re:volt magazine Archivhttps://revoltmag.org/articles/?tags=4112018-06-22T07:45:28.635328+00:00Ein antifaschistischer Wind weht2018-06-21T23:00:47.337019+00:002018-06-22T07:45:28.635328+00:00Alp Kayserilioğluredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/ein-antifaschistischer-wind-weht/
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<h1>Ein antifaschistischer Wind weht</h1>
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<img alt="Diyarbakir feiert die Abschlusskundgebung der HDP vor den Wahlen" height="420" src="/media/images/diyarbakir.6d5f84c8.fill-840x420-c100.jpg" width="840">
<span class="content-copyright">Sertaç Kayar</span>
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<div class="rich-text"><p>Diyarbakır ist keine Stadt des Sultans. Bei der
Abschlusskundgebung der HDP in Diyarbakır am vorgestrigen Tag schwappen die
Straßen fast über vor euphorischen HDP-Anhänger*innen. Ein nicht endender Strom
an Menschen bewegt sich sternförmig auf den Kundgebungsort, den Bahnhofsplatz,
zu. Unter ihnen auch wir, eine Wahlbeobachtungsdelegation aus der Region
Köln-Bonn. Eine Frau drängelt sich an mir vorbei und entschuldigt sich im
Vorbeigehen strahlend: „Ich bin soooo aufgeregt!“ Ich nehme es ihr nicht übel,
genauso wenig wie die unzähligen Menschen um mich, mit denen ich eine gefühlte
Ewigkeit lang Körper an Körper dicht gedrängt an der Eingangskontrolle zur Demo
warte. Wo die Menschen vor überquellenden Straßen nicht mehr zur Kundgebung
kommen, halten sie einfach ihre eigene spontane Kundgebung ab. Das Fahnenmeer
wogt und als Pervin Buldan, Co-Vorsitzende der HDP und Rednerin, die
„Cliquenmentalität der Barbaren in Suruç“ verflucht, geht eine Welle der
Entrüstung durch die Menge. Als sie Selahattin Demirtas grüßt, jubeln die
Tausenden noch lauter. Sertac Kayar, langjähriger Profifotograf in der Region,
redet davon, dass er so etwas noch nie gesehen hat. Auch die anderen
Beobachter*innen reden von einer Energie und einer Menge an Menschen, die die
Größenordnung der HDP-Abschlusskundgebung vom 5. Juni 2015 übertrifft, welche
als bisheriger Höhepunkt der HDP galt.
</p>
<h2><b>Inmitten von
Sturmwinden</b></h2>
<p>Ein Tag zuvor: Als wir das Büro des Menschenrechtsvereins
IHD in Diyarbakır betreten, sind diese gerade damit beschäftigt, Strafanzeige
gegen den Innenminister Süleyman Soylu zu stellen. Der hatte zwei Tage vor
unserer Ankunft in Diyarbakır zu verstehen gegeben, dass im Prinzip alle
wichtigen zivilgesellschaftlichen Organisationen aus Diyarbakır
PKK-Organisationen oder Unterstützer der PKK seien. Grund dafür war der Versuch
einiger zivilgesellschaftlicher Organisationen aus Diyarbakır, inklusive der
Ärzte- und der Industrie- und Handelskammer, gemeinsam nach Suruç zu fahren. In
der HDP-Hochburg hatten am 14. Juni zwei schwerbewaffnete Securities des
lokalen AKP-Parlamentskandidaten İbrahim Halil Yıldız das
Feuer auf den Laden von Hacı Esvet Şenyaşar eröffnet. Dieser hatte dem AKP-Mann
zuvor zu verstehen gegeben, dass die AKP von dort keine Stimmen bekäme. Im daran
anschließenden Gefecht sterben zwei Menschen, weitere müssen schwerverletzt ins
Krankenhaus gebracht werden. Dort geht das Massaker weiter. Der Ladenbesitzer
Hacı Esvet und seine Familienangehörigen Adil und Celal Şenyaşar werden von den
AKP-Männern auf <a href="http://www.mezopotamyaajansi12.com/tum-haberler/content/view/27261">brutale
Weise angegriffen</a>, gefoltert und an Ort und Stelle erschossen
beziehungsweise erstochen. Mehmet Şenyaşar, ein anderes Familienmitglied, überlebt
<a href="http://sendika62.org/2018/06/suructa-akplilerin-elinden-canli-kurtulabilen-mehmet-senyasar-bicakladilar-kursun-siktilar-olu-taklidi-yaptim-498237">durch
Glück</a>. Er hatte sich totgestellt. Einen Tag vor diesem brutalen Angriff wurde
ein Video von Erdoğan geleakt, in dem er gegenüber Ortsvorstehern betont, dass diese
„besondere Maßnahmen“ gegenüber der HDP anwenden müssten, weil deren Scheitern an
der Wahlhürde ein entscheidender Moment für die AKP wäre.</p>
<p>Obgleich die Situation vor Ort oberflächlich viel ruhiger
und entspannter ist als Anfang 2016, als ich das letzte Mal vor Ort war –
mitten im Krieg –, zeigen alleine diese aufeinanderfolgenden Ereignisse als Spitze
einer Reihe von Eskalationen, wie angespannt und extrem polarisiert die
Situation wirklich ist. Der faschistoide <i>rollback</i>
setzte zwar mit der militärischen Niederschlagung der
Selbstverwaltungsstrukturen in den Jahren 2015-16 ein, verschärfte sich aber
dramatisch mit dem Ausnahmezustand, der im Zuge des Militärputsches im Juli
2016 quasi in Permanenz verhängt wurde. Seitdem sind alle bis auf zwei der über
100 kurdischen Bürgermeister*innen per Gesetzesdekret (KHK) ihres Amtes
entfernt und durch von Ankara eingesetzte Zwangsverwalter ersetzt worden. Diese
revidierten alle Errungenschaften der letzten Jahre: Sehr oft wurden
mehrsprachige Schilder mit rein türkischsprachigen Schildern ersetzt oder in
nationalistischer Manier Orte umbenannt; Dutzende Vereine, darunter über 40
Vereine, die auf die Stärkung und Gleichstellung von Frauen zielen, wurden
geschlossen und ihre Vereinsräume samt Mobiliar und Archiven geleert oder für
niemanden mehr zugänglich abgesperrt. In den verbliebenen Frauenvereinen werden
nun Korankurse abgehalten und am 8. März dozierte der Mufti Diyarbakırs im
Kongresszentrum der Stadt darüber, was die Stellung der Frau im Islam ist. Hinzu
kommen Tausende Entlassungen und Schließungen von Presse- und Medienorganen. Die
„frei“ werdenden Stellen werden ersetzt durch eigene Leute – manchmal gar durch
Familienmitglieder. Zieht man noch in Betracht, dass auch Erinnerungsorte wie
zum Beispiel das Monument zur Erinnerung an das Massaker von Roboski entfernt
wurden, dann lässt sich mit Fug und Recht von einem Versuch der „Auslöschung
kollektiver Erinnerung und kollektiven Gedächtnisses“ sprechen, wie es die
Kolleg*innen im IHD tun. Anstelle dessen schmückt das Konterfei Erdoğans seit
dem Referendum 2017 das – ohne Übertreibung – gesamte Stadtbild. An jeder
Laterne hängt ein Bild von ihm als Präsidenten – trotz, dass der Hohe Wahlrat
YSK entschieden hat, dass die Plakate abgehängt gehören. „Es gibt keine
Institutionen, die diese Entscheidung des Wahlrats umsetzen“, so erzählen uns die
IHD-Vorstandsmitglieder trocken.</p>
<h2><b>Das Repressionsregime
der „Sicherheit“</b></h2>
<p>Im Namen der Ordnung und der Wahrung der „Sicherheit“ herrscht
hier ein Repressionsregime. Öffentliche Veranstaltungen, Treffen,
Versammlungen, Demonstrationen sowieso sind fast durchgehend verboten – außer
sie findet aus Regierungskreisen heraus organisiert statt. Als die HDP Diyarbakır
wegen der Invasion Afrins eine Demo machen will, verhindern Polizisten sie
daran, überhaupt das Büro zu verlassen. Sogar die Samstagsmütter, die für die
Aufklärung der „Morde unbekannter Täter“ in den 1990ern, denen ihre Kinder zum
Opfer fielen, kämpfen, dürfen nicht mehr im Freien demonstrieren – seit über 90
Wochen demonstrieren sie drinnen. „Es gibt keine Vorstandsperson in
demokratischen oder zivilgesellschaftlichen Organisationen in Diyarbakır, die
nicht im Zuge dieser Entwicklungen mal kürzer, mal länger in Untersuchungshaft
saß“, so Yüksel Aslan Acer, Sekretärin des IHD Diyarbakır und ehemalige
Angestellte der Stadt, bis sie ebenfalls per KHK gefeuert wurde. Sie selbst saß
20 Tage in U-Haft, bis ihre Aussage aufgenommen wurde. Danach erhielt sie eine
wöchentliche Meldeauflage. Beim ersten Gerichtsverfahren wurde sie
freigesprochen. „Pure Willkür, um zu zermürben“, so ihr Kommentar. In der Tat:
Gegen fast jede Person, die wir treffen und die auch nur entfernt pro-kurdisch
und oppositionell eingestellt ist, wurde oder wird weiterhin zumindest
ermittelt, Personen in höheren Funktionen von zivilgesellschaftlichen
Organisationen werden ihres Amtes per Gesetzesdekret enthoben. Das heißt dann
nicht nur, dass sie kein öffentliches Amt mehr bekleiden können, sondern dass
sie auch in keinem privaten Verein oder Unternehmen mehr leitende Funktionen
übernehmen können. Dermaßen Entlassene wechseln, wo sie Glück haben, zu viel
schlechteren Bedingungen in private Anstellungen. Oder, was relativ oft
geschieht, sie machen kleine, zum Teil kooperative Läden auf, verkaufen
Eigentum, verlassen sich auf Freunde und Familie.</p>
<p>Der Rundumschlag trifft alle. In einer sehr sicheren,
ruhigen und etwas ab vom Schuss gelegenen Siedlung treffe ich zwei alte
Bekannte von mir. Die Siedlung wird bevölkert von
Mittelklassen-Professionellen: Anwält*innen, Ärzt*innen, Lehrer*innen und so
weiter. 38 von 40 Haushalten sind pro-HDP, zwei isolierte, nicht in die
Siedlungskommune eingebundene Haushalte sind pro-AKP eingestellt. Mindestens
fünf Personen aus den pro-HDP Haushalten wurden ihres Amtes entfernt, gegen
zahlreiche andere wurden Ermittlungen aufgenommen. Einer sitzt immer noch in
Haft, eine ganze Familie flieht in die Schweiz, mehrere Haushalte überlegen es
ihnen gleich zu tun und ihre Koffer stehen quasi täglich bereit. Denn über
Monate hinweg findet eine nächtliche Großrazzia des Militärs nach der anderen
statt. Nachdem ein Großteil ihres Freundeskreises zumindest einmal in
Untersuchungshaft landet, warten meine beiden Bekannten darauf, dass sie dran
sind. Bisher sind sie „verschont“ geblieben, was heißt: Er wurde für 3,5 Monate
suspendiert (und dann wieder zurückgeführt), sie wurde entlassen. „Aber beim
nächsten KHK kann es uns wieder treffen“, meinen sie beide trocken. Ein pro-HDP
türkischer Lehrer redet davon, dass sich „für uns die Frage stellt, ob
überhaupt noch eine einigende Politik möglich ist“. Sein „uns“ bezieht sich
hier offensichtlich nicht auf die ethnische Kategorie „Kurd*in“: Sie bezieht
alle mit ein, die sich wie er Diyarbakır und der Region zugehörig fühlen, dem
Regime oppositionell eingestellt sind und die demokratischen Rechte der Kurd*innen
anerkennen. Die gesellschaftliche Polarisierung verschärft sich und durchkreuzt
mittlerweile Klassen- und zum Teil eben auch ethnische Unterschiede. Die
Mittelklassen machen sich Sorgen um ihre Zukunft und vor allem die ihrer Kinder,
Säkulare bangen um ihren Lebensstil, islamische Kleineigentümer um ihre extrem
schwierigen wirtschaftlichen Perspektiven. Meinungsumfragen innerhalb der
AKP-Klientel konstatieren ein „schweigsames Ressentiment“. Ein Phänomen, das
fast durchgehend alle großen Meinungsumfrageinstitute bestätigen, ist, dass die
Menschen auf Fragen gar nicht mehr reagieren: vor Misstrauen und Angst in
Anbetracht der allseitigen Repression und Denunziation.</p>
<h2><b>Bröckelnde Fassaden</b></h2>
<p>In Sur, der historischen Altstadt Diyarbakırs, herrscht eine
mit aller Macht herbeigezwungene, deshalb überhaupt nicht normale Normalität.
Nichts passt zusammen: Auf der Gazi Caddesi, der Hauptstraße zwischen Norden
und Süden, herrscht reger Handelsbetrieb, alle großen Innenhöfe und
Frühstückscafés haben offen und boomen, es wird rege geshoppt – ein paar Meter
daneben bei der Dört Ayaklı Minare, an welcher der Vorsitzende der Anwaltskammer
von Diyarbakır, Tahir Elçi am 28. November 2015 unter bis heute nicht ganz
geklärten Umständen erschossen wurde, hört Sur künstlich auf. Werbebanner, die
den Weg weiter ins Viertel versperren, zeigen, wie der Rest von Sur irgendwann
in Zukunft aussehen soll. Was dort einmal war, wurde kaputtgeschossen oder nach
den Auseinandersetzungen in den Jahren 2015-16 vollständig abgerissen.
Mittlerweile ist über die Hälfte der historischen Altstadt plattgewalzt. Um den
Bereich von Alipaşa herum, in dem es gar keine Gefechte gab, wurde ebenfalls
Wellblech hochgezogen; auch dort wird alles abgerissen und modernisiert und
dementsprechend viel kostspieliger neu hochgezogen. Die Familien sind
vertrieben und geht der „Modernisierungsplan“ auf, werden sie aufgrund der
Preise auch nicht wieder zurückkehren können. Der kaum getarnte Zivilpolizist am
Dört AyaklI Minare observiert uns und eine Gruppe Jugendlicher, die das in der
Türkei eigentlich immer pro-kurdisch konnotierte Victory-Zeichen machen, prüfenden
Blickes. Aber keiner interveniert. Unvorstellbar im Sur des Jahres 2016, damals
eine schwermilitarisierte Hochsicherheitszone. „Die Polizei und das Militär
haben getan, was sie tun wollten, deshalb können sie jetzt so scheinbar locker
sein“, meint zynisch unser Begleiter Talat, ein entlassener Lehrer. Von der
Nordmauer aus kann man weitflächig auf die betreffenden Teile der Viertel Savaş,
Dabanoğlu und Cevatpaşa blicken. Wüsste man es nicht besser, könnte man denken,
das friedlich vor sich hin wachsende Gras auf dieser riesigen Brachfläche
wächst dort schon immer. Nur die im Bau befindliche doppelspurige Asphaltstraße,
die so gar nicht zum restlichen Sur passt, könnte diesen Gedanken irritieren. „Es
ist egal, ob sie in Sur das Paradies aufbauen, die Leute interessiert das nicht
mehr, nach all dem was sie erleben mussten“, so die Bekannte aus der Siedlung. Die
erzwungene Normalität ist nur der schlechte Versuch zur Wahrung des Scheins. Hinter
den Fassaden brodelt die unterdrückte Gesellschaft.</p>
<p>Im Vorlauf zu den Wahlen gelten andere Gesetze, deshalb
lässt sich auch wieder mehr auf der Straße machen. Aber die grundlegende
Spannung, Polarisierung und Repression schlägt sich auch hier nieder. Vor einem
HDP-Wahlbüro trinken wir später am Nachmittag <a href="https://twitter.com/KBDiyarbakir/status/1009122949612359680">einen Tee im
Freien, tanzen Halay</a>, unterhalten uns mit den zumeist sehr jungen HDP-Wahlkämpfer*innen.
Ein eher schweigender, hin und wieder HDP-Fahnen schwingender Teil von älteren
Männern und Frauen sitzt hinter uns. Später erfahren wir, dass sich unter ihnen
viele Familien aus Sur befinden. Der Jugendliche, mit dem ich spreche, ist erst
vor einem Monat nach 1,5 Jahren Haft entlassen worden. Er erzählt davon, wie
sie tagtäglich von der Polizei schikaniert werden, die versucht, ihr
öffentliches Auftreten zu verhindern oder sie gar festzunehmen. „Wir machen
aber dennoch weiter, gehen von Haustür zu Haustür. Es weht ein
antifaschistischer Wind“, so sein Kommentar. Die Gruppe und wir werden aus der
Entfernung von missmutigen Personen – manchmal aus dem Auto gezielt langsam
vorbeifahrend, manchmal vorbeilaufend – grimmig beobachtet, oft gefilmt. Wir verabschieden
uns höflich, bevor die Polizei unseren Besuch zum Anlass nimmt, die nächste
Razzia durchzuführen. </p>
<p>„Mindestens 14 Prozent!“ an Stimmen bei den Wahlen am
kommenden Sonntag – das ist nicht zuletzt das, wovon vom ehemaligen Sekretär des
Vorsitzenden der Kommunalverwaltung von Sur bis hin zum bewegungsnahen, aber
unabhängigen Journalisten alle hier überzeugt sind. Ob aber dieselben
Stimmzettel wieder aus den Urnen herausgeholt werden, die eingeworfen wurden,
darüber haben alle Zweifel. Der Ausgang des Wahltages ist alles andere als
sicher. Es ist aber so dermaßen offensichtlich, dass die Leute am politischen
Klima ersticken und nach Luft verlangen, dass sogar die AKP-Wahlwerbungen im
Fernsehen in ihrer Ästhetik mit Hoffnung spielen. „Nein, nein, der wird schon
gehen“, meint belustigt der HDP-Abgeordnetenkandidat für Diyarbakır Hişyar Özsoy
auf die Frage, ob denn Erdoğan nicht einfach das Ergebnis nicht anerkennen
wird, falls es zu seinen Ungunsten ausgeht. „Auch im Staat gibt es größeren Unmut.
Falls er verliert, werden seine Alliierten reihenweise desertieren. Was soll er
dann noch tun, außer eventuell schon in der Nacht seiner Niederlage zu
fliehen?“ Nicht zuletzt die heutige HDP-Abschlusskundgebung zeigt eindrucksvoll,
welches politisches Potenzial und welche freudenvolle Energie weiterhin im Land
vorhanden sind, die bei der nächstbesten Gelegenheit aus den angelegten Fesseln
herausbersten wird, sollte der autoritäre Griff auf die Gesellschaft auch nur
teilweise gelockert werden oder gar an Kraft abnehmen. Von der Entfesselung
dieser Energie wird es abhängen, ob das Land grundlegend umgewälzt wird.</p><hr/><p>Folgt der Wahlbeobachtungsdelegation für aktuelle Informationen bei <a href="https://twitter.com/KBDiyarbakir">Twitter</a>.<br/></p><hr/></div>
</section>
</article>
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<p>Copyright © 2017 re:volt magazine Redaktion - Einige Rechte vorbehalten</p>
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Türkische Kriegsverbrechen gestern und heute2018-04-04T09:18:47.308168+00:002018-04-04T09:18:47.308168+00:00Lukas Theuneredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/t%C3%BCrkische-kriegsverbrechen-gestern-und-heute/
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<h1>Türkische Kriegsverbrechen gestern und heute</h1>
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<img alt="Das Tribunal gegen Kriegsverbrechen der Türkei in Paris, März 2018" height="420" src="/media/images/IMG_20180316_151010624.2e16d0ba.fill-840x420-c100.jpg" width="840">
<span class="content-copyright">Lukas Theune</span>
</div>
</div>
<section class="content content-section content-type-paragraph">
<div class="rich-text"><p>
</p><p>Die Mühlen der Justiz mahlen langsam – das gilt auch für
nichtstaatliche Gerichte. Mitte März fand in Paris ein <i>Tribunal du Peuple</i> statt, das den Kriegsverbrechen der Republik
Türkei an den Kurdinnen und Kurden seit Anfang der 1990er Jahre gewidmet war. Es warf einen Blick zurück in
die Geschichte – zu einem Zeitpunkt, an dem die Öffentlichkeit in den Sozialen
Medien live den Angriff der türkischen Armee samt islamistischer Gruppen auf
Afrin verfolgte. <br/></p>
<p>Die Türkei selbst ermittelt – wie andere Länder auch – nicht
gegen ihre eigenen Söldner, Soldaten, Polizisten und Geheimdienstler. Der
Euphemismus der „Morde unbekannter Täter“ zeigt von vornherein, dass durch die
staatliche Justiz der Türkei keine Aufklärung stattfindet: Die meisten Fälle,
die mit diesem Begriff gelabelt werden, sind de facto staatlich begangene
Morde. Der türkische Menschenrechtsverband IHD <a href="http://civaka-azad.org/massengraeber-und-morde-unbekannter-taeter/">berichtet</a>
von über 5.000 derartigen Morden neben weiteren 5.000 extralegalen
Hinrichtungen in den Jahren von 1989 bis 2009, fast alle von ihnen auf
kurdischen Gebieten an kurdischen Bürger*innen begangen.</p>
<p>Eine wesentliche Forderung der PKK und insbesondere Öcalans
während des Friedensprozesses ab 2013 war die Einrichtung einer Wahrheits- und
Gerechtigkeitskommission, wie sie etwa auch in Südafrika nach dem Ende der
Apartheid geschaffen worden war. Die Forderung blieb ein ständiger Streitpunkt
in den Verhandlungen, weil sich die türkische Seite diesem Ansinnen strikt
verweigerte.</p>
<p>Schließlich fand auch in internationalem Rahmen bislang
keine juristische Aufarbeitung der Kriegsverbrechen der Türkei statt. Der
Internationale Strafgerichtshof leitete keine Ermittlungen ein, was zum einen
daran liegt, dass die Türkei das <a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20002381/index.html">Statut von
Rom</a> erst gar nicht unterzeichnet hat. Zum anderen liegt es aber wohl auch
daran, dass die Türkei international und den Vertragsstaaten des
Internationalen Strafgerichtshofes gegenüber einen zu wichtigen Stellenwert
hat, um sie derart zu brüskieren. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof
(EGMR) wiederum hat zwar die Türkei etliche Male verurteilt, jedoch seinerseits
keine grundlegende Aufarbeitung der Kriegsverbrechen geleistet. Vielmehr wurden
in Einzelfällen insbesondere Parteiverbote und unfaire Strafverfahren
kritisiert. Seine <a href="https://www.humanrights.ch/de/internationale-menschenrechte/europarats-organe/egmr/urteile/recht-leben-emrk-egmr">Urteile zum
Recht auf Leben</a> blieben vereinzelt. Da der EGMR über keine eigenen
Ermittlungsbehörden verfügt, konnte eine Verletzung des Rechts auf Leben zudem
meist nicht nachgewiesen werden. Die türkischen Behörden, die stattdessen die
Ermittlungen führen sollten, ermitteln nicht gegen eigene Angehörige und so
konnte der EGMR nur eine Verletzung des Rechts auf „wirksame Untersuchung eines
Vorfalls“ feststellen. (vgl. z.B. Yaşa gg. Türkei, Urteil vom 2.9.98).</p>
<p>All dies führt dazu, dass kaum publiziertes Wissen über die
Kriegsverbrechen der Türkei besteht. Möglicherweise war dies der Grund, weshalb
das <a href="http://permanentpeoplestribunal.org/?lang=en">Permanent
Peoples</a><a href="http://permanentpeoplestribunal.org/?lang=en">’</a><a href="http://permanentpeoplestribunal.org/?lang=en"> Tribunal (PPT)</a> den
Vorschlag akzeptierte, hierüber eine Sitzung zu halten. Das PPT wurde in
Anlehnung an die Russell-Tribunale 1979 gegründet und untersucht seitdem eine
Vielzahl staatlicher (und teilweise nichtstaatlicher) Verbrechen, beginnend mit
der West-Sahara und Argentinien bis zuletzt zu Sri Lanka 2010 und Mexiko 2012.
Die Anklage gegen die Türkei wurde von den Rechtsanwält*innen Sara Montinaro
und Jan Fermon erarbeitet.</p>
<p><b>Von staatlich
orchestrierten Hinrichtungen in Paris…</b></p>
<p>Fermon bedauerte gleich zu Beginn seiner Rede, dass die
Dauer des Tribunals über nur zwei Tage eine starke Auswahl der zu
untersuchenden Vorfälle bedingte. Vieles konnte gar nicht thematisiert werden.
So tauchten etwa die „Morde unbekannter Täter“ oder auch die Verbrennungen
hunderter Dörfer Anfang der neunziger Jahre nur am Rande auf. Die beiden
Rechtsanwält*innen widmeten sich schwerpunktmäßig den Verbrechen im Zusammenhang
mit den Ausgangssperren nach dem Ende des Friedensprozesses 2015 und 2016. Ein weiterer Schwerpunkt bestand in dem Vorwurf des Mordes an den
drei kurdischen Aktivistinnen Sakine Cansız (Sara), Fidan Doğan (Rojbîn) und
Leyla Şaylemez (Ronahî) im Januar 2013 im kurdischen Kulturzentrum in Paris.</p>
<p>Der mutmaßliche Täter, Ömer Güney, starb im Dezember 2016 im
Gefängniskrankenhaus an einem Gehirntumor –
wenige Wochen vor Beginn des Verfahrens gegen ihn. Damit war der Prozess
geplatzt, es hatte, auch in Frankreich, keine Aufklärung der Exekution
stattgefunden. Der Fall ist brisant: Bereits wenige Wochen nach der Verhaftung
Ömer Güneys waren im Internet Mitschnitte von Telefonaten zwischen Güney und
Mitarbeitern des türkischen Geheimdienstes MIT aufgetaucht.</p>
<p>Zuletzt kam Bewegung in den Fall durch einen Coup der
Leitung der KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans). Im August 2017
hatten Agenten des türkischen Geheimdienstes MIT im Nordirak versucht, über
einen Trick in die Nähe des KCK-Ko-Vorsitzenden und PKK-Mitbegründers Cemil
Bayık zu gelangen, um diesen zu liquidieren. Allerdings hatten die
Sicherheitsmitarbeiter der kurdischen Befreiungsbewegung wohl selbst ein
doppeltes Spiel gespielt und die Agenten in der Autonomiezone der KCK im
Kandilgebirge zunächst festgesetzt und dann verhört. Die umfangreichen Aussagen
der Agenten wurden auf Video aufgenommen und <a href="https://www.heise.de/tp/features/Pech-fuer-Erdogan-PKK-deckt-MIT-Agenten-Netzwerk-auf-3935816.html?seite=all">veröffentlicht</a>
und legen eine Einbindung der Führungsebene des MIT in die Ermordung der drei
Aktivistinnen sehr nahe.</p>
<p>Neben besagten Videos wurden dem Gericht – das leider nur
aus <i>Weißen, </i>größtenteils zudem aus
Männern bestand – auch Zeugenaussagen zweier Mitarbeiter des kurdischen Kulturzentrums,
des Nebenklagevertreters in dem Strafverfahren gegen Güney und andere Belege
für die Einbindung des MIT vorgelegt. Vor allem der Anwalt Antoine Comté legte
minutiös dar, wie der MIT Flugtickets, Mobiltelefone und SIM-Karten für Güney
erworben und zudem mit Güney in ständigem Kontakt gestanden hatte. Er mutmaßte,
dass Güney von vornherein für die Aufgabe ausgesucht worden war, da sein
Gehirntumor und die damit zusammenhängende begrenzte Lebenserwartung bereits
damals festgestanden hatten. Die Morde könnten eine Strategie des sogenannten
Tiefen Staates (türkisch:<i> derin devlet</i>) gewesen sein, um den beginnenden
Friedensprozess zwischen der AKP und der kurdischen Befreiungsbewegung zu
unterminieren.</p>
<p>Der Strafverteidiger in mir hätte sich wohl gewünscht, dass
die Verhörmethoden, mit denen die Videoaussagen der MIT-Agenten zustanden
gekommen waren, thematisiert worden wären. So ist schwer vorstellbar, wie die
Geheimdienstmitarbeiter, obwohl sie dies in die Kameras versicherten,
freiwillig ihre Aussagen machten. Jedenfalls: Das Puzzle der drei Exekutionen
in Paris kann mittlerweile einige Schritte weiter zusammengesetzt werden.</p>
<p><b>…bis in die Keller
von Çizre</b></p>
<p>Am Vortag lag der Schwerpunkt der Beweisaufnahme auf den
Ausgangssperren, die der türkische Staat in den kurdischen Gebieten in der
zweiten Jahreshälfte 2015 und der ersten Hälfte 2016 verhängt hatte. Nachdem
der Friedensprozess zwischen der PKK und dem türkischen Staat von
Staatspräsident Erdoğan im Frühling 2015 (kurz vor den Wahlen im Juni 2015) für
beendet erklärt wurde, hatte wohl wiederum der MIT zunächst den Anschlag von
Suruç im August 2015 ermöglicht und dann die Tötung zweiter Soldaten in
Ceylanpınar als PKK-Aktion unter <i>false
flag</i> inszeniert. Unmittelbar danach stiegen wieder türkische Kampfflugzeuge
auf und bombardierten nicht nur im Nordirak, sondern auch auf „eigenem“
Territorium kurdische Gebiete. Die Guerilla reagierte, in dem sie erstmals in
den kurdischen Städten Jugendliche unterstützte und organisierte, die als
YDG-H, später als YPS den einrückenden Militärs selbstgebaute Barrikaden und
Gräben entgegensetzten. Letztlich war dies militärisch eine Fehleinschätzung.
Das türkische Militär und insbesondere die Spezialeinheiten der Gendarmerie
(JÖH) und der Polizei (PÖH) gingen erbarmungslos vor und schossen auf alle, die
sich in den Gebieten bewegten. Der türkische Staat verhängte Ausgangssperren in
vielen Städten, die längste davon in der historischen Altstadt Ameds (türkisch:
Diyarbakır), Sur. Das Tribunal in Paris konzentrierte sich indes auf die
100.000-Einwohner-Stadt Cizre, in der es zu den größten Massakern an der
Bevölkerung gekommen war. Insbesondere von drei Kellern berichteten mehrere
Zeugen dem Tribunal: In diese waren über 200 Menschen geflüchtet und dort von
der türkischen Armee verbrannt worden. Die Bürgermeisterin von Cizre, Leyla
Imret, der Abgeordnete der HDP für den Wahlkreis Şırnak, Faysal Sarıyıldız, und
mehrere andere Augenzeug*innen berichteten von Kindern, die später beim Spielen
am Tigris Menschenknochen fanden und von Müllsäcken, in denen die wenigen Kilos
menschliche Überreste aus den Kellern entsorgt wurden.</p>
<p>Juristisch ging es den beiden „Ankläger*innen“ insbesondere
darum, darzulegen und zu beweisen, dass es sich bei dem Konflikt zwischen der
PKK und dem türkischen Staat um einen – bloße „Scharmützel“ überschreitenden –
anhaltenden bewaffneten Konflikt handele, für den damit das Kriegsrecht
anwendbar sei. Daher verzichteten sie darauf, wie Fermon auf Nachfrage einer
der sieben Richter*innen erläuterte, neben den Kriegsverbrechen gemäß Artikel 8
des römischen Statutes auch die ebenfalls naheliegenden Verbrechen gegen die
Menschlichkeit gemäß Artikel 7 anzuklagen. Sie konzentrierten sich vielmehr auf
die Voraussetzungen für einen bewaffneten Konflikt sowie darauf, darzulegen,
dass es sich um ein rassistisches Vorgehen gegen die kurdische Bevölkerung
handele.</p>
<p>Dies zeigt zugleich auch das Paradox auf, in dem sich die
kurdische Befreiungsbewegung befindet. Während sie die Idee eines eigenen
kurdischen Nationalstaates schon seit langem nicht mehr verfolgt und Öcalan das
Konzept des Demokratischen Konföderalismus als dem Staatsprinzip
entgegengesetzt entwickelte, wird sie nur dann ernst genommen, wenn sie
territoriale Gebietsansprüche darlegen kann. Ein bewaffneter Konflikt, auf den die Regeln des humanitären Völkerrechts Anwendung finden, liegt nach der Rechtssprechung des Internationalen Strafgerichtshofs erst dann vor, wenn eine organisierte bewaffnete Gruppe in der Lage ist, eine länger anhaltende, intensive Auseinandersetzung mit den staatlichen Streitkräften zu führen. Eine der dafür maßgeblichen Fragen ist, ob der Konflikt auf einem größeren Territorium geführt wird. Erst dann findet das Statut von Rom, finden die Vorschriften über Kriegsverbrechen, Anwendung. Das bedeutet aktuell: Nur dann, wenn die kurdische Bewegung wie in
Rojava ein Territorium mit Waffengewalt kontrolliert und verteidigt, wird sie
als Akteurin wahrgenommen, während das fortschrittliche Konzept des
Demokratischen Konföderalismus nicht nur von staatlichen Akteuren nicht ernst
genommen wird, sondern zudem auch von internationalen Statuten benachteiligt
wird. Die Abschaffung von Staatlichkeit wird wohl nicht in einem einzelnen
Gebiet, losgelöst von globalen Kontexten, sondern nur insgesamt stattfinden
können.</p>
<hr/><p>Das Tribunal war insgesamt ein
wertvoller Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte der Massaker der Türkei an
der kurdischen Bevölkerung Anatoliens. Viele gesammelte Berichte von
Zeitzeug*innen wurden der Öffentlichkeit erstmals zugänglich gemacht. Das Urteil des Tribunals unter Vorsitz des Richters des
französischen Kassationshofes, Philippe Texier, wird im April in Brüssel vor
Abgeordneten des europäischen Parlaments verkündet.</p>
<p> </p><br/></div>
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</article>
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Metropolenchauvinismus und Projektion2018-04-02T04:05:56.609534+00:002018-04-04T10:13:51.853365+00:00Geronimo Marulandaredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/metropolenchauvinismus-und-projektion/
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<div class="rich-text"><p>
</p>
<p>
Während
die Türkei <a href="https://revoltmag.org/articles/die-besetzung-afr%C3%AEns/">den
nord-syrischen Kanton Afrin besetzt</a> und damit
droht, auch die restlichen Kantone Rojavas und damit die
fortschrittliche kurdische Selbstverwaltung militärisch zu
zerschlagen, wird in und außerhalb der deutschen Linken weiter über
den Charakter des gesellschaftlichen Projekts in Rojava und die
Haltung der deutschen Solidaritätsbewegung diskutiert. In diesem
Zusammenhang erschien vergangenen Oktober <a href="https://revoltmag.org/articles/t%C3%B6tet-die-projektionsfl%C3%A4chen-eurem-kopf/">ein
</a><a href="https://revoltmag.org/articles/t%C3%B6tet-die-projektionsfl%C3%A4chen-eurem-kopf/">A</a><a href="https://revoltmag.org/articles/t%C3%B6tet-die-projektionsfl%C3%A4chen-eurem-kopf/">r</a><a href="https://revoltmag.org/articles/t%C3%B6tet-die-projektionsfl%C3%A4chen-eurem-kopf/">t</a><a href="https://revoltmag.org/articles/t%C3%B6tet-die-projektionsfl%C3%A4chen-eurem-kopf/">i</a><a href="https://revoltmag.org/articles/t%C3%B6tet-die-projektionsfl%C3%A4chen-eurem-kopf/">k</a><a href="https://revoltmag.org/articles/t%C3%B6tet-die-projektionsfl%C3%A4chen-eurem-kopf/">e</a><a href="https://revoltmag.org/articles/t%C3%B6tet-die-projektionsfl%C3%A4chen-eurem-kopf/">l</a>
von mir, in dem eine kritische Reflexion der Positionen der hiesigen
Solidaritätsbewegung mit Rojava eingefordert wurde. Daraufhin
meldete sich der kurdische Genosse Erdal Firaz mit einem <a href="https://revoltmag.org/articles/t%C3%B6tet-den-metropolenchauvinismus-eurem-kopf/">Replik</a>,
in dem er seine Erfahrungen in der deutsch-kurdischen Zusammenarbeit
darlegte und sie mit dem Stichwort des Metropolenchauvinismus
zusammenfasste. Meine nachfolgende Antwort stimmt diesem Befund
einerseits zu. Allerdings, so meine ich, ist dieser als Vorwurf
gegenüber eines dringend notwendigen Debattenstarts der deutschen
Solidaritätsbewegung über die Bedeutung des gesellschaftlichen
Projekts in Rojava für den deutschen Kontext problematisch und kann
schlussendlich auch nicht im Interesse der kurdischen
Befreiungsbewegung sein.</p>
<h3><b>Das unreflektierte Privileg der Metropole</b></h3>
<p>
Der
existierende Metropolenchauvinismus – die eurozentristische Haltung
von Linken in Deutschland, Kämpfe in anderen Teilen der Welt an der
eigenen Bewegungsgeschichte messen zu wollen – ist gleich in
mehrfacher Hinsicht problematisch und falsch. Zum einen wird dabei
davon abgesehen, dass der gesellschaftliche und ökonomische Kontext
in anderen Ländern grundsätzlich anders ist, sich etwa in
verschiedenen gesellschaftlichen Räumen auch verschiedene
Widersprüche herausbilden. In der Konsequenz heißt das, dass Kämpfe
zwangsläufig sowohl andere Formen annehmen, als auch andere Inhalte
formulieren als in Deutschland. Zum anderen wird davon abgesehen,
dass in den neoliberalen, imperialistischen Zentren aufgrund der
relativen Freiheit von Repression [1] andere Kämpfe um rechtliche
Fortschritte möglich und für das Kapital schlussendlich akzeptabel
waren, da zum Beispiel die partielle Integration ehemals
„abweichender“ Identitäten ohne Widerspruch zur Auspressung der
Werktätigen vollzogen werden konnte. Daraus erklärt sich unter
anderem der relative rechtliche und gesellschaftliche Fortschritt in
den europäischen Ländern in puncto Frauen-, Kinder- und
Homosexuellenrechten. [2] Das gleiche gilt für das Recht auf
nationale Selbstbestimmung: Es umfasst etwa den Luxus der Reise- und
Bewegungsfreiheit als StaatsbürgerIn. Für viele (linke) Menschen in
der Bundesrepublik ist dies alltäglich und selbstverständlich,
während es zeitgleich für viele Menschen weltweit aufgrund der
Unterdrückung ihrer Nationalität nicht oder nur eingeschränkt
existiert. [3] Und auch die Zugehörigkeit zu einem Nationalstaat ist
kein Garant für die Aufhebung nationaler Unterdrückung. Wie wir
anhand des EU-Grenzregimes und der unterschiedlichen Behandlung der
Geflüchteten im Asylverfahren aufgrund des Herkunftslandes sehen
können, ist Pass eben nicht gleich Pass.</p>
<p>
Summa
Sumarum: Das Problem des Metropolenchauvinimus entsteht aus dem
unzulässigen Voraussetzen der eigenen Privilegien in anderen Ländern
und zugleich aus der Ignoranz gegenüber den grundlegend
verschiedenen gesellschaftlichen Ausgangspositionen. Aus dieser
Haltung heraus werden oft genug progressive Bewegungen außerhalb der
imperialistischen Metropolen als nationalistisch, religiös oder
reaktionär gebrandmarkt. [4] Der Metropolenchauvinismus besorgt
durch das Gegeneinanderausspielen von Widersprüchen in progressiven
Bewegungen die „links“ kostümierte Legitimation zur
Aufrechterhaltung globaler imperialistischer Herrschaft und
Ungleichheit, da entsprechende Positionen zwangsläufig immer zur
Entsolidarisierung und damit zur Schwächung dieser Bewegungen
führen. Siehe die <a href="https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5492091&s=&SuchRahmen=Print/">neuesten
Auswüchse</a> der deutschen <a href="http://antideutscheaktionberlin.blogsport.de/2018/03/14/kein-applaus-fuer-scheisse/">NATO-Linken</a>
im Zuge der brutalen Besetzung Afrîns durch den untergeordneten
türkischen Imperialismus.
</p><h3><b>Der Wunsch nach der Utopie in der Fremde</b></h3>
<p>
Die
Kehrseite des Metropolenchauvinismus ist die Projektionsfläche. Sie
setzt die Privilegien ebenfalls unreflektiert voraus, spielt diese
aber im Zuge dessen nicht gegen die jeweilige Bewegung außerhalb der
Metropole aus, sondern macht die Widersprüche, in denen sich jene
bewegt, schlicht unsichtbar. Diese Perspektive vollzieht sich in der
kritiklosen Übernahme von Informationen und Propaganda der
jeweiligen Bewegung und in der Glorifizierung der jeweiligen
Ideologie, Organisation und Praxis. Widersprüche in der Bewegung,
die dem Bild vom revolutionären Befreiungsmoment widersprechen,
werden ausgeklammert. Lediglich die genehmen, da mit den europäischen
Privilegien übereinstimmenden, Aspekte der jeweiligen Bewegung
werden aufgeschnappt und überhöht. Gleichzeitig wird von Bewegungen
und Organisationen eine moralische Reinheit und Abstinenz von
,,Menschenrechtsverbrechen“ [5] gefordert – insbesondere von
Gruppen, die sich in bewaffneten Konflikten mit hohem
Brutalisierungsgrad befinden. Eine kritische Auseinandersetzung mit
dieser Position wird oft in den Verdacht der Sympathie für den
Gegner gestellt oder gleich zum Verrat erklärt. Es gibt nur ganz
oder gar nicht, schwarz oder weiß, Solidarität oder Verrat. Das
geht so meistens eine Zeit lang gut, findet jedoch spätestens dann
abrupt sein Ende, sollte die so verklärte Bewegung sich dann der
,,moralischen Unreinheit“ (zum Beispiel der
Menschenrechtsverletzungen oder des Aufgebens der Revolution)
schuldig machen, oder sich in Widersprüche hineinbegeben, die nicht
mehr den westlichen Maßstäben, die ihren Ausgang in zur
Voraussetzung gemachten Privilegien haben, entsprechen. Die Reaktion
seitens der deutschen Linken ist immer gleich: Wie viele zeigten
Solidarität mit dem sozialistischen Vietnam nach dem Sieg des
Vietcong? Wie viele zeigten Solidarität mit dem sozialistischen Kuba
nach dem Sieg gegen Batista? Wie viele blieben in El Salvador oder
Nicaragua bei der Stange? Oder bei den beiden ältesten
Guerillagruppen in Kolumbien FARC-EP und ELN? Es waren und sind nicht
viele. Die Übriggebliebenen sehen sich den Denunziationen ihrer
ehemaligen GesinnungsgenossInnen ausgesetzt, eine korrumpierte
Bewegung oder Regierung zu unterstützen.</p>
<p>
Summa
Summarum: Die Projektionsfläche ist der Zwillingsbruder des
Metropolenchauvinismus, indem sie den gleichen Maßstab, nämlich die
europäischen Privilegien, zum Ausgangspunkt der Haltung macht. Beide
Haltungen verweisen aufeinander und sind wesentlich eurozentristisch.
Sie führen zugleich zu dem Effekt, dass sich weder mit den Inhalten
der Bewegung befasst, noch diese unabhängig von ihrem eigenen
Narrativ organisatorisch und in ihrer sozialen Zusammensetzung
untersucht werden. Beide Haltungen nivellieren jede kritische
Auseinandersetzung. Im einen Fall in der kategorischen Delegitimation
von Anfang an, im anderen Fall im Glattschleifen von
gesellschaftlichen Prozessen, die eben auch schmutzig sein können
und nicht immer in eine perfekte Praxis münden.</p>
<h3><b>Die Voraussetzungen eines seriösen
Internationalismus</b></h3>
<p>
Internationalismus
steht zweifelsohne immer in der Gefahr, in die Falle von
Metropolenchauvinismus oder Projektionsfläche zu geraten. Da ist die
Schwierigkeit der Sprache, die Entfernung, die oftmals fremde
politische Kultur, oft kann die Region nicht aufgesucht, sich ein
eigenes Bild nicht erarbeitet werden. Dennoch gibt es die
Möglichkeit, eine seriöse Perspektive und Praxis zu entwickeln. Das
würde jedoch für den oder die AktivistIn bedeuten:</p>
<p>
1)
Von Bewegungen in nicht-europäischen Ländern nicht zu erwarten,
dass sie eine Politik durchführen können oder wollen, die nach
europäischen oder deutschen Maßstäben funktioniert. Das heißt,
die kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Koordinaten des
jeweiligen Landes kennen zu lernen und das Programm beziehungsweise
die Praxis einer Bewegung an diesen und nicht an den hiesigen zu
messen.
</p><p>
2)
Positionen und Haltungen der Bewegungen solidarisch aufzunehmen und
zu unterstützen, gleichzeitig aber nicht unkritisch zu
glorifizieren, sondern gemessen an den Maßstäben des Landes
kritisch-solidarisch zu begleiten. [6]
</p><p>
3)
Die internationalistische Praxis nicht als einseitigen Lernprozess
aufzufassen – nach dem Motto ,,Was können wir von dort lernen?“
– , sondern als gegenseitigen Austausch und Lernprozess, der in der
gegenseitigen Stärkung von sozialen Bewegungen in beiden Ländern
mündet. In diesem Prozess wird nicht nur aufgenommen, sondern auch
vermittelt.
</p><p>
4)
Das im eigenen politischen Kontext nicht vorfindbare revolutionäre
Element nicht woanders finden zu wollen, sondern alles daran zu
setzen, die Voraussetzung für revolutionäre Politik in Deutschland
auch in Deutschland zu schaffen. Die Praxis kann dabei durchaus von
anderen Bewegungen inspiriert sein, wenngleich sie aufgrund der
Ungleichzeitigkeit globaler gesellschaftlicher Prozesse nie dieselbe
Form annehmen wird.
</p><h3><b>Warum Rojava?</b></h3>
<p>
Dass
der vergangene Artikel sich insbesondere an der Rojava-Thematik
abarbeitet, ist der Tatsache geschuldet, dass das Thema neben der
Griechenland-Solidarität der zentrale Bezugspunkt in der deutschen
Linken in puncto Internationalismus in den vergangenen zehn Jahren
darstellte und auch aktuell außerordentlich präsent ist. Die
kurdische Bewegung wäre gut beraten, kritische und reflektierte
Debatten in der bundesdeutschen Linken etwa in Bezug zur Funktion der
Kaderpartei, zu den verschiedenen revolutionären und
nicht-revolutionären Strömungen in der kurdischen
Befreiungsbewegung, zur Möglichkeit eines kurdischen Nationalstaats
oder der Wiedereingliederung als föderales Gebiet in ein
demokratisches Syrien, das Verhältnis zum US- und russischen
Imperialismus und so weiter nicht als metropolenchauvinistisch zu
denunzieren, sondern diese gemeinsam mit den GenossInnen zu
gestalten.<br/></p><p>Das
falsche, beziehungsweise zu einfache, Bild von Rojava als rein
basisdemokratischer Räteverwaltung mit ,,antinationalen“ und
genuin ,,antiautoritären“ Prinzipien ist Teil der hiesigen
Projektionsfläche der deutschen Linken. Diese will die Konzepte von
revolutionären Organisierungen nach dem Ende des Realsozialismus
nicht mehr diskutieren, die gesellschaftlichen Schwierigkeiten im
Bürgerkrieg und unter imperialistischem Druck nicht sehen und
klammert deshalb die Kaderpartei und alles, was das oben skizzierte
Bild in Frage stellt, schlicht und einfach aus. Es ist notwendig,
klarzumachen, dass es im Angesicht eines brutalisierten
Kriegsszenarios nicht möglich ist, allen demokratischen,
feministischen und ökologischen Standards des revolutionären
Programms gerecht zu werden, auch wenn man alle Anstrengungen dort
hineinsetzt. Wir – als deutschsprachige Linke – sollten unsere
kurdischen GenossInnen nicht als ,,Jesus Christus mit der Knarre“
[7] verklären, sondern als GenossInnen, die trotz einer unglaublich
schwierigen Situation versuchen, einen demokratischen Aufbau zu
gestalten. Mit Fehlern, mit Menschenrechtsverletzungen, mit zum Teil
autoritären Maßnahmen. Das frühzeitig zu benennen schwächt nicht,
sondern stärkt eine solidarische Haltung. Und es könnte verhindern,
dass die bundesdeutsche Linke eine erneute Episode der abgebrochenen
internationalen Solidarität erlebt – zum Beispiel wenn es eines
Tages in Rojava nicht mehr so „perfekt“ laufen sollte oder eben
im Rückblick erst gar nie ,,perfekt‘‘ lief, wie man sich das von
der heimischen Warte zurechtgelegt hatte.
</p>
<p>
______________________________</p>
<h3><b>Anmerkungen:</b></h3>
<p>
<b>[1]
</b>Hier
soll nicht verniedlicht werden, dass es auch in der BRD Repression
bis hin zu politischen Morden gab. Dennoch war der Grad an Repression
in nicht-europäischen Ländern mitunter auch aufgrund der von
westlichen Regierungen installierten Terrorregimes dermaßen hoch,
dass zumeist schon nur die Forderung nach bürgerlichen Freiheiten
und gemäßigten Sozialprogrammen zu massenhafter Verfolgung und
Massakern führten. Als Beispiel können hier die
Befreiungsbewegungen Lateinamerikas genannt werden.
</p><p>
<b>[2]</b>
Diese
wurden natürlich von einer starken feministischen und radikalen
Bewegung erkämpft, sind jedoch heute in Deutschland weitestgehend
integriert in den bürgerlichen Mainstream.
</p><p>
<b>[3]
</b>Beispielhaft
ist es vielen PalästinenserInnen nur unter den Schikanen der
israelischen Besatzung möglich, sich in andere Teile des Landes zu
bewegen.
</p><p>
<b>[4]
</b>Ein
gutes Beispiel war die soziale Bewegung in Brasilien 2013, die
stellenweise aufgrund der Benutzung brasilianischer Fahnen auf den
Demonstrationen durch Protestierende als nationalistisch verunglimpft
wurde. Hier wurde ein vermeintlicher Nationalismus gegen das soziale
Anliegen der Proteste gegen Polizeigewalt, miserable Bildung und
Preiserhöhungen, gewandt. Ein aktuelleres Beispiel wäre die
<a href="https://revoltmag.org/articles/entsolidarisierung-im-zentrum/">katalanische
Unabhängigkeitsbewegung</a>.
</p><p>
<b>[5]</b>
Hier
soll nicht das legitime Anliegen denunziert werden, dass
revolutionäre und linke Bewegungen auch an moralischen Maßstäben,
zum Beispiel der Achtung der Würde der Ausgebeuteten gemessen
werden. Gleichzeitig ist eine kriegerische Auseinandersetzung, ein
bewaffneter Aufstand, eine Revolution oder sogar nur
Selbstverteidigung gar nicht denkbar ohne Menschenrechtsverletzungen.
Und der liberale Begriff nivelliert grundsätzlich den Unterschied
zwischen legitimer befreiender Gewalt gegen Unrecht und
unterdrückender Gewalt zur Aufrechterhaltung von Herrschaft – er
hat angeblich keinen Klassenstandpunkt und damit den Standpunkt der
im konkreten bestehenden Ordnung, also den Klassenstandpunkt der
herrschenden Klasse.
</p><p>
<b>[6]</b>
Besonders
zynisch empfand ich in diesem Zusammenhang die Glorifizierung von
(häufig minderjährigen) YPJ-Kämpferinnen. Die Tatsache, dass junge
Frauen sich, um sich überhaupt noch gegen die endgültige
Degradierung zum Objekt wehren zu können, bewaffnen müssen, ist
nichts, was zu glorifizieren wäre.
</p><p>
<b>[7]
</b>Anschließend
an die historische Verklärung Che Guevaras.
</p></div>
</section>
</article>
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