re:volt magazine Archivhttps://revoltmag.org/articles/?tags=4412020-03-27T09:14:45.836177+00:00Das Virus der sozialen Ungleichheit2020-03-27T09:12:11.402539+00:002020-03-27T09:14:45.836177+00:00Maurizio Coppolaredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/das-virus-der-sozialen-ungleichheit/
<div style="background: #eaeaea; width: 100%; height: 100%">
<style>
.__wrapped-content {
max-width: 670px;
padding: 1.5rem;
margin: 1.5rem auto;
background: white
}
</style>
<article class="__wrapped-content">
<link href="/static/revoltmag/app.bc8423e0087c1cde5a69.css" rel="stylesheet"><meta name="apple-mobile-web-app-title" content="re:volt mag"><meta name="apple-mobile-web-app-capable" content="no"><meta name="apple-mobile-web-app-status-bar-style" content="black"><meta name="theme-color" content="#99020b"><link rel="apple-touch-icon" sizes="180x180" href="/static/revoltmag/icon_180x180.f95a8c6b74bb715d326c7790779a0330.png"><link rel="manifest" href="/static/revoltmag/manifest.307d5e0f476ef238b243c472abadb46c.json"><link rel="icon" sizes="180x180" href="/static/revoltmag/icon_180x180.f95a8c6b74bb715d326c7790779a0330.png"><script defer="defer" src="/static/revoltmag/app.bc8423e0087c1cde5a69.js"></script>
<header class="content">
<h1>Das Virus der sozialen Ungleichheit</h1>
</header>
<div class="content-image">
<div class="content-image-wrapper">
<img alt="Irak-protest-Asaad Niazi.jpg" height="420" src="/media/images/Irak-protest-Asaad_Niazi.be30d402.fill-840x420-c100.jpg" width="840">
<span class="content-copyright">Asaad Niazi</span>
</div>
</div>
<section class="content content-section content-type-paragraph">
<div class="rich-text"><p>Das Coronavirus hat inzwischen den Nahen Osten und Nordafrika erreicht, die Auswirkungen auf das alltägliche tägliche Leben der Menschen sind schwerwiegend. Die Ereignisse der letzten Tage haben gezeigt, dass die Ausbreitung des Coronavirus eine neue <a href="https://www.middleeasteye.net/news/coronavirus-lebanon-financial-crisis-turmoil-protests">Krise innerhalb der wirtschaftlichen und politischen Krisen</a> auslöst, die die Länder des Nahen Ostens und Nordafrikas seit Jahrzehnten durchleben. Die strukturellen Probleme der nationalen und regionalen Ökonomien und der Mangel an sozialer Sicherheit in Form von öffentlichen Diensten – in diesem Fall die Gesundheitsdienste – für die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung werden durch die Blockade des alltäglichen Lebens noch verschärft.</p><p>Auch hinsichtlich der sozialen Proteste, die im vergangenen Jahr praktisch die ganze Region erfasst haben, produziert das Virus wichtige Veränderungen: In Algerien beschlossen die Studierenden, die seit über einem Jahr jeden Dienstag auf die Straße gehen, ihre <a href="https://maghrebemergent.info/hirak-coronavirus-les-etudiants-decident-de-suspendre-les-marches/">Demonstrationen vorübergehend auszusetzen</a>. Der algerische Präsident Abdelmadjid Tebboune, der von der sozialen Bewegung (dem <a href="https://revoltmag.org/articles/jahr-eins-des-algerischen-hirak/">Hirak</a>) weiterhin abgelehnt wird, verhängte zudem ein generelles <a href="https://www.france24.com/en/20200318-anti-government-protests-thwarted-as-algeria-bans-street-marches-over-coronavirus">Versammlungs- und Demonstrationsverbot</a>. Nach anfänglicher <a href="https://www.aljazeera.com/news/2020/03/coronavirus-tests-algeria-protest-movement-200314102839379.html">Unentschlossenheit und Diskussionen innerhalb des Hiraks</a> wurden nun auch die Freitagsdemonstrationen bis auf weiteres abgesagt. Auch im <a href="https://ilmanifesto.it/beirut-spegne-le-luci-dopo-il-virus-il-libano-aspetta-il-crollo-economico/">Libanon</a> bremste die zunehmende Verbreitung des Virus die Proteste. Wie greifen im Irak die Verschärfung der Prekarität und der sozialen Unsicherheit und die Frage nach demokratischer Organisierung ineinander?</p><h2><b>Die Last der Informalität</b></h2><p>Die irakische Regierung hat eine vorübergehende Ausgangssperre und die Schließung von Schulen, Universitäten und Einkaufszentren beschlossen. Auch Kinos, Restaurants und Bars bleiben geschlossen. Religiöse Einrichtungen haben religiöse Aktivitäten und Versammlungen ausgesetzt. Nach Angaben des <a href="https://moh.gov.iq/index.php?name=News&file=article&sid=14140">Gesundheitsministeriums</a> gibt es derzeit 382 Fälle von Covid19, davon 36 Tote (Stand 27.03.2020). Angesichts des Mangels an durchgeführten Tests dürfte die Zahl jedoch weit höher liegen.</p><p>Eine erste Lektion, die wir aus diesen ersten Wochen der Corona-Krise ziehen können, ist, dass die Auswirkungen des Virus sozial ungleich verteilt sind (im re:volt magazine wurde dies etwa mit Blick auf <a href="https://revoltmag.org/articles/viraler-kapitalismus/">Deutschland</a>, <a href="https://revoltmag.org/articles/arbeiten-zeiten-des-coronavirus/">Italien</a> oder den <a href="https://revoltmag.org/articles/die-corona-krise-als-care-krise/">Care-Bereich</a> angerissen). In den meisten Ländern wurde auf der einen Seite zwar das gesellschaftliche Leben zur Eindämmung des Virus fast vollständig blockiert, auf der anderen Seite wurde die <a href="https://revoltmag.org/articles/arbeiten-zeiten-des-coronavirus/">Warenproduktion</a> (materielle Güter und Dienstleistungen) allerdings weitergeführt – oft ohne oder nur unzureichenden gesundheitlichen und sozialen Schutzmaßnahmen.</p><p>Die ökonomischen und gesellschaftlichen Strukturen der Länder des Nahen Ostens und Nordafrikas unterscheiden sich nun aber wesentlich von denen der westlichen Länder. Wie eine <a href="https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000371374">Unesco-Studie zum irakischen Arbeitsmarkt</a> zeigt, arbeiten zwei Drittel der irakischen Arbeit*innen im informellen Sektor, dieser macht 99 Prozent der Privatwirtschaft aus. Die Informalität bietet keine sicheren Löhne und sozialen Sicherheitsnetze im Falle von Lohnausfall. „Die Arbeiter*innen erleben eine Tragödie, denn die große Mehrheit lebt von der Hand in den Mund. Arbeitslose und informelle Arbeiter*innen haben kein regelmäßiges Einkommen und daher keine Ersparnisse und keinen Sozialversicherungsschutz im Falle von Lohnausfall. Heute befinden sie sich in lebensbedrohlichen Schwierigkeiten: Es fehlt ihnen schlicht an Geld, um Lebensmittel zu kaufen“, berichtet Sami Adnan, ein 28-jähriger Arbeitsloser und Aktivist aus Bagdad. Adnan ist bei <a href="https://www.facebook.com/WOAGSE/">Workers Against Sectarianism</a> aktiv, einer politischen Gruppe, die sich zu Beginn der <a href="https://revoltmag.org/articles/die-krise-des-politischen-schiitentums-und-der-kampf-f%C3%BCr-das-recht-auf-hoffnung/">sozialen Proteste</a> gegen das sektiererische System und gegen die sozialen Ungleichheiten gebildet hat.</p><h2><b>Soziale Sicherheit – wie lange noch?</b></h2><p>Laut der oben genannten Unesco Studie bietet die Beschäftigung im öffentlichen Sektor die stabilste Arbeit. Dieser deckt im Irak 40 Prozent aller Arbeitsplätze. Die Staatsfinanzierung erfolgt in erster Linie über den <a href="https://www.imf.org/~/media/Files/Publications/CR/2019/1IRQEA2019002.ashx">Erdölsektor</a>, der 99,6 Prozent der Exporteinnahmen, 92 Prozent des Staatshaushalts und 61 Prozent des nationalen BIP ausmacht. Doch nur jede*r hundertste irakische Arbeiter*in ist in diesem Sektor beschäftigt. Die öffentlichen Ausgaben für den direkten Lohn (Arbeitseinkommen und Renten) und für den indirekten Lohn (Waren und Sozialleistungen) belaufen sich auf etwa 60 Prozent der totalen Staatsausgaben.</p><p>Diese Ungleichheit zwischen dem öffentlichen Sektor, der (zumindest im Moment) noch Löhne und sozialen Mindestschutz garantiert, und einem privaten Sektor, der fast ausschließlich von Informalität und Prekarität geprägt ist, schlägt sich im täglichen privaten Konsum nieder. Adnan erklärt: „Öffentlich Angestellte mit regulären Löhnen leeren die Supermärkte und sammeln zu Hause Vorräte an. Diejenigen, die gezwungen waren, von der Hand in den Mund zu leben und nicht sparen konnten, hungern jetzt.“</p><p>Mit der aktuellen Ölkrise (der <a href="https://www.ilsole24ore.com/art/petrolio-minimi-18-anni-il-wti-vale-meno-23-dollari-ADXdPDE">Preis für das Barrel Brent</a> ist unter 25 Dollar gefallen) schrumpfen die Einnahmen des Staates jedoch erheblich. Kurzfristig wird der Staat daher Schwierigkeiten haben, den Lebensstandard seiner Beschäftigten zu garantieren.</p><p>Die Situation wird durch die Nahrungsmittelknappheit und die steigenden Preise noch verschärft. Adnan fährt fort: „In diesem Kontext der Knappheit erhöhen die Händler*innen die Preise für Güter des Grundbedarfs, um sich zu bereichern. So kostet beispielsweise ein Kilo Tomaten normalerweise 50 Cent, heute sind es nicht weniger als 1,50 Dollar. Der Staat ist nicht in der Lage und will nicht eingreifen, um dieses für die Mehrheit der Bevölkerung lebenswichtige Problem zu regeln.“</p><p>Die wenigen Menschen, die eine reguläre Arbeit in der Privatwirtschaft gefunden haben, treffe, so Adnan, die Krise aufgrund der fehlenden Arbeiter*innenrechte – vor allem der Kündigungsschutz – ebenso stark: „Ein Freund von mir arbeitete für Caterpillar in einem Einkaufszentrum in Bagdad für 700 Dollar im Monat. Wegen des Virus sind die Einkaufszentren geschlossen worden, so dass die Arbeiter*innen zu Hause bleiben müssen. Aber das Unternehmen weigert sich, die Löhne weiter zu bezahlen.“</p><h2><b>Ein ruiniertes Gesundheitssystem</b></h2><p>Wenn an der Arbeitsfront Informalität, Prekarität und Rechtlosigkeit die sozialen Ungleichheiten verstärken, so gelingt es dem Gesundheitssystem nicht, sie auszugleichen. Bis in die 1970er Jahre hatte der Irak eines der am weitesten entwickelten Gesundheitssysteme im Nahen Osten. Es war ein öffentliches System, universell und frei für alle. Sowohl die Krankenhauseinrichtungen als auch der Kauf von Medikamenten waren in den Händen des Gesundheitsministeriums. Mit dem Regime von Saddam Hussein zuerst und den Kriegen und Embargos der 1990er und frühen 2000er Jahre danach verschlechterte sich das Gesundheitssystem jedoch erheblich. „In jeder größeren Stadt des Landes gibt es jeweils nur ein Krankenhaus. Sie sind klein, alt, schmutzig und schlecht ausgestattet“, erklärt Adnan.</p><p>Das öffentliche System hat eine klassische neoliberale Umstrukturierung durchlaufen, die Klientelismus und Korruption hervorgebracht hat: „Die Sanktionen, die in den 1990er Jahren und nach 2003 verhängt wurden, lasten immer noch auf unserem Gesundheitssystem. Die Privatisierung des öffentlichen Gesundheitswesens hat sich in den letzten 15 Jahren dramatisch beschleunigt. Heute müssen wir für jeden einzelnen Ärzt*innenbesuch bezahlen, und oft sind wir gezwungen, den wenigen im Land verbliebenen Ärzt*innen zusätzlich 'unter dem Tisch' zu bezahlen, um eine Behandlung zu erhalten.“</p><p>Bevor dieser strukturelle Umbau des öffentlichen Gesundheitswesens in Gang gesetzt wurde, verwaltete und kontrollierte die irakische Regierung über das Staatsunternehmen Kimadia den <a href="https://www.reuters.com/article/us-iraq-health-drugs/iraqs-healthcare-has-fallen-far-idUSKBN20P1RP">Medikamentenimport</a>. Heute kontrolliert es nur noch 25 Prozent der Importe. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums werden heute 40 Prozent der Medikamente über den Schwarzmarkt mit den Nachbarländern abgehandelt, viele Medikamente kommen gar nicht erst ins Land. „Der Medikamentenmarkt und die Apotheken sind ebenfalls privatisiert worden, und die Kosten sind explodiert“, berichtet Adnan. Und das schaffe schwerwiegende weitere Probleme: „Oftmals geben uns die Ärzt*innen einfach Paracetamol, auch bei ernsteren Symptomen. Außerdem werfen die Händler*innen, die die Verteilung kontrollieren, selbstgemachte und qualitativ schlechte Medikamente auf den Markt. Wir haben viele Fälle von Menschen mit Leber- und Nierenproblemen, die mit der Einnahme selbst hergestellter Medikamente zusammenhängen."</p><p>Diese Gesundheitsmängel spiegeln sich heute auch im Umgang der Regierung und des Gesundheitsministeriums mit dem Coronavirus wider: „Die Politiker*innen sind in keiner Weise um unsere soziale und gesundheitliche Situation besorgt. Es mangelt an Information und Prävention. Hinzu kommt, dass religiöse Führer die Nachricht verbreiten, dass wir als praktizierende Muslim*innen vor einer Ansteckung geschützt sind. Das ist haarsträubend.“</p><h2><b>Solidarität in Zeiten des Virus</b></h2><p>Die Proteste, die im Oktober 2019 ausbrachen, müssen daher mit diesen gesundheitlichen und sozialen Schwierigkeiten einen Umgang finden. Die <a href="https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2020/03/iraq-protests-coronavirus.html">Proteste gehen grundsätzlich weiter</a>, insbesondere, weil die Corona-Krise ihren Kern getroffen hat. „Die Gründe, warum wir in den letzten Monaten auf die Straße gingen, waren genau diese: Das Sozial- und Gesundheitssystem ist völlig unzureichend, um die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen“, sagt Adnan, der über die Proteste auch in den <a href="https://t.me/iraqnewwss">sozialen Medien</a> schreibt.</p><p>Seit bekannt ist, dass das Virus auch den Mittleren Osten allgemein und den Irak im Besonderen erfasst hat, ist die Beteiligung natürlich zurückgegangen, Demonstrationen wurden verschoben, Events abgesagt. Doch der Tahrir-Platz bleibt – auch wenn von weniger Menschen – weiterhin besetzt. Das Virus ist selbst zu einem Vehikel des Protests geworden: „In unserem Zeltdorf auf dem Tahrir-Platz bewegen wir uns nur in kleinen Gruppen und desinfizieren alles: Kleidung, Zelte, Matratzen, Decken, Werkzeuge und Utensilien. Wir verteilen persönliche Schutzausrüstung wie Masken und Handschuhe.“ Mit den getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Covid19-Verbreitung bietet die Besetzung somit einen Schutzraum und Schutzmöglichkeiten, die sonst im Lebensalltag nicht bestehen.</p><p>Die im Zuge der Proteste entstandenen Organisationsstrukturen ersetzen weitestgehend die Aufgaben, die der Staat übernehmen sollte, erklärt Adnan: „Wir haben eine Sensibilisierungskampagne nicht nur in der Besetzung selbst gestartet. Wir gehen durch die Straßen und in die popularen Nachbarschaften und erklären, wie wir uns vor der Ansteckung schützen können: zu Hause bleiben, religiöse Versammlungen vermeiden und so weiter, immer in Respekt der Anweisungen, die von der Weltgesundheitsorganisation gemacht werden.“</p><p>Neben der Präventionskampagne entwickeln die Aktivist*innen auch Praktiken der gegenseitigen Hilfe. „Um das Problem der Nahrungsmittelknappheit und der steigenden Preise anzugehen, organisieren wir in den Arbeiter*innenvierteln die solidarische Verteilung von Nahrungsmitteln: Reis, Gemüse, Zucker und andere Grundgüter.“ Und Solidarität hört nicht an den Grenzen auf. Angesichts der Gewalt, mit der das Virus den Nachbarn <a href="https://www.alaraby.co.uk/english/news/2020/3/13/iran-imposes-lockdown-to-check-all-citizens-for-coronavirus">Iran</a> getroffen hat, beschränkt sich das Sammeln von Medikamenten und Grundgüter nicht auf den Irak. „Wir sammeln Masken, Desinfektionsmittel und Medikamente, um sie unseren iranischen Genoss*innen zu schicken."</p><p>Das Coronavirus ist vor allem ein Kampf gegen den korrupten Staat und die von ihm verursachten sozialen Ungleichheiten. Bei unserem Gespräch bleibt Adnan deshalb kämpferisch: "Die Protestierenden wiederholen ständig: Wir haben uns nicht zurückgezogen, nachdem ihr uns mit Tränengas angegriffen habt, nachdem ihre unsere Genoss*innen entführt habt, nachdem ihr auf unsere Schwestern und Brüder geschossen habt. Wir bleiben hier. <a href="https://jacobinmag.com/2020/02/iraq-protests-sadr-sectarianism">Vaterland oder Tod</a>, ist unsere Losung."</p><hr/><p><i>Hier die</i> <a href="https://www.facebook.com/WOAGSE/posts/827843664381131$"><i>Erklärung der Workers Against Sectarianism</i></a><i> für den Aufbau von Solidarität und gegenseitiger Hilfe in Zeiten des Coronavirus.</i></p></div>
</section>
</article>
<footer class="__wrapped-content">
<div class="columns is-desktop">
<div class="column is-7-10">
<section class="content content-license padded">
<h2>Lizenzhinweise</h2>
<p>Copyright © 2017 re:volt magazine Redaktion - Einige Rechte vorbehalten</p>
<p>
Die Inhalte dieser Website bzw. Dokuments stehen unter der <a href="http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/">Creative Commons Namensnennung-NichtKommerziell-KeineBearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz</a>.
Über diese Lizenz hinausgehende Erlaubnisse können Sie über unsere <a href="/contact">Kontaktseite</a> erhalten. Bilder sind von dieser Lizenz ausgeschlossen und Eigentum ihrer jeweiligen Urheber_innen.
</p>
<p class="print-remove">
<a id="imprint" href="/imprint">Impressum</a> |
<a id="privacy" href="/imprint#privacy">Datenschutz</a>
</p>
</section>
</div>
</div>
</footer>
</div>
„Die Stimme der Frauen ist in dieser Revolution deutlich präsent“2019-12-16T16:37:19.097868+00:002019-12-16T16:37:19.097868+00:00Ansar Jasimredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/die-stimme-der-frauen-ist-in-dieser-revolution-deutlich-pr%C3%A4sent/
<div style="background: #eaeaea; width: 100%; height: 100%">
<style>
.__wrapped-content {
max-width: 670px;
padding: 1.5rem;
margin: 1.5rem auto;
background: white
}
</style>
<article class="__wrapped-content">
<link href="/static/revoltmag/app.bc8423e0087c1cde5a69.css" rel="stylesheet"><meta name="apple-mobile-web-app-title" content="re:volt mag"><meta name="apple-mobile-web-app-capable" content="no"><meta name="apple-mobile-web-app-status-bar-style" content="black"><meta name="theme-color" content="#99020b"><link rel="apple-touch-icon" sizes="180x180" href="/static/revoltmag/icon_180x180.f95a8c6b74bb715d326c7790779a0330.png"><link rel="manifest" href="/static/revoltmag/manifest.307d5e0f476ef238b243c472abadb46c.json"><link rel="icon" sizes="180x180" href="/static/revoltmag/icon_180x180.f95a8c6b74bb715d326c7790779a0330.png"><script defer="defer" src="/static/revoltmag/app.bc8423e0087c1cde5a69.js"></script>
<header class="content">
<h1>„Die Stimme der Frauen ist in dieser Revolution deutlich präsent“</h1>
</header>
<div class="content-image">
<div class="content-image-wrapper">
<img alt="Frauen auf dem Tahrir Platz.jpg" height="420" src="/media/images/20191129_105031.2e16d0ba.fill-840x420-c100.jpg" width="840">
</div>
</div>
<section class="content content-section content-type-paragraph">
<div class="rich-text"><p><i>Die am 1. Oktober 2019 ausgebrochenen </i><a href="https://revoltmag.org/articles/die-krise-des-politischen-schiitentums-und-der-kampf-f%C3%BCr-das-recht-auf-hoffnung/"><i>Proteste im Irak</i></a><i> haben die sozialen, politischen und ökonomischen Widersprüche ans Tageslicht gebracht und die gesellschaftlichen Konfliktlinien verschoben. Das sektiererische politische System ist radikal in Frage gestellt und vermehrt entwickelt sich die Einheit der Protestierenden auf der Basis der Klassenzugehörigkeit. Die irakische Revolution hat einen weiteren und in der Berichterstattung oft vernachlässigten gesellschaftlichen Widerspruch sichtbar gemacht, nämlich die Unterdrückung der Frauen in einer kapitalistischen und patriarchalen Gesellschaft. Frauen spielen jedoch vermehrt eine zentrale Rolle in den irakischen Protesten, die trotz </i><a href="https://www.alaraby.co.uk/english/news/2019/12/8/defiant-iraqi-protesters-pour-onto-streets-despite-deadly-attacks"><i>massiver Repression</i></a><i> nicht abebben. Um diese Rolle genauer zu verstehen, hat Autorin Ansar Jasim mit Iqbal gesprochen, einer feministischen Aktivistin aus dem Umland von Bagdad, die von Anfang an an den Protesten teilnimmt.</i></p><p></p><p><b>Wir hören hier in den Medien wenig zur aktuellen Lage im Irak, und noch weniger über die Zusammensetzung der Proteste. Wie nehmen die Frauen an und in dieser Revolution teil?</b></p><p>Meinen Beobachtungen zu Folge unterscheidet sich die Partizipation von Frauen in der derzeitigen Revolution kaum von der der Männer. Das war in den Protesten der letzten Jahre nicht so. Bisher hatten Frauen eine sehr eingeschränkte Rolle, sie waren total „überwacht“ von den männlichen und patriarchalen Elementen in den Protesten. Dieses Mal ist das anders. Frauen werden angespornt, an den Protesten teilzunehmen. Sie beteiligen sich auf allen Ebenen: im von den Protestierenden besetzten Türkischen Restaurant – oder „Schloss der Freien“, wie es nun benannt wurde –, auf der Straße, bei der Organisierung der Proteste, bei der Säuberung der Straßen, im medizinischen Bereich. Und auch andersherum findet eine Veränderung statt: Männer und nicht nur Frauen bereiten Nahrung für die Protestierenden zu – es geht also weg von der Vorstellung, dass die Frauen eben nur Brot machen und kochen. Das tun sie auch. Aber dieses Mal nehmen sie eben nicht nur in diesen Bereichen teil, sondern in allen Bereichen, wo auch Männer vertreten sind. Von den aller ersten Nächten an haben sie auch bei Kälte in den Zelten auf den Plätzen geschlafen.</p><p></p><p><b>Wie würdest du die gesellschaftliche Akzeptanz dafür beschreiben?</b></p><p>Es ist überhaupt nicht normal! Aber die Frauen haben es der Gesellschaft aufgedrückt. Das geht nun so weit, dass Personen, die dieses Verhalten kritisieren, dies gar nicht mehr so einfach machen könnten: Sie würden Gegenwind von tausenden anderen Menschen bekommen, die diese Veränderungen verteidigen.</p><p></p><p><b>Welchen sozialen Hintergrund haben diese Frauen?</b></p><p>Die Frauen gehören insgesamt zu allen sozialen Schichten. Aber jene Frauen, die eine besonders hohe Bildung und gesellschaftliche Position haben und wirtschaftlich unabhängig sind, sind kaum vertreten. Vor allem sind es Schülerinnen, Studentinnen, Mädchen aus einfachen Verhältnissen, Lehrerinnen, selbst Staatsangestellte. Sie nehmen alle daran teil, da es um ihre nicht verwirklichten Rechte geht. Die Stimmen der Frauen sind in dieser Revolution deutlich präsent. Einige der Demonstrant*innen sind der Meinung, dass es darum geht, dass unsere Forderungen erfüllt werden. Ich denke, dass es für uns Frauen darum geht, dass uns unsere Rechte gestohlen wurden. Wir Frauen reden also von Rechten, nicht von Forderungen. Wir haben Rechte, die wir uns erkämpfen müssen von der politischen Klasse, vom regierenden politischen System. Das ist der Grund, warum ich seit dem ersten Oktober auf der Straße bin.</p><p></p><p><b>Es gibt einige Mädchen auf dem Tahrir-Platz (Zentrum des Protests, Anm. Red.), die aus gewalttätigen Haushalten stammen und nun in den besetzten Orten der Revolution Schutz finden. Ist das auch dein Eindruck?</b></p><p>Tatsächlich ist es die Revolution selbst, die einen Schutz kreiert hat für die Frauen, die keinen sicheren Zufluchts- und Rückzugsort haben. Der Tahrir-Platz wurde zu einem Ort, an dem Belästigungen nicht geduldet werden – ganz anders als bei den vorherigen Protesten. Es ist ein Ort, an dem die Frauen in den Zelten schlafen können und sich sicher fühlen. Insbesondere Islamistische Kräfte hatten die Absicht, das immer wieder auszunutzen, um die Bewegung schlecht zu machen und ihren Ruf zu zerstören. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass der öffentliche Raum heute noch oft nicht geschlechtlich durchmischt ist und Teile der konservativen Kräfte eine Durchmischung als „morallos“ verurteilen. Aber bis heute gelingt es ihnen nicht. </p></div>
</section>
<section class="content-section content-type-photo">
<figure class="content-image">
<div class="content-image-wrapper">
<img alt="20191129_104129.jpg" height="3024" src="/media/images/20191129_104129.original.jpg" width="4032">
</div>
<figcaption>
<p>Schriftzug: "Die Hälfte der Gesellschaft ist die Revolution"</p>
</figcaption>
</figure>
</section>
<section class="content content-section content-type-paragraph">
<div class="rich-text"><p>Stattdessen werden wir jungen Frauen von allen Protestierenden geschützt. Die Protestorte sind sicher, und somit haben wir ganz stark das Gefühl, dass diese Revolution der Ausgangspunkt für die Befreiung der Frauen hier sein wird. Die Revolution richtet sich gegen Traditionen und Konventionen in der Gesellschaft. Es ist eine Revolution gegen eine politische Klasse, die diese Konventionen und die Religion der Gesellschaft, insbesondere den Frauen, aufgedrückt hat. Sie ist gegen das politische System gerichtet, welches es zum Beispiel auch nicht zulässt, dass Frauen an der Wirtschaft des Landes teilnehmen und wirtschaftlich unabhängig sind. Die Frauen haben nun wirklich das Gefühl, dass es ihre Revolution ist und ihre Rechte realisiert werden können. Dies trifft insbesondere auf diskriminierende Gesetze zu, die die politische Klasse gegen Frauen eingeführt hat. Dazu gehören die Erlaubnis zur Vielehe und die Verheiratung von minderjährigen Mädchen sowie ein benachteiligendes Erbrecht. Diese Revolution richtet sich gegen diese Konventionen. Es ist eine Revolution, die alles zum Sturz führen will, nicht nur einen bestimmten Teil davon.</p><p></p><p><b>Ist es also eine feministische Revolution?</b></p><p>Wann ist diese Revolution ausgebrochen? Wann haben die Massen beschlossen, gegen die politische Klasse auf die Straße zu gehen und der Regierung eine Frist von wenigen Tagen zu geben? Das war, nachdem die Ingenieursstudentinnen für Arbeitsplätze protestiert und die Sicherheitsbehörden sie mit heißem Wasser beworfen hatten. Danach wurde auf Facebook dagegen mobilisiert und dadurch wurde es zu einem Massenprotest. Man kann sagen, dass die feministischen Kämpfe ein zentraler Motor der Proteste sind. Es stimmt schon, dass es eine irakische Revolution ist, aber eigentlich ist es eine feministische Revolution.</p><p></p><p><b>Im Irak gibt es sowieso eine sehr hohe Arbeitslosenquote und ein großer Teil der Massen haben kein regelmäßiges Einkommen. Wirkt sich die Arbeitslosigkeit auf Frauen anders aus als auf Männer?</b></p><p>Es gibt einen sehr großen Unterschied. Als ich studiert habe, da waren wir 66 Frauen und 33 Männer. Die Zahl der graduierenden Frauen ist also wesentlich höher. Für Frauen ist Bildung oft der einzige erlaubte Horizont. Jedes Jahr siehst du hunderte Frauen graduieren, ohne dass sie Chancen auf einen Arbeitsplatz hätten. Als die Ingenieursstudentinnen auf den Straßen waren, da war es geradezu so, als würde der Staat sich an sie richten: Warum gehst du als Frau überhaupt auf die Straße und warum hören wir deine Stimme? So hat der Staat also mit Konvention und Religion auf die Frauen reagiert. Erst nachdem die Frauen auf der Straße waren, folgten auch die Stimmen der Männer.</p><p></p><p><b>Du hast vor allem von Bagdad gesprochen. Wie sieht es in anderen Teilen des Landes aus?</b></p><p>Als für die Demonstrationen mobilisiert wurde, da wurde in allen Gouvernements (19 Provinzen im Irak, Anm. Red.) mobilisiert. Bagdad spielte da eine wichtige Rolle. Aber es folgten Frauen aus allen Gouvernements, seien es Studierende, Graduierte, Bäuerinnen, Gemüseverkäuferinnen, die alleinerziehende Bäckerin und so weiter. Alle Frauen waren auf den Straßen. </p></div>
</section>
<section class="content-section content-type-photo">
<figure class="content-image">
<div class="content-image-wrapper">
<img alt="20191111_172922.jpg" height="3024" src="/media/images/20191111_172922.original.jpg" width="4032">
</div>
<figcaption>
<p>Graffiti, welches die Rolle von Frauen in medzinischen Bereich zur Rettung der Protestierenden darstellt</p>
</figcaption>
</figure>
</section>
<section class="content content-section content-type-paragraph">
<div class="rich-text"><p><b>Wie war die Situation der Frauen vor der Revolution?</b></p><p>Vor der Revolution war die Situation der Frauen sehr schlecht. Die Diskriminierung von Frauen war überall sichtbar. Zum Beispiel wurden bei den Anstellungen im Staatsdienst – welche bei uns einige der wenigen Arbeitsplätze sind – ständig Männer bevorzugt, trotz schlechterer Noten. Ausschlaggebend war immer das Argument, Männer seien für eine Familie verantwortlich. Das ignoriert total, dass ich als Frau auch eine Familie zu versorgen habe, selbst, wenn ich nicht verheiratet bin und eben somit nicht dem konventionellen Familienmodel entspreche. Wir sind gegen dieses System. Das politische System benutzt Frauen als Instrument, um mit den Konzepten von „Sünde“ und „Schande“ Druck auf die ganze Gesellschaft auszuüben. Und auch gerade die religiösen Würdenträger haben sich in den letzten Jahren sehr auf die Frauen konzentriert. Bei den Freitagspredigten haben sie die Kleidung von Frauen diskutiert – selbst Frauen, die die Abaya (traditionelle islamische Robe, Anm. Red.) tragen, wurden nicht in Ruhe gelassen. Ständig wurden die Frauen kommentiert: Die eine trägt die Robe zu eng, die andere zu offen und das dürfte nicht sein.</p><p></p><p><b>Warum die Konzentration auf den weiblichen Körper?</b></p><p>Das liegt eben gerade an der wirtschaftlichen und politischen Lage, von der sie immer wieder ablenken wollen. Nur so können sie an der Macht bleiben: Wenn sie die Frauen in den Fokus stellen, und alles dahinter zurückfällt. Frauen sind die große Ausrede, durch welche die politische Klasse reproduziert. Gleichzeitig repräsentiert mich keine jener Frauen, die aufgrund der 25 Prozent-Quote am politischen Prozess im Parlament teilnehmen (Art. 49 Abs. 4 der Irakischen Verfassung von 2005 legt fest, dass der Anteil der weiblichen Abgeordneten im Parlament bei mindestens 25 Prozent liegen muss, Anm. Red.). Es sind Frauen, die diskriminierende Politiken gegen Frauen mitunterstützt haben. Es sind Frauen, die tief patriarchale Politiken und Gesetze wie das der Vielehe unterstützt haben.</p><p></p><p><b>Revolution ist ein Prozess, bei dem es immer wieder Errungenschaften geben kann. Welche siehst du bisher?</b></p><p>Die wichtigste Errungenschaft ist die Präsenz von Frauen auf den Plätzen. Dieser Punkt ist nicht mehr zurückzudrehen und er ist ein Ausgangspunkt für weitere Prozesse. Der 25. Oktober war der Auftakt für die Befreiung der Frau im Irak, denn zu diesem Tag wurde zu Massenprotesten aufgerufen und seit diesem Datum wird der Tahrir-Platz besetzt und die öffentlichen Regeln durcheinandergebracht. Vor diesem Datum wurden Frauen dafür kritisiert, wenn sie nach 20 Uhr auf der Straße waren. Heute schlafen sie auf dem Platz und machen alles, was Männer auch tun.</p><p></p><p><b>Mein Gefühl ist auch, dass jene, die dort neben den Frauen stehen, und gemeinsam mit den Frauen für die Sicherheit sorgen, nicht die Intellektuellen sind, denen ja gerne unterstellt wird, dass sie ein fortschrittliches Denken haben. Aber es sind jene Jungs, die teilweise nicht mal einen Schulabschluss haben, die aus armen und oft auch sehr konservativen Familien kommen, die nun mit den Frauen in den ersten Reihen stehen und ihre Präsenz ohne Wenn und Aber akzeptieren.</b></p><p>Das stimmt. Ich gebe noch ein Beispiel: In meinem Dorf in der Umgebung von Bagdad gibt es einen sehr konservativen, sehr traditionellen Bauern. Er hat seinen Töchtern nie irgend etwas erlaubt. Nachdem er die Nachrichten gesehen hatte, hat er sie zum Tahrir-Platz mitgenommen und sie sind ganze zwei Tage dort geblieben. Das hat ihn auch verändert. </p></div>
</section>
<section class="content-section content-type-photo">
<figure class="content-image">
<div class="content-image-wrapper">
<img alt="20191129_103818.jpg" height="3024" src="/media/images/20191129_103818.original.jpg" width="4032">
</div>
<figcaption>
<p>Sichtbarkeit von Frauen* auf den Straßen und Plätzen</p>
</figcaption>
</figure>
</section>
<section class="content content-section content-type-paragraph">
<div class="rich-text"><p>Die Jungs, denen es um die Revolution geht, betonen, dass ihnen die Anwesenheit der Frauen Vertrauen und Sicherheit gibt. Das wird mir immer wieder von allen möglichen Leuten gesagt. Das zeigt sich auch darin, dass von vielen jungen Männern die Schwestern, ihre Cousinen, ihre Schwägerinnen und so weiter auf dem Platz dabei sind. Viele Familien haben den Mädchen zuvor überhaupt keine Freiräume gelassen: Von der Schule nach Hause und das war‘s. Nun sind sie auf dem Platz und bleiben dort. Und es gibt kein Zurück!</p><p></p><p><b>Wie hat der Staat auf die Präsenz der Frauen reagiert?</b></p><p>Es wurden Aktivistinnen und insbesondere Medizinerinnen gezielt entführt. Nach ihrer Freilassung wurden sie weiterhin bedroht, sie sollen nie wieder auf den Protestplatz gehen. Dieses Mal funktioniert diese Einschüchterung aber nicht. Und es gibt einen weiteren wichtigen Aspekt: Es wird immer gesagt, dass Frauen aufgrund körperlicher Schwäche bestimmte Dinge nicht tun könnten. Auch das wird in dieser Revolution widerlegt. Es gibt dieses <a href="https://www.youtube.com/watch?v=e6iPirI59zA">epische Video</a> von einer der Medizinerinnen vom Tahrir-Platz. Ich habe das damals selbst gesehen. Einer der Protestierenden wurde verletzt und er hing unter einer der Brücken, die vom Platz zur verbotenen „Green-Zone“ (hochmilitarisierter Distrikt in Badgad, Anm. Red.) führen. Sie ist unter die Brücke gegangen, kletterte zu dem Verletzten hinauf und leistete an Ort und Stelle Erste Hilfe. Sie blieb so lange bei ihm, bis er gerettet werden konnte. Es geht also nicht um Muskelstärke. Aber das Aufstülpen der gesellschaftlich konstruierten Rolle hat Tradition. Es hat Frauen oft glauben gemacht, dass sie bestimmte Dinge wirklich nicht können und sie schwächer wären. Nun ändert sich das: Frauen klettern, Frauen werden zu Tuktuk-Fahrerinnen, Frauen schützen die anderen Protestierenden vor Tränengas indem sie die Tränengaskanister fangen und wegwerfen. Dafür muss man kein Mann sein. Somit hat diese Revolution diese ganzen rückschrittlichen Ideen ins Wanken gebracht.</p><p></p><p><b>Glaubst du, dass durch diese Revolution eine linke und feministische Bewegung im Irak entstehen wird? Bisher gab es zwar viele Feminist*innen, aber keine Massenbewegung.</b></p><p>Für mich ist klar, dass linke Ideen sehr präsent sind auf den Protestplätzen – selbst, wenn sie sie so nicht benennen. Man muss dazu vielleicht wissen, dass es eine klare Empfindlichkeit demgegenüber hier gibt, da sie allen politischen Parteien gegenüber eine Abneigung hegen, auch gegenüber der kommunistischen Partei. Aber worauf die Leute abzielen und wie sie miteinander umgehen, das ist ganz klar links. Der beste Beweis dafür ist, dass wir als marxistische Feminist*innen das größte Plakat auf dem Tahrir-Gelände aufhängen konnten. Darauf steht „Alle Macht gehört den rebellierenden Massen“. Wir sind sehr präsent auf dem Platz, arbeiten dort und reden mit den Leuten. Damit erreichen wir täglich mehr und mehr und können noch mehr Ideen unter die Massen bringen; etwa, wie wichtig es ist, dass die Massen sich selbst organisieren und eine Alternative zum jetzigen politischen System schaffen. Selbst wenn man der Ansicht wäre, dass diese Revolution nicht den Umsturz des politischen Systems schaffen wird, so hat sie es aber bisher geschafft, Frauen einen Horizont zu geben. Sie hat der Gesellschaft verständlich gemacht, dass Frauen der essentielle Part der Revolution sind und dass der Platz der Frau in der gesamten Gesellschaft ist. Alle vorherigen Prinzipien, dass Frauen nur halbe Lebewesen seien, wurden zerstört. Wenn der politische Umsturz scheitert, dann werden Frauen, die auf den Protestplätzen präsent sind, dennoch nie wieder einfach den Mund halten. Sie werden nicht einfach herumsitzen, sondern sich neu organisieren für einen weiteren Aufstand. Und jeder kommende Aufstand wird noch größer werden. </p></div>
</section>
</article>
<footer class="__wrapped-content">
<div class="columns is-desktop">
<div class="column is-7-10">
<section class="content content-license padded">
<h2>Lizenzhinweise</h2>
<p>Copyright © 2017 re:volt magazine Redaktion - Einige Rechte vorbehalten</p>
<p>
Die Inhalte dieser Website bzw. Dokuments stehen unter der <a href="http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/">Creative Commons Namensnennung-NichtKommerziell-KeineBearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz</a>.
Über diese Lizenz hinausgehende Erlaubnisse können Sie über unsere <a href="/contact">Kontaktseite</a> erhalten. Bilder sind von dieser Lizenz ausgeschlossen und Eigentum ihrer jeweiligen Urheber_innen.
</p>
<p class="print-remove">
<a id="imprint" href="/imprint">Impressum</a> |
<a id="privacy" href="/imprint#privacy">Datenschutz</a>
</p>
</section>
</div>
</div>
</footer>
</div>
Die Krise des politischen Schiitentums und der Kampf für das Recht auf Hoffnung2019-12-02T09:43:08.626397+00:002019-12-02T09:45:25.982228+00:00Evrim Muştu und Maurizio Coppolaredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/die-krise-des-politischen-schiitentums-und-der-kampf-f%C3%BCr-das-recht-auf-hoffnung/
<div style="background: #eaeaea; width: 100%; height: 100%">
<style>
.__wrapped-content {
max-width: 670px;
padding: 1.5rem;
margin: 1.5rem auto;
background: white
}
</style>
<article class="__wrapped-content">
<link href="/static/revoltmag/app.bc8423e0087c1cde5a69.css" rel="stylesheet"><meta name="apple-mobile-web-app-title" content="re:volt mag"><meta name="apple-mobile-web-app-capable" content="no"><meta name="apple-mobile-web-app-status-bar-style" content="black"><meta name="theme-color" content="#99020b"><link rel="apple-touch-icon" sizes="180x180" href="/static/revoltmag/icon_180x180.f95a8c6b74bb715d326c7790779a0330.png"><link rel="manifest" href="/static/revoltmag/manifest.307d5e0f476ef238b243c472abadb46c.json"><link rel="icon" sizes="180x180" href="/static/revoltmag/icon_180x180.f95a8c6b74bb715d326c7790779a0330.png"><script defer="defer" src="/static/revoltmag/app.bc8423e0087c1cde5a69.js"></script>
<header class="content">
<h1>Die Krise des politischen Schiitentums und der Kampf für das Recht auf Hoffnung</h1>
</header>
<div class="content-image">
<div class="content-image-wrapper">
<img alt="tahrirplatz irak.jpg" height="420" src="/media/images/tahrirplatz_irak.d1bb075a.fill-840x420-c100.jpg" width="840">
<span class="content-copyright">Alex MacDonald</span>
</div>
</div>
<section class="content content-section content-type-paragraph">
<div class="rich-text"><p>Die Massenproteste im Irak, die seit Oktober nicht abebben und bislang über 400 Todesopfer und zehntausende Verletzte forderten, stellen in vielerlei Hinsicht eine Zäsur in der jüngeren Geschichte des Landes dar. Im Hinblick auf ihre Ursachen tun sie dies allerdings nicht: Korruption auf allen Ebenen der Politik, hohe Arbeitslosigkeit und miserable Lebensbedingungen des Großteils der Bevölkerung sind die übergreifenden Quellen der sozialen Spannungen, die sich nun entladen. Die <a href="https://www.rosalux.de/news/id/41085/der-aufstand-der-arbeitslosen/">Proteste</a> läuten eine tiefe soziale und politische Krise ein, deren Folgen weit über den Irak hinausreichen. In den <a href="https://www.rosalux.de/news/id/40919/die-bewegung-braucht-fuehrung-organisation-und-klare-perspektiven/">vergangenen Jahren</a> kam es immer wieder zu Protesten, die auf diese oder jene Weise niedergeschlagen und beschwichtigt wurden. Diesmal jedoch scheint beides nicht mehr möglich zu sein.</p><p>Am 1. Oktober 2019 explodierten die ersten Demonstrationen gegen die irakische Regierung und insbesondere gegen den 77-jährigen Premierminister Adel Abdel Mahdi, der 2018 sein Amt angetreten hatte. Die Demonstrationen nahmen in der irakischen Hauptstadt Baghdad ihren Anfang und weiteten sich von dort in weitere Provinzen, hauptsächlich in den mehrheitlich schiitischen Süden, aus. Konkret wurde der Rücktritt Abdel Mahdis gefordert, der für die Protestierenden jedoch nicht nur die Regierung repräsentiert. Von Anfang an wurde deutlich, dass er als Teil eines über ihn hinausgehenden politischen Gleichgewichts zwischen staatlichen und nicht-staatlichen politischen Akteuren die „herrschende Ordnung“ als Ganzes symbolisiert. Das passiert nicht zuletzt deshalb, weil dieses Akteure in der „außerirdischen“ <i>Green Zone</i> (einem hochmilitarisierten Stadtteil Baghdads, Anm. Red) lokalisiert werden, in der die wesentlichen Institutionen der Macht ihr Dasein hermetisch abgeschottet und vermeintlich unabhängig vom Rest der Stadt und des Landes fristen.</p><p>Die tiefen Risse, die durch die Proteste einerseits sichtbar gemacht wurden und die diese andererseits in die Herrschaftsstruktur geschlagen haben – und das politische System damit in eine umfassende Krise stürzten –, erklären sich zum Großteil aus den verschobenen gesellschaftlichen Konfliktlinien: Die konfessionellen und ethnischen Feindseligkeiten, die insbesondere mit der US-Besatzung im Jahr 2003 institutionalisiert wurden, lösen sich mit den Protesten nach und nach auf und sind nicht durch bislang gewohntes Vorgehen zu übertünchen. Letzteres lässt sich beispielsweise an den Reaktionen der Sicherheitskräfte erkennen. Innerhalb der ersten drei Tage der Proteste zählte man bereits 38 Tote und hunderte Verletzte. Streitkräfte der irakischen Regierung (Polizei und Armee) und Paramilitärs, die auf Befehl der iranischen Milizen intervenieren, schossen mit Tränengaskanistern und scharfer Munition auf die protestierenden Menschenmengen. Ihre gnadenlose Antwort auf die Proteste stellt den unmittelbaren Grund für die Eskalation des Konfliktes dar und ebnete den Weg für einen massenhaften Aufstand gegen die herrschende politische und soziale Lage im Allgemeinen.</p><p>Die Gewalt der irakischen Sicherheitskräfte gegen die Protestierenden eskalierte noch einmal <a href="https://www.aljazeera.com/news/2019/11/iraq-security-forces-kill-protesters-nasiriyah-army-deploys-191128084334582.html">Ende November</a>. In Nasiriya, im Süden des Landes, wurden 29 Menschen bei der Blockade einer Brücke getötet; in Najaf wurden 45 Menschen getötet, als die Protestierenden das iranische Konsulat stürmten; in Bagdad verloren schließlich vier Menschen das Leben. Die Sicherheitskräfte hatten mit scharfer Munition geschossen.</p><h2><b>Verelendung der Massen und Korruption</b></h2><p>Die protestierenden Massen befinden sich offensichtlich zwischen dem Hammer der brutalen Unterdrückung und dem Amboss der nicht zu ertragenden Lebensverhältnisse. Wie ist es dazu gekommen?</p><p>Große Teile der irakischen Gesellschaft leiden unter akutem Mangel der Befriedigung von Grundbedürfnissen: zumutbarer Wohnraum, Nahrungs-, Elektrizitäts- und Wasserversorgung, Bildung, Gesundheit, Mobilität, Sicherheit und so weiter. Ein Blick auf die <a href="https://www.mediapart.fr/journal/international/101119/irak-une-economie-ravagee-par-pres-de-quatre-decennies-de-conflits">ökonomische Struktur und Entwicklung des Irak</a> lässt schnell erkennen, weshalb das der Fall ist. In Folge von Krisen, Kriegen und Sanktionen über einen Zeitraum von 40 Jahren hinweg sind die Kapazitäten der allgemeinen Waren- und Dienstleistungsproduktion im Irak im Grunde komplett zerstört worden. Durch die neoliberale Öffnung der Wirtschaft im Zuge der Besatzung und Teil des Plans seitens der USA, den Irak zu einem neuen Modell des Regime-Changes umzuformen – inklusive Integration in den Weltmarkt, wurden die verbleibenden Reste der Produktion einer globalen Konkurrenz ausgesetzt. Dies beschleunigte den <a href="http://nena-news.it/iraq-the-revolution-against-sectarian-system-and-for-social-justice/">Zerfallsprozess</a> weiter.</p><p>Die <a href="https://www.mediapart.fr/journal/international/101119/l-irak-fusionne-enfin-dans-un-souffle-revolutionnaire">Kriege und Krisen</a>, wie zuletzt der Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) 2014 bis 2017, sorgten auch dafür, dass derzeit die Entwicklung eines produktiven Sektors unmöglich scheint. Zu den Folgen zählen zum einen fünf Millionen Binnengeflüchtete, die zum großen Teil noch immer unter extrem prekären Verhältnissen in Lagern leben müssen. Andererseits verstärken derartige Konflikte auch die Zerstörung der Produktivkräfte, indem ihre Grundlagen wie elektrische Versorgung, Möglichkeiten des Warentransports und so weiter unterbunden werden.</p><p>Mit dem Zerfallsprozess ging auch ein <a href="https://tradingeconomics.com/iraq/imports">starker Anstieg des Imports</a> von Produkten des alltäglichen Konsums einher. Schien der Wert der importierten Waren vor dem Hintergrund der Sanktionen vor dem Krieg 2003 mit etwa zehn Milliarden US-Dollar bereits beträchtlich, beträgt er mittlerweile knapp 60 Milliarden US-Dollar. Das von Zeit zu Zeit feststellbare Wirtschaftswachstum geht dabei direkt auf den Output der <a href="https://www.imf.org/~/media/Files/Publications/CR/2019/1IRQEA2019002.ashx">Erdölproduktion</a> zurück. 2018 machte der Erdölsektor 61 Prozent des nationalen Bruttoinlandsprodukts aus. Der Anteil der Erdölproduktion am gesamten Export belief sich indes auf ungeheure 99.6 Prozent. Zwischen 2003 und 2018 wurden durch den Verkauf von Erdöl 850 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet. 2018 deckten die Einnahmen durch Erdölexporte 92 Prozent des budgetierten Haushaltes, während im Hinblick auf die <a href="https://assets.publishing.service.gov.uk/media/5b6d747440f0b640b095e76f/Inclusive_and_sustained_growth_in_Iraq.pdf%20">Beschäftigungsverhältnisse</a> nur ein Prozent der arbeitenden Bevölkerung in diesem Sektor ihr Einkommen generierten.</p><p>Die ökonomische Struktur des Iraks wird im Wesentlichen durch eine doppelte Abhängigkeit – genauer gesagt von Warenimporten und Erdölexporten – und durch Kriege bestimmt. Die sozialen Folgen sind Vertreibung, Massenarbeitslosigkeit, Armut. Letztere nahm innerhalb von vier Jahren rasant zu, sie stieg von 18 Prozent im Jahr 2014 auf 22 Prozent im Jahr 2017, wobei zu vermuten ist, dass die realen Verhältnisse diese offiziell erhobenen Zahlen weit übersteigen. Innerhalb eines Jahres (2014) gingen zudem die Einkommen der Lohnabhängigen um 14.9 Prozent zurück. Doch die Armut drückt sich nicht nur monetär aus. Sie berührt auch die „qualitativen“ Elemente in Form der Grundbedürfnisse, obwohl die Regierung die <a href="http://www.bayancenter.org/en/2018/03/1461/">Investitionen in derlei Infrastruktur</a> stark ausgeweitet hat. Auch weite Teile der Mittelschicht sind davon betroffen.</p><p><a href="https://www.cnbc.com/2019/01/30/iraqs-massive-2019-budget-still-fails-to-address-reform-needs.html">Das Regierungsbudget</a> stieg 2019 im Vergleich zum Vorjahr um 45 Prozent, während 90 Prozent davon durch Erdölexporte finanziert wird. Über die Hälfte des erhöhten Budgets fließt in Form von Löhnen an verschiedenste zivile und militärische Organe des Staates. Ein großer Teil geht an die Milizen und die restlichen Sicherheitskräfte, die nun auch an der Niederschlagung der Proteste beteiligt sind. Ein weiterer fließt in die staatlichen Unternehmen, die eigens für die Bereitstellung der Infrastrukturdienstleistungen gegründet wurde. 2017 arbeiteten ca. eine <a href="https://www.mediapart.fr/journal/international/101119/irak-une-economie-ravagee-par-pres-de-quatre-decennies-de-conflits">halbe Million Angestellte</a> in diesen Unternehmen. Es wird geschätzt, dass insgesamt etwa fünf Millionen Menschen direkt und indirekt abhängig von diesen Löhnen sind. Insofern verspricht die Kontrolle eines Ministeriums für politische Akteure den lukrativen Zugriff auf Finanzquellen, um Strukturen und Positionen zu festigen und Einfluss geltend zu machen. Schätzungen zufolge sind seit 2003 etwa 450 Milliarden US-Dollar in den Korridoren dieses Apparates versickert. Angesichts dieser Dimensionen und der Verelendung im Lichte dieses enormen Reichtums war es also nur eine Frage der Zeit, bis „die Straße“ Rechenschaft fordern sollte.</p><h2><b>Brüche im Machtapparat und globale Einbindungsversuche</b></h2><p>Der durch die Proteste entstandene Druck hat die internen Brüche des Machtapparates zutage gefördert und den Konsens über die Verteilung der Macht vor allem innerhalb des Staates durcheinandergebracht. Alle relevanten politischen Akteure wurden dazu gezwungen, sich zu bewegen und Stellung zu beziehen.</p><p>Als klar wurde, dass der anfangs kleine Aufstand sich aufgrund der exorbitanten Gewalt und ihr zum Trotz rasch in Massenaufstände verwandelte, war es <a href="https://www.unz.com/pcockburn/who-is-muqtada-al-sadr/">Muqtada as-Sadr</a> (ein nationalistischer shiitischer Geistlicher, Anm. Red.) der sich als erster öffentlich gegen die Reaktion der Regierung und des Sicherheitsapparates äußerte. Das überrascht nicht, da Sadrs Bewegung die revoltierenden und mehrheitlich schiitischen und verelendeten Massen bis dato vermeintlich repräsentierte und unter Kontrolle zu haben schien. Im Grunde war es seine Basis, die auf die Barrikaden ging.</p><p>Für die Regierung, an der seine Bewegung als größte parlamentarische Fraktion beteiligt und mit fünf Ministerien vertreten ist, zeichnete sich eine tiefe Krise ab. Sie wurde Ende Oktober dann auch öffentlich verhandelt, als Sadr den amtierenden Premierminister Mahdi zum <a href="https://www.reuters.com/article/us-iraq-protests-sadr-idUSKBN1X71JU">Rücktritt aufforderte</a>. Dieser erinnerte Sadr daran, dass man ihm offensichtlich nicht die <a href="https://www.reuters.com/article/us-iraq-protests-sadr/iraqs-sadr-calls-on-rival-to-join-him-in-ousting-pm-idUSKBN1X825R">alleinige Verantwortung</a> für das harsche Vorgehen gegen die Aufstände geben könne – er sprach letztlich ganz im Sinne der Protestierenden, die sich gegen den Machtapparat als Ganzes erhoben haben.</p><p><a href="https://www.nasnews.com/%D8%A7%D9%84%D8%B5%D8%AF%D8%B1-%D9%8A%D8%B1%D8%AF-%D8%B9%D9%84%D9%89-%D8%B9%D8%A8%D8%AF-%D8%A7%D9%84%D9%85%D9%87%D8%AF%D9%8A-%D9%83%D9%86%D8%AA-%D8%A3%D8%AD%D8%A7%D9%88%D9%84-%D8%AD%D9%81%D8%B8/">Sadrs Antwort</a>, dass Mahdi das Angebot hätte annehmen und würdevoll abtreten sollen, schien den Bruch innerhalb der Regierung zu besiegeln. Er brachte zudem seine Beziehung zur zweitgrößten parlamentarischen Fraktion, der Haschd al-Shaabi und dessen Anführer Hadi Amiri in Anschlag, der sich bereit erklärte, Folge zu leisten. Am selben Tag nahm Sadr an <a href="https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2019/10/iraq-protests-iran-abdul-mahdi-muqtada-sadr-hadi-amiri.html">Protesten in Najaf</a> teil, um sich weiter von der Regierung zu distanzieren und den Verdacht der Mitschuld seiner Bewegung zu verklären. Sadr ist seit jeher dafür bekannt, in der Lage zu sein, seine Positionen prompt zu verändern, ohne größere Konflikte mit Verbündeten oder seiner eigenen Organisation aufkommen zu lassen. Diesmal jedoch erhoben sich auf Seiten der Protestierenden und innerhalb seiner Bewegung viele Stimmen, die Sadrs Glaubwürdigkeit öffentlich anzweifelten. Sie sind wohl der Grund dafür, dass er sich seither nicht mehr wirklich zu den Entwicklungen geäußert hat.</p><p>Ein weiterer Grund dafür ist die <a href="https://www.gazeteduvar.com.tr/yazarlar/2019/11/22/irak-silbastan-kurtler-sifirlanir-mi/">Reaktion</a> des Iran, die Krise durch die Festigung der Machtverhältnisse mittels Vermittlung zwischen den Konfliktparteien zu lösen. Der Iran macht seinen Einfluss meist auf diese Weise geltend. Der Minimalkonsens, der bei Hintergrundverhandlungen augenscheinlich erreicht wurde und auch Sadr einschließt, ist die erneute Sammlung aller relevanter Kräfte inklusive der Haschd hinter Premierminister Mahdi. Am 9. November wurde ein Abkommen mit dem Ziel unterzeichnet, den Premierminister Mahdi in seinem Amt zu bestätigen. Die Treffen wurden vom Kommandeur der al-Quds-Einheiten der iranischen Revolutionsgarde Qasem Soleimani geführt. Neben Sadr und Amiri nahm auch Mohammed Ridha Sistani teil, der Sohn des höchsten schiitischen Würdeträgers, Grossayatollah Ali as-Sistani.</p><p>Der Irak stellt gleichzeitig den wichtigsten konkreten Schauplatz der Auseinandersetzung zwischen dem Iran und den USA dar. Abgesehen von Drohnenangriffen seitens Israel auf iranisch-militärische Kräfte im Irak spielt dieser in der <a href="https://elyazmalari.com/2019/08/15/savasa-10-dakika-var-1/">Verteidigungsstrategie</a> des Irans eine zentrale Rolle. Im November 2018 erklärten die USA unter Trump das – von der Vorgängerregierung Obama mit dem Iran und weiteren internationalen Akteuren ausgehandelte – „Atomabkommen“ für nichtig und erhöhte die Angriffe auf den Iran, sowohl in quantitativer wie qualitativer Hinsicht. Als Teil ihrer Strategie der „<a href="https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8060/">Sanktionskriege</a>“, die unter anderem auch in Venezuela, Kuba und Syrien geführt werden, verhängten sie die bis dato härtesten und umfassendsten kollektiven <a href="https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7774/">Sanktionen gegen den Iran</a>. Im Falle eines militärischen Angriffs seitens der USA und dessen Hauptverbündeten Israel und Saudi Arabien muss der Iran in der Lage sein, zurückzuschlagen. Das bedeutet, die Front möglichst weit in die Breite zu ziehen: von Afghanistan und Pakistan im Osten bis ans Mittelmeer im Westen und den Persischen Golf und das Arabische Meer im Süden. So ist es möglich, den Feind zu beschäftigen, seine Kräfte zu binden und ein Minimum an Kontrolle und Zeit zu gewinnen, um diplomatische Lösungen zu finden, da sich die iranische Führung keine Illusionen über einen militärischen Sieg macht.</p><p>Die USA betrachten den <a href="https://www.middleeasteye.net/opinion/there-hidden-agenda-behind-protests-iraq-and-lebanon">Auflösungsprozess der Regierung</a> als Chance, die Karten neu zu mischen und den Iran angesichts seiner Vermittlungsinitiative im Irak zurückzudrängen. Sie unterstützen die Initiative der Vereinten Nationen, Neuwahlen unter ihrer Aufsicht abzuhalten und Reformen innerhalb des Staates zu begleiten. In Anbetracht des großen Legitimitätsverlustes der politischen Eliten als Ganzes scheint der Spielraum, der sich den USA vor dem Hintergrund von Neuwahlen bietet, eine Gelegenheit zu sein, die sie nicht verpassen dürfen.</p><p>Die Initiative wird im Irak seitens des obersten Klerikers Ali al-Sistani getragen – während der Sohn des Großayatollahs den Auflösungsprozess unterstützt. Daran ist die Tiefe der politischen Krise zu erkennen, die weit über das Parlament hinausreicht, zumal al-Sistani große moralische Autorität innerhalb der schiitischen Massen genießt und sich nur selten politisch äußert. Die Verurteilung der Gewaltakte der irakischen Sicherheitskräfte gegen die Protestierenden drängten Premierminister Mahdi am 30. November dazu, dem Parlament seine <a href="https://www.aljazeera.com/news/2019/11/iraqi-pm-abdul-mahdi-submits-resignation-parliament-191130194657666.html">Rücktrittbereitschaft</a> vorzulegen welche vom <a href="https://www.aljazeera.com/news/2019/12/iraq-pm-offer-quit-country-191201092331173.html">Parlament</a> dann am 1. Dezember auch tatsächlich angenommen wurde. Es handelt sich sicherlich um einen ersten Erfolg für die Bewegung; ein Sieg jedoch, der die Proteste kaum eindämmen wird.</p><p>Was in den öffentlichen Institutionen seither diskutiert wird, sind mehr oder weniger umfassende Reformen im Hinblick auf das Wahlrecht, <a href="https://www.bloomberg.com/opinion/articles/2019-11-19/corruption-is-not-the-root-of-the-arab-world-s-problems">Korruptionsbekämpfung</a> und weitere Verfassungsänderungen. Sie stellen in den Augen der Protestierenden jedoch nichts weiter als Beschwichtigung dar. Aus diesem Grund halten sie ihren Aufstand bis heute am Leben und wissen, dass alle etablierten Akteure Teil des Problems und nicht Teil der Lösung sind.</p><h2><b>Eine „Baghdader Kommune“?</b></h2><p>Die aktuellen Proteste werden von einigen Kommentator*innen als die <a href="https://www.independent.co.uk/voices/iraq-protests-baghdad-adil-abdul-mahdi-revolution-a9142826.html">größten Proteste</a> seit der Ära Saddam Husseins bezeichnet. Hervorzuheben sind diejenigen Aspekte der Proteste, die Hinweise auf einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel liefern. Sicherlich stellt diesbezüglich der 25. Oktober 2019 eine Zäsur dar: Nach dem Beginn der neuen Protestwelle fanden regelmäßige, fast <a href="https://www.rosalux.de/news/id/41228/vom-libanon-bis-zum-irak-von-bagdad-nach-beirut/">tägliche Demonstrationen und Straßenblockaden</a> statt. Seit dem 25. Oktober jedoch ist der Tahrir-Platz in Baghdad permanent besetzt und mittlerweile hat er sich zu einem selbstorganisierten Zeltplatz verwandelt. Die gewalttätige Reaktion der Regierung gegenüber den Protesten hat seither zwar erneut hunderte Tote und tausende Verletzte gefordert, doch dies schwächt die Proteste nicht ab; im Gegenteil, sie betreffen einen immer größer werdenden Anteil der Bevölkerung und entwickeln sich selbstorganisiert. Es handelt sich dabei um eine qualitative Veränderung, um einen Ausdruck von Kreativität und von kollektiv entwickelten, neuen sozialen Normen. Es ist eine Organisierung von unten, welche in nur wenigen Wochen an Kraft gewonnen hat.</p><p>Für viele Demonstrierende stellt der <a href="https://www.aljazeera.com/news/2019/11/protesters-tahrir-square-iraq-191111195848776.html?fbclid=IwAR0r94G07bgw2GqOxmIApcqYKcThcPGwmoiAOnPUk7x60-TY0ZyjftwCpPM">Tahrir-Platz</a> heute tatsächlich all das zur Verfügung, was der irakische Staat Jahrzehnte lang nicht tat: Gesundheitsversorgung, Verteilung von Essen, Aufnahme von Armen, Bildung und Anerkennung aller gesellschaftlich notwendigen Tätigkeiten – all diejenigen sozialen Dienste also, für welche die Menschen auf die Straße gehen. Von Beginn an nehmen <a href="https://www.aljazeera.com/news/2019/11/iraqi-women-protesting-future-191121104303697.html">Frauen</a> massenhaft an den Protesten teil. Die wachsende Vorreiter*innenrolle der Frauen ist beeindruckend: In den Protesten der letzten Jahren kamen frauenspezifische Forderungen kaum zum Ausdruck, Frauen wurden schlicht als Anhängsel der Familie betrachtet und sie beteiligten sich auch in dieser Position an den Protesten. Heute agieren sie hingegen also autonome, politische Subjekte, die eine tragende Rollen in der Tahrir-Platz-Besetzung innehaben und konkrete Forderungen äußern, in erster Linie in Bezug auf Rechtsgleichheit und gleiche gesellschaftliche Beteiligungsmöglichkeiten.</p><p>Unter den Zelten, die das Bild des Tahrir-Platzes zurzeit prägen, bieten Ärzt*innen und Pfleger*innen ihre Dienste an und behandeln sowohl verletzte Demonstrant*innen, als auch diejenigen, die keine Möglichkeiten haben, sich im Gesundheitssystem behandeln zu lassen. Das dafür notwendige medizinische Material wird durch Spenden von Apotheken zur Verfügung gestellt.</p><p>Auch die <a href="https://ilmanifesto.it/un-nuovo-iraq-librerie-scioperi-e-pozzi-di-petrolio-occupati/">Student*innen</a> beteiligen sich an den Protesten. Sie haben zusammen mit den Lehrer*innen in den Städten des Südens gestreikt. Ihre Präsenz auf dem Tahrir-Platz trägt zur Entwicklung einer Bildung von unten bei. In einem leerstehenden Gebäude am Platz, dem <i>Turkish Restaurant</i>, wurde eine Bibliothek mit Büchern in arabischer und englischer Sprache eröffnet. Es handelt sich dabei nicht nur um eine Antwort auf die realen Probleme des öffentlichen Bildungssystems, denn der Analphabetismus unter den Jugendlichen ist weit verbreitet und die Schulklassen zählen bis zu 50 Schüler*innen; die jungen Aktivist*innen der Bibliothek sind auch von größter Bedeutung für die <a href="https://www.opendemocracy.net/en/north-africa-west-asia/a-country-is-in-the-making-report-from-baghdads-occupied-tahrir-square/">Logistik der Proteste</a>: Sie kümmern sich um die Sauberkeit auf dem Tahrir-Platz, stellen Duschmöglichkeiten zur Verfügung und garantieren die Sicherheit der Besetzung.</p><p>Darüber hinaus wird unter den Zelten kollektiv gekocht und das Essen kostenlos allen Anwesenden verteilt. Aus der Nachbarschaft beteiligen sich zahlreiche Familien an der Verteilung von Lebensmitteln. In den leerstehenden Gebäuden rund um den Tahrir-Platz haben sich Obdachlose einquartiert und somit eine sichere Unterkunft gefunden. Allgemein besteht ein hohes Sicherheitsgefühl in der Platzbesetzung, worauf die Protestierenden besonders bedacht sind. Und mittlerweile gibt es auch schon gedruckte Zeitungen, die als Sprachrohr für die Stimmen des Platzes fungieren.</p><p>Für die Proteste von zentraler Bedeutung bleiben weiterhin die Tuk-Tuk Fahrer*innen, die weit verbreiteten Dreirad-Taxis für ärmere Leute, die sich kein Auto-Taxi leisten können. Es handelt sich dabei meist um unter 18-Jährige, die aus den untersten Gesellschaftsschichten kommen, kaum berufliche und soziale Zukunftsperspektiven haben und von der Hand in den Mund leben. Durch die Solidarität mit den Ambulanzen, die während der Proteste nicht in der Lage waren, all die verletzten Demonstrierenden in die Krankenhäuser zu bringen, erlangten sie – wie viele andere marginalisierten Gruppen – eine soziale Anerkennung. Dieser Punkt ist insofern von großer Bedeutung, als sich dadurch Perspektiven und Möglichkeiten auf eine alternative Zukunft beziehungsweise auf eine neue Gesellschaft auftun.</p><p>Bei den <a href="https://www.rosalux.de/news/id/40919/die-bewegung-braucht-fuehrung-organisation-und-klare-perspektiven/">im August stattgefundenen Protesten</a> im Irak fehlte es noch an Führung, Organisation und klaren Perspektiven. Heute scheinen diese Mängel Dank der Besetzung des Tahrir-Platzes und den sich darin entwickelten Instrumenten der Selbstorganisation zumindest teilweise überwunden zu sein.</p><h2><b>Perspektiven der Demokratisierung</b></h2><p>Bei den irakischen Protesten handelt es sich also um weitaus mehr als nur um einen neuen <a href="https://roarmag.org/essays/arab-spring-achcar-interview/">„Frühling“</a>; die Protestierenden charakterisieren ihre Bewegung vielmehr als „(Oktober-)Revolution“. Die desillusionierten Menschen im Irak haben durch den sowohl radikalen wie auch offenen Charakter der Proteste an politischer Kraft und Zukunftshoffnung gewinnen können. Wie grundlegend und weitreichend der Wandel des Bewusstseins der Protestierenden ist, erkennt man an der Verschiebung der Konfliktlinien und der Art der Opposition, samt ihren Folgen: Die politischen Akteure als Ganzes stellen für die Protestierenden das Problem dar. Dieser Aspekt ist deshalb von größter Wichtigkeit, weil dadurch die Möglichkeit entsteht, den unglaublich tiefen konfessionellen Charakter der Konflikte zu überwinden, der die Protestdynamiken der vergangenen Jahrzehnte bestimmte. Er wird bereits von den Protestierenden praktisch und täglich überwunden und stellt die Unmöglichkeit der Weiterführung konfessioneller Politik unter Beweis. Kaum jemand hatte eine solche Entwicklung erwartet. Doch plötzlich ist sie Realität und hat insofern den Namen „Revolution“ verdient; denn gestern noch war es ohne größeres Unglück möglich, das Leben zu verlieren, weil man zur falschen Zeit und am falschen Ort der falschen Konfession angehörte. Allerdings: der irakische Machtapparat wird diesbezüglich das „Unmögliche“ versuchen. Um am Leben zu bleiben wird er weiterhin mit gewaltsamer Unterdrückung reagieren – und auch darauf müssen sich die Protestierenden einstellen.</p><p>Die aktuelle <a href="https://revoltmag.org/articles/es-ist-notwendig-den-willen-der-menschen-von-unten-zu-erkennen/">Protestwelle im Mittleren Osten und in Nordafrika</a> kann Hinweise auf mögliche politische Ausgänge des irakischen Protests geben. Im Sudan und in Algerien haben die sozialen Bewegungen die Proteste und Mobilisierung lange aufrechterhalten, um so zu vermeiden, von Teilen der Regimes instrumentalisiert zu werden. Im Sudan konnte schließlich die <i>Sudanese Professionals Association</i> (SPA), eine Dachorganisation von 17 sudanesischen Gewerkschaften, die Stimmen der Plätze vereinen und so als von den Protesten legitimierter politischer Akteur mit dem Militär Verhandlungen für den demokratischen Übergang führen. In Algerien hingegen wurde bewusst darauf verzichtet, eine breit abgestützte politische Kraft zu gründen, um mit dem Regime einen demokratischen Übergang zu organisieren. Hier werden weiterhin Neuwahlen abgelehnt und die radikale Erneuerung des politischen Systems gefordert, welches mittels einer konstituierende Versammlung organisiert werden soll. In Ägypten schließlich unterdrückte das Regime von al-Sisi die aufkommende Bewegung von Beginn an gewaltsam. Die Festnahme von Tausenden von politischen Aktivist*innen schränkte die Wiederbelebung der sozialen Bewegung noch einmal massiv ein und erstickte sie letztlich relativ schnell im Keim.</p><p>Der Ausgang der Proteste im Irak wird ebenfalls im Wesentlichen von einem machtinternen und von einem bewegungsinternen Faktor abhängig sein. Was den ersten betrifft, so haben mit Blick auf den Irak die Parlamentswahlen im Jahr 2018 die Karten neu gemischt: Die populistischen Kräfte um al-Sadr wurden in den institutionellen Machtapparat integriert und diese spielen nun eine zentrale Rolle für die Machtbalance innerhalb des irakischen Schiitentums. Es ist schwer vorstellbar, dass offene Konflikte ausgetragen werden, die zur Stärkung der sozialen Proteste beitragen und so die Möglichkeiten eines radikalen Bruches erhöhen würden. Vielmehr stellt sich die Frage, wie ein neues Machtgleichgewicht zwischen den sich teilweise konkurrierenden, teilweise zusammenarbeitenden Strömungen des politischen Schiitentums gefunden werden kann. Zudem wird sich zeigen müssen, wie groß die ökonomischen Möglichkeiten und der politische Wille der herrschenden Parteien für soziale Zugeständnisse sind.</p><p>In Bezug auf die inneren Dynamiken der Bewegung, handelt es sich bei der Tahrir-Platz-Besetzung um einen fundamentalen qualitativen Sprung nach vorn. Einen eigenen, selbst-repräsentativen und organisierten Ausdruck der Plätze gibt es jedoch noch nicht. Es geht hier nicht darum, einen charismatischen Leader oder schlicht die avantgardistische Partei zu finden, welche die Bewegung führen wird. Es wird darum gehen, ein Netzwerk von popularen Organisationen – unabhängige Gewerkschaften, Kollektive von Arbeitslosen, Nachbarschafts-Räte, Student*innenorganisationen, feministische Kollektive und so weiter – von unten aufzubauen, das gleichzeitig radikale und unmittelbar umsetzbare politische Forderungen über die herrschenden Koordinaten hinaus entwickeln und verteidigen kann. Der Aufbau einer solchen organisierten Struktur stellt die größte Herausforderung aufseiten des Aufstands dar.</p></div>
</section>
</article>
<footer class="__wrapped-content">
<div class="columns is-desktop">
<div class="column is-7-10">
<section class="content content-license padded">
<h2>Lizenzhinweise</h2>
<p>Copyright © 2017 re:volt magazine Redaktion - Einige Rechte vorbehalten</p>
<p>
Die Inhalte dieser Website bzw. Dokuments stehen unter der <a href="http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/">Creative Commons Namensnennung-NichtKommerziell-KeineBearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz</a>.
Über diese Lizenz hinausgehende Erlaubnisse können Sie über unsere <a href="/contact">Kontaktseite</a> erhalten. Bilder sind von dieser Lizenz ausgeschlossen und Eigentum ihrer jeweiligen Urheber_innen.
</p>
<p class="print-remove">
<a id="imprint" href="/imprint">Impressum</a> |
<a id="privacy" href="/imprint#privacy">Datenschutz</a>
</p>
</section>
</div>
</div>
</footer>
</div>
Retour au Caire2018-04-14T12:21:51.530437+00:002018-04-14T12:24:49.211430+00:00Juleredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/retour-au-caire/
<div style="background: #eaeaea; width: 100%; height: 100%">
<style>
.__wrapped-content {
max-width: 670px;
padding: 1.5rem;
margin: 1.5rem auto;
background: white
}
</style>
<article class="__wrapped-content">
<link href="/static/revoltmag/app.bc8423e0087c1cde5a69.css" rel="stylesheet"><meta name="apple-mobile-web-app-title" content="re:volt mag"><meta name="apple-mobile-web-app-capable" content="no"><meta name="apple-mobile-web-app-status-bar-style" content="black"><meta name="theme-color" content="#99020b"><link rel="apple-touch-icon" sizes="180x180" href="/static/revoltmag/icon_180x180.f95a8c6b74bb715d326c7790779a0330.png"><link rel="manifest" href="/static/revoltmag/manifest.307d5e0f476ef238b243c472abadb46c.json"><link rel="icon" sizes="180x180" href="/static/revoltmag/icon_180x180.f95a8c6b74bb715d326c7790779a0330.png"><script defer="defer" src="/static/revoltmag/app.bc8423e0087c1cde5a69.js"></script>
<header class="content">
<h1>Retour au Caire</h1>
</header>
<div class="content-image">
<div class="content-image-wrapper">
<img alt="retour_au_caire" height="420" src="/media/images/retour_cairo.2e16d0ba.fill-840x420-c100.jpg" width="840">
</div>
</div>
<section class="content content-section content-type-paragraph">
<div class="rich-text"><p>
</p>„Du
hättest dir wirklich keine beschissenere Zeit aussuchen können, um
nach Kairo zu kommen. Die Lage könnte schlimmer kaum sein und das
auf allen Gebieten. Ob auf der politischen, der ökonomischen oder
der kulturellen Ebene; überall finden Verschärfungen statt.“ So
eröffnete Jano, eine linker Aktivist und Journalist, unser Gespräch
zur aktuellen Lage in Ägypten. Wir sitzen an einem Samstag Ende März
2018, wenige Tage vor den Präsidentschaftswahlen, in seinem
Apartment in einem südlichen Vorort von Kairo. Bereits
seit mindestens einer halbe Stunde waren
wir
zusammen und hatten uns etwas kennen gelernt. Doch nun sollte es um
das gehen, weswegen ich zu ihm gekommen war: Ich wollte aus erster
Hand über die Entwicklungen des Landes erfahren, das ich zuletzt vor
sieben Jahren besucht hatte.<b><br/></b><h3><b>Tahrir
2011 / 2018</b></h3><p>
</p><p>
Janos
Eröffnung bestätigte den Eindruck, den ich mir bereits in der Nacht
zuvor bei einem ersten Spaziergang durch Downtown Kairo gemacht
hatte. Nichts erinnerte mehr an diesen Morgen Ende März 2011, als
wir uns mit dem Taxi unserem unweit des Midhan Tahrir gelegenen
Hostels nähernd, Rauchwolken aufsteigen sahen, die wohl einem
abgebrannten Militärwagen entstammten. Nichts war mehr übrig
von den überall prangenden revolutionären Parolen auf den Wänden
in der Innenstadt. Und auch keine von den damals so zahlreichen
Verkäufer*innen von T-Shirts mit dem Aufdruck „25th January –
Revolution“, also jenem Datum, an dem zum ersten Mal
hunderttausende in der Innenstadt in der Commune des Tahrir-Platzes
zusammenkamen, waren mehr zu sehen. Damals, im März 2011, als wir in
Kairo eintrafen, hatten die Ägypter*innen bereits das Unglaubliche
geschafft: Sie hatten einen seit vielen Jahren das Land regierenden
und ausplündernden Despoten aus dem Amt gejagt. Doch der Hass auf
die Polizei war aus guten Gründen noch groß und es war noch alles
andere als ausgemacht, wie es politisch mit dem Land weitergehen
würde. Also dauerte die Besetzung des Platzes an - ebenso wie die
Straßenschlachten. Philip Rizk zitiert in einem Artikel einen vom
ihm im Frühjahr 2011 gefilmten Mann. Dieses Zitat gibt die Bedeutung
des Tahrir-Aufstandes
für das Selbstbewusstsein der Menschen eindrucksvoll wieder: „I
swear I used to walk here scared. Today, look, I am walking freely. I
feel safe. Should I feel safe in these days, or are these supposed to
be days of fear?“ [1]</p><p>
</p><p>
Im
März 2018 ergab sich mir ein ganz anderes Bild: Der Platz ist wieder
fest in der Hand der Polizei und des Militärs. Einzelne
Menschengruppen sitzen inmitten der ununterbrochen von Autos
umrundeten Verkehrsinsel. Auf diese ist ein Bildschirm gerichtet, der
24 Stunden am Tag entweder Reden Al-Sisis abspielt oder Manöver des
ägyptischen Militärs zeigt. Von vielen, den kreisförmigen Platz
umgebenden, Gebäuden hängt ein Banner mit Portraits des neuen
Despoten. Eines wurde offensichtlich für Touris wie mich aufgehängt
und verkündet in englischer Sprache ganz bescheiden: „Al-Sisi is
the best“. Andere Banner wurden von privater Seite bezahlt und
tragen neben Wahlwerbung für den gerade genannten auch Logos von
Firmen, die wohl auf zusätzliche Aufträge durch diese kleine
Gefälligkeit hoffen. Auch gegenüber meiner Kairoer
Lieblingskneipe „El Horreya“, wo damals Porträts der Märtyrer
der Revolte hingen, deren junge, lebensfrohe Gesichter sich mir
unauslöschlich ins Gedächtnis gebrannt haben, baumeln nun lange
Banner mit dem Portrait des Präsidenten, eingerahmt von riesigen
Nationalflaggen. Auch
dessen Gesicht werde ich so schnell nicht vergessen.</p><p>
</p><h3>
<b>Die
Wahlfarce</b></h3><p>
</p><p>
Bekanntermaßen
gewann Al-Sisi die Wahl einige Tage später mit 97% der abgegebenen
Stimmen. Die ca. zwei Millionen ungültigen Wahlzettel, die die Zahl
von ca. 800.000 abgegebenen Stimmen für den einzigen Gegenkandidaten
Moussa Mostafa Moussabei (ein Unterstützer Al-Sisis) bei
weitem
übertrafen und dafür sorgten, dass der zweite Kandidat auf dem
dritten Platz landete, waren in dieser Prozentzahl jedoch nicht mit
eingerechnet. Doch den Ausschlag für dieses Ergebnis hatte
sicherlich nicht die an jeder Ecke angebrachte Wahlwerbung gegeben,
sondern seine seit dem Amtsantritt gnadenlos angewandte
Lieblingsmethode: blanke Repression und Gewalt. Alle ernsthaften
Gegenkandidaten wurden vorsichtshalber bereits im letzten Jahr ins
Gefängnis gesteckt. Dementsprechend
gingen sowieso nur die Unterstützer*innen Al-Sisis zur Wahl.</p><p>
</p><h3>
<b>Das
Al-Sisi Regime</b>
</h3><p>
</p><p>
Angetreten
war Al-Sisi kurz nach seinem Putsch am 03. Juli 2013 mit einem
riesigen Blutbad. Am 13. August 2013 versammelten sich immer noch
tausende Anhänger*innen des gerade abgesetzten Präsidenten Mursi in
den Straßen. Im Laufe des Tages rief das Militär die mehrheitlich
aus Unterstützer*innen der Muslimbrüder bestehende Menge dazu auf,
sich zu zerstreuen und warf Flyer mit derselben Forderung aus einem
Helikopter ab – allerdings ohne Ultimatum. Kurz darauf sollte ein
beispielloses Massaker beginnen. Militärs rasten mit Bulldozern in
die Menge. Maschinengewehre wurden angesetzt und Soldaten schossen
ohne Unterschied scharf
in die Versammlung.
Einige Stunden später waren über tausend Menschen tot. Es war die
klare Ansage des Militärs: Jede*r, der*die sich ab jetzt gegen unser
neues Regime wehrt, kann damit rechnen, erschossen zu werden. Seitdem
herrscht Friedhofsruhe im Land. Zehntausende politische Gefangene
sitzen im Gefängnis und Folter gehört zum (Polizei-)Alltag. Für
die Militärs war der größte von Mubarak begangene Fehler der, dass
er die Opposition – wenn auch in sehr begrenztem Maße - gewähren
ließ. Sie sind nun entschlossen, mit allen Mitteln zu verhindern,
dass sich
dieser
„Fehler“ wiederholt.</p><p>
</p><p>
Wie
Jano erzählte, hat es das Militärregime mit dieser Methode
geschafft, innerhalb kürzester Zeit die mit dem Aufbruch von 2011
verbundene Hoffnung zunichte zu machen. Es sei inzwischen ganz
normal, dass Menschen
für Jahre ohne Anklage hinter Gittern landen. Daher nehme auch
niemand mehr an Demonstrationen teil. „Wer hat schon Lust mit
gerade mal 50 Hanseln ein paar Meter die Straße runterzulaufen und
dafür für fünf Jahre im Gefängnis zu verschwinden?“, fragt er
lakonisch. Nach der Revolution seien linke Zirkel aufgeblüht, ein
lebhaftes linkes Milieu sei entstanden und zum ersten Mal seit
Jahrzehnten sei wieder öffentlich über Themen wie
Anarchosyndikalismus diskutiert worden. Heute ist davon nichts mehr
übrig. Alle Linken, die er kenne, sitzen entweder im Gefängnis,
sind ins Ausland geflohen oder haben sich vollkommen aus dem
politischen Leben zurückgezogen. Auch er selbst hat konkrete Pläne,
demnächst das Land zu verlassen. „There is no hope left.“, fasst
er die Lage kurz und prägnant zusammen.</p><p>
</p><h3>
<b>Neue
Repression</b></h3><p>
</p><p>
Dass
es soweit kommen konnte, sei bis zum Tag des Putsches aber alles
anderes als ausgemacht gewesen. Denn die Muslimbrüder installierten
zwar ohne Zweifel ein erzreaktionäres Regime, sie konnten dieses
aber nur sehr begrenzt entfalten, da sie sich die Macht immer noch
mit dem Militär teilen mussten. Und dieses
setzte vieles, was von den Muslimbrüdern angeordnet wurde, einfach
nicht um. Durch dieses Machtgleichgewicht entstanden ungeahnte
Freiräume, in denen sich auch diskriminierte Minderheiten wie LGBTIs
zögerlich entfalten konnten. Gerade im Umgang mit dieser Gruppe
zeigt sich, wie repressiv das aktuelle Regime ist. Während sich bis
2013 vor allem in Downtown eine homosexuelle Subkultur entwickeln
konnte,
hat das Militär damit schnell Schluss gemacht. Auch deren letztes
Refugium, das Internet, wurde durch die Infiltration geschlossen.
Hunderte sind im Gefängnis gelandet, etwa weil sie sich über
Flirt-Apps
wie <i>Grindr</i>
mit Polizeiagenten verabredet hatten und nun mit dem Vorwurf der
„Ausschweifung“ konfrontiert sind (Homosexualität selbst ist im
Land gar
nicht verboten). Am deutlichsten zeigt ein Vorfall aus dem Herbst
letzten Jahres, welch obsessiven Charakter die Verfolgung aller
Zeichen homosexuellen Lebens angenommen hat. Bei einem Konzert der
libanesischen Band „Mashrou’ Leila“ zeigten Zuschauer eine
Regenbogenflagge. Das Bild ging als empowerndes Signal durch die
sozialen Medien, was den Militärs gar nicht passte. Mehrere Leute,
die um die Flagge standen, wurden ausgemacht, Verhaftungen folgten
und eine Person wurde inzwischen unter dem Vorwurf der
„Ausschweifung“ zu einer sechsjährigen Gefängnisstrafe
verurteilt.</p><p>
</p><p>
Auch
wenn diese äußerste Repression (und zwar nicht nur gegen
LGBTIs) darauf schließen lässt, dass sich das Regime nur durch
blanke Gewalt an der Macht hält, konnten die Militärs anfangs
durchaus noch auf eine populäre Unterstützung zählen. Mursi hatte
etwa 50% der Stimmen erhalten, der Rest der Gesellschaft stand seinem
Programm der Durchislamisierung der Gesellschaft eher kritisch
gegenüber (natürlich außer den noch radikaleren Salafisten). Daher
konnten sich die Militärs als zwar auch frömmelndes aber dennoch
irgendwie säkular
wirkendes Gegengewicht präsentieren, so überzeugte Anhänger*innen
hinter sich scharen und große Mobilisierungen gegen die Muslimbrüder
für ihre eigene Agenda vereinnahmen. Doch nach fünf Jahren sind nur
noch sehr wenige überzeugte Anhänger*innen übrig geblieben. Denn
die Probleme des Landes sind unübersehbar. So schreitet die
Inflation mit einem ägyptischen
Pfund, das in kurzer Zeit mehr als die Hälfte seines Wertes verloren
hat, stetig voran, während gleichzeitig die Preise für
Grundnahrungsmittel kontinuierlich steigen. Eine Situation, die in
einem Land, in dem bereits das Gerücht über die Kürzung der
Brotsubventionen tagelange Aufstände auslösen kann, nicht ewig gut
gehen kann. Zumal auch die Sicherheitssituation trotz des Gebahrens
des Militärs als Hüter von Recht und Ordnung überhaupt nicht rosig
ist. Besonders das Problem der im Sinai operierenden <i>IS</i>-Ableger
ist längst nicht unter Kontrolle und stellt eine weitere tickende
Zeitbombe dar. Und auch die mörderischen Angriffe auf koptische
Christ*innen
vermehren sich. Erinnert sei hier nur an das Massaker am 29. Dezember
2017,
dem 11 Kopt*innen
zum Opfer fielen. Der Schluss, dass es früher oder später wieder zu
Aufständen kommen muss, liegt daher alles anderes als fern. Doch
dieses Mal werden sie wohl nicht mehr den Charakter einer
Platzbesetzung haben, sondern von vornherein sehr viel
militarisierter von statten gehen. Das Regime konnte genau diesen
Aspekt, der vielen im Land bewusst ist, bislang in einen
ideologischen Trumpf für sich selbst verwandeln.
Denn obwohl sich die soziale Lage stetig verschlechtert, können sie
darauf verweisen, dass ohne ihre harte Hand das Land in einem
Bürgerkrieg zu versinken drohe.
Die Situation in Syrien oder in Libyen bildet hierfür die
bedrückende Blaupause.</p><p>
</p><h3>
<b>Epilog</b></h3><p>
</p><p>
Mit
diesen düsteren Eindrücken einer Revolution, die innerhalb von
wenigen Jahren durch ein konterrevolutionäres Regime ersetzt wurde,
das noch repressiver agiert, als das einige Jahre zuvor gestürzte,
fahre ich einige Tage später weiter Richtung Süden. Dabei habe ich
die Intention, mich nicht mehr mit der beschissenen aktuellen
politischen Lage zu beschäftigen und mir stattdessen die Wunder des
antiken Ägyptens anzuschauen. Mit Befriedigung stelle ich fest, dass
auch die Pharaon*innen
nicht so allmächtig waren, wie sie immer erscheinen.
Spätestens wenn sie mit dem Tod konfrontiert waren, mussten sie sich
überlegen, wie sie den Reichtum, den sie in das nächste Leben
mitnehmen wollten, möglichst ohne Wissen derer, durch deren
Auspressung sie sich all die Schätze überhaupt erst aneignen
konnten, neben ihrer Leiche platzieren konnten. Und so entschieden
die Pharaon*innen
des „Neuen Reichs“, sich als Tote nicht mehr in protzigen
Pyramiden mit ihren Reichtümern einzuquartieren, sondern ihre
Grabkammern in ein karges, östlich von Luxor gelegenes Gebirge
schlagen zu lassen, sowie
die Eingänge so gut wie möglich zuzumauern und zu verstecken. Doch
dies half alles nichts. Denn irgendjemand musste die Grabkammern ja
auch in den Berg schlagen und
das Wissen über ihre Lage und Architektur haben.
Und so eigneten sich die Arbeiter*innen
des ägyptischen Altertums noch vor dem Ende dieser Zeitepoche wieder
das an, was ihnen sowieso zusteht. Die Pharaon*innen
mussten zusehen,
wie sie
im nächsten Leben ohne ihre Reichtümer zurecht kamen. Wenn
die politische Lage auch noch so aussichtslos erscheint, wissen wir
doch, dass die Unterdrückten und Ausgebeuteten immer Wege finden
werden, den Herrschenden ein Schnippchen zu schlagen. Irgendwann
werden sie wieder in der Lage sein, die Herr-Knecht-Dialektik zu
ihrem Gunsten zu nutzen. Hoffen wir, dass die arbeitende Klasse
Ägyptens nicht erst auf den Tod ihres aktuellen Despoten warten
muss, sondern demnächst ihr Schicksal wieder selbst in die Hände
nehmen wird.
</p><p>
</p><p>
</p><p>
</p><p>
________________________________________________________________________________</p><p>
</p><p>
</p><p>
<b>[1]</b>
Philip
Rizk, Fear the everyday state, in: Emotional Architecture
(Hrg.), No fantasy without protest, Kairo 2015</p><p>
</p><p>
<br/>
<br/>
</p></div>
</section>
</article>
<footer class="__wrapped-content">
<div class="columns is-desktop">
<div class="column is-7-10">
<section class="content content-license padded">
<h2>Lizenzhinweise</h2>
<p>Copyright © 2017 re:volt magazine Redaktion - Einige Rechte vorbehalten</p>
<p>
Die Inhalte dieser Website bzw. Dokuments stehen unter der <a href="http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/">Creative Commons Namensnennung-NichtKommerziell-KeineBearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz</a>.
Über diese Lizenz hinausgehende Erlaubnisse können Sie über unsere <a href="/contact">Kontaktseite</a> erhalten. Bilder sind von dieser Lizenz ausgeschlossen und Eigentum ihrer jeweiligen Urheber_innen.
</p>
<p class="print-remove">
<a id="imprint" href="/imprint">Impressum</a> |
<a id="privacy" href="/imprint#privacy">Datenschutz</a>
</p>
</section>
</div>
</div>
</footer>
</div>