re:volt magazine Archivhttps://revoltmag.org/articles/?tags=1962020-12-22T16:33:34.427315+00:00Unterstützt die Spendenkampagne "Lila Solidarität!"2020-12-22T14:23:03.436625+00:002020-12-22T16:33:34.427315+00:00Johanna Bröseredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/unterst%C3%BCtzt-die-spendenkampagne-lila-solidarit%C3%A4t/
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<link href="/static/revoltmag/app.bc8423e0087c1cde5a69.css" rel="stylesheet"><meta name="apple-mobile-web-app-title" content="re:volt mag"><meta name="apple-mobile-web-app-capable" content="no"><meta name="apple-mobile-web-app-status-bar-style" content="black"><meta name="theme-color" content="#99020b"><link rel="apple-touch-icon" sizes="180x180" href="/static/revoltmag/icon_180x180.f95a8c6b74bb715d326c7790779a0330.png"><link rel="manifest" href="/static/revoltmag/manifest.307d5e0f476ef238b243c472abadb46c.json"><link rel="icon" sizes="180x180" href="/static/revoltmag/icon_180x180.f95a8c6b74bb715d326c7790779a0330.png"><script defer="defer" src="/static/revoltmag/app.bc8423e0087c1cde5a69.js"></script>
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<h1>Unterstützt die Spendenkampagne "Lila Solidarität!"</h1>
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<img alt="1. FLORMAR RESISTENCE 1 (136th day).jpg" height="420" src="/media/images/1._FLORMAR_RESISTENCE_1_136th.74caa247.fill-840x420-c100.jpg" width="840">
<span class="content-copyright">mor dayanışma</span>
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<div class="rich-text"><p><i>Mor Dayanışma</i> ist eine arbeitskämpferische Frauenselbstorganisation, die sich in Vierteln, an den Arbeitsplätzen und in den Häusern mit den Problemlagen von Frauen auseinandersetzt. Die feministische Struktur hat derzeit große finanzielle Schwierigkeiten und läuft damit auch Gefahr, ihre Stadtteiltreffs zu verlieren. Die sind aber ein sehr wichtiger Bezugspunkt für die Frauen*, auch und gerade in Covid-19-Zeiten. Daher ist unsere Solidarität dringend nötig!</p><p>Nach einem intensiven Austausch mit den Genossinnen in der Türkei haben wir uns an das <i>LabourNet Germany</i> gewandt und um Unterstützung für eine Spendenkampagne gebeten. Die großartigen Genoss:innen haben sich sofort solidarisch gezeigt und mit uns gemeinsam die „Spendenkampagne ‚Lila Solidarität“ auf den Weg gebracht. Wenn ihr also ein paar Euro für internationale Soli-Arbeit übrig habt, klickt auf die Kampagnen-Seite oder scrollt zum Ende dieses Artikels für die Kontodaten.</p><p></p><hr/><p><a href="https://www.labournet.de/interventionen/solidaritaet/spendenkampagne-lila-solidaritaet-labournet-germany-und-das-revolt-magazine-rufen-zu-spenden-fuer-die-basisaktivistinnen-von-mor-dayanisma-in-der-tuerkei-auf/">[Spendenkampagne „Lila Solidarität“]</a><br/> <i>LabourNet Germany und das re:volt magazine rufen zu Spenden für die Basisaktivistinnen von Mor Dayanısma in der Türkei auf“ !</i></p><hr/><p></p><h2>Warum die Kampagne nötig ist</h2><p>Die Organisation <a href="https://mordayanisma.org">Mor Dayanışma</a> lebt von einmaligen oder regelmäßigen Spenden, eine staatliche Unterstützung existiert nicht und ist auch politisch nicht gewollt. In der Türkei trifft die Covid-19-Krise auf eine ganze Reihe weiterer sozialer Antagonismen <a href="https://revoltmag.org/articles/virus-als-katalysator/">und verstärkt diese</a>: Das betrifft die schwelende Wirtschaftskrise samt rasanter Inflation sowie die autoritären Konsolidierungsversuche Erdoğans ebenso wie die immer wieder aufflammenden Widerstände im Kontext von Chauvinismus und (sexualisierter) Gewalt gegen Frauen*. Die Arbeitslosenquote von Frauen <a href="https://elyazmalari.com/2020/04/11/kayda-gecsin-covid-19-ile-kadinlarin-sirtina-yuklenen-ev-ve-bakim-emegi/">stieg</a> schon vor der Corona-Pandemie in fünf Jahren um 52 Prozent und erreichte 2019 16,6 Prozent (das bedeutet über 1 755 000 Frauen ohne Einkommen durch Lohnarbeit). Knapp drei Millionen Frauen arbeiteten derweil mehr als 45 Stunden pro Woche, 34,4 Prozent dieser Frauen waren informell beschäftigt.</p></div>
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<img alt="2. VIP RESISTENCE 2.jpg" height="720" src="/media/images/2._VIP_RESISTENCE_2.original.jpg" width="960">
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<p>Unterstützung des Protests von Textilarbeiterinnen, die vom Unternehmen VIP im Jahr 2019 entlassen wurden, weil sie Mitglied einer Gewerkschaft geworden sind.</p>
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<div class="rich-text"><p>Und nun, wie überall auf der Welt, haben die Frauen* in der Türkei auch im Zuge der Corona-Krise die meisten Einkommensverluste und die größte Zunahme von Care-Arbeit zu verbuchen. Für die Arbeiterinnen* in den Fabriken und auch im privaten Sektor, in Geschäften und kleinen Betrieben, gibt es viele Probleme in Bezug auf Mobbing und sexuelle Belästigung. Hinzu kommt der Mangel an notwendigen Hygienemaßnahmen an den Arbeitsplätzen; die fortgesetzte Arbeit in Menschenmengen, lange Arbeitszeiten, ungesicherte Arbeit, zunehmende Nachtschichten, Lohnkürzungen und Gefahr von Kündigungen setzen den Frauen zu. In einem <a href="https://mordayanisma.org/2020/09/20/3368/">aktuell veröffentlichten Survey</a> der Organisation wurde das Ausmaß der Hoffnungslosigkeit deutlich, die Frauen ohne ein aktuelles Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich in Bezug auf ein Auskommen und eine ausreichend bezahlte Lohnarbeit artikulieren: Nur 35 Prozent suchen überhaupt noch nach einer Arbeit. Aufschlussreich sind dabei die Notizen, welche die befragten Frauen im Survey-Abschnitt "Was Sie hinzufügen möchten" geschrieben haben: "Ich habe keinen Ort, an den ich gehen kann, ich habe keine Beschäftigungsmöglichkeiten", "Schutzräume sollten vermehrt werden", "Schutzräume und rechtliche Unterstützung sind für Frauen von entscheidender Bedeutung" und ähnliches. Die Sätze zeigen die Reaktionen der Frauen über das hoffnungslose Klima im Land und ihre Suche nach Lösungen angesichts multipler Problemlagen, die mit den wirtschaftlichen Schwierigkeiten verflochten sind.</p><p>Mor Dayanışma arbeitet immer wieder mit Frauenplattformen und Initiativen, wie <i>Barkod</i>-Kadın Dayanışma Ağı, der Arbeiter*innenorganisation <i>Ekmek ve Onur</i> oder Basisinitiativen wie <i>#İşçilerBirlikteGüçlü</i> (Arbeiter*innen sind gemeinsam stark) zusammen, um den Frauen* in ihren ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen zur Seite zu stehen und gemeinsam dagegen zu kämpfen. Hierzu unterstützen die Frauen* beispielsweise Streiks der Arbeiterinnen* vor den Fabriktoren oder führen Informationsveranstaltungen zu Arbeitsthemen durch.</p><p>Die Treffpunkte von Mor Dayanışma sind inmitten der Viertel angesiedelt, in denen Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen, Armut und schlechter gesundheitlicher Versorgung leben. Die Dynamiken der Krise betreffen damit die Frauen*, die sich bei Mor Dayanışma treffen, in besonderem Maße - und zwar in allen Bereichen des Lebens. Sie benötigen dringend diese Orte des Austauschs, der Organisierung und der kollektiven Herstellung von Handlungsfähigkeit, die sie sich selbst mit so viel Herzblut und Arbeit aufgebaut haben.</p></div>
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<img alt="4. #WeArentSafe Campaign Brochure.jpg" height="720" src="/media/images/4._WeArentSafe_Campaign_Brochure.original.jpg" width="960">
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<p>Mor Dayanışma-Mitglied Basar in einer Nachbarschaft beim Verteilen der "Wir sind nicht sicher"-Kampagnenbroschüre.</p>
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<div class="rich-text"><p>Mor Dayanışma wurde 2014 im Geist der Gezi-Proteste in der Türkei gegründet. Seither gibt es Stadtteil- und Regionalstrukturen der Organisation von Edirne bis Şırnak, von Istanbul bis Hatay. Im Laufe der Zeit entstanden in vielen Städten Zentren und Orte der Zusammenkunft, in denen sich Frauen* weiterbilden, politisch aktiv werden und sich gemeinsam gegen das patriarchale kapitalistische System zur Wehr setzen, welches eine ganz <a href="https://elyazmalari.com/2020/12/02/siddet-fasizm-ve-devlt-ucgeninde-kadinlar-cemile-baklaci/">besondere Herrschaft über</a> die Arbeit, Identität und Körper von Frauen* ausübt. Die Frauen* treffen sich für kostenlose Fortbildungen, etwa, was Arbeitsschutz und gesundheitliche Vorsorge angeht; sie können über die Basis-Organisation anwaltliche, gewerkschaftliche oder psychologische Unterstützung finden, oder gemeinsam Schmuck und Handwerkskunst herstellen, welches ihnen ein eigenes oder zusätzliches Auskommen ermöglicht. In Zeiten der Pandemie wurde die Unterstützung teilweise umorganisiert, um die Frauen in der Pandemie zu erreichen. Die Harekete Geç (Komm' in Bewegung) -Kampagne entstand zu einer Zeit, als die Verletzungen von Frauenrechten unglaublich zahlreich waren, und entwickelte sich dann zum Güvende Değiliz (Wir sind nicht sicher) - Prozess. Als Ergebnis dieser Kampagne wurde im September 2020 die oben aufgeführte Umfragestudie veröffentlicht, die mit 1497 Frauen aus 76 Provinzen durchgeführt wurde.</p><p>Aus basisgewerkschaftlicher Perspektive ist zentral, dass durch die Netzwerke der Frauen* untereinander die Möglichkeit von Arbeitskämpfen diskutiert und kollektiv nach Lösungen gesucht werden. Dadurch erfahren die Frauen das Gefühl der Selbstwirksamkeit und fangen an, sich auch in politischen und gewerkschaftlichen Kontexten zu organisieren. Das ist insbesondere deshalb so wichtig, weil viele der Frauen* bei Mor Dayanışma informell beschäftigt und somit von vielen institutionell verankerten Rechten ausgeschlossen sind. Mor Dayanışma ist dafür auch mit anderen Basisorganisationen verknüpft und versucht, in den Medien (etwa durch kontinuierliche Präsenz in den Sozialen Medien sowie zahlreichen Online-Angeboten der Mitglieder) und auf der Straße mit ihrer feministischen Arbeit aktiv zu sein.</p><p></p><hr/><p><b>Solidaritätsbotschaft von İrem Kayıkcı, Sprecherin von Mor Dayanışma in Istanbul:</b></p><p><i>Liebe Freundinnen und Freunde,</i></p><p><i>inmitten der pandemischen Entwicklung in der Türkei, in der Gewalt gegen Frauen*, Rechtsverletzungen und wirtschaftliche Ausbeutung von Frauen zunehmen, bin ich dankbar für eure Unterstützung. Wir versuchen, uns überall Gehör zu verschaffen, von den Stadtvierteln bis zu den Fabriken, und kämpfen für Frauen, die in vielen verschiedenen Arbeitsbereichen und Haushalten unterschiedlichen Formen der Ausbeutung ausgesetzt sind. Ihre Unterstützung wird uns helfen, uns weiter zu organisieren und den Kampf für die Befreiung der Frauen weiter zu stärken.</i></p><p><i>Mit meinen aufrichtigen Wünschen und meiner Solidarität,</i></p><p><i>İrem Kayıkçı</i></p><hr/><p></p><p><i>LabourNet Germany,</i> das<i> re:volt magazine</i> und viele andere Unterstützer*innen rufen zu Spenden für <b>Mor Dayanışma</b> auf:</p><p>Spendenkonto: Labournet e.V.:<br/>IBAN DE 76430609674033739600<br/>BIC: GENODEM1GLS<br/>Verwendungszweck “Lila Solidarität”<br/>(für eine e-mail an verein@labournet.de samt Adresse kann eine Spendenquittung ausgestellt werden)</p><p></p></div>
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<img alt="3. #MoveOn Campaign (Against Femicide and Abuse of Women Rights).jpg" height="540" src="/media/images/3._MoveOn_Campaign_Against_Femicide_and_Abuse_o.original.jpg" width="960">
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<p>Das Bild zeigt eine Fahrraddemonstration, um die Kampagne Harekete Geç (Komm' in Bewegung) sichtbar zu machen.</p>
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<h2>Lizenzhinweise</h2>
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Mit links gegen die Krise2020-08-28T09:08:53.242705+00:002020-09-01T18:27:16.490440+00:00Hände Weg vom Weddingredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/mit-links-gegen-die-krise/
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<h1>Mit links gegen die Krise</h1>
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<span class="content-copyright">Alp Kayserilioğlu</span>
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<div class="rich-text"><p>Die Corona-Pandemie bedeutet eine globale Krise des Kapitalismus mitsamt seiner alles durchdringenden, an Profit und Renditen ausgerichteten Gesundheits- und Wirtschaftspolitik. Während sich die staatlichen Restriktionsmaßnahmen auf allen gesellschaftlichen Ebenen überschlugen, wirkten große Teile der revolutionären Linken hierzulande gelähmt und handlungsunfähig. Die Dynamik und Rigorosität staatlicher Maßnahmen sorgten in linken Gruppen angesichts der überwiegend autonomen Organisationsformen für Ratlosigkeit. Kommunikationskanäle und ritualisierte Plena wurden über Nacht weitestgehend lahmgelegt. Klassische Aktionsformen waren plötzlich nicht mehr möglich und revolutionär-linke Inhalte waren dadurch noch weniger wahrnehmbar. Es fehlten handlungs- und entscheidungsfähige Strukturen, die trotz der Ausnahmesituation in der Lage waren, die Corona-Krise politisch dafür zu nutzen, Alternativen und Perspektiven aufzuzeigen. Die radikale Linke hat damit ihre Handlungsunfähigkeit in Krisensituationen gezeigt. Angesichts des neonazistischen Terrors von NSU 2.0, rechter Prepper-Gruppen und der größeren Anzahl aufgedeckter rechter Terrorzellen sowie des Versuchs der AfD, parlamentarische Macht zu gewinnen, eine schaurige Erkenntnis. Vor allem wenn wir uns vor Augen führen, dass der Staat mit seinen Institutionen nicht selten eine stützende Rolle im Aufbau dieser Terrorzellen spielt.</p><p></p><h3><b>Die Rolle revolutionärer Kräfte</b></h3><p>Dabei sind Krisen eigentlich das ureigene Feld revolutionärer Kräfte. Ihre Aufgabe ist es, Klassenkämpfe über den Umweg praktischer Solidarität und theoretischer Analyse zu stärken. In Zeiten großer gesellschaftlicher Umbrüche und Veränderungen politisieren sich viele Menschen und suchen nach handlungsfähigen Organisierungen, um soziale Forderungen auch wirkmächtig artikulieren zu können. Beispiele dafür sind die „HartzIV-Proteste" (2004), die „Bankenkrise“ (2008/2009) oder der „Sommer der Migration" (2015) und die antirassistischen Proteste gegen die zahlreichen rassistischen Mobilisierungen (beispielsweise gegen die von der NPD initiierten „Nein-zum-Heim-Demonstrationen“). Es ist die Aufgabe revolutionärer Kräfte, die von der Krise betroffenen Lohnabhängigen anzusprechen und sie nachhaltig und langfristig für eine klassenkämpferische Praxis zu gewinnen.<br/></p><h3><b>Solidarität aufbauen</b></h3><p>Zu Beginn des Lockdowns riefen linksliberale Akteur*innen oder Träger*innen der sozialen Daseinsfürsorge bundesweit dazu auf, sich in den von ihnen initiierten Solidaritätsnetzwerken ehrenamtlich zu engagieren. Auch linke Gruppen initiierten Netzwerke, z.B. in Hamburg, Stuttgart oder Berlin. Im Berliner Stadtteil Wedding wurden das Label und die Arbeitsgruppe „Wedding solidarisch" von uns als „Hände weg vom Wedding" gegründet. Dies fungierte als Klammer für eine linke, klassenkämpferische Perspektive auf die Krise („Klassenkampf statt Klatschen!“). Für uns bedeutete der Aufbau einer themenbezogenen Arbeitsgruppe sowohl das ideologische Besetzen der Krisenthemen, als auch die Schaffung einer Struktur, die kontinuierlich in der Lage ist, Interessierte in die politische Diskussion und Praxis einzubinden. Wie auch andere Initiativen gründeten wir zuerst moderierte Telegram- und Facebook-Gruppen, die schnell auf tausende Follower*innen anwuchsen. Neben der Vernetzungsmöglichkeit praktischer Unterstützungsangebote stellten sie auch wichtige Kanäle für die Bereitstellung linker, <a href="https://www.unverwertbar.org/corona/">antikapitalistischer Analysen</a> und Angebote dar. Diese bilden einen wichtigen Gegenpol zu den rechten Kräften, welche die Krise für das Propagieren von Rassismus, Antisemitismus und Verschwörungsmythen nutzten und weiterhin nutzen.<br/><br/> Während die Bundesregierung Milliarden von Hilfsgeldern zur Absicherung der Profite großer deutscher Unternehmen verschleuderte, konnten wir in unseren eigenen Kanälen die Corona-Krise als das benennen, was sie ist: eine kapitalistische Krise. Die Schaffung von virtuellen wie praktischen Solidaritätsnetzwerken sind eine weiterzuentwickelnde Perspektive von Klassenpolitik. Besondere Abgrenzung braucht es in Bezug auf Netzwerke, mit denen staatliches Versagen durch sozialliberale Hilfsangebote kaschiert werden soll. In Berlin zeigte sich, dass der Senat und die Bezirke schnell in der Lage sind, Solidarität und praktische Unterstützung mittels geförderten Freiwilligenagenturen zu vereinnahmen. Innerhalb kurzer Zeit wurden zusätzliche Gelder bewilligt, um staatliche und staatsnahe Netzwerke zu gründen.<br/><br/> Die ideologische Distanz zum Staat, der politische Entscheidungen vor allem zugunsten der herrschenden Kapitalfraktionen trifft, muss daher aus radikal-linker Perspektive immer wieder herausgearbeitet werden. Andernfalls droht eine Vermischung der öffentlichen Wahrnehmung von linken Kriseninterventionen und staatlichem Krisenmanagement. Revolutionäre Krisenanalysen und -erzählungen bleiben dann auf der Strecke.</p><p></p><h3><b>Das Virus heißt Kapitalismus</b></h3><p>Mit der gegründeten Arbeitsgruppe „Wedding solidarisch" wurde auf den Klassencharakter der (tödlichen) Auswirkungen der Pandemie hingewiesen. Denn das Virus ist kein von den gesellschaftlichen Verhältnissen und Verwerfungen entkoppeltes Gesundheitsproblem. Obwohl es zwar alle betreffen kann, betrifft es nicht alle gleich. Die sozialen Fragen um Arbeitsbedingungen, Wohnraum, patriarchale Gewalt und Rassismus haben sich schon vor der Pandemie gestellt und wurden durch die Krise noch verschärft und sichtbarer gemacht. Das Problem liegt im System und es ist unsere Aufgabe, gesellschaftliche Gegenentwürfe zu formulieren und auf die Straße zu tragen. Die im Rahmen der Pandemie drängendere Gesundheitsfrage versetzte uns in die Lage, über dieses Thema unsere Kampffelder Antifaschismus/Antirassismus, Mietenkämpfe, Arbeitskämpfe und Feminismus zu verknüpfen.</p><p>Angesichts der verstärkten Repressionen durch omnipräsente Polizeikräfte, verschärfte Bußgeldkataloge, die Aushebelung von Freiheitsrechten wie der Versammlungsfreiheit und vieles mehr, musste die Linke (wieder) lernen, unter repressiveren politischen Umständen zu arbeiten. Tausende <a href="https://www.unverwertbar.org/aktuell/2020/4805/">Forderungskataloge</a> („Für eine soziale und demokratische Lösung der Krise"), Plakate und Aufkleber wurden ausgegeben, im öffentlichen Raum verteilt und verklebt - auch mithilfe öffentlich beworbener Materialausgabestellen im Stadtteil. Das Ziel, mit radikal-linken Inhalten öffentliche Räume zu dominieren und die Krise zu deuten, konnte stellenweise erreicht werden. Das geschah plakativ wie praktisch durch konkrete Aktionen und Gespräche am Rande der Kundgebungen und im Kiez. Im Wedding organisierten wir von April bis Juli sechs Kundgebungen an zentralen Orten und zwei symbolische Aktionen vor den drei Weddinger Krankenhäusern. Dabei reihten wir uns in bestehende Aktionsnetzwerke ein, um unsere Themen gesamtgesellschaftlich einbetten zu können.<br/></p><p>Neben einem feministischen und antirassistischem Aktionstag galt und gilt dies auch für die bundesweite Plattform <a href="https://nichtaufunseremruecken.noblogs.org/">#NichtaufunseremRücken</a>. Regionale und überregionale Vernetzungen sind jetzt umso wichtiger, um nicht im beschränkten Lokalismus zu verharren. Das gegenseitige überregionale Aufeinanderbeziehen unterstützt eine organisatorische Kraft im Lokalen, die in der Lage ist, sich krisenfest aufzustellen. Im Rahmen unseres <a href="https://www.unverwertbar.org/ueber-uns/struktur/">rätekommunistischen Umstrukturierungsprozesses</a> konnten wir erneut feststellen, dass themenbezogene Diskussionen in Kommissionen, klare Verantwortlichkeiten und transparente Entscheidungswege dabei helfen, auch unter widrigen Bedingungen zu arbeiten.</p><p></p><h3><b>Linke Krisenfestigkeit!</b></h3><p></p><p>Mit der Arbeitsgruppe „Wedding solidarisch" wurde Handlungsfähigkeit in einer politischen Ausnahmesituation hergestellt. Die Agitation mit spezifischen Materialien auf der Straße hat linken, antikapitalistischen Krisenerzählungen und Analysen viel Raum und eine breite Wahrnehmung verschafft, auf die wir weiterhin aufbauen.<br/> Dabei sind diese Inhalte im alten Arbeiter*innenstadtteil Wedding auch vermittelbarer, da hier viele Menschen aufgrund von Armut, Arbeitslosigkeit und beengten Wohnverhältnissen von den kapitalistischen Ausbeutungsmechanismen betroffen sind. Außerdem sind - abgesehen von türkischen-faschistischen Strukturen - nur sehr wenige rechte Kräfte im Alltag präsent.<br/> Selbstkritisch müssen wir anmerken, dass die Struktur der Arbeitsgruppe Wedding Solidarisch (z.B. Online-Plena) klassischen linken Praktiken folgte und damit das Potential in der Organisierung von interessierten, nicht-organisierten Menschen auf diesem Wege relativ gering war. Das Beteiligungsmoment in der Praxis von Wedding Solidarisch war dadurch begrenzt. Direkte Gespräche am Rande der Kundgebungen waren die hauptsächliche Möglichkeit, mit Leuten außerhalb der gewohnten Kontexte in Kontakt zu treten, insbesondere nach Lockerung der Beschränkungen des öffentlichen Lebens. Positive Momente ergaben sich oft bei Gesprächen über die konkrete Praxis von „Hände weg vom Wedding“. Dabei stellt das Stadtteilmagazin <a href="https://plumpe.noblogs.org/">„Plumpe“</a> eine gute Basis dar, um radikal-linke Stadtteilarbeit zu diskutieren und linke Schwerpunkte weiter zu popularisieren.<br/></p><p>Eine Herausforderung bleibt: die in der Corona-Pandemie geschaffenen Solidaritätsnetzwerke und Arbeitsgruppen mit der Überführung in unsere Struktur zu verstetigen. Es zeigt sich eine deutliche Diskrepanz zwischen der geleisteten Agitation und der Anzahl von Interessierten, die in den folgenden Wochen als neue Gesichter zu unserer Gruppe stießen. Dabei kommt der Organisation eine besondere Verantwortung zu, wenn sie Interessierte organisatorisch wie auch ideologisch nachhaltig binden möchte. Dabei ist klar, dass die gesellschaftliche Mobilisierung für die antikapitalistische Krisenerzählung unbedingt klare Organisationsformen und ideologische Leitplanken braucht, um auch in Zeiten sich vermeintlich normalisierender Verhältnisse und nachlassender Wut politisch wahrnehmbar zu bleiben.<br/> Thematisch arbeitende Kommissionen mit vorgelagerten Vorfeldstrukturen schaffen dabei niedrigschwellige Angebote, um Menschen den Einstieg in unsere Gruppe zu erleichtern. Wir haben „Wedding Solidarisch“ in unsere bestehenden Angebote überführt, um mit weiteren Aktiven entlang der Kampffelder praktisch weiterzuarbeiten. Ob wir als revolutionäre Linke aus der Coronakrise politisch wie personell gestärkt herausgehen können, werden wir im Zuge der kommenden Debatten im nationalen wie globalen Kontext sehen.</p><p></p><h3><b>Klassenkampf und Solidarität</b><br/></h3><p>Die Notwendigkeit der klassenbewussten, kämpferischen Solidarität ist drängender denn je. Die ökonomischen Auswirkungen der jetzigen, sich ausweitenden Krise sind kaum zu unterschätzen. Diese Krise bietet der herrschenden Klasse einen guten Vorwand, Angriffe auf Arbeitsverhältnisse mit drohender Pleite zu legitimieren: genannt seien hier z.B. eine staatliche Sparpolitik, Verschärfung der Arbeitsbedingungen durch Entlassungen, Verhinderung gewerkschaftlicher Arbeit (Union Busting), Outsourcing oder der (gewerkschaftliche) Verzicht auf Gehaltserhöhungen und Arbeitskämpfe.<br/> Außerdem steht eine Explosion privater Schulden durch Arbeitslosigkeit für viele Menschen bevor, die sich wiederum in einem dramatischen Anstieg der Zahl von Zwangsräumungen und drohender Wohnungslosigkeit zeigen wird. Gerade jetzt braucht es politische Kräfte, die diese komplexen, zusammenhängenden Widersprüche im Kapitalismus aufzeigen und erklären.</p><p>Dies verdeutlicht die Dringlichkeit, linke und revolutionäre Organisationen entlang von krisenfesten, planvollen und kontinuierlichen Formen auszurichten. Unsere <a href="https://revoltmag.org/articles/bau-auf-bau-auf-revolution%C3%A4re-stadtteilarbeit-neu-organisieren/">Organisationsformen</a> müssen sich an dieser Notwendigkeit orientieren und in der Lage sein, die Fallstricke autonomer und individualistischer Praxis zu überwinden. Es muss uns gelingen, den breiten Massen der Lohnabhängigen zu vermitteln, wie sozialistische (Waren-)Produktion, die gerechte Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums und politische Partizipation im Sinne einer solidarischen Gesellschaft gerecht zu organisieren sind. Dies sind erste grobe Schlaglichter revolutionärer Veränderungen. So kann die revolutionäre Linke politisch wie personell aus den Krisen gestärkt hervorgehen.</p></div>
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Bau auf. Bau auf! Revolutionäre Stadtteilarbeit neu organisieren2019-04-30T06:33:18.314552+00:002019-04-30T06:34:06.531852+00:00Hände Weg vom Weddingredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/bau-auf-bau-auf-revolution%C3%A4re-stadtteilarbeit-neu-organisieren/
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<span class="content-copyright">Left Report</span>
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<div class="rich-text"><p>Im Zuge der Debatten um <a href="http://www.sebastian-friedrich.net/neue-klassenpolitik/">„Neue Klassenpolitik“</a> und die Frage, wie eine revolutionäre Stadtteilarbeit organisiert werden kann, möchten wir als „Hände weg vom Wedding“ unseren politischen Beitrag leisten. Wir wollen nachfolgend unsere bisherige Arbeit kritisch reflektieren und unsere Lösungsstrategien damit zur Diskussion stellen. Als Grundlage diente uns in einzelnen Diskussionspunkten unter anderem der <a href="https://revoltmag.org/articles/zum-ende-einer-bewegung-und-eines-organisationsansatzes/">Text von Geronimo Marulanda</a>, der im April 2018 im re:volt-Magazine veröffentlicht wurde. Der nun von uns vorgelegte Text soll anregen, die eigenen Strukturen politisch zu hinterfragen und Ideen für mögliche Strukturdebatten und Veränderungsprozesse geben.</p><p>Seit 2012 sind wir als Gruppe, Nachbar*innen (meist mit politischer Vorerfahrung) aus und um den Berliner Stadtteil Wedding, organisiert. Unser geteilter Schwerpunkt liegt auf der lokalen Realisierung antikapitalistischer und revolutionärer Politik. Nach langen Erfahrungen in der politischen Arbeit in unseren Kiezen wollen wir die engen Grenzen unserer bestehenden Organisation überwinden. Unser Ziel ist, sowohl Nachbar*innen, als auch politische Unterstützer*innen aktiver einzubinden und die Basis für eine revolutionäre Stadtteilarbeit zu verbreitern. Dabei ist es an uns als linke Bewegung, klassenkämpferische Politik von unten zu stärken. Wie kann das funktionieren?</p><h3><b>Problemaufriss</b></h3><p>Wir sehen, dass die gesellschaftlichen Bedingungen, beispielsweise durch die immer stärker werdende (außer-)parlamentarische Rechte, sowie die repressiven Maßnahmen des Staates gegen linke Bewegungen, unsere Handlungsspielräume zunehmend einengen. Beide kriminalisieren (nicht überraschend) revolutionäre Inhalte. Gesellschaftliche Vorstellungen eines Bruches mit den gegebenen Verhältnissen werden immer mehr an den Rand gedrängt. Als Gegenstrategie setzen wir auf Stadtteilkämpfe, beispielsweise gegen steigende Mieten, neoliberalen Stadtumbau, Patriarchat und nationalistisch-rassistische Ausgrenzungen als zentrale Aktionsfelder. Wir nennen diese nachfolgend „Kampffelder“. Die kapitalistischen Zuspitzungen um Miete und (Wohn-)Eigentum mobilisieren viele Menschen in den Kiezen und bieten einen starkes Potenzial für linke, antikapitalistische Gegenentwürfe in einer Stadt wie Berlin. Doch in der politischen Arbeit mit Interessierten kamen wir regelmäßig an unsere Grenzen. Dabei standen wir uns mit unserer bisherigen Organisationsform häufig selbst im Weg.</p><p>In den vergangenen Jahren haben wir die klassischen, fast schon naturgemäßen Problemlagen eines post-autonomen Zusammenschlusses immer wieder durchlebt. Die politische Verfasstheit der Gruppe hängt großteils vom individuellen Bezug zur politischen Arbeit, der Qualität eigener politischer Bildung, der emotionalen und freundschaftlichen Bezüge zueinander, sowie den zeitlichen Kapazitäten ab. Neben der starken Fluktuation der personellen Zusammensetzung und des politischen Engagements der Einzelnen stand, neben vielen anderen Hindernissen, das Fehlen einer klaren politische Linie und einer sich daraus ergebenden Strategie. Die politische Handlungsfähigkeit ist somit starken Konjunkturen unterworfen. Die Kontinuität und Verbindlichkeit des politischen Arbeitens sind nicht immer gewährleistet.</p><p>Zudem war die aktive Teilnahme an der Gruppe und ihren Prozessen jenseits öffentlicher Veranstaltungen, die auf eine kurzweilige und unverbindliche Mobilisierung von Menschenmassen abzielten, wie zum Beispiel Demonstrationen, Kundgebungen und Informationsveranstaltungen, meist schwer möglich. Dabei gingen viele Möglichkeiten der politischen Vernetzung und des personellen Aufbaus verloren. Zu exklusiv ist unsere Organisierung, die geschlossen nach außen auftritt und dadurch selten ansprechbar ist. Durch das Leben einer „linksradikalen Subkultur“, scheuen viele von uns die reale Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Widersprüchen. Stattdessen setzen wir uns in dieser ausweglos erscheinenden Subkultur häufig selbstreferenziell, gewollt oder ungewollt, mit „Szenedebatten“ auseinander. Inhalte und Diskussionsformen unserer Organisationsform, wie beispielsweise akademisierte Sprache, ausufernde Plenarsitzungen und eine Überbetonung der eigenen, individuellen Meinung stellen weitere Hemmnisse dar. Die Anschlussfähigkeit für Menschen, die nicht Anfang bis Ende 20 und ungebunden sind, im besten Fall aufgrund eines Studiums „Zeit haben“, sind schlichtweg nicht gegeben.</p><p>Dabei drängt uns der sich verschärfende gesellschaftliche Faschisierungsprozess dazu, unsere Inhalte gegenüber der Gesellschaft deutlicher kommunizieren und vermitteln zu müssen. Dazu zählt unter anderem, soziale Fragen und Kämpfe konsequent von links zu besetzen. Es gilt, den Spagat zwischen dem taktischen Aushalten von gesellschaftlichen Widersprüchen einerseits und zeitgleich dem konsequenten Eintreten gegen beispielsweise rassistische und sexistische Positionen andererseits zu schaffen. Hier sollte beispielsweise nicht jedem*r Nachbar*in direkt über den Mund gefahren werden, wenn sich sexistisch geäußert oder rassistische Vorurteile formuliert werden, sondern vielmehr einen Beziehungsaufbau ermöglicht werden, um diese Widersprüche schrittweise zu verhandeln. Es gilt aber auch klar gegen bereits gefestigte chauvinistische Positionen und Weltbilder einzutreten, sowohl in eigenen Strukturen, als auch bei unseren Nachbar*innen und Bündnispartner*innen.</p><p>Das (alleinige) Einfordern einer „Organisierung von unten“, zum Beispiel über Demonstrationen und Redebeiträge, schafft noch keine organisatorischen Strukturen für eine breite Bewegung im Kiez. Dabei mangelt es sogar immer mehr an ausreichend physischen Räumen für eine solche Organisierung. Aus dieser Analyse heraus entwickelten wir mit anderen Gruppen und Engagierten die Idee eigener Räume für die politische Praxis. Mit dem Aufbau des „Kiezhaus Agnes Reinhold“ haben wir es schließlich gemeinsam geschafft, linker Politik im Wedding einen Raum zu geben.</p><h3><b>Organisieren…</b></h3><p>Als Arbeitsgrundlage wurde eine Analyse der gesellschaftlichen Bedingungen im Wedding vorgenommen. Daraus entstanden vier strategisch gleichwertige Kampffelder, deren Bearbeitung wir als bedeutend für die Überwindung der gesellschaftlichen Verhältnisse insgesamt betrachten:</p><ol><li><b>Mietenkämpfe</b></li><li><b>Feminismus</b></li><li><b>Arbeitskämpfe</b></li><li><b>Kampf gegen Faschismus und Rassismus / Antifaschismus</b></li></ol><p>Diese aktuellen Kampffelder könnten bei zunehmendem Organisierungsgrad um Themen wie Ökologie, Jugend und so weiter erweitert werden. In den Kommissionen (Arbeitsgruppen), die sich um die genannten vier Kampffelder gruppieren, werden Inhalte, Strategie und Taktik revolutionärer Stadtteilarbeit diskutiert und umzusetzen versucht. Dies bedeutet konkret, dass sich „Hände weg vom Wedding“ öffnet und für den Aufbau dieser Kommissionen verantwortlich ist. Die Kommissionen bestehen aus den im jeweiligen Kampffeld aktiven Personen, die eine Verbreiterung der Organisierung und die Verknüpfung der Kampffelder unter der Struktur „Hände weg vom Wedding“ als sinnvoll erachten. Dabei stehen Fokussierung auf das entsprechende Politikfeld, sowie Verbindlichkeit im Vordergrund. Die Aufgabe dieser Verantwortlichen ist es, Kämpfe zu initiieren, zu vernetzen und zu bündeln. Hierfür können sie auf die Ressourcen und Kontakte der Gesamtstruktur „Hände weg vom Wedding“ zurückgreifen. Aus den Kommissionen werden offene Angebote zur Partizipation an der politischen Praxis geschaffen. Dies kann über offene Treffen, regelmäßige Veranstaltungen oder Beteiligung an konkreten Kämpfen umgesetzt werden. Angebote dieser Art dienen als politische Vorfeldorganisationen. Sie schaffen erste praktische Zugänge zu Themen und Praxen, bringen Menschen zusammen, politiseren sie und machen sie handlungsfähig. Somit werden niedrigschwellige Zugänge zur politischen Selbstermächtigung geschaffen. Idealerweise festigen sich darüber Personen politisch und werden Teil der verantwortlichen Struktur „Hände weg vom Wedding“.</p><p>Die Kommissionen wählen jeweils <b>Delegierte (Kommissionsverantwortliche)</b>, die in einem <b>Rat (Kerngruppe)</b> die strategischen Linien in den jeweiligen Kampffeldern diskutieren und als Anregung an die Kommissionen wieder zurückgeben. Die Verantwortlichen vertreten ausschließlich die Interessen, Ideen und Beschlüsse ihrer Kommissionen auf verbindliche Weise im Rat (imperatives Mandat). Somit tritt die Formulierung von kollektiven Interessen und kollektive Arbeitsprozesse in den Vordergrund. Individualistische Positionen in den Kommissionen verlieren gleichzeitig an Gewicht. <i>Alle interessierten Personen diskutieren in den Kommissionen</i>, während durch die Kommissionsverantwortlichen Verlässlichkeit und Verbindlichkeit gegeben ist. Das Ziel ist sowohl die Herstellung eines Minimalkonsens, als auch der stetige Ausbau politischer Positionen und Arbeit.</p><p>Der Rat ist das Organ für die Besprechung von Strategie und Taktik. Hier werden Vorschläge für die politische Theorie und Praxis entwickelt und an die Kommissionen weitergereicht. Die im Rat sitzenden Verantwortlichen werden dabei durch regelmäßige Wahlen in ihren Kommissionen demokratisch legitimiert, oder wieder abberufen. Sie müssen stets das Vertrauen und die Verlässlichkeit der Mitstreiter*innen ihrer Kommissionen genießen. Der Rat fungiert somit als Ort intensiver inhaltlicher Debatten und erfüllt gleichzeitig inhaltliche, sowie strukturelle Verantwortung gegenüber allen Mitgliedern der Gruppe und dem aktiven Umfeld. Der Rat schafft damit eine möglichst feste und sichere Organisation für alle Beteiligten bei gleichzeitiger Dynamik und Autonomie in den Kommissionen.</p><p>Die Aufgabe des Rates besteht außerdem darin, regelmäßige <b>Bildungsangebote</b> zu den verschiedenen Kampffeldern zu organisieren und durchzuführen, um eine gemeinsame Reflexion und Diskussion zu ermöglichen. Bildung wird als fester und wichtiger Bestandteil der kollektiven Entwicklung verstanden. Durch kollektive statt individueller Bildung arbeiten wir an einer solidarischen Debattenkultur und breiter Strategiebestimmung. Diese soll möglichst viele Teile der ausgebeuteten Klassen in unseren Kiezen einbeziehen. Neben der Etablierung offener, themenbezogener Angebote, stellt die regelmäßig stattfindende <b>kommissionsinterne Vollversammlung</b> ein wichtiges Organ dar. Eingeladen sind alle Kommissionsmitglieder, sowie das direkte politisch-aktive und interessierte Umfeld. Hier werden gemeinsame Bezüge zwischen den Kommissionen geschaffen. Im Vordergrund stehen in diesem Organ die Vorstellung der jeweiligen politischen Arbeit und deren Widersprüche, das gegenseitige Kennenlernen, die Übung solidarischer Kritik und Selbstkritik an Inhalten und Vorgehensweisen, sowie politische Vorschläge gegenüber dem Rat.</p><p></p><img alt="Organigramm.jpg" class="richtext-image full-width" height="329" src="/media/images/e2o37p7j.width-800.jpg" width="800"><p></p><h3><b>Über den Tellerrand schauen…</b></h3><p>Dabei wäre es falsch, es sich in der eigenen Arbeit im eigenen Kiez gemütlich zu machen und andere Kämpfe darüber hinaus zu ignorieren. Vielmehr bedarf es auch einer globalen Perspektive lokaler Arbeit: eine internationalistische und antiimperialistische Ausrichtung der eigenen Arbeit, sowie eine Anbindung an größere revolutionäre Organisierungsprozesse, die den Aufbau von Rätestrukturen anstrebt sind essenziell.</p><p>Die Folgen kapitalistischer Krisen und Kriege werden als Fluchtbewegungen in unsere Städte auch in unseren Kiezen sichtbar. Gleiches gilt für die Präsenz von z.B. Fluchtverursacher*innen, wie der Rüstungsindustrie. Daher suchen wir den Austausch und die Vernetzung mit fortschrittlichen Vereinen, Initiativen und Aktiven, die sich hier vor Ort engagieren. Wir wollen von revolutionären Bewegungen und fortschrittlichen Kämpfen weltweit lernen. Ihre Erfahrungen in der Organisierung von Gesellschaften kann als wichtiger Wissens- und Inspirationsquelle dienen. Nicht zuletzt die praktische Erfahrungen mit Halkevleri (<i>Volkshäuser</i>) in der Türkei, oder von TEV-DEM (<i>Bewegung für eine demokratische Gesellschaft</i>) in Rojava haben uns zum Aufbau des „Kiezhaus Agnes Reinhold“ inspiriert.</p><h3><b>... und Kämpfen!</b></h3><p>Mit diesem skizzierten organisatorischen Transformationsprozess zu einer transparenteren, demokratischeren und handlungsfähigeren Struktur möchten wir eine organisatorische Antwort auf die drängenden gesellschaftlichen Erfordernisse bieten. Wir werden weiterhin unsere praktischen Erfahrungen und Reflektionen sammeln und zur Diskussion stellen. Gleichzeitig hoffen wir auf eine Vielzahl ähnlicher Projekte und Organisierungsansätze in anderen Städten und Kiezen. Wir brauchen wirkmächtige Organisationsformen, die linke Kämpfe greifbarer und vermittelbarer machen. Wir freuen uns auf breite kollektive Kämpfe für eine Gesellschaft jenseits von Ausbeutung und Ausgrenzung.</p><p></p><h3><b>Weiterführende Informationen</b></h3><p><a href="http://haendewegvomwedding.blogsport.eu/">http://haendewegvomwedding.blogsport.eu</a></p><p><a href="https://www.unverwertbar.org/">https://www.unverwertbar.org</a></p><p><a href="https://twitter.com/unverwertbar">https://twitter.com/unverwertbar</a></p><p><a href="https://www.facebook.com/organize.hwvw">https://www.facebook.com/organize.hwvw</a></p><p><a href="https://www.kiezhaus.org/">https://www.kiezhaus.org</a></p><p><a href="https://twitter.com/Kiezhaus_65">https://twitter.com/Kiezhaus_65</a></p><p><a href="https://www.facebook.com/KiezhausAgnesReinhold">https://www.facebook.com/KiezhausAgnesReinhold</a></p><p></p></div>
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<h2>Lizenzhinweise</h2>
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Recht auf Nürnberg!2018-07-11T18:49:16.258498+00:002018-07-11T19:50:09.392246+00:00Daniel Meierredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/recht-auf-n%C3%BCrnberg/
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<span class="content-copyright">dmitri popw | unsplash</span>
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<div class="rich-text"><p>Wer
hätte es gedacht: Deutschland befindet sich in einer Phase des wirtschaftlichen
Aufschwungs – zumindest weisen darauf seit Jahren alle im bürgerlichen Spektrum
weitgehend akzeptierten Institutionen und Institute hin. Wer daran zweifelt,
kann sich mit einer kurzen Internetrecherche schnell beruhigen lassen: die
Stimmung bei VertreterInnen der Wirtschaft ist nahezu euphorisch. und auch die
Zahlen der Bundesregierung diagnostizieren ein stetiges wirtschaftliches
Wachstum. Doch wie sieht es im realen Alltag der Lohnabhängigen aus? In
Nürnberg etwa ist von einer euphorischen Stimmung nichts zu bemerken. Im
Gegenteil: Einst ein wichtiger Standort für bekannte Unternehmen, die Tausende
Menschen beschäftigten, wie zum Beispiel AEG, Siemens, Schöller, Triumph-Adler
und das Markforschungsinstitut GfK, ist Nürnberg zwischenzeitlich von einer
Welle der Massenentlassungen und Betriebsschließungen geprägt. Gleichzeitig
entwickeln sich die Lebenshaltungskosten nach oben, vor allem getrieben durch
galoppierende Mieten und Wohnungsknappheit, was verschärfte Konkurrenz um
Wohnungen bedeutet. Besonders deutlich ist dies im Stadtteil Gostenhof in den
letzten Jahren zu beobachten. Angestellte und Führungskräfte, die in boomenden
Branchen wie dem IT-Bereich arbeiten, ziehen in den Innenstadt-nahen, urbanen
Stadtteil und können die dortigen hohen Mieten bezahlen. Andere Menschen werden
dadurch verdrängt. Doch selbst die Zuziehenden müssen oftmals einen hohen
Anteil ihres Einkommens für Mieten aufwenden. Für alle Menschen gilt also, dass
der Druck steigt. Dieser Befund geht über das Wohnen hinaus:
Arbeitsverdichtung, Lohndumping und Leistungsdruck sind prägend für die
lohnabhängigen Klassen, gleichzeitig zelebriert das Kapital den Aufschwung: Die
Stadt Nürnberg – obwohl selbst hochverschuldet – leistet sich indes im Größenwahn
die Bewerbung zur europäischen Kulturhauptstadt. Während also Prestigeprojekte
Priorität genießen nehmen prekäre Beschäftigungsverhältnisse zu. Verschärfend
kommt hinzu, dass die Löhne stagnieren, mehr noch, dass im Kontext der letzten
drei Jahrzehnte die durchschnittlichen Löhne aufgrund starker Inflationen und
Ausgaben, beispielsweise bei Lebensmitteln, Nahverkehr und Wohnraum statistisch
sogar gesunken sind.
</p><h2><b>Klassenkampf von Oben mit wenig Gegenwind</b></h2>
<p>Während die herrschende Klasse den Klassenkampf von Oben
seit Jahren zu ihren Gunsten vorantreibt, ist der Klassenkampf von unten
dagegen nur schwach ausgeprägt. Organisierter Widerstand gegen die rasant
vorangetriebenen Verschärfungen der Arbeitsbedingungen sind kaum vorhanden –
oder werden vorschnell institutionell befriedet, wie etwa im Kita-Streik Und
auch an den Schulen und Unis ist nach den großen Bildungsstreiks der
Vergangenheit längst wieder relative Ruhe eingekehrt. Zwar wächst die
gesellschaftliche Verunsicherung und Unzufriedenheit angesichts dieser
Bedingungen spürbar, die Bereitschaft, sich aktiv in Kämpfe einzubringen oder
gar selbst welche zu organisieren, ist bisher jedoch leider nicht im selben
Ausmaß angewachsen. Das ist auch in politischen Basisaktivitäten in Nürnberg zu
sehen. Diese stoßen oft auf viel Zustimmung innerhalb der lohnabhängigen Klassen,
die aktive Beteiligung bleibt allerdings hinter der Unzufriedenheit noch weit
zurück. Wen wundert’s? Die meisten Menschen sind vorsichtig, wem sie vertrauen
und skeptisch, ob die Basisinitiativen auch die notwendige Stärke haben, soziale
Verbesserungen zu erkämpfen. Diese und ähnliche Kommentare hören wir hin und
wieder von Menschen, mit denen wir auf der Straße oder rund um den
Stadtteilladen „Schwarze Katze“ in Gostenhof ins Gespräch kommen. Bei vielen Menschen
wächst das Gefühl, dem rasanten Umbau Nachkriegsdeutschlands zu einem auch nach
Innen höchst repressiv organisierten Staat isoliert und ohnmächtig gegenüber zu
stehen. Die soziale Frage wird demagogisch von Rechts besetzt, vorhandene Unzufriedenheit
aufgrund sozialer Widersprüche und der Angst vor dem sozialen Abstieg
rassistisch und nationalistisch kanalisiert. Die amtierende Bundesregierung
kann Grundrechte inzwischen nahezu ohne nennenswerten Widerstand schleifen, was
aktuell vor allem in Bezug zu Reformen am Asyl- und Polizeirecht sichtbar wird.
Dort ist auch der Widerstand noch am ehesten präsent. Dabei gerät die Große
Koalition absurderweise nicht durch die von ihr voran getriebene Demontage des
Rechtsstaates durch den Abbau von Grundrechten in die Krise, sondern durch eine
wachsende nationalistisch bis völkische rechte Bewegung, die stets noch reaktionärere
Maßnahmen fordert. In diese Bewegung, die eine „konservative Revolution“
fordert, reiht sich auch die regierungsbeteiligte CSU inzwischen nicht nur in
Bayern, sondern bundesweit ein. Ob die auch in Nürnberg gut besuchten
Demonstrationen gegen das bayerische Polizeiaufgabengesetz eine Vorbote einer
politischen Wende dieses Trends waren, lässt sich noch nicht wirklich
beurteilen. Faktisch war, nachdem das Gesetz selbstherrlich von der
CSU-Mehrheit im Landtag beschlossen wurde, die Luft erst mal raus aus der
Bewegung, die immerhin Zehntausende auf die Straße mobilisieren konnte. <br/></p>
<h2><b>Es geht um die Basis!</b></h2><p>In
Nürnberg gibt es zwischenzeitlich zahlreiche Basisaktivitäten. Einige davon
konnten wir – als organisierte autonomie (OA) – auch direkt mit anstoßen, insbesondere
in den Bereichen Lohnarbeit und Einkommen, MieterInnenkämpfe und der
Stadtteilarbeit im Nürnberger Stadtteil Gostenhof. In diesem haben wir zusammen
mit der Initiative „Mietenwahnsinn Stoppen“ in einer Umfrage zur Mietsituation
mit über 1000 TeilnehmerInnen nicht nur die wachsende Wut über teure Wohnungen
und Vertreibung von Menschen mit niedrigem Einkommen sichtbar machen können,
sondern auch den Problemkomplex Gentrifizierung in die breite Öffentlichkeit
getragen. Im Bereich der Unterstützung von Arbeitskämpfen konnten etwa die
Union-Busting-AnwältInnen von Schreiner und Partner bereits mehrmals aus
Nürnberger Tagungshotels vertrieben werden; teilweise reichte dazu zuletzt
schon eine E-Mail an die BetreiberInnen der Hotels, in der erklärt wurde, wer
sich hinter dieser Anwaltskanzlei versteckt. Diese und andere Aktivitäten sind
auf langfristige Verankerung in der gesellschaftlichen Basis und auf das
inhaltliche Wirken in diese hinein ausgerichtet. Ihren Fokus haben sie in
Kämpfen vor Ort, was Vernetzung mit anderen AkteurInnen und Initiativen
andernorts nicht ausschließt.
</p><p>
</p><p>Die
politischen Abwehrkämpfe, die aufgrund dieser gesellschaftlichen Entwicklungen
notwendigerweise geführt werden müssen, dürfen also nicht dazu verleiten, die
soziale Frage außer Acht zu lassen. Die politischen Angriffe der herrschenden
Klasse, die sich vor allem gegen die Lohnabhängigen richten, müssen als
Klassenkampf von Oben deutlich benannt werden. Denn die Grundlage
revolutionärer Politik ist eine revolutionäre, emanzipierte Basis, die sich von
der in Deutschland (auch gesetzlich fixierten) StellvertreterInnenpolitik
deutlich abgrenzt. Der Aufbau einer solchen Basis ist notwendigerweise ein
langfristig und auf Kontinuität ausgelegtes Projekt. Diese Basis kann nur auf
Grundlage eines kämpferischen Klassenbewusstseins entstehen, das generell alle
Lohnabhängigen als <i>potentielle</i> Verbündete miteinschließt und versucht,
möglichst viele Menschen, unabhängig von Geschlecht und Herkunft, für einen
Kampf um universelle Ziele, wie zum Beispiel ein Leben ohne Ausbeutung und
Unterdrückung – beispielsweise durch rassistische Ausgrenzung oder immer weiter
prekarisierte Lohnarbeitsverhältnisse – zu gewinnen.<br/></p><p>Basiskämpfe
sind Kämpfe, die konkrete Ziele, wie etwa niedrigere Arbeitszeit, höhere Löhne,
bessere Arbeitsbedingungen, verfolgen. Dabei bleiben sie als einzelne konkrete
Kämpfe – zum Beispiel gegen einen Immobilienkonzern, der seine AltmieterInnen
loswerden möchte, um nach Sanierungen höhere Mieten mit neuen MieterInnen zu
erzielen – selbst im Erfolgsfall systemimmanent. Das bedeutet, dass der
Klassencharakter der Gesellschaft dadurch, dass manchmal die „Underdogs“
gewinnen, nicht in Frage gestellt wird. Im schlechtesten Fall folgt aus einen
gewonnen Kampf der Fehlschluss, dass das System doch „gerecht“ sein kann. Es
kommt darauf an, diese Kämpfe mit systemsprengender Perspektive zu führen und
die konkreten Forderungen, welche die Wirtschaftsordnung an sich nicht in Frage
stellen, mit über das Bestehende und explizit Erlaubte hinausgehenden
Forderungen zu verbinden. Darin liegt die Aufgabe als RevolutionärInnen in den
Kämpfen.</p><p>Da
es mittlerweile eine größere Anzahl kontinuierlicher Basiskämpfe in Nürnberg
gibt, können verbindende Elemente und die systemsprengende Dimension leicht aus
dem Blick geraten. Es besteht immer die Gefahr, nur noch den einzelnen Kampf,
den einzelnen Bereich zu sehen und dabei die möglichen Verknüpfungen mit
anderen Kämpfen, anderen Verbündeten gar nicht mehr wahr zu nehmen. Dabei
schreien die gesellschaftlichen Verhältnisse in Nürnberg nach einer größeren
gesellschaftlich wahrnehmbaren klassenkämpferischen Aktivität. Es ist an der
Zeit, verschiedenste Basisansätze in Nürnberg und der Region zusammenzuführen,
um gesellschaftliche Stärke zu demonstrieren, AkteurInnen zu verbinden, zur
Zusammenarbeit zu ermutigen und noch weitere Menschen zu motivieren, die noch
passiv sind. Dort, wo kontinuierlich Kämpfe im Bereich Wohnen und Miete, als
auch im Bereich der Existenzsicherung geführt und zum Thema gemacht werden,
lassen sich Fortschritte im Klassenkampf insgesamt erkennen. Vor allem in den Großstädten,
etwa in Hamburg und Berlin, gibt es sehr positive Entwicklungen, die auch in
Nürnberg möglich erscheinen: Beispiel
geben können die verschiedenen „Recht auf Stadt“-Initiativen und dezidiert politische
Stadtteilarbeit, wie sie etwa die Initiative „Hände weg vom Wedding“ auf die
Beine stellt.</p>
<h2><b>Konkrete Aktion vor Ort</b></h2><p>Als
ersten Schritt, die Zusammenführung verschiedener sozialer Kämpfe und AkteurInnen
in Nürnberg weiter zu entwickeln, wurde eine Demonstration unter dem Motto „Auf
die Straße gegen Sozialraub und Mietenwahnsinn! Mieten runter – Einkommen rauf!
Kapitalismus abschaffen!“ initiiert. Bisher haben sich über zwanzig
Initiativen, Gruppen und Bündnisse dieser Initiative angeschlossen und bereiten
eine Demonstration vor, die am 14. Juli stattfinden wird. Das Ziel der
Demonstration ist es, eine öffentliche Wahrnehmung für klassenkämpferische und
soziale Kämpfe zu schaffen. Wir gehen, davon aus, dass Klassenkampf, der Kampf
der gesellschaftlichen Mehrheit gegen die herrschende Klasse der
KapitalistInnen, der einzige mögliche Hebel ist, den Kapitalismus zu
überwinden. In Nürnberg heißt das, dass die drängende Aufgabe eine Vernetzung
der verschiedenen kämpfenden AkteurInnen zunächst Gemeinsamkeiten als Grundlage
kollektiver Kämpfe sein muss. Warum sollten sich Individuen zusammen finden und
Spaltungen überwinden, wenn es dafür keine Basis gibt? Wenn wir es ernst meinen
mit der Abschaffung des kapitalistischen Wirtschaftssystems, müssen wir die
Soziale Frage zu unserer zentralen Frage machen und den Klassenkampf von unten organisieren.
Wenn Klassenkämpfe sich weiter zuspitzen, müssen Menschen, die auf der Suche
nach Veränderung sind, uns finden und uns vertrauen können. Dies ist nur durch
eine gesellschaftlich wahrnehmbare kontinuierliche Praxis, die unmittelbar an
den Klasseninteressen der Mehrheit ansetzt, zu erreichen. Wenn die Verknüpfung
verschiedener Praxisbereiche (zum Beispiel an den Kämpfen, die sich um die
Frage nach Einkommen und Wohnen entwickeln) fehlt, birgt dies die Gefahr des
nebeneinander her Arbeitens und der Verzettelung. Statt Gegenmacht und
Selbstorganisation der Klasse entsteht im schlechtesten Fall eine Konkurrenz
der Kämpfe um die Zeitressourcen der wenigen Aktiven und um (mediale) Aufmerksamkeit. </p><p>Als
revolutionäre Linke dürfen wir unsere politischen Ziele nicht verheimlichen. Die
potentiell systemsprengenden Kernforderungen im Aufruf zur Demonstration am 14.
Juli in Nürnberg sind deshalb auch „Globale Bewegungsfreiheit für alle“ und
„Produktion und Wohnraum vergesellschaften“. Dabei handelt es sich natürlich um
Ziele, die nicht von heute auf morgen und wohl kaum mit der jetzigen Stärke
linker Bewegungen erreicht werden können. Die Demonstration soll aber dennoch dazu
beitragen, die Grundlagen für weitergehende Aktionen und Kämpfe zu schaffen.
Gerade um hier nicht an den realen Bedingungen vorbei zu arbeiten, braucht es
den Schritt, sich zusammenzufinden und dann gemeinsam auf die Straße zu gehen.
Was danach kommt, hängt vom Erfolg der Initiative ab und wie sich
RevolutionärInnen auch tatsächlich in die vielfältigen alltäglichen Kämpfe
einbringen. Seit einigen Jahren existiert eine Arbeitsgruppe des Nürnberger
Sozialforums, in der verschiedene linke AkteurInnen zur Wohnungspolitik
arbeiten. Hier könnten sich durchaus noch weitere Initiativen beteiligen. Für
Kämpfe im Einkommensbereich gibt es derzeit noch wenig Vernetzung, wobei
Lohnarbeit und Arbeitskämpfe zentrale Bestandteile gesellschaftlicher
Verteilungskämpfe sind. Es ist höchste Zeit, in Nürnberg wieder eine linke
sozialkämpferische Perspektive auf die Straße zu tragen und gesellschaftlich in
die Offensive zu kommen. Dabei muss es sich um eine Perspektive handeln, die die
herrschenden Zustände an ihrer Basis angreift, Vergesellschaftung statt
privater Profite propagiert und die gesellschaftliche Verhältnisse und die
daraus resultierenden Spaltungen als Ergebnis von Kämpfen beschreibt, die durch
diese überwunden werden können.
</p>
<p>Gerade
in Zeiten von Überproduktion, Handelskriegen, wachsender Kriegshetze und
Nationalismus ist es alternativlos, die soziale Frage auf die Straße zu tragen.
In einem weltweiten Maßstab droht, bei Beibehaltung des Marktprinzips, ein
Rückfall in die Barbarei des Nationalismus und Rassismus von beispiellosem
Ausmaß. Während in den letzten Jahrzehnten vor allem in den ehemaligen Kolonien
und den erst spät industrialisierten Regionen Krieg und Elend deutlich sichtbar
waren, kommt die Krise nun wieder in den kapitalistischen Zentren an. Für reine
Abwehrkämpfe ist es nun zu spät, es wird Zeit, dass wir unsere Forderungen nach
einer Abkehr vom Kapitalismus in den Mittelpunkt stellen und klassenkämpferisch
zu agieren.</p><hr/>Daniel Meier ist in
der <i>organisierten autonomie (OA)</i> aus Nürnberg engagiert. Dort
findet am kommenden Samstag, den 14. Juli 2018, die <a href="http://www.redside.tk/cms/2018/07/06/auf-die-strasse-gegen-sozialraub-und-mietenwahnsinn-mieten-runter-einkommen-rauf-kapitalismus-abschaffen-3/">antikapitalistische
Demonstration</a> „Auf die Straße gegen Sozialraub und Mietenwahnsinn! Mieten
runter – Einkommen rauf! Kapitalismus abschaffen!“ statt. Um 13:30 Uhr wird
sich vor dem historischen Rathaus an der Sebalduskirche getroffen.</div>
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"Eine radikale Linke muss im Sozialen verankert sein"2018-05-25T16:15:21.206577+00:002018-06-04T09:49:08.773361+00:00Maja Tschumi und Maurizioredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/eine-radikale-linke-muss-im-sozialen-verankert-sein/
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<h1>"Eine radikale Linke muss im Sozialen verankert sein"</h1>
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<img alt="Potere al Popolo" height="420" src="/media/images/potere_popolo.2e16d0ba.fill-840x420-c100.jpg" width="840">
<span class="content-copyright">Potere al Popolo</span>
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<section class="content content-section content-type-paragraph">
<div class="rich-text"><p><i>Die italienischen
Regierungswahlen in diesem Jahr haben den erwarteten starken
Rechtsrutsch in Italien bestätigt. Während den alten politischen
Parteien wie dem </i>Partito Democratico<i> (PD, zu diesem gehört
etwa der frühere Premier Matteo Renzi) und der </i>Forza Italia<i>
(der Silvio Berlusconi angehört) eine Absage erteilt wurde, erlebten
Proteststimmen wie die rassistische </i>Lega (ehemals Lega Nord<i> (LN)) im Norden
und die Populist*innen des </i>Movimento 5 Stelle<i> (M5S) einen massiven
Aufschwung. Mittlerweile ist klar, dass die M5S und die Lega die neue
Regierung bilden werden. Doch die bisher abgeschlossenen Verträge
zeigen kaum einen Bruch mit dem herkömmlichen Kurs des PD, sondern
lediglich eine Akzentuierung neoliberaler und repressiver Maßnahmen. Sie sind
weitaus nicht so antieuropäisch wie erwartet. Für die
Prekarisierten und auch die Arbeiter*innen so wichtige Wahlversprechen
wie die Rückgängigmachung des Jobs Act oder der Rentenreform werden
im Vertrag nicht erwähnt, ebenso wenig die Einführung des
Grundeinkommens (ein schillerndes Wahlversprechen der M5S). Nach
mehrmonatigen Verhandlungen stimmte nun Staatspräsident Sergio
Mattarella einem Vorschlag von M5S und Lega zu: Ministerpräsident
wird aller Voraussicht nach der Jurist Giuseppe Conte, ein der M5S
nahestehender Technokrat. Damit wird die dritte Republik eingeläutet.
Linke Ideen fanden bei diesen Wahlen wenig Ausdruck, auch ehemalige
linke Parteien stehen vor einem Scherbenhaufen. Doch die aktuelle
politische Lage bringt auch neue linke Kräfte auf den Plan. Wir
führen unsere lose Reihe zu Italien fort und spüren diesen neuen
Gegenbewegungen nach. </i>
</p><p>
</p><p>
</p><p><i>Dazu zählt neue
kommunistische Bewegung </i><i>«Potere al
Popolo», die inzwischen italienweit aktiv ist. Der Impuls dazu
entstand bereits im Jahr 2014 in einem sozialen Zentrum in Neapel</i><i>
als eine Art Netzwerk von lokalen Basisinitiativen. Diese haben sich</i><i>
innerhalb des letzten Jahres national und international vernetzt und
der Zusammenschluss trat bei den Wahlen in Italien im März 2018 als
politische Bewegung an. Unsere Autorin Maja Tschumi hat mit dem
Aktivisten Maurizio aus Neapel über die Entwicklung der
kommunistischen Bewegung, über ihre Grundsätze, über Erfolge und
Herausforderungen und nicht zuletzt über die notwendigen Kämpfe
gesprochen, welche die junge Bewegung auch in Bezug auf die
erstarkenden neofaschistischen Kräfte in Italien vor sich hat</i><i>.</i></p><p>
</p><p>
</p><p>
</p><p><b>Maja
Tschumi [re:volt]: </b><i>Euch gibt es nun
seit knapp vier Jahren, bekannt wurde euer Name aber vor allem im
letzten halben Jahr.</i><b> </b><i>Welche
Vorgeschichte hat die kommunistische Bewegung «Potere al Popolo»?</i></p><p>
</p><p>
</p><p>
<b>Maurizio:</b> Dazu müssen wir einige Schritte zurückgehen. Seit den 2000er Jahren befinden wir uns in Italien in bewegten, aber schwierigen
Zeiten. Die Krise der institutionellen Repräsentanz der
Linken gipfelte in den Ausschluss der letzten Kommunist*innen aus dem
Parlament im Jahr 2008. Die soziale Bewegung war trotz größeren
Mobilisierungen unfähig, Angriffe auf die Arbeiter*innenklasse
abzuwehren. In diesen Jahren wurden die nationalen Tarifverträge
ausgehöhlt, der Kündigungsschutz aufgehoben, die Löhne eingefroren
und Formen prekärer Verträge, vor allem für junge Arbeiter*innen,
vervielfältigt. Nach und nach verlor die soziale Bewegung also an
Mobilisierungskraft, Demonstrationen verwandelten sich zu
ritualähnlichen Anlässen, an denen wir uns immer im engeren Kreis
wiederfanden. Dann, 2014, wurde rund um das Kollektiv «Clash City
Workers», das mit ihrem Buch «Dove sono i nostri» [1]
grundsätzliche Fragen innerhalb der sozialen Bewegung in Italien
hineintrug, ein erstes italienweites Netzwerk gegründet. Die soziale
Bewegung hatte sich vom politischen Subjekt verabschiedet, welches
der Motor der sozialen Veränderung sein kann. Für den größten
Teil der Bewegung wählte die Arbeiter*innenklasse rechts, in einigen
politischen Ansätzen gab es sozialen Klassen und daher den
Klassenkampf schon gar nicht mehr. Wir haben die Klassenfrage wieder
auf die Tagesordnung gebracht und starteten italienweite Treffen. In
der Folge lancierten wir einen Prozess, welcher ausgehend von der
Analyse der Zentralität des Klassenkonflikts zwischen Kapital und
Arbeiter*innen die politische Arbeit neu zu interpretieren versuchte:
Es ging nicht nur mehr darum, vor den Fabriktoren oder während
Demonstrationen mit einem Flugblatt zu erklären, was Ausbeutung ist
und wie wir darauf antworten müssen, sondern zu fragen, was die
aktuellen Bedürfnisse der sehr heterogenen Arbeiter*innenklasse sind,
zusammen mit Arbeiter*innen diese Fragen und Probleme zu diskutieren
und entsprechende Mobilisierungsmöglichkeiten zu finden. Denn auf
dem ganzen italienischen Territorium wird gekämpft, diese Kämpfe
bleiben aber territorial isoliert. Denken wir an die Kämpfe der
Logistikarbeiter*innen im Norden Italiens oder an die 25-jährige
Bewegung gegen die Hochgeschwindigkeitsstrecke Turin-Lyon, NoTAV.</p><p>
</p><p>
</p><p><b>Maja
Tschumi [re:volt]:</b><i> </i><i>Das
heißt ihr habt versucht, die unterschiedlichen Kämpfe in Italien
wieder gemeinsam zu denken und zusammenzuführen. Wie war denn die
Lage in Neapel zu dieser Zeit?</i></p><p>
</p><p>
</p><p><b>Maurizio:</b> Für
uns in Neapel war das Jahr 2015 ein wichtiges Jahr. Im März haben
wir, das sind die «Clash City Workers», zusammen mit dem
Studierendenkollektiv CAU und dem Schüler*innenkollektiv SAC, ein
ehemaliges psychiatrisches Gefängnis besetzt, welches seit
2007 leer stand: Das «Ex OPG». So
konnten wir einen qualitativen Sprung nach vorne machen. Wir hatten
nun einen Ort und eine Struktur zur Verfügung, auf deren Basis die
Aktivitäten in den Quartieren und mit den Arbeiter*innen zusammen
entwickelt werden konnten. Innerhalb von drei Jahren haben wir
zahlreiche soziale Aktivitäten und Aktivitäten der gegenseitigen
Hilfe (Mutualismus) vorangetrieben, welche jede Woche hunderte
Menschen zusammenbringen: vom medizinischen Ambulatorium zur
Anlaufstelle für Migrant*innen, von der proletarischen
Arbeiter*innenkammer zu kulturellen und Sportaktivitäten und vieles
mehr. [2].</p><p>
</p><p>
</p><p><b>Maja
Tschumi [re:volt]:</b><i> </i><i>Im
November 2017 wurde «Potere al Popolo» dann als eine größere
politische Bewegung ins Leben gerufen, welche sich auf das Terrain
der Wahlen wagte. Was war die Ausgangslage für die Ausweitung zu
einer nationalen Bewegung?</i></p><p>
</p><p>
</p><p><b>Maurizio:</b> Potere
al Popolo, verstanden als Zusammenschluss linker Organisationen und
Basisinitiativen, wurde auf der Basis der obengenannten Entwicklungen
geboren. Wir stehen vor massiven sozialen Problemen und Konflikten,
die organisiert bekämpft werden müssen. Die Arbeitsmarktreform Jobs
Act und die Bildungsreform «buona scuola» haben eine uferlose
Flexibilität eingeführt, vor allem für junge Arbeiter*innen, die
nun schon während der Schulzeit unentgeltet Praktikas in Betrieben
akzeptieren müssen; Schwarzarbeit ist mittlerweile zu einem
Strukturmerkmal des Arbeitsmarktes geworden; jährlich <a href="http://banchedati.chiesacattolica.it/pls/cci_new_v3/V3_S2EW_CONSULTAZIONE.mostra_pagina?id_pagina=84393">migrieren
124.000 Italiener*innen ins Ausland</a>
(England, Deutschland, Schweiz die ersten Zielländer) [3], 40
Prozent davon sind 24- bis 34-jährige, 50 Prozent aus dem
«Mezzogiorno» (dem Süden Italiens). Täglich sterben drei
Arbeiter*innen am Arbeitsplatz und 1700 Arbeitsunfälle werden
gemeldet. Die Mitte-Links-Koalition (Partito Democratico, PD) sprang
schon vor Längerem auf den repressiven und fremdenfeindlichen Zug
einer rechtskonservativen Politik auf, links davon scheiterten alle
Versuche der Neuzusammensetzung einer alternativen politischen Kraft.
Daraufhin haben wir uns entschlossen, den Spieß umzudrehen: Wenn wir
– damit gemeint sind junge Männer, Frauen*, Prekäre – von
niemandem repräsentiert werden, warum repräsentieren wir uns nicht
einfach selbst und stoßen von den zahlreichen Basisinitiativen
ausgehend einen eigenen Organisierungsprozess an? Das war am 14.
November 2017. Nach einem entsprechenden Aufruf in den Sozialen
Medien versammelten sich nur vier Tage später, am 18. November 2017,
im «Teatro Italia» in Rom 800 Basisaktivist*innen aus ganz Italien,
um eine gemeinsame Perspektive und unsere Rolle bei den anstehenden
nationalen Wahlen zu diskutieren. Das war ein großer Erfolg und ein
deutliches Zeichen, dass wir mit unserer Einschätzung einen Nerv
getroffen haben.
</p><p>
</p><p>
</p><p><b>Maja
Tschumi [re:volt]:</b> <i>Warum
der Name «Potere al Popolo»? Welche Rolle spielt darin die Idee
eines linken Populismus und welche Konnotationen hat der Begriff
«Popolo» in Italien?</i></p><p>
</p><p>
</p><p><b>Maurizio:</b> «Popolo»
ist sowohl ein soziologischer, als auch ein politischer Begriff.
Soziologisch entspringt er der aktuellen Analyse: Die nun seit über
zehn Jahren andauernde Krise und die politischen Antworten der
Bourgeoisie haben nicht nur die klassischen «proletarischen»
Arbeiter*innen empfindlich getroffen und in die Armut getrieben,
sondern auch Teile der Mittelschicht prekarisiert. Wir müssen also
die Neuzusammensetzung der Klasse auf der Basis dieser politischen
und ökonomischen Dynamiken fassen: Deindustrialisierungsprozesse,
prekäre Schwarzarbeit in den boomenden Sektoren (Tourismus,
Gastronomie, Hotelbranche, Call Center), Biographien zwischen
Arbeitslosigkeit, Stellensuche und prekären Jobs, ein massiver Abbau
sozialer Dienste, in erster Linie im Gesundheits- und Bildungssektor.
Politisch können wir uns nicht darauf beschränken, zum «klassischen
Proletariat» zu sprechen. «Popolo» integriert in dieser
Perspektive all diejenigen sozialen Subjekte, die als Arbeitslose,
Kleinhändler*innen, erwerbslose Hausarbeiterinnen etc. «proletarische
Existenzen» leben.
</p><p>
</p><p>Zudem
ist der Name Potere al Popolo historisch auf eine bestimmte
politische Tradition zurückzuführen. Wir denken da konkret an die
Erfahrungen der «Black Panther Party», welche die politische
Organisierung der schwarzen Bevölkerung in den USA und die soziale
Gleichheit zwischen Schwarzen und Weißen zum Ziel hatte. Bekannt
wurden sie durch die Bilder von bewaffneten Männern in schwarzer
Lederjacke und Barett. Weniger bekannt sind ihre Basisaktivitäten –
die kostenlosen Frühstücke, welche sie den Armen verteilten, die
medizinischen Ambulatorien, die sie für die Communities aufbauten
oder auch die Alphabetisierungsprogramme für <i>Schwarze</i>. Sie gingen
also von konkreten sozialen Bedürfnissen von gesellschaftlich
Marginalisierten aus, um ihre sozialen Aktivitäten aufzubauen und
politische Organisierung vorzubringen. Wir befinden uns heute
natürlich in einer historisch total anderen Situation, doch wir
stellen fest, dass der freie Markt und der Staat immer mehr Menschen
vom sozialen Reichtum ausschliesst. Von diesen historischen
Erfahrungen gibt es also jede Menge zu lernen. Potere al Popolo
stellt sich in diese theoretische und politische Perspektive.</p><p>
</p><p>
</p><p><b>Maja
Tschumi [re:volt]:</b> <i>Welche
Analyse habt ihr von der Linken Italiens – wo steht sie und warum
braucht es eine Bewegung wie «Potere al Popolo»?</i></p><p>
</p><p>
</p><p><b>Maurizio:</b> Nicht
nur die italienische Linke, sondern die Linke <i>insgesamt</i>
hat in den letzten drei Jahrzehnten den Bezug zu den Ausgebeuteten
und Unterdrückten fast komplett verloren oder aufgegeben. Dies ist
unter anderem darauf zurückzuführen, dass linke Parteien
bürokratische Apparate geworden sind und sich viele politische
Aktivist*innen jenseits der konkreten Probleme der Arbeitenden
verstehen. Wir verstehen uns als einen Teil dieser sozialen Gruppe.
Wir arbeiten prekär und haben – mit oder ohne
Universitätsabschluss – kaum Zukunftsperspektiven. Im Süden
Italiens beträgt die Arbeitslosenquote unter 20-30jährigen im
Schnitt 36 Prozent, in gewissen Regionen sogar über 50 Prozent. Für
uns kann sich eine radikale Linke nur dann neu konstituieren, wenn
sie im Sozialen verankert ist. Das Prinzip, das wir hier verfolgen,
ist der Mutualismus. Dabei geht es uns um folgendes: Zu erforschen,
was die alltäglichen Probleme und Bedürfnisse der arbeitenden
Klasse sind, Formen der Organisierung zu finden, um diese Probleme
angehen zu können und über angemessene Mobilisierungsstrategien
kollektive Kämpfe zu starten – immer mit dem Ziel, unsere
existenziellen Bedürfnisse zu garantieren und zurück zu erkämpfen,
wo sie bedroht sind. Das geht von selbstverwalteten Kinderkrippen
über kulturelle und Sportangebote (Theater, Tanzkurse, Boxgym) bis
hin zu selbstorganisierten medizinischen Ambulatorien und «Camere
Popolari del Lavoro» (proletarische Arbeiter*innenkammern). Diese
Aktivitäten und Strukturen stellen eine Art «Trainingsorte» des
politischen Kampfes dar: Über die Mobilisierungen und Kämpfe wird
Partizipation, Organisierung und Selbstverwaltung geübt, evaluiert
und wenn möglich auf eine neue Ebene gehoben. Im Grunde genommen
machen wir aber nichts Neues, sondern knüpfen an die Tradition der
ersten sozialistischen, kommunistischen und anarchistischen
Erfahrungen an, die ab Mitte des 19. Jahrhunderts über
mutualistische Aktivitäten und in den von den Arbeiter*innen gebauten
«Case del Popolo» (Volkshäuser) breite Bewegungen zu organisieren
vermochten.</p><p>
</p><p>
</p><p><b>Maja
Tschumi [re:volt]:</b> <i>In
eurem Programm steht die «Verteidigung der Verfassung» an erster
Stelle. Ihr sprecht an verschiedenen Stellen immer wieder von
Demokratie – ist euer erklärtes Ziel nicht Sozialismus beziehungsweise
Kommunismus und eine revolutionäre Umwälzung der bestehenden Gesellschaft?</i></p><p>
</p><p>
</p><p>
<b>Maurizio:</b> Unser Programm ist das Resultat
von Auseinandersetzungen zwischen den unterschiedlichen politischen
Kräften, die sich in Potere al Popolo versammeln. Um den Bezug auf
die Verfassung zu verstehen, müssen drei Dinge erklärt werden:
Erstens geht die italienische Verfassung aus dem Partisanenkampf
gegen den Faschismus hervor, sie beinhaltete also historisch wichtige
Elemente für die Befreiung der Arbeiter*innenklasse. Zweitens ist der
Punkt zur Verteidigung der Verfassung in unserem Programm in einen
konkreten historischen Kontext zu setzen: Im Dezember 2016 wurde in
Italien ein Referendum gegen die Verfassungsreform gewonnen.
Ministerpräsident Matteo Renzi (PD) wollte das wenige Progressive,
was die Verfassung heute noch beinhaltet, auch noch verabschieden und
ein Präsidialsystem einführen, welches seine Macht noch mehr
zentralisieren sollte. Das Referendum wurde auch dank wichtigen
Mobilisierungen von unten gewonnen. Drittens könnte es zwar den
Anschein erheben, dass unsere Forderungen rund um die Verfassung uns
ausschliesslich in einem bürgerlich-demokratischen Rahmen situieren,
doch wir denken, dass im gegebenen historischen Kontext solche
Auseinandersetzungen und Mobilisierungen für ein größeres Stück
vom Kuchen als Sprungbrett dienen können, um sich die ganze Bäckerei
zu nehmen. Klar, wir stehen hier vor objektiven Grenzen des Kapitals,
in dieser Krisenzeit überhaupt was abgeben zu können. Doch (leider)
ist eine kommunistische Perspektive heute nicht erreichbar. Darum
sind intermediäre Auseinandersetzungen, Mobilisierungen und Kämpfe
notwendig. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Kämpfe für die
Erlangung von Arbeitsverträgen von illegalisierten Arbeiter*innen,
die Anerkennung des medizinischen Ambulatoriums von Seiten der
öffentlichen Gesundheitseinrichtungen etc. Kämpfe darstellen, dank
denen wir uns als Kommunist*innen wieder einen sozialen und
politischen Raum erarbeiten und Hoffnung und Begeisterung auslösen
können für größere Ziele. Ohne diese «Zwischenschritte» ist es
schwierig, eine kommunistische Perspektive zu denken. Denn wir stehen
auch vor kulturellen Schwierigkeiten: Wir werden tagtäglich medial
mit Nachrichten bombardiert, die die Klasse spalten und im
materiellen Leben die Ausgebeuteten und Unterdrückten in eine noch
nie dagewesene kapitalistische Konkurrenz beziehungsweise einen «Krieg unter
den Armen» stürzen. Wir müssen also auch einen Weg finden, mit
unseren Worten die Ausgebeuteten und Unterdrückten zu erreichen.
Dazu gehört, aktuelle politische Diskurse aufzugreifen und eine
eigenständige Analyse und Antwort darauf zu geben. Nur so können
Mobilisierungen funktionieren und Kämpfe angestossen werden.
</p><p>
</p><p>
</p><p><b>Maja
Tschumi [re:volt]:</b> <i>Ihr
versucht die Basisarbeit und den Straßenkampf mit der Teilnahme an
den Wahlen, das heißt einem Weg über die Institutionen, zu verbinden.
Welches sind die Hürden, die sich dabei stellen und wie habt ihr
vor, sie zu überwinden?</i></p><p>
</p><p>
</p><p><b>Maurizio:</b> Die
Entscheidung, als neue politische Kraft an den nationalen Wahlen im
März 2018 teilzunehmen, erlaubte uns, den im 2014 angestoßenen
Prozess der Vernetzung zu intensivieren und in ganz Italien
Basisversammlungen zu organisieren, an denen hunderte von
Aktivist*innen teilnahmen: Alte Genoss*innen, die aber seit Jahren
nicht mehr organisiert waren; junge Menschen, die sich zuvor noch nie
in einem Kollektiv organisiert hatten; Basisaktivist*innen, die sich
in den letzten zehn Jahren auf ihre sozialen Aktivitäten
fokussierten und nun mit Potere al Popolo eine politische Perspektive
wiederentdeckten. Von Anfang an pochten wir darauf, nicht einfach
eine neue Partei oder eine Wahlkoalition zu sein, die
Parlamentsmitglieder stellt, sondern diesen medialen Moment zu
nutzen, um die Aufmerksamkeit auf die vielen sozialen Aktivitäten zu
richten, die im ganzen Land von Genoss*innen vorangetrieben werden.
Wir kritisieren dieses Modell der politischen Repräsentation
durchaus und halten trotz Teilnahme an den nationalen Wahlen an
dieser Kritik fest. Denn ohne Mobilisierungen und Anstöße von unten
ist es unmöglich, auch auf der Ebene der institutionellen
Repräsentanz Einfluss nehmen zu können. Die nationalen Wahlen
stellten für uns in erster Linie auch eine Möglichkeit dar, auf
einer nationalen Ebene sichtbar und hörbar zu werden und an Kraft zu
gewinnen. Von Anfang an war also klar, dass es nicht lediglich um die
Wahl von Potere al Popolo gehen kann und auf institutioneller Ebene
für die Verbesserungen der Lebens- und Arbeitsbedingungen zu
kämpfen. Viel zentraler war für uns der Versuch, das Vertrauen an
direkte und kollektive Aktionen zu stärken und dafür den Kontext
der nationalen Parlamentswahlen zu nutzen. Uns ist natürlich bewusst, dass dies Gefahren mit sich bringt und lediglich eine schöne
Absichtserklärung bleibt, wenn nicht weiterhin Basisarbeit in Form
von lokalen Organisierungen und Mobilisierungen geleistet wird. Für
uns sind die sozialen und mutualistischen Aktivitäten der einzige
Weg, um eine starke Bewegung aufzubauen.
</p><p>
</p><p>
</p><p><b>Maja
Tschumi [re:volt]:</b> <i>Wer
wurde zur Kandidatur aufgestellt?</i></p><p>
</p><p>
</p><p><b>Maurizio:</b> Die
Kandidatinnen* und Kandidaten von Potere al Popolo waren territoriale
Aktivist*innen von allen politischen Strukturen. Es waren also nicht
große und bekannte Namen, sondern die entlassene Call-Center
Arbeiterin, die in den letzten 18 Monaten einen Arbeitskampf gegen
die Entlassung von 1666 Mitarbeitenden angeführt hat, Aktivist*innen
der NoTAV-Bewegung gegen die Hochgeschwindigkeitsstrecke Turin-Lyon,
Aktivist*innen der «Brigate di solidarietà attiva», welche sich vor
etwa acht Jahren gebildet haben, um während den Naturkatastrophen
wie Überschwemmungen oder Erdbeben direkte Hilfe zu leisten und so
weiter. Die Kandidat*innen waren also immer Ausdruck lokaler Kämpfe,
Mobilisierungen und Basisinitiativen. Damit wollten wir auch zeigen:
Politik ist nicht nur institutionelle Repräsentanz in Hemd und
Anzug, sondern auch Widerstand, sich die Hände schmutzig machen,
Hoffnung auf tatsächliche Veränderung, Enthusiasmus von unten.</p><p>
</p><p>
</p><p><b>Maja
Tschumi [re:volt]:</b> <i>Ihr
seid ganz klar eine klassenkämpferische «Bewegung». Wie würdet
ihr die Klasse der Arbeiter*innen heute in Italien fassen?</i></p><p>
</p><p>
</p><p><b>Maurizio:</b> Die
massive Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, die Rentenreform, welche
das Rentenalter erhöhte, die Schulreformen, welche immer mehr
junge Menschen in einen hochprekarisierten Arbeitsmarkt drängen, der
Ab- und Umbau des öffentlichen Gesundheitssystems (in zehn Jahren
sind alleine in der Stadt Napoli zehn Notfallstationen geschlossen
worden), ein Migrationssystem, welches vor allem im Süden des Landes
die informelle Arbeit aufbläst und vieles mehr haben sowohl die
soziale Zusammensetzung der Arbeiter*innenklasse, wie auch die
Widerstands- und Organisierungsformen verändert. Es ist kein Zufall,
dass beispielsweise die wichtigsten Mobilisierungen der letzten Jahre
in Sektoren organisiert wurden, in denen die migrantischen
Arbeiter*innen dominieren, nämlich in der Logistikbranche im Norden
und bei den landwirtschaftlichen Hilfsarbeiter*innen im Süden. Zudem
hat sich die Integration der jungen Arbeiter*innen in den Arbeitsmarkt
in den letzten Jahren verändert, Schwarzarbeit und Vertragslosigkeit
– obwohl schon seit jeher Strukturmerkmal des (süd-)italienischen
Arbeitsmarktes – haben sich weiter verbreitet und sind zur
Normalität geworden. Schliesslich werden ältere Arbeiter*innen, die
in den 1980er Jahren noch in den Genuss der erkämpften
Errungenschaften der 1970er Jahren kamen (automatische Lohnanpassung,
Kündigungsschutz, gute Renten) zunehmend prekarisiert. Das sind nur
einige Beispiele, welche die Dynamiken der Klassenzusammensetzung
abbilden. Die andere Seite der Medaille sind die neuen
Organisationsformen, die von der Klasse ausgehen. Dabei denken wir an
die vor wenigen Wochen gegründete <a href="https://www.facebook.com/ridersunionbologna/">Gewerkschaft
der <i>Riders</i></a>,
an die seit Jahren nun immer grössere Bedeutung der Basis- und an
den politischen Niedergang der konföderalen Gewerkschaften und so
weiter.</p><p><b>Maja
Tschumi [re:volt]:</b> <i>Welche
Strategien verfolgt «Potere al Popolo» auf regionaler, nationaler
und internationaler Ebene? </i>
</p><p>
</p><p>
</p><p><b>Maurizio:</b>
Kernpunkt unserer politischen Struktur sind die
territorialen Versammlungen, von denen in den letzten sechs Monaten
über 150 in ganz Italien entstanden sind. Die territorialen
Versammlungen sind offen, jede* und jeder kann seine Themen
einbringen. An den Versammlungen werden politische Analysen generiert
sowie Aktionen und Kampagnen organisiert. <a href="https://poterealpopolo.org/continuare-migliorare-crescere-sulle-prossime-tappe-di-potere-al-popolo/">Ende
Mai wird eine nationale Versammlung organisiert</a>,
bei der es um die Frage geht, wie wir uns in naher Zukunft national –
und international – organisieren und vernetzen wollen. Wir bestehen
darauf, dass überall «Case del Popolo» (Volkshäuser) nach dem
Vorbild der Besetzung Ex-OPG in Napoli entstehen sollen, in denen man
sich treffen kann, soziale Aktivitäten und Aktivitäten der
gegenseitigen Hilfe vorangetrieben, politische Kämpfe organisiert,
Solidarität in Unterdrückungs- und Ausbeutungserfahrungen erfahren
oder auch einfach eine soziale und politische Gemeinschaftlichkeit
gelebt werden kann. Wir wollen einen Ort schaffen, der sich auf
diskursiver und praktischer Ebene gegen einen individualisierten
Alltag zur Wehr setzt und antirassistische, antisexistische und
solidarische Beziehungen innerhalb der Klasse fördert und bewahrt.
Während der Wahlkampagne haben wir viele Kontakte im Ausland knüpfen
können. Es waren vorwiegend Auslanditaliener*innen, teils von der
alten Migration, proletarische Arbeiter*innen, die in den 1960er,
1970er migriert sind und in den Strukturen der damaligen
Kommunistischen Partei und der Gewerkschaften eine «politische
Heimat» hatten, teils von der neuen Migration, also Junge, die nach
Abschluss ihres Studiums ausgewandert sind und heute entweder an
Universitäten Forschung betreiben, oder eben auch in den
italienischen Restaurants in der Küche oder als KellnerInnen
arbeiten. Die soziale Zusammensetzung der Potere al Popolo-Kollektive
im Ausland ist also sehr heterogen, was wiederum den Reichtum dieser
Kollektive darstellt. Mittlerweile gibt es Potere al Popolo-Kollektive fast in jeder größeren europäischen Stadt. Ja, sogar in
Mexiko-City wurde ein Kollektiv gegründet. Diese Strukturen sind
natürlich fundamental für unsere internationalistische Perspektive.
Darüber hinaus sind wir international mit vielen Kollektiven,
Organisationen und Parteien einen Austausch getreten: Vom
Arbeiter*innenkollektiv «Berlin Migrant Strikers» über die antifa
Gruppe «antifascisti Bruxelles», die Rosa-Luxemburg-Stiftung bis
hin zu Parteien wie der Kommunistischen Partei Belgiens (PTB), La
France Insoumise (LFI), der katalanischen CUP oder der
brasilianischen Landlosenbewegung MST (movimento sem terra).
</p><p>
</p><p>
</p><p><b>Maja
Tschumi [re:volt]:</b> <i>Die
Wahlen selbst sind dann eher katastrophal zu Gunsten der Populist*innen des
MS5 und des rechts-konservativen und neofaschistischen Lagers
ausgefallen (eine </i><a href="https://revoltmag.org/articles/systemblockade-italien/"><i>Analyse
dazu</i></a><i> schrieb Raffaele
Traini für re:volt). In Napoli erreichte der MS5 sogar über 50
Prozent der Stimmen. Potere al Popolo erreichte 1,13 Prozent. Warum
konnten die Wähler*innen nicht mit linken Argumenten abgeholt werden? </i>
</p><p>
</p><p>
</p><p><b>Maurizio:</b> Es
wäre naiv gewesen zu denken, wir könnten mit einer kaum vier Monate
jungen politischen Bewegung ein besseres Resultat erreichen als wir
jetzt erreicht haben. Zudem haben wir eine starke mediale Marginalisierung
und Verdrehung erlebt. So wurden während der Wahlkampagne in
diversen Städten Treffen von neofaschistischen Gruppen wie CasaPound
oder Forza Nuova organisiert, wogegen auf Antira- und Antifa-Demonstrationen mobilisiert wurde. Die Zeitungen sprachen aber zum
Beispiel kaum von der großen Demonstration in Macerata Anfang
Februar, nachdem ein durchgeknallter <a href="https://revoltmag.org/articles/nicht-die-zeit-zu-schweigen-es-ist-die-zeit-des-widerstands/">Neofascho
auf sechs <i>Schwarze</i> Menschen</a>
schoss, an der über 20.000 Menschen teilnahmen und für die wir
tausende Aktivist*innen von Potere al Popolo aus ganz Italien
zusammenbringen konnten. Wenn über uns gesprochen wurde, dann nur in
einem Atemzug mit den «Extremen» von Rechts – der bekannte
Diskurs der «opposti estremismi». Für uns ist entscheidend, dass
wir in dieser kurzen Zeit eine mediale Präsenz über Italien hinaus
erreicht haben. In Italien haben uns fast 400.000 Personen gewählt,
in den Städten und Stadtteilen, in denen wir sozial und politisch
aktiv sind, haben wir bis zu 8 Prozent Stimmanteil geholt. Diese
Stimmen zeigen uns, dass wir weitermachen müssen und unsere
Forderungen auf offene Ohren stossen. Selbstkritik ist aber insofern
angebracht, als auch wir es nicht geschafft haben, bei den
Wähler*innen eine breite Sensibilität für linke Themen zu wecken.
Erstens haben wir die Populist*innen des M5S falsch eingeschätzt: Wir
dachten, sie hätten ihren Zenith erreicht und die linken Wähler*innen,
die bisher M5S wählten, kämen nun dank einem linken, alternativen
Angebot in unsere Reihen. Das war nicht der Fall. Im Gegenteil: Die
M5S konnte ihren Wahlanteil vor allem im Süden massiv ausbauen, ohne
jedoch eine soziale Präsenz in den Territorien zu haben. Zweitens
haben wir es nicht vermocht, mit unseren Argumenten über den
traditionellen linken Wähler*innenanteil hinaus zu überzeugen und zu
mobilisieren. Wir müssen verstehen, warum das so ist und daran
arbeiten.</p><p>
</p><p>
</p><p><b>Maja
Tschumi [re:volt]:</b><i> </i><i>Italien
nach den Wahlen. Was sind die Herausforderungen und wie geht es mit
Potere al Popolo weiter?</i></p><p>
</p><p>
</p><p><b>Maurizio:</b> Es gibt
drei große mittel- und langfristige Herausforderungen. Erstens muss
es uns gelingen, die vielen territorialen, sozialen und
mutualistischen Aktivitäten zu intensivieren, zu verallgemeinern und
zu organisieren. Nur so können wir die gesellschaftlichen und
politischen Konflikte auf die Spitze treiben und ausgehend von
lokalen Mobilisierungen eine nationale oder gar europaweite Bewegung
etablieren. Zweitens müssen wir die politische Schulung unserer
Aktivist*innen vorantreiben, um unsere Analyse- und
Interventionsinstrumente zu schärfen und für die
raschen politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen «bewaffnet»
zu sein. Diesbezüglich sind wir mit anderen internationalen
Bewegungen im Kontakt, um von ihren Erfahrungen zu lernen, zum Beispiel mit
der Landlosenbewegung Brasiliens MST. Sie hat mit der Eröffnung
ihrer Schule «Florestan Fernandez» im
Jahre 2005 zu einer Verbindung von alltäglichem und politischem
Wissen beigetragen und so viele Aktivist*innen ausbilden können, die
langfristig im Kampf des MST engagiert sind. Trotz unterschiedlicher
historischer und sozioökonomischer Kontexte können wir davon viel
lernen. Drittens müssen wir uns eine organisatorische Struktur
geben, die über die einfache Summe vieler Kollektive und
Organisationen hinausgeht. Ein medizinisches Ambulatorium in Neapel
ist eine unmittelbare Antwort auf die Krise des Gesundheitssystems
der Stadt und eine proletarische Arbeiter*innenkammer kann
Arbeitsverträge für eine Gruppe von illegalisierten Arbeiter*innen
erkämpfen. Denn ohne die Strukturierung über ein Netzwerk hinaus
bleiben wir machtlos gegenüber den massiven Angriffen des Kapitals,
welche wir heute erleben. In diesen Herausforderungen und Prozessen
befinden wir uns im Moment.</p><p>
</p><hr/><p>
</p><p><b>Fußnoten:</b></p><p>
</p><p>
</p><p>[1] Hier findet sich eine <a href="http://duepublico.uni-duisburg-essen.de/servlets/DocumentServlet?id=36460">deutsche
Buchbesprechung</a> von Clash
City Workers, <i>Dove sono i nostri. Lavoro, classe e movimenti
nell’Italia della crisi, la casa usher</i>, Lucca 2014. 202
Seiten.</p><p>
</p><p>
</p><p>[2]
Als Mutualismus verstehen wir eine Methode, um das Politische und das
Soziale zu verbinden: Durch die Praxis der gegenseitigen Hilfe werden
Probleme identifiziert, konkrete Antworten von unten darauf gegeben
und durch kollektive Mobilisierungen und Kämpfe politisiert. Diese
Methode knüpft an die Erfahrungen der ersten sozialistischen
Bewegungen Mitte des 19. Jahrhunderts an.</p></div>
</section>
</article>
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Der Wilde Westen Mailands2017-12-13T17:15:19.207062+00:002017-12-14T16:31:58.003718+00:00malaboca kollektivredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/der-wilde-westen-mailands/
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<h1>Der Wilde Westen Mailands</h1>
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<div class="rich-text"><p>Das peruanische Trinkspiel <i>la ronda</i> ist simpel. Ein einziges Bierglas wandert schnell von Hand
zu Hand – wenn es leer ist, wird sofort nachgeschenkt. Wer zu sehr trödelt,
wird mit dem Hinweis angetrieben, dass es sich bei dem Inhalt nicht um Suppe
handelt. Da die Runde nicht gerade klein ist, könnte man glauben, es würde eine
Ewigkeit dauern, bis ein Effekt spürbar wird. Doch schnell wird klar, dass das
eine Fehleinschätzung ist. Die Stimmung im Hof des sozialen Zentrums Burrida,
von dessen Dach aus man beinahe ganz Genua überblicken kann, wird schnell
ausgelassen. Lateinamerikanische Popschnulzen bringen die Anwesenden in
Bewegung und wenn man es nicht besser wüsste, könnte das hier auch eine »ganz
gewöhnliche« Gartenparty sein. Doch fast alle hier leben eigentlich im knapp
zwei Stunden entfernten Mailand. Die meisten kommen aus Peru oder Ecuador und
sind vor einigen Jahren auf der Suche nach Arbeit in die norditalienische
Metropole ausgewandert. Und sie sind so arm, dass die vergangenen zwei Tage an
der ligurischen Küste für manche der erste Urlaub ihres Lebens gewesen ist.</p><p>
</p><p>Alle Feiernden an diesem Abend leben in <i>Quateri populari</i>, wie die Arbeiter*innenviertel auf Italienisch
genannt werden und von denen es in Mailand zahlreiche gibt. Zu Beginn der 1950er
Jahre entwickelten sich die ersten Migrationsbewegungen vom Süden Italiens in
die industriellen Zentren des Nordens. Später bekamen die <i>Quateri populari</i> auch mehr und mehr Zulauf durch globale
Migrationsbewegungen. Sie alle eint eine schlechte Anbindung ans öffentliche
Verkehrssystem, viele kleine Geschäfte und große Wohnblocks, von denen die
meisten in der Zeit des italienischen Faschismus gebaut und seitdem, wenn
überhaupt, nur äußerlich renoviert wurden. Die Mietpreise steigen hier
schneller, als man das Wort Gentrification buchstabieren könnte. Im Zentrum
Mailands kostet eine 1-Zimmer-Wohnung im Durchschnitt derzeit mehr als 1000
Euro Miete monatlich. In den Randgebieten immer noch 700 Euro – Tendenz steigend.
Bei einem Durchschnittslohn in der Stadt von rund 1500 Euro, der in den <i>Quateri populari</i> nicht gesondert
ermittelt wird, aber weit darunter liegen dürfte, kann sich das hier kaum noch
jemand leisten.</p><p>
</p><p>In den siebziger Jahren war der öffentliche Wohnungsbau
groß, mehr als 75.000 Sozialwohnungen existieren deshalb noch immer in der
Stadt. Verwaltet werden sie von der öffentlichen Wohnungsbaugesellschaft <i>Azienda Lombarda Edilizia Residenziale
Milano</i> – kurz ALER. 2013 wurde öffentlich, dass einige Angestellte ALERs im
großen Stil Gelder veruntreut und Bilanzen gefälscht hatten – einige
Verantwortliche wurden daraufhin zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt und
insgesamt offenbarte sich ein Finanzloch von mehr als einer Milliarde Euro.
Damit ist ALER faktisch insolvent und für viele Politiker*innen bot das die
optimale Gelegenheit, auf eine vollkommene Privatisierung des sozialen
Wohnungsbaus zu insistieren. Seit ebenfalls vier Jahren nimmt ALER, mit Verweis
auf die fehlenden Finanzmittel, deshalb keine Reparatur- und
Renovierungsarbeiten der existierenden Wohnungen mehr vor und benutzt den
desolaten Zustand vieler Wohnungen als Argument dafür, diese nicht mehr neu zu
vergeben, sobald die vorherigen Mieter*innen ausziehen. Pepe, selber aktiv in
Kämpfen um Wohnraum in Mailand, schüttelt den Kopf: »Durch diese Entwicklungen
entsteht ein absurdes Bild auf dem Wohnungsmarkt Mailands. Mehr als 20.000
Menschen stehen auf der Warteliste für eine Sozialwohnung – manche von ihnen
seit mehr als zehn Jahren – während etwa 8.000 dieser Wohnungen leer stehen.
Das kann auf die Dauer nicht gut gehen«.</p><p>
</p><p>Weil diese neoliberale Misswirtschaft eine existentielle
Notlage produziert, besetzen viele Familien eine Sozialwohnung, schätzungsweise
4000 solcher Besetzungen gibt es aktuell. Im öffentlichen Diskurs der
Stadtobersten wird diese Wohnungskrise gerne als eine »Besetzungskrise«
bezeichnet, was zwar den Bock zum Gärtner macht, aber zu allerlei
populistischen Abenteuern einlädt. Eines davon beginnt im November 2014, als
Bürgermeister Giuliano Pisapia mit großer Geste und maximaler
Medieninszenierung verkündet, man würde sich dem »Besetzungsproblem« jetzt so
richtig annehmen und als allererstes binnen weniger Wochen 200 besetzte
Wohnungen räumen lassen. Eine der ersten Wohnungen, die geräumt werden sollte,
lag in Giambellino, einem der <i>Quateri
Populari</i> im Südwesten der Stadt.</p><p>
</p><p>Im Nachhinein bezeichnen die Mitglieder des
Nachbarschaftskomitees von Giambellino es als das größte Geschenk, das die
Stadt ihnen hätte machen können. Ihre Erzählungen dieser Tage beginnen alle
nahezu identisch, um der Szenerie die nötige Dramatik zu verleihen: »Es war
grau und nieselig. Niemand war auf der Straße und als wir an der Wohnung
ankamen, war die Polizei schon im Gebäude«. Doch dann lief alles anders als gedacht.
Innerhalb weniger Minuten waren hunderte Nachbar*innen auf der Straße, zogen
aufgebracht zur Wohnung und als Flaschen und Steine auf die Beamten der
Kommunalpolizei flogen, machten diese sich unverrichteter Dinge aus dem Staub.
Am nächsten Tag titelte die regionale Presse über Bildern kämpfender
Anwohner*innen »Der wilde Westen Mailands«.</p><p>
</p><p>Die gleichen Szenen, nicht selten von noch heftigeren
Auseinandersetzungen begleitet, spielten sich in den folgenden zwei Wochen bei
fast jeder Räumung ab, die im Auftrag ALERs durchgesetzt werden sollte. Um zu
verdeutlichen, wie aufgeheizt die Stimmung dieser Tage war, wird oft die
Geschichte des anarchistischen Zentrums <i>SAO
Rosa Nera</i> im Stadtteil Corvetto erzählt: Das besetzte Zentrum war
traditionell subkulturell isoliert, es gab weder von Seiten der Anwohner*innen
noch von Seiten der Besetzer*innen ein gesteigertes Interesse an einem
nachbarschaftlichen Verhältnis, was über den täglichen Kioskbesuch hinausging.
Doch als die kommunale Polizei gemeinsam mit den Carabinieri am 17. November
2014 anrückte, um das Gebäude zu räumen, löste das plötzlich einen
stundenlangen Aufstand des ganzen Viertels aus – jedoch nicht, weil die
Nachbar*innen spontan ihre Meinung über das <i>Rosa
Nera</i> geändert hatten, sondern weil sie angenommen hatten die Polizeiarmada
sei gekommen, um eine der besetzten Sozialwohnungen zu räumen. </p><p>
</p><p>Im ersten Moment war die Überraschung über die vielerorts
aufflammende Wut und Kampfbereitschaft groß. Doch schnell wurde den Beteiligten
klar, welch beschleunigenden Effekt diese Dynamik auf schon zuvor existierende
politische Experimente der Nachbarschaftsorganisierung hatte, die bis dahin
eher ein trauriges Dasein fristeten. In Giambellino hatten diese gut ein Jahr
zuvor mit der Besetzung der ersten <i>Base</i>
begonnen: Ein Gebäude im Wohngebiet, in dem sich eine Handvoll Besetzer*innen
aus dem Nachbarviertel traf und vergeblich versuchte in engeren Kontakt mit der
lokalen Bevölkerung zu kommen. </p><p>
</p><p>»Als wir in Giambellino angekommen sind, um mit den Leuten
im Viertel zu reden, wirkten wir für diese in einer gewissen Weise wie Aliens.
Wir sind hier angekommen und haben angefangen über Revolution und Kommunismus
zu reden – dabei haben diese Dinge für die Leute vor Ort einfach überhaupt
keine Bedeutung«, erinnert sich Luigi. Als die Polizei nach einigen Monaten das
Gebäude räumte, war das Interesse daran so groß, wie an dem Projekt zuvor: Gen
null. Daraufhin wurde ein zweites Gebäude besetzt – diesmal gegenüber des
lokalen Wochenmarktes gelegen und dadurch wesentlich sichtbarer und somit Teil
des öffentlichen Lebens. Ein paar Leute aus dem Viertel kamen auch, zwar mehr
als vorher, aber den großen Durchbruch brachte erst der November 2014. </p><p>
</p><p>Auch die zweite <i>Base</i>
wird schließlich von der Polizei im Vorfeld der 1.Mai-Proteste 2015 gegen die
in Mailand stattfindende Weltausstellung Expo geräumt. Doch diesmal regt sich
Widerstand bei den Leuten, die mittlerweile eine Beziehung zu dem Ort und
seinen ursprünglichen Benutzer*innen aufgebaut haben. Auch wenn die Reaktion
medial im Schlachtenlärm des 1. Mai untergeht, dauert es nicht lange bis die
Mitglieder des mittlerweile gegründeten »Nachbarschaftskomitees Giambellino«
eine dritte Base besetzen, die sie auch heute noch nutzen. Gegenwärtig sind
mehr als 60 Familien, die in besetzen Wohnungen leben, im Komitee organisiert
– zunächst aus der akuten Angst vor einer Räumung. Aber mit der Zeit wurde mehr
daraus, als nur eine Nothilfe-Struktur gegen ALER und die Polizei. Die Base ist
ein wichtiger Ort des sozialen Zusammenlebens geworden, ein Ort der kollektiven
Selbstorganisierung in Giambellino. Jede Woche gibt es eine medizinische
Sprechstunde, zweimal Hausaufgabenhilfe, einmal Fußballtraining des eigenen
Vereins <i>Ardita Giambellino</i>, ein
gemeinsames Essen und natürlich die wöchentliche Versammlung des Komitees. Die
Art, mit der man hier gemeinsam und selbstorganisiert Lösungen für die Misere
des alltäglichen Lebens findet, hat einen enormen Effekt auf die politische
Sozialisation derer, die daran teilhaben. Doch mitnichten ist dieser
Lernprozess allein auf die »unpolitischen« Anwohner*innen begrenzt – im
Gegenteil »Ich denke, vor allem wir haben uns verändert. Denn als wir in
Giambellino ankamen, gab es bereits diese anderen Formen des kollektiven
Lebens jenseits von unseren Ideen. Nur wir mussten sie eben erst selbst noch
kennenlernen«, erzählt Marco.<br/></p></div>
</section>
<section class="content content-section content-type-paragraph">
<div class="rich-text"><h2>Leben und Kämpfen in einem Territorium bedeutet, dass du
bereits jetzt in einer neuen Welt lebst.</h2>
<p>AUS »TERRITORIES TO INHABIT, WORLDS TO CREATE«</p></div>
</section>
<section class="content content-section content-type-paragraph">
<div class="rich-text"><p>Hilfe bei der Kinderbetreuung, Stärke gegen Vermieter*innen
und Polizei oder ein gratis Gesundheitscheck sind ganz konkrete Nutzen, die
eine Mitgliedschaft im Komitee bedeuten und für viele hier überlebenswichtig
sind. Und durch den politischen Diskurs, der anfangs von den Initiator*innen
mitgebracht, aber längst ein kollektiv weiterentwickeltes Produkt geworden ist,
haben diese ein enorm widerständiges Potential bekommen, deren zentrale
Botschaft ist: Staat und Kapital haben kein Interesse daran, unsere Bedürfnisse
zu befriedigen – dann machen wir es eben selbst! Marco beschreibt diesen
Prozess wie folgt: »Die Leute bemerken nach und nach, was passiert. Am Anfang
werden sie vielleicht aktiv, weil sie ein persönliches Ziel verfolgen, nämlich
eine Wohnung haben zu wollen. Aber dort hört unsere Arbeit nicht auf – sonst
würden wir uns auf der selben Ebene der Wohltätigkeitsarbeit bewegen, wie die
Kirche oder andere Organisation sie machen. Aber das reicht höchstens aus, um
sein Gewissen rein zu waschen«. </p><p>
</p><p>Es wird deutlich, dass das Komitee weitaus mehr als eine
bloße Anbieterin selbstorganisierter Sozialleistungen mit revolutionärem Touch
ist. Es geht hier nicht bloß um die Befriedigung ökonomischer
Grundbedürfnisse. Es geht darum eine andere Art des Zusammenlebens zu
kultivieren, die nicht nur die materiellen Schäden kapitalistischer Verwertung
zu mildern versucht, sondern gerade auch ihren sozialen Zurichtungen etwas
entgegen zu setzen.</p><p>
</p><p>Hier im Garten in Genua wird genau das spürbar, was vorher
viele eher abstrakt ausgedrückt haben. Ein solches Wochenende hat keinen »direkten
politischen Effekt«, noch stellt es eine widerständige Geste des Protests dar.
Es ist die praktische Überwindung der Einsamkeit vieler hier, der Vereinzelung
und Isolation, in die sie die moderne Metropole zwängt. Hier entsteht ein
Kollektiv, eines das sich kennt, das teilt, das sich vertraut. Plötzlich
tauchen drei junge Geflüchtete aus dem Senegal auf, die von einem anderen
Squat in der Stadt hier her geschickt wurden. Nach einigen Minuten des
Fremdelns bekommen sie volle Teller in die Hand gedrückt, nach höchstens einer
halben Stunde sind sie bereits Teil von <i>la
ronda </i>– und am Ende des Abends tanzen alle immer noch ausgelassen zu Salsa
und Reggeaton.</p><p>
</p><p>Kristina, die vom ersten Tag an Mitglied des Komitees ist,
sitzt derweil am Rand und blickt nachdenklich durch die Tanzenden hindurch.
»Was ihr durch den Kopf gehe, wenn sie den Abend hier betrachte?« Sie schweigt.
So lange, dass wir schon denken, sie hätte unsere Frage gar nicht gehört. Doch
schließlich sagt sie zufrieden feststellend: »Wir leben einen alltäglichen
Kommunismus während wir versuchen ihn aufzubauen, weil es gar nicht anders
funktioniert, als ihn in der Praxis zu erlernen«</p><hr/></div>
</section>
<section class="content-section content-type-photo">
<div class="content-image">
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<img alt="Uniti Possiamo Tutti" height="438" src="/media/images/mala3.original.jpg" width="968">
</div>
</div>
</section>
<section class="content content-section content-type-paragraph">
<div class="rich-text"><h2>Zur Broschüre »Uniti Possiamo Tutti. Selbstorganisierung und soziale Kämpfe
in Mailand«</h2>
<p>Das malaboca
kollektiv hat in den letzten Jahren immer wieder Genoss*innen und
Aktivist*innen vor Ort besucht und die Gespräche mit ihnen dokumentiert. Ohne zu sehr der daraus entstandenen Broschüre
vorgreifen zu wollen: Sie haben sich intensiv mit der politischen Praxis der
Aktivist*innen vor Ort beschäftigt und dabei für die Arbeit in den eigenen
Kontexten wichtige Lehren gezogen. In ihrer Einleitung zählen sie vier Punkte
auf:</p><p>
</p><p>»<b>Konkrete Probleme</b>
sind der Ausgangspunkt der politischen Arbeit, anstatt die Kritik an abstrakten
Strukturen und Mechanismen, die für die meisten Menschen schwer zu greifen und
zu vermitteln sind. Kritik an fehlenden Grünflächen, hohen Mietpreisen,
schlechter Gesundheitsversorgung, fehlenden Aufenthaltstiteln, übergriffigem
Verhalten in einer Kneipe, ausstehendem Lohn oder Prüfungsstress in der Schule
und Uni sprechen Menschen in ihren Erfahrungen direkter an als eine abstrakte
Übersetzung dieser Symptome in das, was sie de facto sind: Rassismus, Sexismus
und kapitalistische Verwertung.</p><p>
</p><p><b>Vertrauen schaffen
und eine real erfahrbare Kollektivität aufbauen,</b> anstatt den Fokus auf eine
anonyme Medienöffentlichkeit zu legen, die mit Hochglanzkampagnen adressiert
werden soll. Kritik ist nur dann vermittelbar, wenn einem auch jemand zuhört.
Und, dass uns jemand zuhört und im besten Fall auch noch glaubt, passiert nur,
wenn es ein Vertrauensverhältnis zwischen uns und den potentiellen Zuhörer*innen
gibt. Das lässt sich nur durch gemeinsame Erfahrungen aufbauen und funktioniert
am besten in einem territorial begrenzten Gebiet, wie einer Nachbarschaft,
einem Betrieb, einer Uni, einem Häuserblock.</p><p>
</p><p><b>Selbstorganisierte,
konkrete Lösungswege finden</b> und Erfolge verbuchen, anstatt alles auf den
Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben. Vertrauen in Solidarität und
Selbstorganisation entsteht vor allem dann, wenn sie funktioniert.
Erfolgserlebnisse, das heißt die tatsächliche Lösung realer Probleme, sind der
Schlüssel dazu, dass Menschen durch diese Erfahrungen gestärkt werden,
weitermachen und möglicherweise selber zu Multiplikator*innen dieser Idee
werden.</p><p>
</p><p>Auf<b> politisches
Lernen durch Erfahrung,</b> anstatt ausschließlich auf theoretische Bildung
vertrauen. In den eigenen konkreten Alltagserfahrungen ernst genommen zu
werden, auf Menschen zu treffen, deren Ziel nicht in erster Linie die
Instrumentalisierung für die eigenen Interessen ist, sondern tatsächliche
Solidarität – und bestenfalls auch noch die erfolgreiche Lösung konkreter
Missstände – ist oft enorm politisierender als ein Buch, Vortrag oder Film.«
</p><p>
</p><p>Download der Broschüre: <i>Uniti
Possiamo Tutti. Selbstorganisierung und soziale Kämpfe in Mailand</i> auf <a href="https://malaboca.noblogs.org/files/2017/12/Uniti-Possiamo-Tutti-English.pdf">Englisch</a>
| <a href="https://malaboca.noblogs.org/files/2017/12/Uniti-Possiamo-Tutti-Deutsch.pdf">Deutsch</a></p><p>
</p><p>malaboca kollektiv | <a href="http://malaboca.noblogs.org">malaboca.noblogs.org</a></p></div>
</section>
</article>
<footer class="__wrapped-content">
<div class="columns is-desktop">
<div class="column is-7-10">
<section class="content content-license padded">
<h2>Lizenzhinweise</h2>
<p>Copyright © 2017 re:volt magazine Redaktion - Einige Rechte vorbehalten</p>
<p>
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</p>
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</p>
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