re:volt magazine Archivhttps://revoltmag.org/articles/?tags=5902018-09-20T12:40:30.456976+00:00Sozialismus statt Schreibtischszenarien2018-09-20T12:34:10.532757+00:002018-09-20T12:40:30.456976+00:00TÖPredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/sozialismus-statt-schreibtischszenarien/
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<h1>Sozialismus statt Schreibtischszenarien</h1>
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<img alt="TÖP Pressekonferenz in Istanbul, 20. September 2018" height="420" src="/media/images/basin_aciklamasi_4.2e16d0ba.fill-840x420-c100.jpg" width="840">
<span class="content-copyright">Toplumsal Özgürlük</span>
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<div class="rich-text"><p><i>Heute wurde um 13 Uhr türkischer Uhrzeit im Istanbuler Büro des türkischen Menschenrechtsvereins (IHD) eine Pressekonferenz zu den Verhaftungen in Ankara von letzter Woche - darunter unser Freund, Genosse und re:volt-Autor Max Zirngast - abgehalten. Es sprachen unter Anderem der HDP-Parlamentsabgeordnete und TIP-Gründungsmitglied Erkan Baş, der Anwalt von Max Zirngast Tamer Doğan, Jüliana Gözen für die sozialistische TÖP, Levent Tüzel für die sozialistische EMEP sowie der Generalsekretär der linken Halkevleri, Nuri Günay. Im Folgenden dokumentieren wir, leicht gekürzt, die Erklärung der TÖP (Toplumsal Özgürlük Partisi, dt.: Partei der sozialen Freiheit) in deutscher Übersetzung.</i></p><p><i><b>Die Redaktion</b></i><br/></p><hr/><p>Wie
die demokratische Öffentlichkeit weiß, planen wir unseren seit
mehreren Jahren verfolgten Prozess der Parteigründung in diesem Jahr
abzuschließen.
</p>
<p>Einer
der Gründer unserer Partei, Mithatcan Türetken – der einer von
den derzeit Inhaftierten ist – ging deshalb im Juni zur
betreffenden Abteilung des Innenministeriums. Er informierte sich
über die rechtlichen Prozeduren und kündigte an, dass wir einen
Antrag auf Gründung als Partei stellen werden.<br/></p><p>Da
es rechtlich zwingend erforderlich ist, die Parteizentrale in Ankara
zu eröffnen, mieteten wir uns ein Büro in einem Arbeiterviertel von
Ankara an. Nachdem das Gründungskomitee die nötigen Dokumente
zusammentrug, wurde der Gründungsantrag vervollständigt und den
Anwälten übergeben. Wir planten, öffentlich angekündigt, ein
Treffen des Gründungskomitees im Oktober zu veranstalten und danach
offiziell den Antrag beim Ministerium zu stellen.
</p>
<p>Während
der Prozess Stück für Stück in öffentlichen Treffen beschlossen
wurde, wurden wir von einigen Staatsbeamt*innen verfolgt und
beschattet. Wir wissen nicht, wer sie zu welchen Zwecken beauftragte.
Die Beschattung erfolgte dabei nicht geheim, sondern offen und
drangsalierend. Dies geschah trotz unserer Herangehensweise, alle
unsere Beschlüsse und alle unsere Tätigkeiten öffentlich zu
teilen. Die Beschattung wurde beharrlich fortgesetzt, ohne dass es
dafür rechtliche Verfügungen gab.</p>
<p>
</p>
<p>Die
aktuellen Festnahmen kurz vor unserem offiziellen Antrag im Oktober
dienen offensichtlich dazu, unsere Parteigründung zu torpedieren.</p>
<p>* *
*</p><p>Auch
schon vor der aktuellen Festnahmewelle fanden viele Festnahmen und
Versuche der Verhinderung unserer Tätigkeiten statt. Insbesondere
seit der Übernahme des Polizeiapparats durch die sich selbst
„Cemaat“ [„Religionsgemeinschaft“, gemeint ist die
Gemeinschaft des Predigers Fetullah Gülen; Anm. d. Red.] nennende
Geheimorganisation, nahmen die Versuche der Behinderung unserer
Arbeit als TÖP andere Formen als zuvor an. Viele unserer
Freund*innen wurden auf Grundlage von an den Haaren herbeigezogenen
Schreibtischszenarien in Gewahrsam genommen; ihnen wurde vorgeworfen,
Mitglieder von unterschiedlichsten Organisationen zu sein, die es
bevorzugten, ihre Politik geheim zu machen. Manche wurde länger
inhaftiert – aber alle wurden letztlich von Gerichten vollständig
freigesprochen. Diese konstruierten Verfahren nahmen solche Ausmaße
an, dass unseren Freund*innen mittlerweile Mitgliedschaften bei fast
jeder Organisation in der Türkei, die geheim operiert, vorgeworfen
wurde.</p>
<p>Es
ist offensichtlich, dass hier nicht auf Grund von „Fehlern“ oder
aufgrund von „Verdacht“ Untersuchungen eingeleitet werden,
sondern dass es bewusst darum geht, offen geführte sozialistische
Politik zu verhindern. Es ist ein de facto Verbot von sozialistischem
politischen Kampf, wenn einer offenen sozialistischen Organisation
das Verfahren gemacht wird wegen Mitgliedschaft bei
unterschiedlichsten geheimen Organisationen. Das erkämpfte Recht der
Werktätigen, eine sozialistische Partei zu gründen und
sozialistische Politik zu machen, wird somit auf illegalen Wegen de
facto verunmöglicht.</p>
<p>* *
*</p>
<p>Drei
Punkte wollen wir nochmal ganz besonders betonen:</p>
<p>1.
Toplumsal Özgürlük Partisi besteht aus sich selbst und hat keine
Beziehungen mit anderen politischen Organisationen, ob geheimer oder
offener Natur.</p>
<p>2.
TÖP hat sich im Zuge ihrer Parteiformation und in Folge von
Diskussionsprozessen dazu entschlossen, ihre Gründung offen und auf
legitimer Grundlage zu vollziehen und ihre Tätigkeiten öffentlich
und auf legitimer Basis bekanntzugeben und durchzuführen. Dies ist
eine politische Haltung.</p>
<p>3.
Wenn TÖP mit einer anderen politischen Organisation in Beziehung
treten sollte, wird sie dies nicht verstecken, sondern öffentlich
vollziehen. Die Partei kann auf Grundlage ihrer Struktur mit
Organisationen und Personen, die auf ähnlicher Grundlage agieren und
offene sowie legitime Politik betreiben, in Beziehungen treten,
Bündnisse oder Aktionseinheiten gründen. Solche Entwicklungen hat
es früher schon gegeben und wird es auch weiterhin geben; sie werden
öffentlich bekanntgegeben und vollzogen. Diese Haltung entspringt
und entspricht den Regeln politischer Tätigkeit auf offener und
legitimer Basis.</p>
<p>Die
Inhalte dieser Erklärung sind den betreffenden Personen der linken
Öffentlichkeit genauso wie den Staatsbeamt*innen, die unsere
Tätigkeiten beschatten, vollständig bekannt. Die Erklärung zielt
darauf, die breite Öffentlichkeit zu informieren.</p>
<p>* *
*</p><p>Wir
verurteilen auf das Schärfste die Inhaftierungen in Ankara, die auf
Ermittlungsdossiers von Mitgliedern der kriminellen Organisation
„Cemaat“ beruhen. Unseren in Polizeigewahrsam befindlichen
Freund*innen wird keine einzige Frage gestellt, aber die Haftfrist
trotzdem permanent verlängert. Es ist offensichtlich, dass
irgendwelche Schreibtischszenarien entworfen und dementsprechende
Beweise herbeikonstruiert werden.</p>
<p> *
* *</p><p>Die
TÖP befindet sich in einem Prozess der Gründung als einer Partei.
Unser Ziel ist es, ein sozialistisches Land aufzubauen. Es geht uns
darum, den Kapitalismus, der unser Land in einen Brandherd
verwandelt, abzuschaffen. Tagesaktuell betrachtet sind wir Teil der
Freiheitssuche der popularen Kräfte, die von einer despotischen
politischen Ordnung permanent unterdrückt werden. Unser Parteiname
wurde als politisches Symbol dieser Suche gewählt.
</p>
<p>Eine
demokratische Verfassung und die Gründung einer demokratischen
Republik entsprechen den Minimalbedürfnissen der popularen Kräfte.
Selbstverständlich positionieren wir uns deshalb gegen das
derzeitige politische Regime, das sich um die Person von Erdoğan
zentriert und dem Ziel einer demokratischen Verfassung sowie einer
demokratischen Republik diametral entgegengesetzt ist.<br/></p><p>Wir
versuchen weiterhin, Teil der legitimen Selbstverteidigung und
Sprachrohr der Bedürfnisse und der Freiheitssuche all derjenigen
popularen Kräfte zu sein, die die despotische politische Ordnung zu
ersticken versucht, mit der Arbeiter*innenklasse als Quelle des
Reichtums der kapitalistischen Ausbeutungsordnung an zentraler
Position.<br/></p><p>Die
demokratische Verfassung wird hierbei die Garantie zur Erfüllung der
Minimalbedürfnisse der popularen Kräfte bilden. Die demokratische
Republik wird eine sein, in der die popularen Kräfte auf Grundlage
ihrer eigenen Bedürfnisse und in Frieden und Wohlstand, in
Selbstorganisation und -verwaltung leben werden.
</p><p>Wir
verstecken weder uns, noch unsere Tätigkeiten, noch unsere Ziele und
Zwecke. Es sieht wohl so aus, als ob unsere Tätigkeiten und unsere
Parteigründung die Kräfte des Kapitals und des Despotismus
beunruhigen.</p>
<p>Falls
wir verurteilt werden sollen, dann verurteilt uns auf Grundlage
unserer eigenen Tätigkeiten. Wenn ihr sozialistische Parteien und
ihre Gründungen verbieten wollt, dann tut dies nicht mit absurden
Szenarien, sondern versucht die Gesetze zu ändern im Parlament, in
dem ihr die Mehrheit innehabt.</p>
<p>Wir
werden weiterhin versuchen, uns im Oktober als Partei zu gründen –
trotz aller Repression. Unsere Gründungserklärung wird nach dem
Treffen des Gründungskomitees am 11. bis zum 14. Oktober 2018
öffentlich kundgegeben.</p></div>
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