahe fühlt und die offene, legale politische Arbeit machen. Jede geknüpfte Verbindung macht sie offen, für alle einsehbar und im Wissen der Öffentlichkeit. Sie geht keine verdeckten oder geheimen politischen Verbindungen ein.</p><p>Wir positionieren unsere politische Arbeit innerhalb verschiedener gesellschaftlicher Kräfte. Gemeinsam mit Feministinnen*, jungen Menschen, Öko-Aktivist*innen, Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert werden, Glaubensgruppen, deren Kultur, Sprache und Traditionen innerhalb der bestehenden Ordnung unterdrückt werden und in der Mehrheitsgesellschaft aufgelöst werden sollen, Bevölkerungsgruppen, die aufgrund ihrer Identität diskriminiert werden, und Arbeiter*innen, die ohne Gewerkschaft für niedrigen Lohn und unter prekären Bedingungen arbeiten und systematisch Arbeits„morden“ ausgesetzt sind versuchen wir, unsere Gründung zu verwirklichen. Wir versuchen, uns so zu positionieren, dass sich diese gesellschaftlichen Kräfte für sich selbst ein freies Leben aufbauen können.</p><p>Außerhalb unserer Partei entwickeln wir solidarische Beziehungen zu institutionalisierten demokratischen Massenorganisationen und Vereinen dieser besagten popularen Kräfte und wir übernehmen in diesem Rahmen auch Verantwortungspositionen in einigen Organisationen und Vereinen.</p><p>Mit den in der Anklageschriften genannten Organisationen wie dem Mor Dayanışma Frauenverein, den Campushexen, die Serüven Kulturzentren, die Emekçi Gençlik Dernekleri (Arbeiter*innenjugendvereine), die Özgürlükçü Gençlik Dernekleri (Freiheitliche Jugendvereine) und so weiter gehen unsere Freund_innen eine solidarische Beziehung ein; es handelt sich dabei um legale Strukturen, in denen sie innerhalb des instutionalisierten Rahmens Verantwortung übernehmen. Die Verbindungen zu diesen Vereinen und Initativen sind bekannt und werden offen geführt. Diese Vereine sind unabhängige legale Strukturen, die gemäß ihrer eigenen Organe Entscheidungen treffen. Es gibt keinen Verbotsentscheid gegen auch nur einen dieser Vereine. Ihre Statuten und Gründungsdeklarationen sind vom Vereinsamt bestätigt worden.</p><h2><b>Haben wir organische Beziehungen zu einer „Terrororganisation“?</b></h2><p>Aus den Materialien aus unseren Wohnungen und der Observation und Abhörung ist klar ersichtlich: Es gibt keinen einzigen Beweis, der es zuließe, eine Verbindung zwischen uns und der Organisation, deren legale Frontorganisation wir sein sollen [In der Anklageschrift ist hier von der Türkischen Kommunistischen Partei / Kıvılcım (TKP/K) die Rede, Amn. Red.], herzustellen. Weder TÖP noch ein anderer der genannten Vereine ist der verlängerte Arm oder die Frontorganisation einer anderen Struktur. Die Behauptungen werden wir einfach nicht akzeptieren, wir weisen sie entschieden zurück!</p><p>Dass es keine Verbindung zwischen uns und der Organisation, deren Frontorganisation wir sein sollen, gibt, ist von der Anklagebehörde höchstselbst nachgewiesen worden. Daher ist die Behauptung, gemäß der wir Rekrutierungsarbeit für die TKP/K machten und den Anordnungen der Organisation entsprechend handelten, das Ergebnis eines realitätsfernen, unbewiesenen und nicht ernst zu nehmenden Plots. Wo haben wir denn mit dieser Struktur Verbindung aufgenommen? Mit welchem Mitglied haben wir uns getroffen und Befehle entgegen genommen? Welches Mitglied von uns ist mit dieser Struktur in Verbindung getreten? In welchem unserer Publikations- oder Propagandaorgane haben wir irgendein Wort hinsichtlich dieser Struktur verloren? Fragen dieser Art bleiben unbeantwortet. Wie auch unsere Anwälte ausgeführt haben, ist nicht einmal die Existenz der infrage stehenden Organisation TKP/K bewiesen.</p><p>Des Weiteren wird in der Anklageschrift selbst ausgeführt, dass wir an keiner einzigen gewalttätigen Aktion teilgenommen haben und darüber hinaus unsere Arbeit von Gesellschaft und Staat unterstützt werden müsse. Da unsere politische und soziale Arbeit laut derselben Anklageschrift jedoch der Rekrutierung für eine illegale Struktur diene, wurde sie zum Gegenstand dieses Prozesses. Allerdings wurde keine Verbindung gefunden, die Gegenstand einer Untersuchung werden könnte.</p><h2><b>Wer war Hikmet Kıvılcımlı?</b></h2><p>Ich möchte kurz eine Erklärung machen zu den Büchern und Gedanken von <a href="https://revoltmag.org/articles/diagnosen-eines-doktors-zur-geschichte-einer-kommunistischen-tradition-der-t%C3%BCrkei/">Dr. Hikmet Kıvılcımlı</a>, die in der Anklage als Beweis geführt werden.</p><p>Dr. Hikmet Kıvılcımlı kämpfte als junger Mann auf Seiten der Kuvâ-yı Milliye [„Nationale Kräfte“; in den Jahren 1918-1921 erste irreguläre Militärkräfte des türkischen Unabhängigkeitskrieges, gebildet aus ehemals jungtürkischen Offizieren und Milizen; Anm. d. Red.] in der Zeit des Befreiungskrieges und politisierte sich so sehr früh. Er ist jemand, der in seinem bewegten Leben unzählige Bücher verfasst, in verschiedenen Parteien seine Gedanken zum Ausdruck gebracht hat und im Übrigen einer der wenigen bedeutenden Philosoph_innen, Politiker_innen, Gesellschaftswissenschaftler_innen, Forscher_innen und Autor_innen ist, die unser Land hervorgebracht hat. Seine Forschungen und Bücher zur osmanischen Geschichte, der Geschichte des Islams, der Entwicklung des Kapitalismus in der Türkei und in diesem Zusammenhang auch seine Arbeiten zu Frauen, der Jugend oder der Nationalitätenfrage werden noch heute an den Universitäten und auf Symposien diskutiert und zum Vorbild genommen. Er war eine sozialistische Führungspersönlichkeit, der sein Leben der Befreiung der Arbeiter_innenklasse widmete. Seine Bücher sind vielerorts erhältlich. Sein Leben war Gegenstand eines Dokumentarfilmes des TRT [Türkisches Staatsfernsehens; Anm. d. Red.] in Rahmen einer Serie, die Intellektuelle, Autor_innen und Philosoph_innen aus unserem Land behandelte. Jedes Jahr an seinem Todestag wird ihm an seinem Grab gedacht, verschiedene Institutionen sind in ihrem Gedankengut von ihm beeinflusst und darüber hinaus ist er Gegenstand von universitären Seminar- und Abschlussarbeiten.</p><p>In unseren politischen Ideen und unserer politischen Ausrichtung profitieren wir von unzähligen Quellen. Leben und Denken aller Philosoph_innen, Politiker_innen und Revolutionär_innen ist für uns wertvoll. In diesem Sinne lese ich natürlich die Bücher eines so vielfältigen und bedeutenden Menschen, der noch dazu aus unserem Land stammt. Ich habe seine Bücher zuhause und ich lese sie regelmäßig. Es gibt keinen Konfiskationsentscheid über irgendeines der Bücher von Hikmet Kıvılcımlı. Im Zuge der Polizeirazzia wurden seine Bücher jedoch besonders ausgewählt, um den Eindruck einer Verbindung zu der infrage stehenden Organisation zu erwecken. Dies ist eine gegenstandslose Form der Beweisfindung, die eine bestimmte Wahrnehmung entstehen lassen soll. Über die Bücher, die wir lesen, eine Verbindung zu einer illegalen Organisation herzustellen und uns darauf basierend anzuklagen, ist nur ein weiteres negatives Attribut für das Rechtssystem dieses Landes. Bücherlesen kann nicht als Beweis für die Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation gelten.</p><h2><b>Was ist ein „Beweis“ und was nicht?</b></h2><p>Nun zu den Behauptungen in der Anklageschrift. Ich betone nochmal, dass die Materialien, die aus unseren Häusern genommen wurden – wie Bücher, Broschüren, Plakate, Zeitungen – zu einem Großteil offizielle Dokumente der Partei und der Vereine waren, an deren Aktivitäten wir beteiligt sind. Alle diese Materialien sind meine und nichts davon stellt einen Straftatbestand dar. Die Bewertungen hinsichtlich der monatelangen polizeilichen Observationen bestehen ausschließlich aus den Cafés, in die wir gingen, sowie den Sitzungen und Veranstaltungen, an denen wir teilnahmen. Keine anderen Indizien wurden gefunden. Diese monatelange Observation von uns allen brachte keine Resultate außer den Aufwandskosten. Mein Facebookprofil, meine Telefongespräche und meine Internetkorrespondenz sind quasi als Gesamtheit als Beweis vorgetragen wurden, jedoch wurden keine geheimen verdeckten Codes entdeckt und können auch nicht entdeckt werden. In diesem Sinne ist in den gesamten 8000 Seiten der Beweisaufnahme nichts Ernstzunehmendes zu finden. Ich gebe einige Beispiele für die Absurdität.</p><ol><li>Ein Transparent, das wir am 6. Mai bei einem Kleinfeldfußballmatch gezeigt haben, wurde als Propaganda für eine Organisation klassifiziert. Bekanntlich ist der 6. Mai [1972] der Tag, an dem Deniz Gezmiş [zentraler Aktivist der 68er-Bewegung in der Türkei; Gründer der antiimperialistischen, linkskemalistischen Untergrundorganisation THKO; Anm. d. Red.] und seine Genossen erhängt wurden. Deniz und seine Freunde gehören zu den wenigen revolutionären Jugendführern in dieser Region. Ihrer zu gedenken ist kein Straftatbestand. Das Transparent in Frage war keine Propaganda für irgendeine Organisation, sondern wie aus seinem Inhalt und seiner Anwendung ersichtlich ein Protest gegen die Todesstrafe.</li><li>Die Anklageschrift behauptet, dass die von uns im Tuzluçayır-Viertel von Ankara/Mamak organisierten Solidaritäts- und Sommerkurse für Kinder der Rekrutierung von Kadern für die Organisation dienten. Dieser Vorwurf ist niederträchtig und völlig inakzeptabel. Kindern in ärmeren Vierteln kostenlosen Mathematik- und Englischunterricht zu geben ist keine Straftat. Es stellt keine Straftat dar, die Kreativität von Kindern mit Workshops zu kreativem Drama, Musik und Malen zu fördern. Wir stehen hinter diesen Aktivitäten und wir werden weitermachen damit. Wenn das Gericht will, kann es die Familien der jeweiligen Kinder anhören. Wenn auch nur ein Elternteil etwas Negatives über uns berichtet, nehmen wir gerne Stellung hierzu. Aber so, wie die Vorwürfe in der Anklageschrift aufgelistet sind, darauf Bezug zu nehmen und uns zu „verteidigen“, wäre geradezu eine Beleidigung unserer selbst und der Kinder. Das Rekrutieren von Kindern für illegale Organisationen ist die Mentalität des IS. Sie können uns nicht auf dieser Grundlage verurteilen.</li><li>Es wird behauptet, dass es ein Straftatbestand sei, Flyer und Plakate von TÖP zu verteilen oder aufzuhängen. Diese und ähnliche Aktivitäten sind Bestandteil der Gründungsinitiative unserer Partei und werden offen durchgeführt. Mit der genannten illegalen Organisation haben sie rein gar nichts zu tun. Eine solche Behauptung aufzustellen, ohne einen Beweis für die Verbindung zu dieser besagten Organisation vorzubringen, bedeutet schlicht und einfach uns das Recht auf eine legale Parteigründung zu rauben.</li><li>Der Serüven Kulturverein in Ankara, in dem ich einen Bağlama-Kurs [Musikinstrument, Anm. Red.] geleitet hatte, wurde als Beweis für meine Verbindung zur infrage stehenden illegalen Organisation angeführt. Den Serüven Kulturverein gibt es in vielen Städten. Es handelt sich um einen legalen Verein, in dem sich junge Menschen mit Kunst und Kultur auseinandersetzen. Dabei meinen Beitrag zu leisten und gratis einen Kurs anzubieten, war und ist für mich eine soziale Aktivität. Dass dieser Verein keine irgendwie geartete Verbindung zur TKP/K hat, versteht sich ohnehin schon aus der Anklageschrift. Vereine dieser Art auf diese haltlose Weise zum Gegenstand einer Untersuchung zu machen ist gewiss keine rechtliche, sondern eine mutwillige Herangehensweise.</li></ol><p>Anstatt auf die vielen sich ähnelnden Behauptungen einzeln einzugehen, glaube ich mich mit meinen Ausführungen ausreichend selbst erklärt zu haben. Ich komme zum Schluss.</p><h2><b>Was wollen wir?</b></h2><p>Wir sind Sozialist*innen. Wir fordern das freie Leben in unserem Land. Unsere politische Arbeit zielt auf die Bewahrung erkämpfter Rechte und auf weitergehende Forderungen nach einer demokratischen Verfassung, die das Recht auf Mobilität, Wohnen, Gesundheit, Bildung und so weiter garantiert. Wir wollen eine demokratische Republik statt des bestehenden despotischen politischen Verwaltungs- und Exekutivsystems, das auf Femiziden, Arbeiter*innen„morden“, Ausbeutung der Arbeit, Naturzerstörung und konfessionell-sektiererischer Politik aufgebaut ist. Wir sind dafür angeklagt, Dinge getan zu haben, die wir nicht getan haben, und Mitglieder einer Organisation zu sein, der wir nicht angehören. Diese Anklage ist ganz deutlich darauf gerichtet, andersdenkende Oppositionelle in Schach zu halten und abzuschrecken. Die Parteigründung der TÖP soll auf diese Weise verhindert werden und dadurch wird das Recht auf Parteigründung beschnitten. Unsere Gedanken und Tätigkeiten sind offen und klar. Und wir werden in dem Rahmen, den ich hier beschrieben habe, unsere politische Arbeit fortsetzen.</p><p><i>Aus dem Türkischen übersetzt von Max Zirngast; leicht redaktionell bearbeitet von der Redaktion.</i></p></div>
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<h2>Lizenzhinweise</h2>
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„Ich bin ein Sozialist, ich verteidige universelle Werte“2018-09-21T17:22:48.052971+00:002018-09-21T17:50:55.438853+00:00Redaktionredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/ich-bin-ein-sozialist-ich-verteidige-universelle-werte/
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<span class="content-copyright">junge linke Wien</span>
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<div class="rich-text"><p>Eine Untersuchungshaft kann in der Türkei über Jahre gehen,
ohne dass Details der Anklageschrift veröffentlicht werden müssen, falls die
Akte unter Verschluss ist. Nachdem Max Zirngast und parallel zu ihm drei
Genoss*innen der linken, sozialistischen Organisation <i>Toplumsal Özgürlük
Parti Girişimi</i> (TÖPG, dt.: <a href="https://revoltmag.org/articles/t%C3%B6p-versuch-der-sabotage-unserer-parteiinitiative/">Parteiinitiative
Soziale Freiheit</a>) am Dienstag, den 11. September um 5 Uhr morgens von
Einheiten der Antiterrorpolizei festgenommen wurden, vergingen nun ganze 12
Tage, bis die Inhaftierten einem Staatsanwalt und einem Richter vorgeführt
wurden. </p>
<p>In der Zwischenzeit setzte ihn die Antiterrorpolizei psychologischem
Druck aus. Gemeinsam mit den Unterstützer*innen vor Ort <a href="https://revoltmag.org/articles/polizei-setzt-max-zirngast-unter-psychologischen-druck/">skandalisierten</a>
wir dies sofort und konnten damit erreichen, dass es nicht weiter passierte. Auch
außerhalb des Polizeipräsidiums drehten die Trolle am Rad: In regierungsnahen
Medien, und infolge dessen auch in europäischen Zeitungen, wurde verbreitet, Max
sei Mitglied einer illegalen, bewaffneten Terrororganisation namens „TKP
Kıvılcım“ (dt.: TKP Funke). Gleichzeitig warfen ihm regierungsnahe Social Media-Trolle „PKK-Unterstützung“ vor. Konkrete Beweise für diese Anschuldigungen
lagen und liegen bis jetzt nicht vor – überhaupt wurden noch nicht einmal
konkrete Vorwürfe gemacht, da die Akte unter Verschluss ist.</p>
<h2><b>Is this real? Terror-Cocktails
und imaginierte Organisationen</b></h2>
<p> Gestern hieß es dann plötzlich, die Inhaftierten würden dem
Staatsanwalt und dem Haftrichter vorgeführt. Einige Unterstützer*innen hegten
die Hoffnung, es sei mit einer positiven Entscheidung zu rechnen. Leider trat
diese gute Wendung nicht ein. Max, sowie die Genoss*innen Mithatcan Türetken
und Hatice Göz, wurden direkt im Anschluss an die Vernehmung in
Untersuchungshaft gebracht. Kurze Zeit später erhielten wir Einblick in Max‘
Vernehmungsprotokolle bei Staatsanwalt und Richter sowie in das Entscheidungsschreiben
des Richters. Darin zeigt sich der absolute Bankrott des sogenannten
„Justizsystems“ der Türkei. Es befindet sich, wie der Anwalt Tamer Doğan auf
der <a href="https://revoltmag.org/articles/sozialismus-statt-schreibtischszenarien/">Pressekonferenz
in Istanbul</a> vom Donnerstag ganz richtig festhielt, „in den Händen der
Antiterrorpolizei“. Um das Ausmaß des Irrsinns nachvollziehbar zu machen, veröffentlichen
wir im Folgenden einige Szenarien aus den Vernehmungsprotokollen, die durch die
Redaktion übersetzt wurden. </p>
<p>Den Protokollen nach wird Max seitens des Staatsanwalts etwa
vorgeworfen, dass er viele linke Bücher besäße. Max verteidigt sich:</p>
<p><i>„Zwischen all den
linken Publikationen bei mir zu Hause befinden sich im Übrigen auch viele
Publikationen, die eher rechter Ideologie zuzuordnen sind. Man kann sogar
Literatur und Kunst finden. Ich bin ein Forscher. Bei mir zu Hause gibt es an
die 300 Bücher und andere Publikationen. In meiner Wohnung in Österreich gibt
es nochmal doppelt so viele Bücher. Aber die Polizei hat nur Bücher mit Bezug
zu linker Ideologie mitgenommen.“</i></p>
<p>Ein besonderer Stein des Anstoßes ist der Umstand, dass sich
unter den eingesammelten Büchern auch einige des marxistischen Theoretikers Dr.
Hikmet Kıvılcımlı (1902-1971) befinden. Max weist darauf hin, dass er zu
Kıvılcımlı im Rahmen eines Uni-Seminars zu „Politischen Ideologien in der
Türkei“ an der Technischen Universität des Mittleren Ostens (ODTÜ), vorgetragen
habe – die Theorien sind also Bestandteil universitärer Lehre! Der Anwalt Murat
Yılmaz fügt während der Befragung hinzu: Hikmet Kıvılcımlı sei mittlerweile
eine historische Persönlichkeit geworden, im Staatsfernsehen TRT gäbe es sogar
einen Dokumentarfilm über ihn.</p>
<p>Wir werden in Kürze einen kurzen historischen Abriss zu
Kıvılcımlı, seinem Verhältnis zur Kommunistischen Partei der Türkei (TKP) und
zu der politischen Tradition, die sich auf Kıvılcımlı bezieht, veröffentlichen.
Wir wollen unsere Leser*innenschaft damit ermuntern, sich ein eigenes Bild zu
Wirken und Leben des marxistischen Theoretikers zu machen.</p>
<p>Die gesamte restliche Befragung besteht aus solchen und
ähnlichen Absurditäten. Warum er Bilder von diesem oder jenem Militanten einer
„Terrororganisation“ auf seinem Handy habe, was er für das Ismail Küpeli
herausgegebene Buch „Kampf um Kobanê“ geschrieben habe – Antwort im Übrigen,
wie <a href="https://www.edition-assemblage.de/kampf-um-kobane/">im Internet</a>
nachzulesen: „Die AKP als neuer Prinz: die Hegemonie des Finanzkapitals und
ihre Widersprüche“ –, ob er Propaganda
für die PKK betreibe. Max verneint dies. Ein anderes Mal fragt der Staatsanwalt
ganz allgemein, ob er „Verbindungen zu Terrororganisationen wie der DHKP/C,
MLKP, THKO, PKK und anderen“ unterhalte. Fehlte nur noch die Auflistung des IS
und der „Terrorcocktail“ wäre vollständig!</p>
<p>Max muss auch noch tatsächlich ablehnen, der „Ankara
Verantwortliche der TKP/K“ zu sein. Er verweist darauf, dass er zum einen nie
in illegale Aktivitäten involviert gewesen sei und es zudem eine Organisation
namens „TKP/K“ gar nicht gäbe, weswegen er auch nicht Mitglied sein oder
Propaganda für diese betreiben könne. Der Anwalt Murat Yılmaz legt später beim
Richter sogar Beschlüsse des Gerichts für Schwerverbrechen in Adana aus dem
Jahre 2015 sowie den Beschluss des 12. Gerichts für Schwerverbrechen in Ankara
im Rahmen der Verfahrensnummer 2012/5 vor, die beide besagen, dass es „eine
Organisation namens TKP Kıvılcım nicht gibt“.</p>
<h2><b>Solidarität heißt für Freiheit kämpfen<br/></b></h2>
<p>Seine politische Haltung hält Max auch in der Vernehmung nicht
hinter dem Berg, dies hat er noch nie getan. Zum Richter sagt er: „Ich bin ein
Sozialist, ich verteidige universelle Werte.“ Beim Staatsanwalt fügt er hinzu:</p>
<p> <i>„Es gibt keine Partei
in der Türkei, die zu mir passt. Ich unterstütze die, die mir gedanklich nahe
stehen. Das mache ich hier und das tue ich in Österreich. Die politische
Geschichte der Türkei hat mich interessiert. Deshalb bin ich in die Türkei
gezogen.“</i></p>
<p>Er hebt hervor, dass er für die Zeitschrift der TÖPG schrieb
und Aktivitäten der TÖPG besuchte, wo sie ihn interessierten und zu seinen
Forschungen beitrugen. Und er bejaht, dass er selbstverständlich die zeitgleich
mit ihm inhaftierten Mitglieder der TÖPG, Mithatcan Türetken und Hatice Göz,
kannte. Alles altbekannt, nichts davon versteckt, nichts davon rechtswidrig
oder gar illegal. Im gesamten Protokoll gibt es nichts, was ein Beweis für
irgendeine Straftat herhalten könnte, nichts, was darauf hinweist, dass er auch
nur irgendwie in illegale Aktivitäten involviert sein oder etwa Straftaten
begangen haben könnte. Und trotzdem entscheidet der Richter, dass Max, Mithatcan
Türetken und Hatice Göz festzunehmen seien. Er begründet dies mit dem Umstand,
dass die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen seien (!), es einen starken
Verdacht (!) auf Schuldigkeit gäbe und die Wahrscheinlichkeit der Flucht hoch
sei. </p>
<p>Es ist offensichtlich, dass diese Entscheidung eine rein
politische ist, die den Aktivismus und die politische Identität von Max und den
anderen Genoss*innen kriminalisieren will. Das despotische Regime in der Türkei
befindet sich schon seit geraumer Zeit in einer sich verschärfenden Spirale der
Faschisierung, um mit den permanent aufbrechenden Krisen fertig zu werden.
Hierfür beabsichtigt sie auch eine vollständige Auslöschung jedweder
Opposition, um einen Diktaturfrieden herzustellen. Es ist geradezu zentral für
Demokratie und Freiheit in der Türkei, dass dies dem Regime nicht gelingt. In
den letzten 13 Tagen haben wir, als <i>re:volt</i>-Kollektiv, ohne Unterlass
dafür gewirkt, die völlig absurde Verhaftung von Max Zirngast zu
skandalisieren, Fehlinformationen entgegenzutreten, Solidarität mit ihm zu stärken
und sichtbar zu machen. Wir waren dabei nicht allein. Familienangehörige, ein
Unterstützer*innenkreis in der Türkei wie außerhalb sowie viele solidarische
Menschen, Organisationen und in der Tat auch Kolleg*innen kämpften wir für die
Freilassung von Max. Das ist uns nicht gelungen – noch nicht gelungen. Jetzt
ist es unsere Aufgabe, eine breite Solidaritätsarbeit für Max Zirngast
gemeinsam mit allen solidarischen Menschen auf die Beine zu stellen, um das
nachzuholen. Das erste Treffen zur Gründung einer Solidaritätskampagne findet
nächsten Mittwoch um 19 in Wien statt der Ort wird noch bekannt gegeben.</p>
<p>Freiheit für Max Zirngast!</p>
<p>Freiheit für alle politischen Gefangenen!</p><p><br/></p>
<hr/>
<h2><b>Anmerkung:</b></h2>
<p>1.] Das Bild stammt von einer Veranstaltung der <i>jungen linken</i> am 20. September in Wien.</p><p>2.] Folgt für Informationen zur Solidaritätskampagne dem Account @<a href="https://twitter.com/freemaxzirngast">freemaxzirngast</a> auf Twitter.<br/></p></div>
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<h1>Sozialismus statt Schreibtischszenarien</h1>
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<img alt="TÖP Pressekonferenz in Istanbul, 20. September 2018" height="420" src="/media/images/basin_aciklamasi_4.2e16d0ba.fill-840x420-c100.jpg" width="840">
<span class="content-copyright">Toplumsal Özgürlük</span>
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</div>
<section class="content content-section content-type-paragraph">
<div class="rich-text"><p><i>Heute wurde um 13 Uhr türkischer Uhrzeit im Istanbuler Büro des türkischen Menschenrechtsvereins (IHD) eine Pressekonferenz zu den Verhaftungen in Ankara von letzter Woche - darunter unser Freund, Genosse und re:volt-Autor Max Zirngast - abgehalten. Es sprachen unter Anderem der HDP-Parlamentsabgeordnete und TIP-Gründungsmitglied Erkan Baş, der Anwalt von Max Zirngast Tamer Doğan, Jüliana Gözen für die sozialistische TÖP, Levent Tüzel für die sozialistische EMEP sowie der Generalsekretär der linken Halkevleri, Nuri Günay. Im Folgenden dokumentieren wir, leicht gekürzt, die Erklärung der TÖP (Toplumsal Özgürlük Partisi, dt.: Partei der sozialen Freiheit) in deutscher Übersetzung.</i></p><p><i><b>Die Redaktion</b></i><br/></p><hr/><p>Wie
die demokratische Öffentlichkeit weiß, planen wir unseren seit
mehreren Jahren verfolgten Prozess der Parteigründung in diesem Jahr
abzuschließen.
</p>
<p>Einer
der Gründer unserer Partei, Mithatcan Türetken – der einer von
den derzeit Inhaftierten ist – ging deshalb im Juni zur
betreffenden Abteilung des Innenministeriums. Er informierte sich
über die rechtlichen Prozeduren und kündigte an, dass wir einen
Antrag auf Gründung als Partei stellen werden.<br/></p><p>Da
es rechtlich zwingend erforderlich ist, die Parteizentrale in Ankara
zu eröffnen, mieteten wir uns ein Büro in einem Arbeiterviertel von
Ankara an. Nachdem das Gründungskomitee die nötigen Dokumente
zusammentrug, wurde der Gründungsantrag vervollständigt und den
Anwälten übergeben. Wir planten, öffentlich angekündigt, ein
Treffen des Gründungskomitees im Oktober zu veranstalten und danach
offiziell den Antrag beim Ministerium zu stellen.
</p>
<p>Während
der Prozess Stück für Stück in öffentlichen Treffen beschlossen
wurde, wurden wir von einigen Staatsbeamt*innen verfolgt und
beschattet. Wir wissen nicht, wer sie zu welchen Zwecken beauftragte.
Die Beschattung erfolgte dabei nicht geheim, sondern offen und
drangsalierend. Dies geschah trotz unserer Herangehensweise, alle
unsere Beschlüsse und alle unsere Tätigkeiten öffentlich zu
teilen. Die Beschattung wurde beharrlich fortgesetzt, ohne dass es
dafür rechtliche Verfügungen gab.</p>
<p>
</p>
<p>Die
aktuellen Festnahmen kurz vor unserem offiziellen Antrag im Oktober
dienen offensichtlich dazu, unsere Parteigründung zu torpedieren.</p>
<p>* *
*</p><p>Auch
schon vor der aktuellen Festnahmewelle fanden viele Festnahmen und
Versuche der Verhinderung unserer Tätigkeiten statt. Insbesondere
seit der Übernahme des Polizeiapparats durch die sich selbst
„Cemaat“ [„Religionsgemeinschaft“, gemeint ist die
Gemeinschaft des Predigers Fetullah Gülen; Anm. d. Red.] nennende
Geheimorganisation, nahmen die Versuche der Behinderung unserer
Arbeit als TÖP andere Formen als zuvor an. Viele unserer
Freund*innen wurden auf Grundlage von an den Haaren herbeigezogenen
Schreibtischszenarien in Gewahrsam genommen; ihnen wurde vorgeworfen,
Mitglieder von unterschiedlichsten Organisationen zu sein, die es
bevorzugten, ihre Politik geheim zu machen. Manche wurde länger
inhaftiert – aber alle wurden letztlich von Gerichten vollständig
freigesprochen. Diese konstruierten Verfahren nahmen solche Ausmaße
an, dass unseren Freund*innen mittlerweile Mitgliedschaften bei fast
jeder Organisation in der Türkei, die geheim operiert, vorgeworfen
wurde.</p>
<p>Es
ist offensichtlich, dass hier nicht auf Grund von „Fehlern“ oder
aufgrund von „Verdacht“ Untersuchungen eingeleitet werden,
sondern dass es bewusst darum geht, offen geführte sozialistische
Politik zu verhindern. Es ist ein de facto Verbot von sozialistischem
politischen Kampf, wenn einer offenen sozialistischen Organisation
das Verfahren gemacht wird wegen Mitgliedschaft bei
unterschiedlichsten geheimen Organisationen. Das erkämpfte Recht der
Werktätigen, eine sozialistische Partei zu gründen und
sozialistische Politik zu machen, wird somit auf illegalen Wegen de
facto verunmöglicht.</p>
<p>* *
*</p>
<p>Drei
Punkte wollen wir nochmal ganz besonders betonen:</p>
<p>1.
Toplumsal Özgürlük Partisi besteht aus sich selbst und hat keine
Beziehungen mit anderen politischen Organisationen, ob geheimer oder
offener Natur.</p>
<p>2.
TÖP hat sich im Zuge ihrer Parteiformation und in Folge von
Diskussionsprozessen dazu entschlossen, ihre Gründung offen und auf
legitimer Grundlage zu vollziehen und ihre Tätigkeiten öffentlich
und auf legitimer Basis bekanntzugeben und durchzuführen. Dies ist
eine politische Haltung.</p>
<p>3.
Wenn TÖP mit einer anderen politischen Organisation in Beziehung
treten sollte, wird sie dies nicht verstecken, sondern öffentlich
vollziehen. Die Partei kann auf Grundlage ihrer Struktur mit
Organisationen und Personen, die auf ähnlicher Grundlage agieren und
offene sowie legitime Politik betreiben, in Beziehungen treten,
Bündnisse oder Aktionseinheiten gründen. Solche Entwicklungen hat
es früher schon gegeben und wird es auch weiterhin geben; sie werden
öffentlich bekanntgegeben und vollzogen. Diese Haltung entspringt
und entspricht den Regeln politischer Tätigkeit auf offener und
legitimer Basis.</p>
<p>Die
Inhalte dieser Erklärung sind den betreffenden Personen der linken
Öffentlichkeit genauso wie den Staatsbeamt*innen, die unsere
Tätigkeiten beschatten, vollständig bekannt. Die Erklärung zielt
darauf, die breite Öffentlichkeit zu informieren.</p>
<p>* *
*</p><p>Wir
verurteilen auf das Schärfste die Inhaftierungen in Ankara, die auf
Ermittlungsdossiers von Mitgliedern der kriminellen Organisation
„Cemaat“ beruhen. Unseren in Polizeigewahrsam befindlichen
Freund*innen wird keine einzige Frage gestellt, aber die Haftfrist
trotzdem permanent verlängert. Es ist offensichtlich, dass
irgendwelche Schreibtischszenarien entworfen und dementsprechende
Beweise herbeikonstruiert werden.</p>
<p> *
* *</p><p>Die
TÖP befindet sich in einem Prozess der Gründung als einer Partei.
Unser Ziel ist es, ein sozialistisches Land aufzubauen. Es geht uns
darum, den Kapitalismus, der unser Land in einen Brandherd
verwandelt, abzuschaffen. Tagesaktuell betrachtet sind wir Teil der
Freiheitssuche der popularen Kräfte, die von einer despotischen
politischen Ordnung permanent unterdrückt werden. Unser Parteiname
wurde als politisches Symbol dieser Suche gewählt.
</p>
<p>Eine
demokratische Verfassung und die Gründung einer demokratischen
Republik entsprechen den Minimalbedürfnissen der popularen Kräfte.
Selbstverständlich positionieren wir uns deshalb gegen das
derzeitige politische Regime, das sich um die Person von Erdoğan
zentriert und dem Ziel einer demokratischen Verfassung sowie einer
demokratischen Republik diametral entgegengesetzt ist.<br/></p><p>Wir
versuchen weiterhin, Teil der legitimen Selbstverteidigung und
Sprachrohr der Bedürfnisse und der Freiheitssuche all derjenigen
popularen Kräfte zu sein, die die despotische politische Ordnung zu
ersticken versucht, mit der Arbeiter*innenklasse als Quelle des
Reichtums der kapitalistischen Ausbeutungsordnung an zentraler
Position.<br/></p><p>Die
demokratische Verfassung wird hierbei die Garantie zur Erfüllung der
Minimalbedürfnisse der popularen Kräfte bilden. Die demokratische
Republik wird eine sein, in der die popularen Kräfte auf Grundlage
ihrer eigenen Bedürfnisse und in Frieden und Wohlstand, in
Selbstorganisation und -verwaltung leben werden.
</p><p>Wir
verstecken weder uns, noch unsere Tätigkeiten, noch unsere Ziele und
Zwecke. Es sieht wohl so aus, als ob unsere Tätigkeiten und unsere
Parteigründung die Kräfte des Kapitals und des Despotismus
beunruhigen.</p>
<p>Falls
wir verurteilt werden sollen, dann verurteilt uns auf Grundlage
unserer eigenen Tätigkeiten. Wenn ihr sozialistische Parteien und
ihre Gründungen verbieten wollt, dann tut dies nicht mit absurden
Szenarien, sondern versucht die Gesetze zu ändern im Parlament, in
dem ihr die Mehrheit innehabt.</p>
<p>Wir
werden weiterhin versuchen, uns im Oktober als Partei zu gründen –
trotz aller Repression. Unsere Gründungserklärung wird nach dem
Treffen des Gründungskomitees am 11. bis zum 14. Oktober 2018
öffentlich kundgegeben.</p></div>
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<h2>Lizenzhinweise</h2>
<p>Copyright © 2017 re:volt magazine Redaktion - Einige Rechte vorbehalten</p>
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TÖP: Versuch der Sabotage unserer Parteiinitiative2018-09-12T18:10:26.517484+00:002018-09-12T18:10:26.517484+00:00TÖPredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/t%C3%B6p-versuch-der-sabotage-unserer-parteiinitiative/
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<span class="content-copyright">TÖPG</span>
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<div class="rich-text"><p>
Gestern
wurden nach Razzien in Ankara und Hatay die TÖP-Mitglieder Mithatcan
Türetken und Hatice Göz als auch unser Zeitungsautor Max Zirngast
ohne Angabe von Gründen festgenommen und werden
seither willkürlich festgehalten. Gestern noch wurde bekanntgegeben,
dass die entsprechenden Akten geheim seien und deshalb unter
Verschluss stünden. Heute müssen wir feststellen, dass in Bezug auf
die Festnahme unserer FreundInnen provokative und frei erfundene
Anschuldigungen in den regierungsnahen Medien zu kursieren beginnen.
Dabei werden unsere Parteimitglieder und Max Zirngast, der als Autor
für <i>re:volt magazine</i> und <i>Jacobine Magazine</i> wie auch für unsere
monatliche Zeitung <i>Toplumsal Özgürlük</i> (dt.: Soziale Freiheit)
schreibt, mittels haltloser Behauptungen kriminalisiert. An dieser
Stelle wollen wir festhalten, dass unsere Bewegung schon seit einiger
Zeit in den Vorbereitungen zur Gründung als Partei steckt. Das
Gründungskomitee hat die entsprechenden Unterlagen bereits besorgt
und ist dabei, den offiziellen Antrag in die Wege zu leiten.
Währenddessen wurde vergangenen Monat unser Parteibüro, das wir in
Ankara gemietet hatten, grundlos geschlossen. Es ist klar, dass die
Parteiwerdung unserer Bewegung mit dieser Operation sabotiert werden
soll. Aber unser Gründungskomitee wird trotzdem die entsprechenden
Unterlagen in den kommenden Tagen einreichen. Wir werden entschlossen
weitermachen und uns von derlei Aktionen nicht einschüchtern lassen.
Wir fordern die sofortige Freilassung unserer FreundInnen.</p><hr/>Aus dem <a href="http://www.toplumsalozgurluk.org/top-partilesme-surecimiz-engellenmeye-calisiliyor/">Türkischen</a> übersetzt von der Redaktion des re:volt magazine. <br/><p><br/></p></div>
</section>
</article>
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