re:volt magazine Archivhttps://revoltmag.org/articles/?tags=3452023-02-02T09:26:43.006740+00:00Paramilitärische Gewalt in Mexiko2019-07-14T13:03:04.618953+00:002023-02-02T09:26:43.006740+00:00Juliana Ramirezredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/paramilit%C3%A4rische-gewalt-in-mexiko/
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<h1>Paramilitärische Gewalt in Mexiko</h1>
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<span class="content-copyright">Radio Zapatista</span>
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<div class="rich-text"><p>Vertriebene zu sein, macht dich zur Fremden im eigenen Land, zu einer Gefangenen einer falschen Freiheit. Die Situation von Vertriebenen im südmexikanischen Bundesland Chiapas lässt sich als konstante Krise bezeichnen, die Kindern bis älteren Menschen ergreift und von deren baldigen Lösung der mexikanische Staat und seine juristischen Instanzen noch weit entfernt ist. Bei gewaltsamen Vertreibungen handelt es sich um das erzwungene Verlassen seiner Heimat aufgrund von Todesdrohungen und Ermordungen. Das bedeutet auch, alles hinter sich und zurückzulassen. Angehörige, Eigentum, Arbeit, Bildungsmöglichkeiten und einen Lebensgang, der in der Regel das Überleben sicherte. In den meisten Fällen ereignen sich gewaltsame Vertreibungen als Massenvertreibungen unter äußerst gewalttätigen Bedingungen. Eine gewaltsame Vertreibung kann nicht nur an sich einem Todesurteil gleichkommen, sondern auch noch nachträglich aufgrund des Fehlens einer Unterkunft, oder der Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, aufgrund der Ausbreitung von Krankheiten ohne Behandlungsmöglichkeiten, aufgrund von Schwangerschaften ohne notwendige Hilfen, oder für die Alten schlicht, da sie keinen Ort zum Ruhen finden. So können Betroffene auch noch nach dem kritischsten Moment der gewaltsamen Vertreibung sterben, obwohl keine Waffen mehr zum Einsatz kommen.</p><p>Gewaltsame Vertreibungen betreffen im Bundesland Chiapas üblicherweise primär die indigenen Ethnien. Kleine Maya-Völker aus den Bergen der Sierra Madre, die ihr Tagbrot in der Landwirtschaft, d.h. im Anbau von Saatgut, Früchten, Gemüse und Blumen verdienen. Wenn diese Bevölkerungsgruppen Widerstand gegen die Todesdrohungen und Vertreibungen leisten, werden sie schnell Opfer von Ermordungen durch paramilitärische Gruppen. „Im Jahr 2017 wurden laut der <i>,Kommission zur Verteidigung und Förderung der Menschenrechte' (Comisión Mexicana de Defensa y Promoción de los Derechos Humanos)</i> mindestens 6090 vertriebene Personen in drei Vertreibungswellen registriert“ [1].</p><p></p><h3><b>Vertreibung als politische Strategie</b></h3><p>Die Gründe für gewaltsame Vertreibungen liegen darin begründet, dass die Vertriebenen häufig politisch anderweitig orientiert sind, als an der aktuellen bezirklichen Regierung. Das heißt es geht hier häufig um Motivationen, die dem Wahlkampf entspringen. Die jeweiligen lokalen Machthaber*innen versuchen, die Unterstützung der Menschen für eine bestimmte politische (zumeist rechte) Partei zu erzwingen. Wenn diese Partei dann tatsächlich an die Macht kommt, oder an der Macht verbleibt, werden genau diejenigen, die dieser Partei ablehnend gegenüberstehen, mit Vertreibungsdrohungen überzogen, exiliert und zu <i>personas non gratas</i> <i>(lat. f. nicht erwünschte Personen - Anm. d. Red.)</i> erklärt. Diese Personengruppen werden dann Opfer von Ermordungsversuchen bis sie sich entscheiden, ihre Dörfer zu verlassen, um nicht ermordet zu werden.</p><p>Neben diesen politischen Interessen geht es auch um territoriale Interessen, d.h. um Ressourcen wie Metalle und Mineralien. Die Mehrheit der Gebiete, in denen die Vertriebenen wohnhaft waren, sind reich an Edelmetallen. Und die Eigentümer*innen dieser Erde weigerten sich zumeist, ihren Grund und Boden zu verkaufen. Chiapas im Speziellen ist reich an „Gold, Silber, Kupfer, Eisen, Nickel und Zink“ [2] und daher am stärksten vom Phänomen der gewaltsamen Vertreibungen betroffen.</p><p></p><h3><b>Die Paramilitärs: Rechte Hand der Politiker*innen</b></h3><p>In Mexiko, ebenso wie in vielen anderen lateinamerikanischen Ländern, existieren paramilitärische Gruppen. Sie werden finanziert und organisiert durch bezirkliche und auch staatliche Regierungsstellen, die politische Dominanzinteressen oder wirtschaftliche Interessen über einen Teil der Bevölkerung verfolgen. In anderen Worten ausgedrückt, stellen die Paramilitärs die rechte Hand der Politiker*innen dar, bedrohen und erschießen auf ihr Verlangen hin. Aus diesem Grund gibt es nach solchen Vorfällen auch keine Gerechtigkeit oder Strafverfolgung.</p><p>Die Angriffe finden üblicherweise Nachts, aus der Dunkelheit heraus, statt. Männer mit großkalibrigen Waffen steigen von Lieferwagen und beginnen auf die Häuser zu schießen, die zuvor den Zielpersonen zugeordnet werden konnten. Sie beschießen Sachgegenstände, sähen Panik mit Luftschüssen und brennen Häuser nieder, ohne dass es sie kümmern würde, ob sich darin Menschen aufhalten. Angesichts dieser gewalttätigen Szenen rennen die Bewohner querfeldein ins Dickicht - wie es in den Gemeinden Chalchihuitán (2017) und San Pedro Chenalhó (2016) der Fall war, die beide in Chiapas gelegen sind.</p><p>Die Angriffe der Paramilitärs „weisen immer gleiche Muster der gewaltsamen Vertreibung, des Terrors und der Morde auf, um Kontrolle über ein Gebiet auszuüben. Festgehalten werden können die Aspekte a) Länger andauernde Angriffe mit großkalibrigen Waffen, b) bewaffnete und aussetzende Angriffe, c) Drohungen zur Verübung von Massakern, d) Überwachung von Schanzen im Gebirge aus, e) allgemeine Aggressionen gegen die Zivilgesellschaft, f) gewalttätige Handlungen zur Verbreitung von Terror, g) Belagerungen von Ortschaften, h) exemplarische Ermordungen“ [3]. Aufgrund der Deckung durch politische Funktionär*innen und lokale Polizeieinheiten verfügen paramilitärische Gruppen faktisch über die Erlaubnis zu Mord und Totschlag - wohl wissend, dass die Bundesregierung nicht in lokale Angelegenheiten eingreifen wird.</p><p></p><p></p><h3><b>Ein Beispiel: Die Gemeinde Puebla</b></h3><p>Beispielsweise wurden in der Gemeinde Puebla im Bezirk San Pedro Chenalhó in Chiapas am 26. Mai 2016 249 Personen vertrieben. Die Mehrheit der aus politischen Motiven vertriebenen Bewohner*innen gehört zum Maya-Volk der Tzotzil. 54 Familien weigerten sich, die <i>Grüne Partei Mexikos (Partido Verde Ecologista de México - PVEM)</i> zu wählen. Als diese Partei dann an die Macht kam, entfaltete sie eine Kampagne der Todesdrohungen und Angriffe mit Hilfe von paramilitärischen Gruppen, die die Bewohner zwang, ihre Heimat zu verlassen.</p><p>Die Vertriebenen leben derzeit in einem Komplex aus kleinen, bescheiden Buden. Gedrängt teilen sich zwei Familien jeweils eine dieser Buden. Jede Familie kann dabei aus bis zu zwölf Mitgliedern bestehen. Diesen Ort, in den Außengegenden des Verwaltungsbezirks San Cristóbal de las Casas gelegen, konnten sie durch eine Reihe von Kämpfen für sich gewinnen. Doch trotz der Distanz zu ihrem Heimatbezirk leiden sie weiterhin unter den Drohungen von paramilitärischen Gruppen.</p><p>Ohne Frieden und unter Furcht initiierten die Vertriebenen eine soziale Kampfbewegung mit der Forderung an die Landes- und Bundesregierung, schnell in ihre Heimat zurückkehren zu können. Darüber hinaus fordern sie Sicherheitsgarantien, die Strafverfolgung gegen die identifizierten Auftraggeber*innen und Täter*innen der Vertreibung. Bitten, die sowohl bei der Landes- als auch der Bundesregierung unter zwei verschiedenen Amtszeiten (Im Dezember 2018 wechselte in Mexiko die Regierung) auf taube Ohren stießen. Trotz der humanitären Krise, den Protesten und Streiks, müssen sie in Angst vor einem erneut bevorstehenden paramilitärischen Angriff weiterleben, weit entfernt von einer Antwort der mexikanischen Politik, 3 Jahre nach dem Tag ihrer Vertreibung.</p><p></p><h3><b>Anmerkungen</b></h3><p><b>[1]</b> Wellen der gewalttätigen Binnvertreibung in Mexiko 2017</p><p><a href="http://www.cmdpdh.org/publicaciones-pdf/cmdpdh-episodios-de-desplazamiento-interno-forzado-en-mexico-informe-2017.pdf?fbclid=IwAR0GBaoBekzNU76-fkv9yZK3D5aFqF8pLlrLDIBNAV6zzN8eqS-DC4rlFYs">http://www.cmdpdh.org/…/cmdpdh-episodios-de-desplazamiento-…</a></p><p></p><p><b>[2]</b> <a href="https://ultimatumchiapas.com/potencial-minero-otra-posible-causa-disputa-tierras-chalchihuitan/?fbclid=IwAR0wx9_fIrbKglAJMHtHxH4PzDDJJo2npHxO3PGzuVOlot9VyhVy0NH5KIs">https://ultimatumchiapas.com/potencial-minero-otra-posible…/</a></p><p></p><p><b>[3]</b> <a href="https://frayba.org.mx/impunidad-aumenta-muertes-y-desplazamiento-forzado-en-chiapas/?fbclid=IwAR1d_FAKzneQaj8j5tMaOc0LNGcGTKGA0Y1-4KxAgCOKZOrcWBH8eIkXWeA">https://frayba.org.mx/impunidad-aumenta-muertes-y-desplaza…/</a></p></div>
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Das Ende von „Frieden und Soziale Gerechtigkeit“?2018-06-19T09:20:16.485685+00:002018-07-07T09:11:06.484009+00:00Jan Schwabredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/das-ende-von-frieden-und-soziale-gerechtigkeit/
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<h1>Das Ende von „Frieden und Soziale Gerechtigkeit“?</h1>
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<img alt="Präsident Duque vor seinem inoffiziellen Logo" height="420" src="/media/images/colombia.104d8842.fill-840x420-c100.jpg" width="840">
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<div class="rich-text"><p>Am vergangenen Sonntag gewann Iván Duque, Kandidat des rechtspopulistischen
Centro Democrático, die <a href="https://presidente2018.registraduria.gov.co/resultados/2html/resultados.html">zweite Runde der Präsidentschaftswahlen</a> in Kolumbien. Zuvor hatte sich der
sozialdemokratische Kandidat Gustavo Petro, aufgestellt von der mitte-links
Kampagne Colombia Humana, gegen seine liberalen Mitbewerber in der ersten Runde
der Präsidentschaftswahlen am 27. Mai durchgesetzt. Er galt damit als erster
dezidierter mitte-links Präsidentschaftskandidat in der zweiten Runde der
Präsidentschaftswahl in der kolumbianischen Geschichte. Im zweiten Wahlgang aber
setzte sich Iván Duque mit einer klaren Mehrheit von 54 zu 41,8 Prozent durch
und konnte damit zwei Millionen Stimmen mehr verbuchen als sein Gegenkandidat
Petro. Selbst unter Einbezug des im Vorlauf bekanntgewordenen möglichen
Stimmenkaufs und des <a href="http://pacifista.co/hablamos-con-la-registraduria-sobre-el-supuesto-fraude-electoral-a-favor-de-duque/">Wahlbetrugs</a> durch UnterstützerInnen des rechten Kandidaten
kann sogar von einem klaren Sieg der Rechten ausgegangen werden. Die
Wahlbeteiligung von 53,4 Prozent gilt für das südamerikanische Land als
vergleichsweise hoch, insbesondere im Vergleich zum Plebiszit über die Friedensverträge
von Havanna mit den FARC am 2. Oktober 2016, bei der eine Wahlbeteiligung von 37,43
Prozent ermittelt wurde. Aufgrund der Ergebnisse der Legislativwahlen am 11.
März diesen Jahres verfügt Duque darüber hinaus mit seinen UnterstützerInnenparteien,
auch ohne die offensichtlich wankelmütige Partido Liberal, in beiden
kolumbianischen Kammern <a href="https://es.wikipedia.org/wiki/Elecciones_legislativas_de_Colombia_de_2018">über die klare Mehrheit</a>. </p>
<h2><b>Ein
Generalangriff auf die Friedensverträge</b></h2>
<p>Das Wahlergebnis ist als eine Tendenzwahl zu verstehen. Der Rechtspopulist
Iván Duque, protegiert vom rechten Hardliner und Ex-Präsidenten Alvaro Uribe Vélez,
ist ein ausgesprochener Feind der Friedensverträge. Während seine ParteigängerInnen
immer wieder wörtlich ankündigten, <a href="https://www.semana.com/nacion/articulo/uribismo-hara-trizas-acuerdo-acuerdo-con-farc-esta-blindado/524529">„die Friedensverträge zu zerreißen“,</a> lehnt
er zudem jede Form des Waffenstillstands oder etwa Verhandlungen mit der
verbliebenen marxistischen Guerilla ELN ohne deren Demobilisierung ab. Der neue
rechte Präsident zielt nun, angeblich nicht mehr „zerreißend“, auf „Änderungen“
in den Friedensverträgen. Damit sind Umgestaltungen gemeint, die der ehemalige
liberale Präsidentschaftskandidat Humberto de la Calle zu Recht als „Änderung
des Wesensgehalts der Verträge“ bezeichnete. Es geht dabei unter anderem
um die geplante Demontage der Sonderjustiz für den Frieden (JEP), einer durch
die Friedensverträge aufgestellte Sondergerichtsbarkeit für
Menschenrechtsverbrechen im bewaffneten Konflikt. Die Bestrafung, die sämtliche
Akteure erhalten, denen Menschenrechtsverbrechen vorgeworfen werden, reichen
dabei von einer breiten Palette von Resozialisationsarbeitsprogrammen bis hin
zur klassischen Haftstrafe. Duque ist das nicht genug. Er möchte die JEP
aushebeln und die Bestrafung der regulären Strafjustiz überantworten, die kaum
mit Resozialisierungsprogrammen arbeitet. Es ist in diesem Zusammenhang
bemerkenswert, dass Duque, im Einklang mit seinem Ziehvater Alvaro Uribe, gegen
den <a href="http://www.vanguardia.com/actualidad/colombia/233151-uribe-es-quien-tiene-mas-investigaciones-en-contra">über 250 Verfahren</a> wegen Drogenhandel, Korruption, Vergewaltigung
und Verbindungen zum Paramilitarismus anhängig sind, die Schaffung eines
sogenannten „Super-Corte“ vorantreiben will. Es handelt sich hier um eine
faktische Aufhebung der Kompetenzenteilung der Justiz auf höchster staatlicher
Ebene. Nach diesem Vorschlag, den Duque Anfang Juni bereits beim
Verfassungsgericht zur Prüfung eingereicht hat, würden die bislang sechs getrennten
hohen landesweiten Gerichte (Verfassungsgericht, Bundesgerichtshof, Staatsrat,
Justizrat, Sonderjustiz für den Frieden, Nationaler Wahlrat) zu einem einzigen Landesgericht,
mit geringerem Personalbestand, zusammengeführt. Ein Schelm, wer hierbei Böses
denkt. </p>
<p>Weiterhin wird es um die Demontage der politischen Partizipation der neuen
Linkspartei und ehemaligen Guerilla FARC gehen. Seit der Inhaftierung des
FARC-Führers und Abgeordneten des Kongresses Jesús Santrich, unter äußerst fragwürdiger
Beweislage <a href="https://revoltmag.org/articles/angriff-auf-den-friedensprozess-kolumbien/">der dubiosen US-Anti-Drogenbehörde DEA</a> im April 2018, herrscht Unsicherheit über die
Besetzung der – der Ex-Guerilla laut Friedensverträgen jeweils in Senat und
Kongress zugesicherten – fünf Sitze. Duque will die Führer der ehemaligen
Guerilla nun entgültig hinter Schloss und Riegel bringen. Dafür käme ihm die
Aushebelung der Sonderjustiz zu Gute. Die ist nämlich die einzige Regelung, die
verhindert, dass die mit den USA bereits in den 1980ern auf Basis des „War on
Drugs“ vereinbarten <a href="http://extradicion.com.co/historia-de-la-extradicion-en-colombia/">Auslieferungsabkommen</a> wirksam werden. Es ist darüber hinaus zu
erwähnen, dass die Ultrarechten unter Revision der ursprünglichen
Friedensverträge bereits im Jahr 2016 das Privateigentum in den
Friedensverträgen festschreiben ließ, womit seither die in Vertrag Eins verhandelte
Agrarreform zu Gunsten von Vertriebenen und Kleinbauern erschwert wird. Duque
möchte auch diesen Vertrag nun „strukturell reformieren“. Der neue Präsident steht
also nicht nur für eine Fortsetzung der exportorientierten, post-kolonialen GroßgrundbesitzerInnen-Ökonomie
Kolumbiens, sondern möchte eine Politik der Steuersenkungen, des „Schlanken
Staats“ (einer möglichst kleinen gestrafften, wirtschaftsorientierten
Staatsverwaltung) und der ausländischen Investitionen vorantreiben. Der Aufbau
eines umfassenden Sozialstaats, der mit der Umsetzung der in den
Friedensverträgen vereinbarten Bestimmungen einhergehen würde, ist damit
vollkommen unvereinbar. Duque hat darüber hinaus bereits die Fortsetzung der
gewaltsamen Drogenbekämpfung angekündigt, im Gegensatz zu den Bestimmungen der
friedlichen Substitution in Vertrag Vier der Friedensverträge. Summa Summarum
droht nun also ein Generalangriff auf jeden einzelnen Vertragspunkt der
Friedensverträge. Dieser wird praktisch auf allen Ebenen komplett aushebelt und
eben nicht nur, wie Duque nunmehr in seiner ersten Rede als Präsident betont
hat, <a href="https://www.americaeconomia.com/politica-sociedad/politica/presidente-electo-de-colombia-dice-que-no-hara-trizas-el-acuerdo-de-paz">an einigen Stellen korrigiert.</a></p>
<h2><b>Wie konnte es dazu kommen?</b></h2>
<p>Die Umstrukturierung ist ein Horrorszenario für sämtliche Kräfte, die den Friedensprozess
unterstützen. Sie kann über verschiedene Ebenen erklärt werden. Der wichtigste
Grund dürfte sein, dass Kolumbien sich längst weder von den Praktiken, noch vom
Diskurs des Krieges verabschiedet hat. <a href="https://revoltmag.org/articles/eine-niederlage-f%C3%BCr-die-gesamte-kolumbianische-linke/">Wie bereits in einem früheren Artikel
dargelegt</a>, leidet Kolumbien unter
einem stramm rechten politischen Diskurs, der die politische Verantwortung des
Staates, etwa für <a href="https://amerika21.de/analyse/152975/paramilitarismus-kolumbien">seine Parapolitik</a>, die Praxis des „Verschwindenlassens“ und viele
weitere Verbrechen schlicht unberücksichtigt lässt und gegen jeden historischen
Beleg, den Paramilitarismus zum rein kriminellen Phänomen („Bandas Criminales“,
BACRIM) verklärt. In diesem Diskurs erscheinen die FARC nicht lediglich als
eine der beteiligten Fraktionen, die für Menschenrechtsverbrechen zur
Verantwortung zu ziehen ist, sondern vollkommen <a href="http://www.centrodememoriahistorica.gov.co/descargas/informes2013/bastaYa/resumen-ejecutivo-basta-ya.pdf">wahrheits- und faktenwidrig</a> als Hauptschuldige und DrogenhändlerInnen, vor
denen Santos angeblich „auf die Knie gegangen“ sei. Weiterhin
instrumentalisiert das Centro Democrático bewusst die <a href="https://amerika21.de/analyse/178561/venezuela-unerledigte-dinge">schwere ökonomische und politische Krise
Venezuelas</a>, um – den
tatsächlich außerordentlich gemäßigten – Mitte-Linkskandidaten Gustavo Petro zu
einem angeblich kommunistischen („castro-chavistischen“) Monster zu karikieren,
welches „das Land in Venezuela verwandeln“ werde. Tatsächlich verlief aber die
Wahl am vergangenen Sonntag eher zwischen einem liberal-grünen Sozialdemokraten
und einem rechtskonservativen, neoliberalen Populisten. Eine „Wahl der Extreme“,
wie sie herbeiphantasiert wird, gab es jedenfalls nie. Es handelte sich also vielmehr
um eine Form der rechten Meinungsmache, die immer wieder auf allen
kolumbianischen Medien hoch und runter lief und bei nicht wenigen zu einer
Wahlentscheidung für den tatsächlich extremen Rechtspopulisten Duque geführt
haben könnte.</p>
<p>Ein weiterer entscheidender Punkt ist die Fragmentierung der
kolumbianischen Linken und hier insbesondere des Friedenslagers. Es spricht
Bände, dass die traditionellen mitte-links Parteien des Landes – Alianza Verde
und Polo Democrático Alternativo – den neoliberalen Universitätsprofessor
Sergio Fajardo als Kandidaten aufstellten, der sich im Diskurs stehts bemühte,
sich selbst als <a href="http://www.elpais.com.co/politica/hay-que-romper-con-la-polarizacion-de-este-pais-sergio-fajardo.html">„Mitte zwischen den Extremen“</a> dastehen zu lassen und zum Beispiel in Venezuela –
in Übereinstimmung mit der radikalen Rechten – eine <a href="https://www.youtube.com/watch?v=nFVhbwYcAo4">„Diktatur“ am Werke</a> sieht. „Mitte“ heißt in Kolumbien eben, einen
stark rechts geprägten Diskurs zu bedienen. Und schließlich versagten aus dem
gleichen Grund auch die liberalen FriedensbefürworterInnen Sergio Fajardo, Humberto
de la Calle sowie Santos' Partido de la U und die Führung der Partido Liberal
dem angeblich „extremen“ Gustavo Petro in der zweiten Präsidentschaftsrunde die
Unterstützung. Während die ehemaligen Präsidentschaftskandidaten <a href="http://www.eltiempo.com/elecciones-colombia-2018/presidenciales/el-mensaje-de-fajardo-en-que-defiende-el-voto-en-blanco-230764">Fajardo</a> und <a href="http://caracol.com.co/radio/2018/05/31/politica/1527783042_740366.html">De la Calle</a> für ein „voto en blanco“ (Ungültig Wählen)
votierten (zuletzt dann 4,8 Prozent der Stimmen), liefen letztere <a href="http://caracol.com.co/radio/2018/05/31/politica/1527783042_740366.html">„Friedensparteien“</a> sogar offen zum Friedensgegner Duque über.
Angesichts dieser Spaltung des Pro-Friedenslagers half es dann auch wenig, dass
die Alianza Verde, ein Teil des Polo Democrático Alternativo und die Basis der
Partido Liberal den Kandidaten Petro unter teilweise <a href="https://www.elespectador.com/elecciones-2018/noticias/politica/las-condiciones-de-la-alianza-verde-para-apoyar-gustavo-petro-articulo-791591">absurden Auflagen</a> unterstützte, indem sie diesen etwa auf die Erhaltung der Demokratie
verpflichteten und damit erneut in eine „extreme“ Ecke stellten.</p>
<p>Abseits dieser Faktoren kann festgehalten werden, dass die kolumbianische
Gesellschaft offensichtlich noch nicht bereit dazu ist, das Koordinatensystem
des Krieges zu verlassen. Petro stand für zu viel Wandel und zu wenig
Kontinuität. Sein Programm war im Prinzip ein modernes links-liberales
Programm, das bürgerliche Rechte der Minderheiten, Ökologiefragen,
Frauenrechte, demokratische Rechte und die Entwicklung einer stabilen
Binnenwirtschaft unter Vorzeichen eines sozialstaatlichen Kapitalismus auf
Basis der Friedensverträge in den Mittelpunkt stellte. Ein Programm, das
offensichtlich für den politischen Diskurs des Landes zu progressiv war, um
Mehrheiten gewinnen zu können. Allerdings auch ein Programm, das nicht im
Interesse des kolumbianischen Kapitals ist, dem eben an der Exportbindung, und
nicht an der Entwicklung einer nationalen Industrie gelegen ist. </p>
<h2><b>Widerstand oder Kapitulation?</b></h2>
<p>Für die noch im Guerillakrieg aktive ELN wird das Wahlergebnis aller
Voraussicht nach einen Eintritt in die bewaffnete Konfrontation auf hohem
Niveau bedeuten. Es ist davon auszugehen, dass Duque nicht zuletzt auf Druck
aus den Reihen seiner Partei die Verhandlungen mit der ELN, die von der
Santos-Regierung zuletzt in der kubanischen Hauptstadt Havanna wieder
aufgenommen wurden, platzen lassen wird – zumal diese bislang wenig ergiebig
waren und immer wieder durch Phasen massiver Kampfhandlungen begleitet wurden.
Die ELN hat bis zuletzt darauf hingewiesen, dass ein Gelingen von
Friedensverhandlungen an der Umsetzung der Verträge von Havanna mit den FARC
gemessen wird. Ein Szenario, das mit einem Präsidenten Duque nahezu
unerreichbar geworden ist. </p>
<p>Wie die neue Linkspartei FARC auf die komplette Delegitimierung ihrer
Agenda reagieren wird, ist bislang noch unklar. Bekannt ist, dass immer mehr
entwaffnete Ex-Guerilleros aufgrund der mangelnden Garantien unter einem
Präsidenten Duque, aber auch der Inhaftierung von Jesús Santrich <a href="https://amerika21.de/analyse/203512/kolumbien-dissidenz-friede-wahlen?platform=hootsuite">die Entwaffnungszonen (ZVTN) verlassen</a> und sich entweder anderen bewaffneten Gruppen
anschließen oder untertauchen. Es ist in diesem Sinne bezeichnend, dass FARC-Führer
Iván Márquez sich bereits an einen unbekannten <a href="http://www.elcolombiano.com/colombia/ivan-marquez-se-ira-a-miravalle-caqueta-FB8571654">Ort in Caqueta zurückgezogen hat</a>. Gleichzeitig versucht die Führung der
Linkspartei, ihre Basis an der Stange zu halten. Präsident Duque wird die
Ex-Guerilla mit allen Mitteln attackieren und unter Druck setzen – ganz zu
schweigen von der drohenden Komplett-Demontage der Friedensverträge und aller
Garantien. Faktisch bleiben der FARC vor diesem Szenario nur zwei Wege offen:
Sie kann den Weg der Unión Patriótica (UP), ihrer Vorgängerpartei, gehen und
versuchen, den legalen Kurs aufrecht zu erhalten und sich auf den Widerstand
der sozialen Bewegungen, zum Beispiel einem breiten linken Bündnis mit Petros
Colombia Humana, zu verlassen. In Anbetracht der zunehmenden
Bedeutungslosigkeit der Friedensverträge sowie der Ermordung von Mitgliedern
und Sozialen AktivistInnen geschähe dies allerdings unter fortwährendem Zerfall
der Partei. Auf diesen Kurs der Führung weist das <a href="https://www.redglobe.de/lateinamerika-karibik/kolumbien/20069-farc-zum-wahlergebnis-in-kolumbien">aktuelle Statement der FARC</a> zum Wahlsieg Duques hin. Es ist aber ebenso
möglich, dass nun Sektoren an der Basis der neuen Linkspartei die Rückkehr in
den bewaffneten Konflikt wählen und diese damit weiter schwächen. Angesichts
der vollständigen Entwaffnung und der weitestgehenden Offenlegung ihrer
Struktur wäre dies ein gefährliches Unterfangen und würde die Wiedervereinigung
der derzeit führungslosen FARC-Dissidenz voraussetzen. Auf eine solche mögliche
Entwicklung weisen verschiedene <a href="https://amerika21.de/analyse/203512/kolumbien-dissidenz-friede-wahlen?platform=hootsuite">linke AnalystInnen hin</a>. Daneben ist auch eine Stärkung der ELN möglich,
da diese als weiterhin authentische, militante Kraft gilt.</p>
<p>Abseits der bewaffneten Dimension wird es für die Partei-, wie
außerparlamentarische Linke im Land nötig sein, dem rechten Diskurs
selbstbewusst entgegen zu treten. Es ist keine Lösung <a href="https://www.semana.com/nacion/articulo/entrevista-rodrigo-londono-timochenko-como-candidato-de-la-farc/554946">vor diesem einzuknicken</a>, wie in den vergangenen Jahren von nahezu allen
AkteurInnen geschehen, indem gegen die eigene Agenda als Linke Stellung bezogen
wird, um im rechten Diskurs als „akzeptabel" zu gelten – so
nachvollziehbar das angesichts der Mehrheitsverhältnisse ist. Angesichts der
unter Duque fortgesetzten oder sich sogar intensivierenden staatlich-paramilitärischen
Repressions- und Tötungspraxis, sowie der Ablehnung durch die Bevölkerungsmehrheit
verlangt dieser Weg viel Mut und Engagement. Er ist jedoch unabdingbar, um die „linke
Lücke“ in einem öffentlich wahrnehmbaren politischen Diskurs zu füllen. Die
kolumbianische Linke und im Besonderen die sozialen Bewegungen brauchen dabei internationale
Unterstützung und Solidarität – nicht nur gegen den weiterhin mordenden
Paramilitarismus, sondern auch für die Umsetzung der Friedensverträge von
Havanna als Ausgangspunkt für einen politischen Kampf gegen die Ursachen des
bewaffneten Konflikts. „Frieden und Soziale Gerechtigkeit“ wird dabei eine
zentrale Losung bleiben, unter der sich eine breite linke Widerstandsfront
gegen den Rechtspopulisten Duque formieren kann. </p></div>
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<h2>Lizenzhinweise</h2>
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Eine Niederlage für die gesamte kolumbianische Linke2018-03-20T16:51:59.909222+00:002018-03-27T13:09:43.090140+00:00Jan Schwabredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/eine-niederlage-f%C3%BCr-die-gesamte-kolumbianische-linke/
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<h1>Eine Niederlage für die gesamte kolumbianische Linke</h1>
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<span class="content-copyright">FARC - https://www.farc-ep.co</span>
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<div class="rich-text"><p>Die
neue Linkspartei FARC (Fuerza Alternativa Revolucionaria del Común) hat bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus und Senat vergangenen
Sonntag eine bleierne Niederlage erlitten. Nach derzeitigen
Ergebnissen konnte die Partei, die aus der ehemaligen
marxistisch-leninistischen Guerilla FARC-EP hervorgegangen ist, mit
gerade einmal 0,34 % und damit 52,000 Stimmen wenig mehr als die
eigene AnhängerInnenschaft mobilisieren. Eine schallende Ohrfeige
setzte es auch für den scheidenden Präsidenten Juan Manuel Santos,
dessen Partei Partido de la U mit knapp 12% auf dem fünften Platz
landete. Die explizit rechtsradikale Partei Centro Democrático des
ehemaligen Präsidenten Álvaro Uribe Vélez, die mit knapp 16% die
Wahl zum Senat gewann und das zweitbeste Ergebnis zum
Abgeordnetenhaus erhielt, wird dennoch mit ihrer ablehnenden Position
zum Friedensprozess in der kommenden Legislatur nicht zwangsläufig die Mehrheit
stellen. Denn die ebenfalls starken links- und rechts-liberalen Parteien Cambio
Radical und Partido Liberal unterstützten in der Vergangenheit mal
mehr mal weniger den Friedenskurs des scheidenden Präsidenten [1] und stellen zumindest derzeit eine weitere Unterstützung des Friedensvertrags in Aussicht.<br/></p>
<p>Dennoch
bleibt der Ausgang der Wahlen besorgniserregend, insbesondere als
Signal für die im Mai stattfindenden Präsidentschaftswahlen und den
Friedensprozess mit der ehemaligen Guerilla. So konnten die
Rechtsradikalen um Uribe, trotz dessen anhaltender Skandale um
sexuellen Missbrauch [2] und Unterstützung des rechtsradikalen
Paramilitarismus [3], im Vergleich zur vergangenen Wahl an Zuspruch
gewinnen. Dazu gesellte sich mit einem mehr als doppelt so guten
Ergebnis auf Platz 2 die Partei des Präsidentschaftskandidaten
Germán Vargas Lleras ,Cambio Radical‘, die in der Vergangenheit
als zentraler Unterstützer des rechtsradikalen und weiter mordenden
Paramilitarismus [4] galt, jedoch in den letzten Jahren den
Friedensprozess kritisch mittrug. Besorgniserregend ist dabei auch, dass die
explizite Linke, z.B. auch der sozialdemokratische Polo Democrático Alternativo,
kaum zulegen konnte, und das, obwohl der ihnen nahestehende ehemalige
Bürgermeister Bogotas Gustavo Petro derzeit als aussichtsreicher
Präsidentschaftskandidat gehandelt wird.
</p><p>Das
schlechte Abschneiden der neuen Linkspartei FARC ist also kein
isoliertes Phänomen. Vielmehr liegt die Erklärung in der faktischen
Delegitimation der gesamten kolumbianischen Linken, der
Delegitimation des Friedensprozesses und dem grassierenden
Antikommunismus in der kolumbianischen Gesellschaft, sowie der tiefen
Verankerung der rechten Hetze, die sich sowohl im Plebiszit zum
Frieden 2016, wie nun in den Wahlen ausdrückt. So musste die neu
gegründete Partei, die sich seit Abschluss des Friedensvertrags 2016
akribisch dokumentiert an sämtliche Vereinbarungen hielt, ihren
Wahlkampf suspendieren, da ihr Präsidentschaftskandidat, der
ehemalige oberste Kommandant der Guerilla Rodrigo Londoño
auf der Wahlkampftournee mehrfach <a href="https://www.youtube.com/watch?v=dYUX5Eck5vE">von
aufgebrachten rechten Mobs attackiert worden war</a>. AktivistInnen
der Partei berichten, dass es nicht möglich sei,
zur Wahlwerbung T-Shirts der Partei in der Öffentlichkeit zu tragen
oder Werbematerial zu verteilen,
ohne verbalen oder physischen Angriffen ausgesetzt zu sein. Dazu
kommen die Ermordung von KandidatInnen und MitgliederInnen
der neuen Partei durch rechtsradikale
Paramilitärs, sowie Bombenanschläge auf
Parteibüros – die
Zahlen der Morde an Linken <a href="http://www.eltiempo.com/colombia/otras-ciudades/el-mapa-de-los-lideres-sociales-asesinados-en-colombia-184408">schnellen
seit 2016 rasant in die Höhe</a>.
Inzwischen hat das unabhängige
Nachrichtenportal
las2orellas aufgedeckt, dass hinter den Mobilisierungen und
gewalttätigen Übergriffen
gegen die Wahlveranstaltungen der FARC auch rechte Hardliner des Centro Democrático stehen. [5]
Die Eröffnungsveranstaltung des
Präsidentschaftswahlkampfs der FARC
im Armenviertel Ciudad Bolívar, im Süden Bogotás, konnte zwar ohne
Zwischenfälle, doch nur unter massivem Polizeischutz durchgeführt
werden. Nicht zuletzt aufgrund dieser repressiven Atmosphäre ist die
neue Partei nur gering handlungsfähig. Nach wie vor trauen sich
viele potentielle SympathisantInnen nicht, öffentlich Farbe zu
bekennen – aus Angst vor den Konsequenzen.
</p><p>Dass
das so ist, ist das zweifelhafte Verdienst
der radikalen Rechten um das Centro Democrático. Dessen Personal
schürte mit gezielter Desinformation zu den Friedensverträgen von
Havanna bereits während des
Friedensprozesses weiter Ressentiments
gegen die Guerilla. So werden bis heute
bewusst Passagen des über 300 Seiten
umfassenden Friedensvertrags aus dem Kontext gerissen und bösartig
zugespitzt. Ein gefundenes Fressen stellte für sie die äußerst
komplexe und schwierige Situation in Venezuela dar. Die dortige
Situation wird d‘accord mit dem deutschen Mainstreamjournalismus
eindimensional
als Willkürherrschaft einer totalitären, das Volk unterdrückenden
Diktatur verklärt. [6]
Die ansonsten
eben von den gleichen rechten PolitikerInnen in
Kolumbien im
Stich gelassenen und
komplett deklassierten venezolanischen
Flüchtlinge dürfen in diesem Fall als positives
Beispiel und Beweisstück herhalten. So
kann konstatiert werden, dass im öffentlichen Bewusstsein der
kolumbianischen Bevölkerung nach wie vor die
Menschenrechtsverbrechen der ehemaligen Guerilla weitaus präsenter
sind, als die des kolumbianischen Staates bzw.
der radikalen Rechten. Dass dieser Fakt
nicht nur der FARC schadet, sondern der gesamten Linken, zeigen die
seit Jahren
schmalen Wahlergebnisse des Polo Democrático Alternativo.
</p><p>Es
handelt sich hier um den spezifischen Antikommunismus Kolumbiens, der
sich über tendenziöse einseitige Darstellungen seitens der radikalen
Rechten der Guerilla als ,,Narco-Kartell‘‘
oder ,,Terrorsyndikat‘‘ [7],
bis hin zur populäreren liberalen Version
vom angeblichen ,,Verlust der Ideale der
Guerilla‘‘ artikuliert. Die
Zahlen, die vorliegenden Fakten und die Realität weisen diese
hegemoniale Erzählung zumindest als stark einseitig aus. Nach
Angaben des von unabhängigen Menschenrechtsorganisationen
gegründeten <a href="http://www.centrodememoriahistorica.gov.co/micrositios/informeGeneral/estadisticas.html">,,Centro
de Memoria, Paz y Reconciliación‘‘</a> gehen beispielhaft über
62 % der selektiven Morde auf das Konto der nach wie vor mit
Straffreiheit gesegneten Paramilitärs und Narco-Kartelle, die
nachweislich Verbindungen zu Armee und den Uribisten hatten,
zuzüglich weiterer 10%, die der Armee zugerechnet werden. Ein
weiteres Beispiel sind die Zahlen der Massaker, d.h. der gezielten
Tötungen von zivilen Gruppen. Hier spricht das Zentrum von 60%
Massakern durch regierungstreue
paramilitärische Gruppen und weitere 8% durch die Armee, wohingegen
auf die Guerilla lediglich 17% entfallen. Diese Aufzählung soll
nicht unter den Tisch fallen lassen, dass die Guerilla sich
zahlreicher Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht hat, die gut
dokumentiert sind und für die sie laut Friedensvertrag in den kommenden Jahren strafrechtlich belangt werden. Ein Großteil dieser
Fehlentwicklungen fällt in die Zeit der 1990er
und 2000er Jahre,
in denen die Regierung mit paramilitärischen Milizen gegen die FARC
und ihre UnterstützerInnenbasis vorging.
</p><p>Der
Unterschied ist hier nur: Die neue Partei lässt keine Gelegenheit
aus, sich für ihre begangenen Fehler öffentlich zu verantworten,
sich mit den Opfern der Taten ihrer Einheiten zu stellen und um
Verzeihung zu bitten – so wie in den Friedensverträgen vorgesehen.
Dahingegen können wir bislang auf der Regierungsseite konstatieren,
dass eine Vielzahl der Abmachungen, z.B. im Bezug zu den ZVTN, im
Bezug zur Begnadigung politischer Gefangener, im Bezug zu
Sicherheitsgarantien, im Bezug zur
friedlichen Koka-Substitution usw. nicht
eingehalten werden
[8].
Auch die eher friedensorientierte Regierung um Juan Manuel Santos
streitet z.B. öffentlich den politischen Charakter paramilitärischer
Morde vehement ab und <a href="http://m.elcolombiano.com/en-colombia-no-hay-paramilitarismo-dice-ministro-de-defensa-luis-carlos-villegas-IX5734390">verklärt
sie zu einem rein kriminalpolitischen Problem krimineller Banden
(BACRIM)</a>, gleichzeitig
werden keinerlei Bemühungen zu deren Bekämpfung unternommen.
Dass das so ist, überrascht nicht. Würde der kolumbianische Staat
z.B. offen seine zentrale Rolle bei der systematischen
Massenvertreibung und den Massakern an der Landbevölkerung in den
1990er und 2000er
Jahren zugunsten von Großgrundbesitzern mit Hilfe von
paramilitärischen Gruppen offenlegen, hätte er schnell ein
Legitimationsproblem vor der eigenen
Bevölkerung. <a href="http://www.semana.com/opinion/articulo/leon-valencia-victimas-de-los-gobiernos-de-pastrana-y-uribe/493104">Die
Verbrechen des Staates</a> und seines paramilitärischen Netzwerkes
umfassen, verglichen mit denen der Guerilla, ein Vielfaches an
Ungeheuerlichkeiten, nicht nur numerisch, sondern auch qualitativ an
dokumentierten Gräueltaten. [9]
Dieser Aspekt des bewaffneten Konflikts ist
nach wie vor nicht Teil des öffentlichen Gedächtnisses der
kolumbianischen Gesellschaft. Seine Abwesenheit bestärkt die
Isolation der Linken und den Antikommunismus.
</p><p>Im
Zusammenhang mit
dem Wahlausgang ist zuletzt die schwierige
Realität der neuen Partei auf dem Land, ihrer
einstigen Hochburg als bewaffneter Organisation [10],
zu nennen. D‘accord mit den
Vereinbarungen im Friedensvertrag hat
ein Großteil der FARC-MitgliederInnen
sich in den
vergangenen zwei
Jahren in sogenannten
ZVTN-Konzentrationszonen gesammelt und die
Waffen abgegeben. Aufgrund der Bestimmungen der Friedensverträge ist
der Ausgang von konzentrierten Guerilleros/as stark reglementiert.
Die Möglichkeit der politischen Betätigung z.B. im Zuge des
Wahlkampfs, die Interaktion mit der dörflichen Bevölkerung, ist
somit wesentlich eingeschränkt für die Mehrzahl der MitgliederInnen
der Partei. Gleichzeitig wurden die von den FARC aufgegebenen
Territorien anschließend entweder von der kleineren noch aktiven
<a href="http://weltkirche.katholisch.de/Aktuelles/20170207_FARC_Kolumbien_Paramilit%C3%A4r">Guerilla
ELN, den FARC-Dissidenten, Narco-Kartellen und Paramilitärs
übernommen</a>. Diese, der neuen Partei nicht wohlwollend
gegenüberstehenden Gruppen, dürften nicht in wenigen Fällen
Einfluss auf die Wahlentscheidung der dörflichen Bevölkerung gehabt
oder Beteiligung an Wahlen gleich komplett verhindert haben. Die
faktische Abwesenheit der Staatsgewalt in weiten Teilen Kolumbiens
macht Wahlen regelmäßig, nicht nur aufgrund der Ballung der
Bevölkerung in den Zentren, zu einer Angelegenheit der Städte –
also jenem Raum, aus dem die Guerilla jahrzehntelang, teils unter
brutaler Gewaltanwendung gegen ihre legalen Strukturen, systematisch
heraus gedrängt wurde.
</p><p>Es
ist müßig zu betonen, dass die kolumbianischen Elite
in all ihren Facetten kein Interesse an der Agenda der neuen
Linkspartei hat und <a href="http://www.monitoreodemedios.co/grupos-mediaticos/">daher
ihr konzentriertes Medienimperium</a> gegen diese Agenda in Anschlag
bringt. Die in den Friedensverträgen vereinbarte Präsenz der
Guerilla in den Medien und mit paritätischen fünf
Sitzen in Senat und Abgeordnetenhaus für zwei
Wahlperioden öffnet zwar eine Bühne in dieser feindlichen
Medienlandschaft, ausschlaggebend wird jedoch sein, ob sich die ehemalige
Guerilla bei den ärmsten Teilen der kolumbianischen
Gesellschaft verankern kann oder nicht. Entscheidend für den Erfolg
oder Misserfolg dieses Unterfangens wird es sein, der
antikommunistischen Hetze der radikalen Rechten entgegenzutreten und
die Verbrechen des kolumbianischen Staates in den Mittelpunkt der
Debatte zu stellen.
Eine positive Veränderung der Sicherheitssituation für die
MitgliederInnen
der Partei wäre dahingegen nur beim Erfolg des linken
Präsidentschaftskandidaten Gustavo Petro bei den im Mai
stattfindenden Präsidentschaftswahlen zu erwarten. Dieser liefert
sich jedoch zur Zeit in den Wahlumfragen ein Kopf an Kopf-Rennen mit
dem rechtsradikalen Friedensgegner Iván Duque vom Centro Democrático.
Auch hier reicht Petros Biografie als ehemaliger Kämpfer der M-19
Guerilla offensichtlich zur Mobilisierung größerer Teile der
kolumbianischen Gesellschaft gegen das vermeintlich mit ihm drohende
,,Szenario Venezuela‘‘ vollkommen aus. </p><hr/><b>Anmerkungen:</b>
<p><br/>
</p>
<p><b>[1]
</b>Die
ebenfalls
starke
Partido
Conservador
unterstützte nach einer internen Debatte in der Vergangenheit den
Friedensprozess, zeigt
sich jedoch regelmäßig schwankend. Derzeit debattiert, die Partei,
ob sie den liberalen Kandidaten Germán Vargas Lleras oder den
Uribisten Iván Duque Márquez vom Centro
Democratico unterstützen
soll.
Die Partido
Liberal
gilt als zuverlässige Unterstützerin des Friedensprozesses,
wohingegen der Spitzenkandidat der Cambio
Radical
Germán Vargas Lleras erklärte,
er werde das Friedensabkommen respektieren.</p>
<p><b>[2]</b>
Die Journalistin Claudia Morales machte <a href="https://www.elespectador.com/opinion/una-defensa-del-silencio-columna-734086">in einer Kolumne</a> in der kolumbianischen Tageszeitung El
Espectador<i> </i>ihre
Vergewaltigung durch einen nicht namentlich genannten Präsidenten
öffentlich. Der Zeitraum lässt nur die Präsidentschaft Alvaro
Uribes zu.
</p><p>
<b>[3]</b>
Bereits in den 1990er
Jahren verteidigte Alvaro Uribe paramilitärische Gruppen, wie den
Convivir. Während
seiner Amtszeit als Präsident 2002-2010 koordinierte er mit
paramilitärischen Gruppen faktisch die Aufstandsbekämpfung gegen
die FARC. In einer <a href="https://drive.google.com/file/d/0B4lHh510lrExVmZxZ3QwRFk5MUE/view">Liste der US-Drogenbehörde DEA</a>
taucht Uribe 1991 als wichtiger Gefolgsmann Pablo Escobars und
Verbindungsmann zu den Narcos
auf. Ein FBI-Bericht 2010
enthüllte
im Rahmen der Clinton Affäre weitere Verbindungen seiner Familie zu
paramilitärischen Gruppen und Unterstützernetzwerken.
</p><p><b>[4]</b>
Cambio Radical ist die Partei mit den
meisten Verurteilungen in puncto Unterstützung des Paramilitarismus
mit 19 verurteilten Ex-Abgeordneten. In der
Dunkelziffer führt jedoch sicherlich das Centro Democratico. Es existiert eine
<a href="https://lapipa.co/prontuario-cambio-radical/">Liste der ParapolitikerInnen</a>.
</p><p><b>[</b><b>5</b><b>]</b>
<a href="https://www.las2orillas.co/resistencia-nofarc-el-grupo-de-whatsapp-detras-de-las-agresiones-timochenko/">Der Artikel</a> deckt eine Whatsapp-Gruppe RESISTENCIA NOFARC CALI zur
Mobilisierung gegen die Wahlkampf-Events der FARC auf, darunter
ultrarechte Politiker.
</p><p><b>[</b><b>6</b><b>]</b>
Der Verweis wird inzwischen<a href="https://www.elespectador.com/noticias/politica/venezuela-y-el-castrochavismo-encienden-la-campana-presidencial-articulo-738729">von sämtlichen nicht-linken Kandidaten</a>
gegen die Linke gewandt.
</p><p><b>[</b><b>7</b><b>]</b>
Es gibt abseits von fragwürdigen Publikationen der US-amerikanischen
Geheimdienste und der radikalen Rechten in Kolumbien keinerlei
Beweise dafür, dass die FARC jemals kartellartig agiert haben –
erst recht nicht ausschließlich.
Vielmehr ist lediglich bestätigt, was auch die FARC stets selbst
behauptet hat: Es wurde eine Steuer auf den Transport und die
Produktion erhoben, was natürlich nicht
ausschließt, dass einzelne Kommandeure der Fronten nebenher Geld mit
dem Verkauf gemacht haben, was aber zu beweisen wäre.
In Kolumbien ist die Behauptung grundsätzlich mit dem
rechtsradikalen Diskurs verbunden, um den
Aufstand gegen soziale Ungleichheit zu delegitimieren.
Die Behauptung eines ,,Kartells‘‘
blamiert sich allein schon am außerordentlich politischen
Friedensprozess mit einem der
progressivsten Friedensverträge, die je nach einem bewaffneten
Konflikt abgeschlossen wurden.
</p><p><b>[</b><b>8</b><b>]
</b>Die hochgradig fragwürdige, weil
lebensgefährliche Vernichtung von Koka-Plantagen wurde auch nach
Vertragsschluss
fortgesetzt, Demonstrationen von den Aufstandsbekämpfungseinheiten
der ESMAD mit Todesfolgen attackiert, vermehrt soziale AktivistInnen
wurden ermordet usw. Die FARC weist <a href="https://www.farc-ep.co/">in regelmäßigen Abständen</a> auf
Vertragsbrüche hin.
</p><p><b>[</b><b>9</b><b>]</b> In einer <a href="https://www.youtube.com/watch?v=vs-ukDng2w8">Dokumentation</a> kommen exemplarisch Opfer zu Wort, die den
Zusammenhang zwischen Militär- und Paramilitäroperationen
skizzieren, beispielhaft: <a href="http://rutasdelconflicto.com/interna.php?masacre=88">Das Massaker von Mapiripan</a>. Die Methode des Paramilitarismus
war dabei das systematische Massakrieren ganzer Dörfer und
anschließender Terror gegenüber den Überlebenden im Dorf und in
umliegenden Ortschaften.
</p><p><b>[</b><b>10</b><b>]</b>
Seit dem Massaker an der aus dem ersten Friedensprozess in den 1980er
Jahren hervorgegangenen Union Patriotica (UP) mit bis zu 8000
Todesopfern durch Todesschwadrone, war die FARC faktisch nur noch in
Form von Untergrundzellen (Milicias Urbanas) in den Städten aktiv
mit entsprechend geringer Präsenz in der Öffentlichkeit.
</p><p><br/>
</p></div>
</section>
</article>
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Den Krieg gegen die Bevölkerung stoppen2018-02-12T17:36:06.308893+00:002018-02-12T18:02:19.019950+00:00Christopher Altgeldredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/den-krieg-gegen-die-bev%C3%B6lkerung-stoppen/
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<h1>Den Krieg gegen die Bevölkerung stoppen</h1>
</header>
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<img alt="Corinto - Angriff auf indigene Bevölkerung 2015" height="420" src="/media/images/Corinto_1_z8v2sBq.a42826d9.fill-840x420-c100.jpg" width="840">
<span class="content-copyright">cric</span>
</div>
</div>
<section class="content content-section content-type-paragraph">
<div class="rich-text"><p>Auch über ein Jahr nach Zeichnung des Friedensvertrags
zwischen der marxistischen Guerilla FARC-EP (Revolutionäre Streitkräfte
Kolumbiens - Volksarmee) und der kolumbianischen Regierung um den konservativen
Präsidenten Juan Manuel Santos, gehen in Kolumbien die Morde an sozialen und
politischen Aktivist*innen weiter – Guillermo Cacciatore <a href="https://revoltmag.org/articles/das-morden-kolumbien-geht-weiter/">berichtete</a>.</p>
<p>Allein in der letzten Januarwoche dieses Jahres wurden nun
erneut 13 Aktivist*innen ermordet. Eine Region im südamerikanischen Land, in
der Terror und soziale Säuberungen an der Tagesordnung sind, ist der Norden des
Departamentos Cauca, südlich der Millionenstadt Cali. Besonders betroffen sind
hier die indigenen Gemeinschaften, die sich im Dachverband CRIC (Indigener
Regionalrat von Cauca) zusammengeschlossen haben. Beim nachfolgenden Text
handelt es sich um Auszüge eines kürzlich veröffentlichten Aufrufs der CRIC zur Abwehr
ihrer bedrohten Gebiete. Er gibt Einblick in die drängende Situation der
indigenen Gemeinden und die nachhaltigen Schwierigkeiten im kolumbianischen
Friedensprozess.</p>
<h2>Die
Kontrolle über das
Territorium zurückerlangen,
um den Krieg gegen die Bevölkerung
zu stoppen</h2>
<p>Sorge, Unruhe, Angst. Kolumbien wurde in der vergangenen Woche durch
eine Zunahme von Drohungen, Angriffen, Morden, Attentaten und dem Verschwinden-lassen
[1] von Menschen erschüttert. Die Situation kommt einem Krieg gegen die
Bevölkerung gleich. 13 soziale Aktivist*innen wurden in der letzten
Januarwoche ermordet, darunter drei Indigene, sechs Bäuer*innen, die auf die Rückgabe
ihres Landes klagten [2], zwei afrokolumbianische Aktivist*innen, ein Lehrer
aus dem ländlichen Raum und ein politisch aktiver Minenarbeiter. Drei dieser Morde
wurden von der kolumbianischen Armee verübt, welche zwei der Ermordeten fälschlicherweise
als Mitglieder der Guerilla ELN ausgaben [3]. Die restlichen Morde werden
vorwiegend paramilitärischen Gruppen zugeschrieben: kriminellen Banden,
die mit dem Drogenhandel in Verbindung stehen, als auch Gruppen, die gezielt
Vertriebenen-Aktivist*innen ermorden, die für die Rückgabe
ihres Landes kämpfen.</p>
<p>Ganz ähnlich ist auch die Situation in den indigenen
Territorien im Norden des Cauca. Dort geht die von uns bereits in der
Vergangenheit angeklagte Gewalt durch bis an die Zähne
bewaffnete Gruppen weiter. In Corinto, wo die Gemeinde noch nicht aufgehört
hat, um ihre Toten zu trauern, verkünden die paramilitärischen Kriegsherren mit einschüchternden
Flugblättern: <img alt="Drohung der Paramilitärs" class="richtext-image left" height="666" src="/media/images/cric-drohung_paramilitar.width-500.jpg" width="500">„Die Stunde der sozialen Säuberung
ist gekommen…Wir haben euch im Blick. Das Urteil und der Tod
werden zur Stunde unserer ersten Jagd kommen. Weitere verfaulte Existenzen müssen
identifiziert werden, aber das wird nicht lange dauern. Wir fangen sehr bald
an. Wir bitten die Gesellschaft um Vergebung falls Unschuldige fallen, aber sie
ist hiermit gewarnt.“</p>
<p> In der Zwischenzeit wurde in den Reservaten „Guadualito
de Santander de Quilichao“ und „Las Delicias en Buenos Aires“ die
höchste Alarmbereitschaft ausgerufen, weil dort in den letzten Monaten verdächtige
Personen gesichtet wurden. In ihrem Communiqué schreibt der Rat der Indigenen:,,Die
traditionellen Autoritäten und die Gemeinschaft konnten nachweisen, dass
es sich bei den Bewaffneten um sogenannte Dissident*innn handelt, die von der
sechsten Front der FARC übriggeblieben sind. [4] Sie versuchen indigenes
Territorium zu übernehmen, um kriminelle Aktivitäten zu
entfalten‘‘. Die indigenen Autoritäten haben ihre Ablehnung aller legalen und
illegalen bewaffneten Gruppen auf ihrem Territorium bekräftigt
und erklärten zur Sicherstellung der territorialen Kontrolle sowie „zum Schutz
der Muttererde“ die höchste Alarmbereitschaft und eine permanente
Versammlung der Bevölkerung.</p>
<p>Die gegenwärtige Situation ist erschreckend. Dieser Schrecken
wird zunehmen, wenn es den indigenen Räten nicht gelingt, die territoriale Kontrolle
wiederzuerlangen, um gemeinsam das Leben und die Forderungen der Bevölkerung
zu verteidigen. Der Rat schreibt: „Wenn es uns nicht gelingt, unsere
Territorien zu kontrollieren, werden die Kriegsherren –
Dissidenten, Legale, Illegale, Drogenparamilitärs, oder wie auch immer
sie sich nennen – am Ende unser Leben kontrollieren. Auch wenn
einige Reservate bereits im Alarmzustand sind und dadurch bereits weiteres Leid
verhindert werden konnte, so reicht dies doch nicht aus. Der Frieden mit dem
Kapital und der vermeintliche Frieden der Herrschenden tötet
weiterhin die Menschen, die unten stehen.</p>
<p>Wir lehnen jede Vertreibung und jeden Mord ab – Sie zielen darauf ab,
die Bewegungen und Prozesse für ein würdiges Leben in Kolumbien zu zerstören.
Angesichts des Terrors der sich uns nähert, rufen wir dazu auf, sich gemeinsam zu
erheben, um uns als Bevölkerung in Widerstand, Autonomie und Leben neu zu
erfinden. Das ist keine Option, sondern eine Notwendigkeit. Diesen Weg nicht zu
gehen würde bedeuten, weiter zuzusehen, wie sie uns auslöschen.
Keine weiteren Morde mehr! Völker, macht euch auf den Weg!“</p>
<hr/>
<p>Dieser Beitrag ist eine redigierte <a href="http://www.cric-colombia.org/portal/cauca-urge-control-territorial-frenar-la-guerra-los-pueblos/">Übersetzung
des Communiqués</a>, welches am 1. Februar 2018 vom "Rat der Indigenen im
Cauca" (CRIC) veröffentlicht wurde. Übersetzung und Kontext von Christopher Altgeld.</p><p></p><hr/>
<p><b>Anmerkungen:</b></p>
<p> [1] Das
,,Verschwinden-lassen‘‘ bezeichnet eine von den Geheimdiensten der
faschistischen Militär-Juntas in Südamerika entwickelte Strategie zum
systematischen Terror gegen die Zivilbevölkerung. Dabei werden Betroffene
verschleppt und zumeist an unbekanntem Ort ermordet. Den Familien bleibt oft
Jahrzehnte die Ungewissheit über das Schicksal ihres Verwandten. </p>
<p> [2] Auf Basis der <i>Friedensverträge von Havanna</i> ist die Rückgabe
illegal geraubten Landes vertraglich festgehalten worden. Kolumbien leidet
unter mehreren Millionen Inlandsvertriebenen, die zumeist aufgrund des Terrors paramilitärischer
Milizen, die von Großgrundbesitzern oder multinationalen Konzernen angeheuert
werden, in die Städte fliehen. Aufgrund dieses Terrors ist der Landbesitz in
Kolumbien heute in wenigen Händen konzentriert.</p>
<p> [3] Die sogenannte falsos-positivos-Strategie kam erstmals unter der
Präsidentschaft des rechten ex-Präsidenten Alvaro Uribe Velez und seines
damaligen Verteidigungsministers Juan Manuel Santos ans Tageslicht. Dabei töten
Armeeangehörige Zivilist*innen und geben diese als Angehörige der Guerilla aus,
um Erfolge zu simulieren oder Belohnungen zu erhalten.</p>
<p> [4] Die FARC sind heute offiziell politische Partei. Nicht alle
schlossen sich jedoch der neuen Partei und deren reformorientierte Strategie
an. Einige setzen den bewaffneten Kampf politisch fort und schlossen sich der
ELN an, andere sind zum organisierten Drogenhandel und dem Paramilitarismus
übergelaufen.</p>
<p> Das Titelbild stammt aus dem Jahr 2015 in Corinto. Dort fanden Kämpfen
zwischen paramilitärischen Einheiten und der indigenen Bevölkerung statt. <br/></p></div>
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<img alt="Info-Graphik über die Morde in Cauca" height="322" src="/media/images/cric-grafik.original.jpg" width="644">
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<p>Info-Graphik über die Morde von Rebeldía Contrainformativa</p>
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