re:volt magazine Archivhttps://revoltmag.org/articles/?tags=3542018-03-12T14:24:19.874174+00:00Jeder Tag, an dem wir kämpfen, ist ein Feiertag!2018-03-12T11:34:41.951308+00:002018-03-12T14:24:19.874174+00:00Eleni Triantafyllopoulouredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/jeder-tag-dem-wir-k%C3%A4mpfen-ist-ein-feiertag/
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<h1>Jeder Tag, an dem wir kämpfen, ist ein Feiertag!</h1>
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<img alt="Auf dem Banner steht: Keine Toleranz für Sexismus, Patriarchat und Kapitalismus" height="420" src="/media/images/photo_prin.73a110af.fill-840x420-c100.jpg" width="840">
<span class="content-copyright">Prin</span>
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<div class="rich-text"><p>
</p><p>Die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen
der kapitalistischen Krise haben in den letzten Jahren weltweit zu einer
massiven Wiederbelebung und Stärkung von Frauenkämpfen und zu einer
Radikalisierung der LGBTQ-Bewegung geführt. Auch in Griechenland. Der 8. März
war ein Tag des Widerstands gegen jede Form der Unterdrückung: „Keinerlei
Toleranz gegenüber Sexismus, Patriarchat und Kapitalismus“, tönte es lautstark
aus tausenden Kehlen eines mächtigen Demonstrationszugs, der durch die
Innenstadt von Athen zog. Aufgerufen und organisiert wurde der Protest von
unterschiedlichen feministischen Strukturen und Gruppierungen gegen Sexismus
und Patriarchat, aber auch von Organisationen der radikalen Linken. Darüber
hinaus beteiligte sich eine große Anzahl an Studierendengruppen und
Basisorganisationen. Geflüchtete Frauen* nahmen mitsamt ihren Kindern am
Protest teil, sie erhoben ihre Stimme gegen ihre spezifische multiple
Unterdrückung aufgrund von Geschlecht, Herkunft und Klasse. </p>
<p>Frauen* in Griechenland sind in den letzten Jahren stark von
den sozialen Auswirkungen der Wirtschaftskrise betroffen. Die steigende
Arbeitslosigkeit in Kombination mit den kollabierenden wohlfahrtsstaatlichen
Sicherungssystemen und der Schließung sozialer Infrastrukturen wie Kindergärten
zwangen viele Frauen* dazu, zur häuslichen Arbeit
zurückzukehren und Unterstützungsfunktionen für Kinder, Patienten oder ältere
Familienmitglieder zu übernehmen. Darüber hinaus sind diejenigen, die auf dem
Arbeitsmarkt bleiben, auf vielfältige Weise mit alltäglicher Diskriminierung
und Sexismus konfrontiert – zusätzlich zu Arbeitsverhältnissen, die immer prekärer und unsicherer
werden. Erkämpfte Verbesserungen von grundlegenden Rechten, die Frauen* in den
vergangenen Jahrzehnten erzielten – etwa Unterstützungsleistungen bei
Schwangerschaft, Geburt und Mutterschaft –, gibt es einfach nicht mehr.
Arbeitgeber*innen stellen Frauen* vor die Wahl: „Wenn Sie einen Job haben wollen,
sollten Sie keine Kinder haben“. Tatsächlich ist es für eine arbeitslose oder
eine im Niedriglohnsektor arbeitende Frau* heute fast unmöglich, die
notwendigen Ausgaben für die Geburt eines Kindes zu decken. Gleichzeitig gibt
es unzählige Fälle, in denen Frauen* ihre Arbeit aufgrund einer Schwangerschaft
verloren haben. Das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs, welches
Unternehmen ermöglicht, schwangere Lohnarbeiter*innen trotz eines bestehenden
rechtlichen „Schutz“rahmens bei Massenentlassungen ebenfalls zu entlassen, ist
eine Vorschau auf die arbeiterfeindliche Politik, die folgen wird. </p>
<p>Nicht zuletzt sind in den letzten Jahren immer mehr Fälle
von Gewalt und körperlichem Missbrauch gegenüber Frauen* und LGBTQ-Personen am
Arbeitsplatz, zu Hause oder sogar auf der Straße öffentlich geworden.
Femi(ni)zide, sexuelle Belästigung und Gewalt im öffentlichen und privaten Raum
nehmen dramatisch zu, wenn sich die sozialen Auswirkungen der Krise verschärfen.
In diesem Zusammenhang muss der anhaltende Kampf gegen Ungleichheiten und
Diskriminierung in Bildung und Arbeit, gegen Geschlechterstereotype und
-unterdrückung (auch in Bezug auf sexuelle Orientierung, Herkunft oder
Hautfarbe) sowie der Kampf für Grundrechte wie Mutterschutz und
Erziehungsurlaub ins Zentrum unserer Anstrengungen gerückt werden. Die kollektive
Durchsetzung dieser Forderungen ist eine Voraussetzung, um den Weg zu weiteren
revolutionären Veränderungen zu öffnen. Wir hoffen mit Blick auf die Kämpfe in
Spanien als Beispiel, dass sich die Proteste weiter radikalisieren und im
nächsten Jahr der 8. März ein weltweiter Tag des massiven Streiks von
lohnarbeitenden und Reproduktionsarbeit leistenden Frauen* sein wird. Jeder Tag
des Kampfes ist für uns eine Feier. Keine Toleranz für Patriarchat und Kapitalismus!</p><hr/>Eleni Triantafyllopoulou ist Redakteurin bei der
linksradikalen Zeitung <a href="http://prin.gr/">Πριν (Prin)</a>. <br/>Übersetzung: Johanna Bröse<hr/>Auf dem Banner des Artikelbilds steht der Slogan: "Jeder Tag des Kampfes
ist für uns eine Feier. Keine Toleranz für Patriarchat und Kapitalismus".<p><br/> </p></div>
</section>
<section class="content-section content-type-photo">
<figure class="content-image">
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<img alt="Basisorganisierungen mit einem klassenkämpferischen Banner" height="2448" src="/media/images/basisorgas-classstruggle.original.jpg" width="3264">
</div>
<figcaption>
<p>Die Initiative der Koordination von Basisgewerkschaften auf der Frauen*kampfdemo. Auf dem Banner steht: "Der 8. März ist kein Tag zum Feiern, er ist ein Tag des Klassenkampfs".</p>
</figcaption>
</figure>
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<h2>Lizenzhinweise</h2>
<p>Copyright © 2017 re:volt magazine Redaktion - Einige Rechte vorbehalten</p>
<p>
Die Inhalte dieser Website bzw. Dokuments stehen unter der <a href="http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/">Creative Commons Namensnennung-NichtKommerziell-KeineBearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz</a>.
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Streiken trotz Erdoğan2018-02-13T10:30:36.589547+00:002018-02-13T10:30:36.589547+00:00Alp Kayserilioğluredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/streiken-trotz-erdogan/
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<h1>Streiken trotz Erdoğan</h1>
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<img alt="Streikkundgebung der Birleşik Metal-İş in Eskişehir" height="420" src="/media/images/Bild_Streikkundgebung.2e16d0ba.fill-840x420-c100.jpg" width="840">
<span class="content-copyright">Birleşik Metal-İş</span>
</div>
</div>
<section class="content content-section content-type-paragraph">
<div class="rich-text">Eine
der Achillesfersen des derzeitigen AKP-Regimes in der Türkei ist die
Situation der Werktätigen. Zwar gibt es kaum verlässliche Zahlen
zur Reallohnentwicklung; die wenigen, die es jedoch gibt, weisen im
besten Fall auf eine Lohnstagnation im Durchschnitt der AKP-Periode
hin. Parallel zu dieser Stagnation ist die Verschuldung der Haushalte
regelrecht explodiert. Für die Werktätigen noch schlimmer sind
allerdings die erst in der AKP-Periode vollständig deregulierten und
„flexibilisierten“ Arbeitsverhältnisse, während die
Schwarzarbeit immer noch einen Drittel der Beschäftigung ausmacht.
Diese Arbeitsverhältnisse und mangelhafte Sicherheitsbedingungen
hatten gravierende Konsequenzen: Ingesamt 15.084 Arbeiter*innen
starben im Zeitraum von 2002 bis 2015 an Arbeitsunfällen, die hätten
verhindert werden können. [1]<p>
</p><p>
</p><p>Im
chauvinistischen Furor der sich rasend beschleunigenden Faschisierung
seit dem misslungenen Militärputsch vom 15. Juli 2016 hoffte das
Regime darauf, den Frust der Arbeiter*innen in andere Richtungen
kanalisieren und den restlichen Arbeiter*innenwiderstand vollends
zerdrücken zu können. Der türkische Präsident Recep Tayyip
Erdoğan sprach diesbezüglich unmissverständlich <a href="https://www.birgun.net/haber-detay/erdogan-ohal-i-grev-tehdidi-olan-yere-mudahale-icin-kullaniyoruz-169437.html">klare
Worte</a>:
Bei einer Unternehmer*innen-Veranstaltung im Juli 2017 polterte er
(bezugnehmend auf Kritiken am Ausnahmezustand seitens der
Wirtschaft): „Wir haben den Ausnahmezustand verhängt, um dafür zu
sorgen, dass die Wirtschaft problemlos funktioniert. Hat denn die
Wirtschaft irgendwelche Probleme gehabt wegen dem Ausnahmezustand?
Wir nutzen den Ausnahmezustand dazu, um Streiks zu verhindern. So
klar ist die Sachlage.“</p><p>
</p><p>
</p><p>Und
in der Tat, der Militärputsch wurde seitens des Regimes auch dazu
genutzt, vehement gegen Arbeiter*innen und Arbeiter*innenrechte
vorzugehen. In einem <a href="https://disk.org.tr/2017/07/birinci-yilinda-emegin-ohal-bilancosu-ohal-emege-zararlidir/">ausführlichen
Bericht</a>
vom 20. Juli 2017 zu den Auswirkungen des seit 21. Juli 2016 quasi in
Permanenz verhängten Ausnahmezustandes hält die linke
Gewerkschaftskonföderation DISK fest: „Der Ausnahmezustand wirkte
sich desaströs auf Werktätige aus. Er wurde geradezu zu einer
Garantie für das Kapital, während er andererseits zu einer
Missachtung von Arbeiterrechten führte.“</p><p>
</p><p>
</p><h2><b>Entlassungen,
Schließungen, Streikverbote</b></h2><p>
</p><p>
</p><p>Die
gröbsten Missachtungen fanden dem Bericht zufolge beim Recht auf
Arbeit statt: Mehr als 113.000 Beschäftigte des öffentlichen
Sektors wurden ohne Beweise, ohne Anklage und ohne Recht auf
Verteidigung mittels Gesetzesdekreten und anderen Maßnahmen
entlassen, über 20.000 Personen wurde die Lehrlizenz entzogen. Mit
unterschiedlichen Maßnahmen wurde dafür gesorgt, dass die
Betroffenen kaum eine andere Arbeit mehr annehmen, noch das Land
verlassen können. Dass es dabei nicht um „Terrorbekämpfung“,
sondern um Ausschaltung jeder Opposition oder Abweichung im Staat
ging, geht daraus hervor, dass es neben angeblich „Gülen-nahen“
Personen Tausende linke Akademiker*innen, Lehrer*innen,
Gewerkschafter*innen und Angestellte von kurdischen Kommunen betraf.</p><p>
</p><p>
</p><p>Zum
anderen wurden laut dem DISK-Bericht über 2.000 Institutionen
(Universitäten, Krankenhäuser, Medienunternehmen, usw.) geschlossen
und ebenfalls per Gesetzesdekret beschlossen, dass den Arbeitenden
der betroffenen Institutionen alle Rechte wie Lohnfortzahlung,
Abfindung oder sonstige Einnahmen versagt werden.</p><p>
</p><p>
</p><p>Ebenfalls
per Gesetzesdekret und rechtswidrig wurden 19 Gewerkschaften und
Gewerkschaftskonföderationen mit über 50.000 Mitgliedern
geschlossen. Zusätzlich wurden zahlreiche arbeitskampf- oder
arbeitsrechtsbezogene Presseerklärungen, Treffen und Demonstrationen
von Gewerkschafter*innen mit Verweis auf den Ausnahmezustand verboten
und durch polizeiliche Intervention aktiv verhindert. Nicht zuletzt
wurden im Zeitraum allein seit dem Militärputsch mittlerweile sechs
große Streiks mit über 150.000 beteiligten Arbeiter*innen de facto
verboten. Und als Gipfel des Ganzen wurden mittels Gesetzesdekreten
Veränderungen an über 100 Gesetzen in einer Form vollzogen, die
offensichtlich nichts mit „Terrorbekämpfung“ zu tun hat: So
wurden unter anderem weitere Einschränkungen des Gewerkschafts- und
Streikrechts oder auch Subventionen an Unternehmen aus dem
Arbeitslosenfonds beschlossen.</p><p>
</p><p>
</p><h2><b>Strike
no more? Aber hallo!</b></h2><p>
</p><p>
</p><p>Aber
trotz aller Repression stellt sich die derzeitige Türkei auch in
Bezug auf den Arbeiter*innenwiderstand weitaus weniger als ein
geschlossener und oppositionsloser autoritärer Block dar, als
gemeinhin angenommen wird. Im Gegenteil: Aller Repression zum Trotz
sollte kürzlich der <a href="https://www.birgun.net/haber-detay/metal-grup-toplu-pazarliginda-grev-kapida-bu-isyerinde-cesaret-var-200064.html">größte</a>
<a href="https://www.birgun.net/haber-detay/bu-ulkede-grev-hakki-ayaklar-altindadir-202053.html">Streik</a>
im türkischen Metallsektor seit 1991 stattfinden. Als sich im
Dezember 2017 nach zwei Monaten fruchtloser Verhandlungen die drei
großen Gewerkschaftskonföderationen des Metallsektors mit dem
Arbeitgeberverband MESS auf keinen neuen Kollektivvertrag
verständigen konnten, einigten sich die Gewerkschaftsverbände auf
Initiative der linken Birleşik Metal-İş stattdessen untereinander
darauf, ab 2. Februar 2018 gemeinsam in den Streik zu treten. 130.000
Arbeiter*innen in 179 Betrieben wurden hierfür mobilisiert. Schon ab
Dezember 2017 fing die DİSK-Teilgewerkschaft Birleşik Metal-İş
mit Protestmärschen in den Pausenzeiten und großen Kundgebungen an.
Allerdings wurde der Streik zehn Tage vor seinem Beginn seitens der
Regierung mit dem Verweis auf die „nationale Sicherheit“ wie so
oft „aufgeschoben“ und damit <a href="http://www.birgun.net/haber-detay/grev-hakki-aldatmacasi-144142.html">de
facto verboten</a>.
Die Arbeiter*innen ließen sich aber nicht beeindrucken: Während die
DISK-Teilgewerkschaft Birleşik Metal-İş ankündigte, den Streik
dennoch durchzuführen, fing auch die Türk Metal-İş mit
vorübergehenden Arbeitsniederlegungen an und kündigte mehr Aktionen
an. Letztlich lenkte die MESS ein und es wurde ein Tarifvertrag
beschlossen, der zum <a href="http://t24.com.tr/haber/birlesik-metal-is-toplu-sozlesme-grev-yasaginizi-tanimiyoruz-diyen-iscilerin-kazanimidir,548457">Großteil</a>
den Forderungen der Gewerkschaften entsprach: Über zwei Jahre gibt
es durchschnittlich knapp 25 Prozent Lohnerhöhung, die
Sozialbeiträge der Unternehmensseite werden um 23 Prozent erhöht
und der Versicherungsstatus der Arbeiter*innen verbessert. Bei
gleichbleibender Inflation (jährlich derzeit 10-11 Prozent) wird
davon zwar nicht allzu viel übrigbleiben. Es zeigt sich aber, dass
auch in den industriellen Beziehungen Widerstand und partielle Siege
trotz ausufernder Repression möglich sind und dass die Dynamik der
Arbeitskämpfe eher zu- als abnimmt.</p><p>
</p><p>
</p><p>Denn
der Kampf der Metaller*innen ist nur die Spitze des Eisberges. Als
6.000 Arbeiter*innen in allen neun Betrieben des Glasproduzenten
Şişecam im <a href="http://www.industriall-union.org/turkish-glass-workers-win-large-increase-after-unprecedented-action">Mai
2017</a>
in den Streik für einen besseren Tarifvertrag treten wollten, wurde
dieser ebenfalls von der Regierung verboten. Die Arbeiter*innen
bedienten sich stattdessen anderer Kampfmethoden wie der
Arbeitsverlangsamung und verließen nach den Schichten das Gelände
nicht mehr. Nach zwei Wochen lenkte das Unternehmen ein und die
Arbeiter*innen konnten ein für damalige Verhältnisse ordentliches
Ergebnis erzielen. <a href="http://sendika62.org/2017/10/sisecam-direnisinde-kazanim-bu-zafer-tum-isci-sinifinin-zaferidir-452732/">Einige
Monate später</a>,
im Oktober 2017, erkämpften dieselben Arbeiter*innen mit
Protestmärschen und öffentlichen Kundgebungen, dass 91 rechtswidrig
und ohne Abfindung gekündigte Arbeiter*innen wiedereingestellt
wurden oder ihre Abfindungen bekamen.</p><p>
</p><p>
</p><p>Auf
ähnliche Art und Weise erzwangen 1863 Arbeiter*innen des
Petrochemiegiganten PETKIM im Juni 2017 nach monatelangen fruchtlosen
Verhandlungen und trotz Streikverbot mithilfe von Fabrikbesetzung und
Widerstand gegen gewalttätige Polizeieinsätze einen <a href="http://www.cumhuriyet.com.tr/haber/ekonomi/289463/Petkim_de_anlasma_saglandi.html">Tarifvertrag</a>,
der zu 90 Prozent ihren eigenen Forderungen entsprach und unter
anderem die fast vollständige Schließung der Lohnunterschiede
zwischen alten und neuen Arbeiter*innen beinhaltete.</p><p>
</p><p>
</p><h2><b>Wenn’s
sein muss mit der Pumpgun...</b></h2><p>
</p><p>
</p><p>Auch
außerhalb der großen Industriebetriebe finden überall weiterhin
kontinuierlich landesweit Arbeitskämpfe im Kleineren statt: ob nun
seitens der ehemaligen Lehrtätigen, die in Form von Mahnwachen oder
Hungerstreiks gegen ihre rechtswidrigen Entlassungen kämpfen; oder
auf zahlreichen Baustellen im ganzen Land, wo Arbeiter*innen gegen
zurückgehaltenen Lohn oder rechtswidrige Kündigung streiken.</p><p>
</p><p>
</p><p>Als
Kernforderungen der Arbeitskämpfe der letzten Jahre haben sich
generell die nach inflations-, produktivitäts- und/oder
umsatzgekoppelten Lohnerhöhungen, besseren Arbeitsbedingungen
(insbesondere bezüglich der Aufhebung der Spaltung in
Kernbelegschaften und Leiharbeiterschaften sowie
Arbeitsplatzsicherheit), Einhaltung von Arbeitsrechten und freie
Gewerkschaftswahl und -organisation herauskristallisiert. Seit dem
Militärputsch 2016 treten insbesondere in von den „Säuberungen“
betroffenen Sektoren wie dem Bildungswesen politische Forderungen wie
die Aufhebung des Ausnahmezustandes, die Wiedereinstellung der
Entlassenen und der Stopp der politischen Repression und Willkür in
den Arbeitsbeziehungen in den Vordergrund.</p><p>
</p><p>
</p><p>Es
ist allerdings festzuhalten, dass sich mit der gewerkschaftlichen
Organisation die Grundlage von gewerkschaftlichen Kämpfen schon
länger im Rücklauf befindet. Der <a href="http://t24.com.tr/yazarlar/aziz-celik/sendikalasma-gercekten-artiyor-mu,11132">effektive
gewerkschaftliche Organisierungsgrad</a>
(Anteil der Beschäftigten, die von Kollektivverträgen profitieren)
befand sich 2014 auf einem historischen Tiefstand von 6-7 Prozent,
wobei klassischerweise die großen staatlichen Metall- und
Automobilbetriebe die Hochburgen der Gewerkschaften ausmachen. Die
Gründe für diesen extrem niedrigen gewerkschaftlichen
Organisierungsgrad liegen in einem restriktiven Gewerkschafts- und
Streikrecht (inklusive der Befähigung der Regierung,
Streikbeschlüsse zu brechen) sowie in den weitverbreiteten Methoden
des union-busting.</p><p>
</p><p>
</p><p>Wo
es keine oder kaum gewerkschaftliche Organisierung gibt, da findet
trotzdem oft ein individueller Widerstand statt. Arbeiter*innen, die
zu Unrecht gefeuert werden oder ihren Lohn nicht erhalten,
organisieren individuell permanente Demonstrationen vor den
Fabriktoren, gehen in Hungerstreik oder halten Mahnwachen ab. In
letzter Zeit nimmt dieser individuelle Widerstand zunehmend
gewalttätigere Formen an: Anfang Januar 2018 stürmte der Bauer <a href="http://www.milliyet.com.tr/4-kisiyi-olduren-cem-kucukturk-kal-gundem-2586633/">Cem
Küçüktürk</a>
das Büro eines Immobilienhaies in Konya und erschoss drei Menschen
mit einer Pumpgun. Er gab an, dass er dies tat, weil er von den
anderen Wohnungseigentümer*innen und dem Immobilienhai seit Monaten
dazu genötigt wurde, sein Eigentum an seiner Wohnung in einem
vierstöckigen Haus zu verkaufen, damit der Immobilienhai es abreißen
und ein neues, siebenstöckiges Haus bauen könne. Außerdem
versuchten sich in den ersten beiden Monaten des Jahres 2018 <a href="http://sendika62.org/2018/02/antalyada-issiz-oldugunu-soyleyen-bir-yurttas-kendini-yakmak-istedi-473843/">vier</a>
<a href="http://sendika62.org/2018/02/gecinemiyorum-isyani-buyuyor-sivasta-bir-issizden-kendini-yakma-girisimi-472711/">Arbeiter</a>
auf öffentlichen Plätzen selbst zu <a href="http://sendika62.org/2018/02/antalyada-issiz-oldugunu-soyleyen-bir-yurttas-kendini-yakmak-istedi-473843/">verbrennen</a>,
weil sie mit ihren Einkommen nicht mehr überleben konnten. <a href="http://sendika62.org/2018/01/denizlide-issiz-kalan-genc-intihar-etti-471623/">Ein
Arbeiter</a>,
der arbeitslos wurde, hat sich erhängt.</p><p>
</p><p>
</p><p>Arbeitsbedingungen
in der Türkei sind schwer, die Zukunft ungewiss. Die Situation hat
sich im Repressionsstrudel seit dem Militärputsch auch für
Werktätige extrem verschärft. Dennoch zeigen die Arbeitskämpfe und
-widerstände der letzten Monate, dass Siege möglich sind und zwar
vor allem dort, wo die Arbeiter*innen gemeinsam und organisiert für
ihre Rechte und Ansprüche kämpfen.</p><hr/><p><b>Fußnote:</b></p><p>
</p><p>
</p><p>[1]
Bağımsız Sosyal Bilimciler (BSB),<i>
AKP'li Yıllarda Emeğin Durumu</i>,
Istanbul, 2015, S. 269.</p><hr/><p><b>Anmerkung:</b></p><p>
</p><p>
</p><p>Dieser
Text erschien zu erst bei der <a href="https://www.rosalux.de/publikation/id/38418/arbeitskaempfe-im-ausnahmezustand/">Rosa
Luxemburg Stiftung</a>. Eine stark
gekürzte Version erschien im <a href="https://www.neues-deutschland.de/artikel/1079034.arbeitsrechte-in-der-tuerkei-ausnahmezustand-um-streiks-zu-verhindern.html">neuen
deutschland</a> vom 10. Februar 2018.
Wir danken für die Zweitpublikation.</p>
<p><br/></p></div>
</section>
</article>
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