re:volt magazine Archivhttps://revoltmag.org/articles/?tags=1412017-10-27T09:42:02.793064+00:00,,Wir können uns darauf einigen, dass wir alle AntirassistInnen und AntifaschistInnen sind‘‘2017-10-27T02:27:24.966960+00:002017-10-27T09:42:02.793064+00:00Jan Schwabredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/wir-k%C3%B6nnen-uns-darauf-einigen-dass-wir-alle-antirassisten-und-antifaschisten-sind-ein-interview-mit-den-genossinnen-von-rash-bogota/
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<h1>,,Wir können uns darauf einigen, dass wir alle AntirassistInnen und AntifaschistInnen sind‘‘</h1>
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<img alt="RASH Bogota" height="420" src="/media/images/11873492_10207373727361746_75.2e16d0ba.fill-840x420-c100.jpg" width="840">
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<div class="rich-text"><p><i>Red and Anarchist Skinheads
(RASH) ist eine Strömung in der Skinhead-Subkultur, die ihre
Ursprünge in der antirassistischen Gegenbewegung Skinheads Against
Racial Prejudice (SHARP) aus den USA hat und denen ein schlichter
Antirassismus zu wenig war. Weltweit organisieren sich linke
Skinheads über politische Grenzen hinweg in kulturpolitischen
Gruppen. Auch in Kolumbien, einem Land mit einem 50-jährigen
bewaffneten Konflikt zwischen linken Guerilla-Gruppen und dem Staat
bzw. seinen ultrarechten paramilitärischen Gruppen, gibt es eine
lebendige Skinhead-Szene, in der politische Themen eine besondere
Brisanz haben. Während seines letzten Aufenthalts in Kolumbien hatte
unser Redakteur Jan Schwab die Möglichkeit, mit einem Mitglied von
RASH Bogota ins Gespräch zu kommen.</i></p><p>
</p><p><i><b>Jan
[re:volt]: Hallo liebe GenossInnen, ihr seid Mitglieder von RASH
Bogota, einer linken Skinhead-Gruppe aus Kolumbien. Erzählt mir doch
für den Anfang etwas über eure Gruppe. Wann habt ihr euch gegründet
und was macht ihr so?</b></i></p><p>
</p><p><b>Pote:</b>
<i>RASH Bogota</i> ist eine Organisation, die um das Jahr 1997
herum gegründet wurde und ist ein Projekt, das aus anderen
Vorläuferorganisationen hervorging. Wir verstehen uns als eine
Gruppe gegenkultureller, politischer Skinheads. Unsere Aktivitäten
umfassen zum einen unseren politischen Aktivismus, zum anderen aber
auch gegenkulturelle Arbeit, wie z.B. Konzerte, <i>Murales</i> [1],
Versammlungen, aber auch Informations- und Bildungsveranstaltungen
für unsere eigenen Mitglieder.</p><p>
</p><p><i><b>Jan
[re:volt]: Ihr versteht euch als eine explizit politische Gruppe. Das
ist ja nicht ganz selbstverständlich. In Deutschland würden sich
viele Skinheads weder in Gruppen organisieren, noch sich als
sonderlich politisch verstehen. In welchem Verhältnis steht die
Skinhead-Subkultur zur politischen Arbeit bei euch? </b></i>
</p><p>
</p><p>
Es ist uns an dieser Stelle wichtig zwischen Subkultur und
Gegenkultur zu unterscheiden. Aus unserer Sicht begreifen wir das,
was wir tun, nicht als Subkultur. Das ist ein Begriff, den wir
ablehnen. Gegenkultur definieren wir entgegen dem Subkulturbegriff
nach dem marxistischen Theoretiker Antonio Gramsci als
gegen-hegemoniales Projekt, d.h. gegen eine dominante und
durchgesetzte Mehrheitskultur gerichtet. Wir sind da im Vergleich
relativ radikal. Die Gegenkultur steht bei uns nicht über der
Politik, die Politik aber auch nicht über der Gegenkultur. Es
handelt sich da schlicht um zwei Seiten unseres politischen Kampfs.
</p><p>
</p><p><b>Jan
[re:volt]: Habt ihr einen bestimmten Ort, an dem ihr eure Aktivitäten
durchführt, z.B. ein besetztes Haus, soziales Zentrum oder ein Café
, in dem ihr regelmäßig Konzerte veranstaltet?</b></p><p>
</p><p>
<b>Pote:</b> Leider gibt es derzeit in Bogota keine gegenkulturellen
Zentren mehr, weil die Regierung dagegen vorgegangen ist, z.B. auch
gegen Cafés und kommunale Treffpunkte, was uns ohne Ort für unsere
Veranstaltungen zurückgelassen hat. Das ist der Grund, warum wir
Konzerte immer in Kooperation mit anderen, befreundeten Gruppen aus
Bogota durchführen, z.B. mit der <i>Partido Comunista Colombiano</i>
(PCC) oder auch anderen Organisationen, die in den Barrios aktiv
sind und sich dort für die Menschen einsetzen.</p><p>
</p><p><b>Jan
[re:volt]: Die ursprüngliche Skinhead-Subkultur in England war ja im
Prinzip eine ArbeiterInnenklassenkultur, die auf jamaikanische
Reggae-Tunes feierte und aus der Gemengenlage schwarzer und weißer
Arbeiterkids hervorging. Wie ist das hier in Kolumbien und wie seid
ihr so aufgestellt?</b></p><p>
</p><p>
<b>Pote:</b> Wir als Organisation sind da sehr breit aufgestellt –
wie das eben auch der Zusammensetzung unserer Gegenkultur hier vor
Ort entspricht. Dementsprechend sind bei uns ArbeiterInnen genauso
organisiert, wie LehrerInnen, SchülerInnen, StudentInnen usw., was
wir als Bereicherung für unsere Sache ansehen. Aber na klar, wir
begreifen uns als Teil der arbeitenden Klasse und das entspricht auch
der Realität unserer Mitglieder. Die Mehrheit geht einer Lohnarbeit
nach, um eben irgendwie über die Runden zu kommen. Und das läuft
natürlich mit den Ursprüngen der Skinhead-Kultur zusammen, wobei
wir uns insbesondere positiv auf die antifaschistischen und
antirassistischen Wurzeln der Skinhead-Kultur beziehen. Wir greifen
in <i>RASH Bogota</i> aber auch andere Gegenkulturen wie Punk,
Hardcore oder Ska auf.
</p><p>
</p><p>
<b>Jan </b><b>[</b><b>r</b><b>e:volt]</b><b>:
Welche Bands organisiert ihr denn in eurem gegenkulturellen Netzwerk?
</b><b>Veranstaltet ihr auch Skinhead</b><b>-</b><b>Nighter?</b></p><p>
</p><p>
<b>Pote:</b> Die meisten Bands bewegen sich im Bereich Punk und
Hardcore. Da wären z.B. die Bands <i>Tierra Sangre, Red Terror</i>
und <i>Red Noise</i>. Im Prinzip sind alle diese Bands bzw. ihre
Mitglieder bei <i>RASH Bogota</i> organisiert. Die Skinhead-Nighter
sind auch Teil unserer Gegenkultur. Wir sind regelmäßig Gäste bei
Skinhead-Nightern und den Veranstaltungen der 69-Skins in Bogota.
Darüber hinaus haben wir in unseren Strukturen viele Mitglieder die
die traditionelle Skinhead-Szene und ihre Events unterstützen.</p><p>
</p><p>
<b>Jan </b><b>[</b><b>r</b><b>e:volt]</b><b>:
</b><b>Welche Gruppen gibt es denn außer euch in Bogota, die sich
zur Skinhead-Kultur zugehörig fühlen und wie steht ihr zu denen?</b></p><p>
</p><p>
<b>Pote: </b>Oh da gibt es einige. Zu nennen wäre da natürlich
<i>SHARP Bogota</i>, aber auch <i>Terror Crew</i>, <i>Cabezas
Rapadas</i>, <i>GRABO</i> und <i>Famil</i><i>y</i><i> </i><i>Oi</i>
im Süden. Darunter gibt es natürlich Gruppen, die sich politischer
positionieren wie<i> RASH</i> und <i>GRABO</i> und solche wie <i>Terror
Crew, Cabeza</i><i>s</i><i> Rapada</i><i>s</i> und <i>Famili</i><i>y
Oi</i>, die mehr gegenkulturell orientiert sind. Das Positive in
Bogota ist, dass sich die verschiedenen Gruppen in der <i>Coordinadora
Antifascista de Bogota, </i>einer Art Antifa-Bündnis, sammeln
aufgrund der Tatsache, dass es in Bogota leider auch rechtsradikale
Gruppen, wie z.B. <i>Tercera Fuerza</i> [2] gibt, gegen die
etwas unternommen werden muss. Daher gibt es heute
Vereinigungstendenzen unter den Gruppen. Das war nicht immer so,
denn bevor wir angefangen haben miteinander zu arbeiten, gab es öfter
Schlägereien und andere Rivalitäten auf der Straße. Das ist jetzt
aber passé. Wir können uns darauf einigen, dass wir alle
AntirassistInnen und AntifaschistInnen sind.</p><p>
</p><p>
<b>Jan [re:volt]: Du hast die neofaschistischen Skinhead-Gruppen ja
gerade schon angesprochen. Wie schätzt du das ein, stehen die auch
im Kontakt mit rechtsradikalen Paramilitärs und Politikern?</b></p><p>
</p><p>
<b>Pote:</b> Ja ganz klar! Da gibt es zum einen Querverbindungen zum
urbanen Paramilitarismus, zweitens aber auch zu ultrarechten
Parteien. Wir haben Informationen, nach denen einige Führer
neofaschistischer Gruppen mit Senatoren ultrarechter Parteien, z.B.
dem <i>Centro Democratico</i> [3], zusammenarbeiten. Die
gleichen Verwicklungen gibt es aber z.B. auch in den Polizeiapparat
hinein, der mit den Paramilitärs<i> </i>und den neofaschistischen
Skinhead-Gruppen eine Art Netzwerk bildet.
</p><p>
</p><p>
<b>Jan [re:volt]: In eurem Land wütet ja nach wie vor ein
bewaffneter Konflikt. Inwieweit hat der Konflikt zwischen linken
Guerillagruppen und dem Staat und seinen <i>Paramilitärs</i> eure
Arbeit in der Vergangenheit beeinflusst?</b></p><p>
</p><p><b>
Pote:</b> Weißt du, in Kolumbien ist das nicht nur so, dass du Todesdrohungen
bekommst, sondern sie lassen dich auch verschwinden, oder bringen
dich gleich um. Das ist eine Realität, mit der auch wir als
gegenkulturelle politische Gruppe tagtäglich konfrontiert sind. Zum Beispiel
wurde bereits ein Genosse von uns im Umland von Bogota umgebracht.
Untersuchungen haben dann ergeben, dass der Mörder ein Mitglied
einer paramilitärischen Gruppe war. Darüber hinaus haben bereits
einige GenossInnen Todesdrohungen erhalten, darunter auch Drohungen
seitens der staatlichen Sicherheitskräfte. Das setzt sich dann auf
Demonstrationen fort, wo wir als Kollektiv bevorzugt mit
Gaskartuschen und Schlagstöcken angegriffen werden. Das ist die
Realität für Linke in einem Land wie Kolumbien und natürlich sind
wir von Gewalt betroffen – insbesondere durch den <i>Paramilitarismus</i>
[4].</p><p>
</p><p><br/>
</p><p>
</p><p>
<b>Anmerkungen</b></p><p>
</p><p>
[1] <i>Murales </i>sind Wandbilder, die politische und/oder
gesellschaftskritische Inhalte transportieren. Es handelt sich beim
<i>Muralismo</i> um eine in Lateinamerika populäre Kunstform, die in
den 20er Jahren in Mexiko populär wurde und sich dann verbreitete.
</p><p>
</p><p>
[2] Bei <i>Tercera Fuerza</i> (Dritte Kraft) handelt es sich um eine
neo-nazistische Kleinpartei in Kolumbien, die sich am deutschen
Nationalsozialismus orientiert. Im Wesentlichen kopiert die Partei
den Stil und die Strategien westlicher Nazi-Parteien, so auch die
Vereinnahmungsversuche der Skinhead-Bewegung.
</p><p>
</p><p>
[3] Das <i>Centro Democratico</i> (Demokratisches Zentrum) ist eine
einflussreiche rechtsradikale Partei, die vor dem jetzigen
Präsidenten Juan Manuel Santos mit Alvaro Uribe Velez für 10 Jahre
den Präsidenten stellte. Die Partei ist berüchtigt für ihre
Verbindungen zu den neofaschistischen Paramilitärs und ausgemachter
Friedensgegner.</p><p>
</p><p>
[4] Der <i>Paramilitarismus</i> ist ein gegen linke, liberale und
andere progressive Kräfte in Kolumbien gerichtetes neofaschistisches
Auslöschungsprogramm. Er spaltet sich in verschiedene Gruppierungen
auf und unterhält Verbindungen zu Teilen des Staatsapparats,
insbesondere Polizei und Militär, sowie zu lokalen Landlords und der
Narco-Mafia. Ihre Strategie ist die einer Konter-Guerilla. Seit
Anfang des Jahres ermordeten Paramilitärs über 100
MenschenrechtsaktivistInnen im Land.</p></div>
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