re:volt magazine Archivhttps://revoltmag.org/articles/?tags=3802018-03-06T18:26:28.338655+00:00Kapitalismus mit tierfreundlichem Antlitz2018-03-06T18:26:28.338655+00:002018-03-06T18:26:28.338655+00:00Wilhelm Woodredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/kapitalismus-mit-tierfreundlichem-antlitz/
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<h1>Kapitalismus mit tierfreundlichem Antlitz</h1>
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<img alt="Fleischatlas" height="420" src="/media/images/_fleischatlas2014_titel-1.2e16d0ba.fill-840x420-c100.jpg" width="840">
<span class="content-copyright">HBS, BUND, LMD</span>
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<div class="rich-text"><p>Die <a>Heinrich-Böll-Stiftung (HBS), der Bund für
Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und die Monatszeitung Le Monde
Diplomatique</a> haben in Januar den mittlerweile vierten <a href="https://www.boell.de/de/fleischatlas">Fleischatlas</a>
herausgegeben. In der aktuellen Ausgabe geht es aber nicht in erster Linie um
„Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel“ (Fleischatlas 1 und 2) oder
deren regionale Verteilung in Deutschland (Fleischatlas 3). Dieses Mal geht es
um „Rezepte für eine bessere Tierhaltung“. Mit anderen Worten: 20 AutorInnen
machen in 18 Kapiteln Vorschläge für „einen vernünftigen und grundlegenden
Umbau der Tierhaltung“ (S. 7) auf jeder Ebene der Wertschöpfungskette von der
Geburt der Tiere bis zum Stück Fleisch auf dem Teller. Das ist zumindest der
Anspruch.</p><p>Das Problem ist allerdings, dass
das Dreigestirn aus Denkfabrik, Umwelt-NGO und linksliberaler Zeitung das
„bisherige Modell der Fleischproduktion“ (S. 6) gar nicht revolutionieren,
sondern lediglich zu einer „nachhaltigen Fleischproduktion“ (S. 7)
transformieren will. Keine Dialektik von Reform und Revolution, nur Reform. Das
ist ein Unterschied ums Ganze. Zumindest für die Tiere, die allein in
Deutschland jährlich zu Millionen gentechnisch manipuliert, eingesperrt,
misshandelt und industriell getötet werden; für das Heer der arbeitenden Armen,
vor allem die Leih- und Vertragsarbeiter aus Osteuropa, in den Schlachtstraßen
der neoliberalisierten Oligopolkonzerne; und für die Natur, die vom
Fleischkapital zerstört wird (Flächen- und Wasserverbrauch,
Gesundheitsgefährdung, Verlust an Biodiversität, Wasser- und
Bodenverschmutzung, CO2-Emissionen).<b> [1]
</b></p><p>Die kapitalistischen Ausbeutungs-
und Herrschaftsverhältnisse, die diesen Missständen zugrunde liegen, und von
denen bekanntlich nur einige wenige KapitalistInnen profitieren, tasten die
WegbereiterInnen eines „grünen“ Kapitalismus gar nicht erst an. Zwei Autoren
gemahnen sogar, dass die Maßnahmen „WTO-verträglich“ (S. 15) sein müssten. Der
Markt gilt auch nicht als Teil des Problems, sondern als opportunes Mittel zur
Veränderung. Ideen zur Lösung der sozialen Frage? Fehlanzeige. Die Ausbeutung
von Tieren oder der Konsum von Fleisch? An sich kein Problem.</p><p>
</p><p>Die Tier<i>schutz</i>ideologInnen
treibt vielmehr die <i>Massen</i>tierhaltung und <i>zu viel</i> Fleischkonsum
um. In ihren Augen handelt es sich bei der Fleischproduktion, -distribution und
-konsumtion um ein Problem der Quantität, nicht der Qualität. Als ob die
Fleischproduktion nur ökologisch fragwürdig und die Ökologie lediglich eine
Frage der Tragfähigkeit wäre. Entsprechend des bornierten Problembewusstseins
ist der „Kanon“ politischer Instrumente, mit dem der Übergang zum Kapitalismus
mit tierfreundlichem Antlitz bewerkstelligt werden soll, in seiner Reichweite
begrenzt. Faktisch dienen sie dazu, die Fleischproduktion „zukunftsfähig“ zu
machen, wettbewerbsfähig gegenüber der Konkurrenz und zustimmungsfähig
gegenüber Teilen der KritikerInnen. Kein Wunder also, dass einige – nicht alle
– Ideen gar nicht so weit weg sind von den <a href="https://www.facebook.com/marxismusundtierbefreiung/posts/696791887190824">Vorschlägen</a>, die in diesem
Jahr während des Klassentreffens von KapitalistInnen und StaatsvertreterInnen
beim World Economic Forum (WEF) in Davos zur Transformation der
Fleischindustrie gemacht worden sind.</p>
<h2><b>Grüne Modernisierung der Tier-
und Fleischproduktion</b></h2>
<p>Geht es nach den VerfasserInnen
des <i>Fleischatlas</i>, sollen sich deutsche Betriebe in der Tierproduktion
etwa ein Beispiel an der schwedischen und Schweizer Konkurrenz nehmen. Der
„Schweinestall der Zukunft“ (S. 24) könnte unter anderem Angebote zum Spielen
und Putzen, verschieden Bodenbeläge, mehr Auslauf und Möglichkeiten zum
Klimawechsel bereithalten. Außerdem könnte man eine Flächenbindung in der
Tierhaltung einführen, d.h. je nach Art eine Maximalzahl an Tieren pro Hektar
Nutzfläche. Die Käfige sollen also größer und bunter, aber nicht abgeschafft
werden. Der Aufbau einer biologisch-veganen Landwirtschaft als
tierausbeutungsfreie Alternative in der Nahrungsmittelproduktion hat
entsprechend nicht einmal als utopisches Ziel, geschweige denn als Teil einer
„konkreten Utopie“ (Bloch) <b>[2]</b> oder „revolutionären Realpolitik“ (Luxemburg) <b>[3]
</b>Eingang ins Heft gefunden.</p><p>Neben kosmetischen Reformen für
die Tiermast und Fleischproduktion werden zudem in einigen Beiträgen neue
Methoden vorgeschlagen, um auf Kosten der Tiere Profite zu machen. Die
„Kombi-Haltung“ (S. 22) ist eine solche Idee. Damit ist gemeint, dass die
Tierhaltung zum Beispiel mit dem Anbau von Pflanzen oder erneuerbaren Energien
verbunden wird. Vorschläge für gewinnträchtiges Recycling von Tiermüll bzw. –
in marxistischen Kategorien – für die Ökonomisierung des konstanten
Tier-Kapitals werden ebenfalls unterbreitet. Das Ziel der
„Zweinutzungsstrategie“ ist beispielsweise eine „verantwortbare Tierzucht“ (S.
30) von Tieren. Anstatt sich auf die Spezialisierung in der Zucht zu
konzentrieren und Männchen etwa direkt nach der Geburt durchs Schreddern oder
auf Basis von Geschlechtserkennung noch vor dem Schlüpfen zu entsorgen, schlägt
die Autorin des <i>Fleischatlas</i>-Beitrags vor, sowohl Weibchen (Eier) und
Männchen (Fleisch) ausbeuten zu lassen. Die sogenannte
Nose-to-Tail-Verarbeitung weist in eine ähnliche Richtung. Buchstäblich keine
Faser des gesamten Tierleibs soll aus der ökonomischen Verwertung ausgespart
werden einschließlich der Tierkörperteile, die bis dato weggeschmissen oder
exportiert werden. Neben Ersparnissen durch die Weiterverarbeitung würde durch
solche Verfahren natürlich auch die Produktpalette diversifiziert.<br/></p><p>Schließlich sprechen einige
AutorInnen Empfehlungen aus, wie man mit „ökologischen“ Argumenten Tiere
inwertsetzen und neue Märkte erschließen könnte. Insekten seien zum Beispiel
„eine brillante Alternative zu Fleisch“ (S. 44), weil ihre Körper einen höheren
Proteingehalt als traditionelles Tierfleisch besäßen und ein größerer Teil der
Insektenleiber verzehrbar sei als etwa bei Kühen, Insekten weniger CO<sub>2</sub>-Emissionen
ausstießen als beispielsweise Rinder und ihre Aufzucht weniger Fläche,
Futtermittel und Wasser verbrauche. In einer Grafik zum entsprechenden Artikel
wird zudem die „essbare Vielfalt“ (S. 45) der „alten und neuen Nützlinge“ (S.
44) gepriesen. An Zynismus und bürgerlicher Kälte im ökomodernistischen Gewand
gegenüber den schwächsten Kreaturen in unserer Gesellschaft sind solche
Anregungen kaum zu überbieten.
</p><h2><b>Am Ende zahlen alle, nur nicht
die Konzerne</b></h2>
<p>Damit die nachhaltige
Tierausbeutung die konventionelle innerhalb der engen Grenzen von
oligopolistischer Konzernmacht, scharfer internationaler Konkurrenz und
scheinbar alternativloser Marktwirtschaft ablösen kann, muss Geld her. Deswegen
sind die HerausgeberInnen des <i>Fleischatlas </i>hoch erfreut über die
Ergebnisse einer VerbraucherInnenumfrage des Bundeswirtschaftsministeriums.
Diese hat ergeben, dass 88 Prozent der KonsumentInnen in Deutschland mehr Geld
für Fleisch ausgäben, wenn die Tiere „besser gehalten“ (S. 6) würden. Zudem
wird ein bunter Strauß an Maßnahmen zur Finanzierung von mehreren AutorInnen
angepriesen: staatlichen Subventionen für gesunde und fleischfreie
Alternativen; höhere Steuern auf Fleischprodukte, zum Beispiel durch eine
Anpassung des reduzierten auf den normalen Mehrwertsteuersatz für Fleisch;
Abgaben, etwa auf Mineraldüngerverbrauch; und eine Umverteilung der Gelder aus
den Töpfen der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union.</p><p>
</p><p>
</p><p>Auch wenn einige dieser
Instrumente sicher innerhalb einer anderen Gesamtstrategie diskutierbar wären,
sticht ins Auge, dass die ProfiteurInnen der Fleischproduktion – die Konzerne
bzw. das Fleisch-Kapital – wenn überhaupt nur marginal für die „Lösung“ der von
ihnen maßgeblich verursachten sozialen und ökologischen Probleme zur Kasse
gebeten würden. Stattdessen käme maßgeblich die arbeitende Bevölkerung – als
SteuerzahlerInnen und als KonsumentInnen – für die Modernisierung der
Fleischproduktion und -distribution auf.</p><p>
</p>
<h2><b>Perfides Öko-Marketing</b></h2>
<p>Damit die KonsumentInnen sich
wirklich an die neuen Tierwaren gewöhnen, andere, auch vegetarische und vegane
Ernährungsstile akzeptieren und von der Notwendigkeit überzeugt werden, mehr
Geld für Produkte aus der nachhaltigen Fleischproduktion in die Hand zu nehmen,
raten schließlich einige AutorInnen zu innovativen Vermarktungsstrategien. Dazu
zählen sie unter anderem kleinere Fleischportionen mit der Möglichkeit, einen
kostenlosen Nachschlag zu bekommen (sogenanntes „nudging“), bessere Hinweise
auf Fleischalternativen in öffentlichen Kantinen und ein staatliches Tierwohl-
bzw. Tierschutzlabel, das Auskunft über Tierhaltungsstandards gibt.</p><p>Ein Verfasser wirbt auch für
„etwas mehr Wahrheit auf dem Preisschild“. Er beabsichtigt damit, den
Naturverbrauch durch die Fleischindustrie in den Preis der Waren
einzuberechnen. Denn „für eine Kaufentscheidung“ sei der Preis immer noch „das
effektivste Label“ (S. 17). Dabei lassen sich durch Marktmechanismen, wie die
Bepreisung von CO<sub>2</sub>-Emissionen und der Handel mit CO<sub>2</sub>-Zertifikaten
zeigt, keine ökologischen Probleme beheben. Sie sind vielmehr die Folge unter
anderem der Inwertsetzung und Kapitalisierung der Natur. Im Übrigen: Wie viel
sind eigentlich Tierleben und das Klima wert in einem Gesellschaftssystem, das
nur die Lohnarbeit als wertschaffend anerkennt und in dem die
Profitakkumulation notwendig „die Springquellen alles Reichtums untergräbt“
(MEW 23: 530), also die ArbeiterInnen, die Natur und die Tiere?</p><p>Besonders perfide ist auch die
Marketingidee des „Schweine- und Kuh-Leasings“. Dabei wird die kapitalistische
VerbraucherInnenideologie – gesellschaftliche Veränderung durch den Kauf
politisch korrekter Waren – auf die Spitze getrieben und das eigentlich
berechtigte Anliegen, dass ein Tier ein gutes Leben verbringt, für das
Marketing von Fleisch nutzbar gemacht. „Die Kundschaft zahlt nicht für ein
bestimmtes Stück Fleisch, sondern finanziert mit regelmäßigen Beiträgen die
Aufzucht eines Ferkels oder Kalbs. Dafür gibt es das ganze geschlachtete und
verarbeitete Tier oder einen Teil davon. Die Abnehmerinnen und Abnehmer
entscheiden mit, wann es geschlachtet und zu welchen Endprodukten es
verarbeitet wird.“ (S. 35) Die VerbraucherInnen bauten auf diese Art „eine
Beziehung [sic!] zum Tier und zum Hof“ (ebd.) auf, die mit der Tötung des einen
auf Geheiß des anderen Teils der „Beziehung“ endet. KundInnenbindung durch
pervertiertes Mitgefühl und durch Tierschutz, der keiner ist. Verkehrte Welt
par excellence.</p><p>Der US-amerikanische Tierrechtler
Gary Francione <b>[4]</b> kritisiert die Tierschutzpolitik, wie sie im <i>Fleischatlas</i>
als Politikansatz skizziert wird, seit vielen Jahren unnachgiebig (vgl.
Francione 1995/2007). Dafür hat er gute Gründe. Denn erstens löst die
nachhaltige Tierausbeutung nicht die Probleme der Tierausbeutung als solche,
auch nicht die sozialen oder ökologischen der Fleischproduktion. Zweitens wird
das Geld für die Reformen nicht in die Abschaffung der Tierausbeutung gesteckt.
Vielmehr machen die Ökomodernisierungen sie drittens sogar effizienter und
profitabler. Im vorliegenden Fall wird sie sogar auf andere Felder ausgedehnt.
Und schließlich verhelfen Tierschutzmaßnahmen dem Tier-Kapital dabei, sein
ramponiertes Image und vor allem die bröckelnde Fleisch-Hegemonie zu
restaurieren. Sie versichern den ausgebeuteten Klassen, dass die Tiere und die
Natur besser behandelt würden, als es real der Fall ist. Sie gewährleisten die
Zustimmung zur bürgerlichen Nahrungs- und Kleidungskultur und garantieren
dadurch, dass der Protest und Widerstand gegen die Ausbeutung von
ArbeiterInnen, Tieren und der Natur in der Fleischindustrie nicht den Charakter
eines revolutionären Klassenkampfs annimmt. Willkommen in der schönen neuen Welt
des nachhaltigen Kapitalismus.</p>
<hr/><h2>Anmerkungen</h2><p><b>[1]</b> Laut den verschiedenen
Fleischatlanten und dem <a href="https://www.weforum.org/whitepapers/meat-the-future-time-for-a-protein-portfolio-to-meet-tomorrow-s-demand">White Paper Meat: the Future. Time for a Protein Portfolio
to Meet Tomorrow‘s Demand</a>, das als Diskussionsgrundlage beim
diesjährigen World Economic Forum in Davos vorgelegt wurde, lassen sich einige
der genannten Naturnutzung und -zerstörungen folgendermaßen quantifizieren:
2016 ist ein Drittel des weltweit produzierten Getreide nur zur Mästung von
Tieren hergestellt worden. Mit dieser Menge könnten vier Milliarden Menschen
ernährt werden. Für kein anderes Konsumgut wird so viel Land benötigt wie für
die Produktion von Fleisch und Milch. Obwohl nur rund 17 Prozent des
Kalorienbedarfs der Menschheit von Tierwaren stammt, wird zu ihrer Herstellung
77 Prozent des globalen Agrarlands benötigt. Mindestens 15 Prozent der globalen
CO<sub>2</sub>-Emissionen entstehen in der Tierindustrie. Über die Hälfte der
globalen Antibiotika-Erzeugung wird in der Tierindustrie genutzt. Die World
Health Organization (WHO) spricht davon, dass durch den Antibiotika-Konsum
durch Fleisch ein zunehmend gefährliches Niveau der Antibiotika-Resistenz
entstehe. Sie schätzt, dass derzeit 700.000 Menschen jährlich an Infektionen
sterben, weil sie gegen die zur Behandlung eingesetzten Antibiotika Resistenzen
entwickelt haben. Diese Zahl werde auf 10 Millionen im Jahr 2050 ansteigen,
wenn sie an der Antibiotika-Nutzung nichts ändert. Der Wasserverbrauch ist vor
allem für den Anbau von Futtermitteln exorbitant. 15.500l Wasser sind zum Beispiel
gebraucht, um ein Kilogramm (!) Rindfleisch herzustellen. Insgesamt beläuft
sich der Anteil der Tier- und Fleischproduktion auf rund ein Fünftel der
globalen Wassernutzung – mehr als für die Industrie. Für die Erzeugung von
1.000 Nahrungskalorien aus Getreide ist rund ein halber Kubikmeter Wasser
nötig. Für 1.000 Kalorien aus Fleisch sind es dagegen vier Kubikmeter und für
1.000 Kalorien aus Milchprodukten sogar sechs.</p><p><b>[2]</b> Der marxistische Philosoph
Ernst Bloch unterscheidet mit seinem Begriff der konkreten Utopie zwischen zwei
Formen der Utopien. Mit den einen werden abstrakt, von der gesellschaftlichen
Praxis abgekoppelt, Wolkenkuckucksheime herbeiphantasiert und ausgemalt. Die
anderen Utopien knüpfen hingegen an die realen Klassenkämpfe und Möglichkeiten
historischer Entwicklung sowie an die kritische Gesellschaftstheorie an. Das
utopische Ziel kann unter diesen Voraussetzungen verwirklicht werden, ist es
aber noch nicht. Dieser Unterschied besteht zum Beispiel zwischen den
frühsozialistischen Vorstellungen Weitlings, Fouriers, Owens und Saint-Simons
einerseits und der Perspektive des Kommunismus andererseits, wie sie Marx und
Engels erarbeitet haben.</p><p>
</p><p><b>[3]</b> Rosa Luxemburg entwickelt in
Abgrenzung zu den zwei falschen Alternativstrategien gesellschaftlicher
Veränderung eine eigene Position. Die kapitalistische Gesellschaftsformation
bricht weder von selbst zusammen und ermöglicht dadurch den Übergang zur
sozialistischen Gesellschaftsformation noch ist dieser Übergang durch Reformen
innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft realisierbar. Vielmehr bedürfe es einer
Dialektik von Reform und Revolution, einer „revolutionären Realpolitik“. Ihr
Ziel ist nicht die Milderung der Ausbeutung, sondern die Revolution der
gesellschaftlichen Verhältnisse, die die Ausbeutung hervorbringen. Die Reformen
sind in der revolutionären Realpolitik Mittel, um dem Klassenkampf von unten
eine bessere Position zu verschaffen, um dieses Ziel zu erreichen, und kein
Selbstzweck. Zudem müssen die Reformen durch ihren Charakter den bürgerlichen
Status quo herausfordern und auf dessen gesellschaftlicher Überwindung
hindeuten.</p><p>
</p><p><b>[4]</b> Der US-Juraprofessor Gary
Francione ist einer der renommiertesten Tier<i>recht</i>ler. Er wird zu Recht
für einige seiner zentralen Positionen von links kritisiert. In seiner
liberalen Rechtskritik geht er etwa davon aus, dass die Ausbeutung der Tiere im
Kapitalismus auf dem juristischen Status der Tiere als Eigentum von Menschen
gründet. Selbstverständlich ist auch die rechtliche Einschreibung der Tiere als
Privateigentum ein Problem. Aber Francione verkehrt Ursache und Wirkung. Tiere
sind Eigentum, weil sie durch die gesellschaftlichen Ausbeutungs- und
Herrschaftsverhältnisse zu ihm gemacht werden. Die juristischen Bestimmungen
sind die Kodifizierungen der politisch-ökonomischen Relationen (vgl. <a href="http://www.tierrechtsgruppe-zh.ch/wp-content/files/MuTb-TP_Broschre_HP.pdf">Marxismus und Tierbefreiung – Thesenpapier, S. 14ff.</a>).
Außerdem sieht Francione den zentralen Hebel für politische Veränderung neben
Gesetzesänderungen vor allem im Veganismus als individueller Lebensweise. Literaturverweis:
Francione, Gary (1995/20007): Animals, Property, and the Law. Neuauflage mit
Korrekturen. Philadelphia.</p><hr/>Wilhelm Wood ist Mitglied des <a href="https://de-de.facebook.com/marxismusundtierbefreiung/">Bündnis Marxismus und Tierbefreiung</a>.
Das Bündnis ist ein Zusammenschluss von Aktiven der marxistischen Linken und
Tierbefreiungsbewegung, welcher seit 2014 besteht und sich um die Vereinigung
von linker und Tierbefreiungspolitik auf einer revolutionären,
historisch-materialistischen Grundlage bemüht. Vom 30. März bis 1. April
organisiert es in Hamburg eine Osterakademie unter dem Motto <a href="https://osterakademie.jimdo.com/">„Die
Zukunft der Bewegung – Tierbefreiung zwischen Opposition und Affirmation“</a>.
Jüngst erschien bei uns der Artikel <a href="https://revoltmag.org/articles/gemeinsam-gegen-die-fleischindustrie/">„Gemeinsam gegen die Fleischindustrie“</a> des Bündnisses.<br/><br/>Bildrechte: CC-BY-SA Heinrich-Böll-Stiftung, BUND, Le Monde Diplomatique</div>
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