re:volt magazine Archivhttps://revoltmag.org/articles/?tags=12072021-02-13T12:19:37.725589+00:00„Ich werde nie wieder die Rolle der stummen Zuschauerin akzeptieren“2020-11-25T09:49:29.279121+00:002021-02-13T12:19:37.725589+00:00Merle Weberredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/ich-werde-nie-wieder-die-rolle-der-stummen-zuschauerin-akzeptieren/
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<h1>„Ich werde nie wieder die Rolle der stummen Zuschauerin akzeptieren“</h1>
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<p></p><p><i>Der Beitrag wurde eingesprochen von CeeJay und Emexota.</i></p><hr/><p>Ich möchte heute einen Ausschnitt meiner Geschichte mit euch teilen. Es ist schwer für mich, darüber zu sprechen. Es ist schwer, daran zu denken. Es ist schwer, zu erinnern. Und das ist kein Zufall. Was man verdrängt, kann man nicht verurteilen. Was man verdrängt, kann man nicht anklagen. Was man verdrängt, kann man nicht bekämpfen.</p><p>Es ist kein Zufall, dass es so schwer ist, über die Dinge zu sprechen, die uns angetan werden. Wir werden stillgemacht. Die Täter leben mit der Angst, dass außer ihnen immer mindestens noch eine weitere Person weiß, was sie getan haben: Wir. Sie machen uns still, weil sie genau wissen, dass wir niemals vergessen werden, was sie uns angetan haben. Sie nennen uns Lügnerinnen. Sie werfen uns vor, dass wir übertreiben. Sie reden uns ein, wir bilden uns alles nur ein. Sie reden uns ein, wir seien zu empfindlich, wir seien verrückt, krank, dumm, schwach, selbst schuld. Sie tun alles, uns unsere eigenständige Wahrnehmung ihrer Taten zu nehmen. Denn in unserer Wahrnehmung sind sie Täter. Sie bekämpfen unsere Stimmen, gerade weil sie wissen, dass wir nicht übertreiben, dass wir nicht lügen, dass wir nicht verrückt sind. Gerade weil sie wissen, dass wir die Wahrheit sprechen, bekämpfen sie uns. Sie fürchten sich vor uns! Eine nach der anderen erheben wir unserer Stimme. Eine nach der anderen schlagen wir zurück. Sie wissen, dass sie uns nicht aufhalten können, wenn wir uns zusammentun. Und wir wissen es auch.</p><p>Die Taten eines anderen machen einen zum Opfer, das macht man nicht selbst. Ich bin zum Opfer gemacht worden. Aber ich weigere mich, mich dafür zu schämen. Ich bin nicht verantwortlich für seine Taten. Er soll sich schämen, für das was er mir angetan hat! Der Täter soll sich schämen! Ich bin Opfer und ich bin stolz. Stolz, dass ich überlebt habe. Stolz, dass ich heile. Stolz, dass ich kämpfe, gegen Typen wie ihn. Jetzt erst recht. Soll noch einer kommen und mich schwach nennen, ich weiß was ich durchgestanden habe. Ich weiß, wie schwer die Last ist, die ich trage. Ich weiß, wie stark ich bin. Es gibt nichts Stärkeres, als ein Opfer, dass überlebt, sich wieder aufbaut und aus seinem Schmerz Widerstand macht.</p><p>Wenn ich zurückblicke, gibt es vieles, was ich bereue. Ich habe viele Fehler gemacht. Ich hätte mir viel ersparen können, wenn ich besser auf mich aufgepasst hätte. Wenn ich mich besser und früher gewehrt hätte. Aber ich habe es nicht. Und das ist ok. Ich vergebe mir. Egal, wie viele Fehler ich gemacht habe. Egal, welche Fehler ich gemacht habe: Ich lasse mir nicht die Verantwortung für seine Taten zuschieben. Er allein ist verantwortlich für sein Handeln. Das Recht, sicher vor emotionalen, körperlichen oder sexualisierten Übergriffen zu sein, müssen wir uns nicht erst verdienen. Egal was wir tun. Wir haben es. Punkt.</p><p>Wenn er mit mir geredet hat, hat er mich immer zur stummen Zuhörerin seiner Heldengeschichten gemacht. Er hat erzählt und erklärt, erklärt und erzählt ohne Pause. Ich war für ihn nur Publikum. Wenn ich gesprochen habe, hat er mir nicht zugehört, und wenn ich ihm widersprochen habe, kam er gar nicht mehr klar. Also habe ich aufgehört. Irgendwann habe ich eigentlich gar nichts mehr gesagt. Ich habe meine Rolle angenommen in seinem Theater, in dem seine Geschichten spannender und seine Argumente besser waren als meine. Ich habe mich von ihm in die Rolle der stummen Zuhörerin drängen lassen. Ich habe mir meine Stimme von ihm nehmen lassen.</p><p>Ich bin zu ihm nach Hause gegangen und ich bin geblieben, obwohl ich mich gelangweilt habe. Ich bin geblieben, obwohl ich mich unwohl gefühlt habe. Ich habe Warnsignale ignoriert und bin geblieben. Ich habe meine eigenen Bedürfnisse übergangen, und meine eigene Sicherheit aufs Spiel gesetzt, weil ich dachte, dass ich nicht das Recht, habe ihn zu enttäuschen.</p><p>Ich habe mein erstes <i>nein</i> nicht durchgesetzt. Ich habe mein zweites <i>nein</i> nicht durchgesetzt, und alle, die danach kamen. Ich habe seine Manipulationen nicht durchschaut. Ich habe mein letztes <i>nein</i> nicht durchgesetzt und bin eingebrochen. Ich habe aufgegeben. Ich habe <i>ja</i> gesagt und gehofft, dass es schnell vorbeigeht. Ich habe mich nicht gewehrt. Ich habe weder geschrien noch geschlagen. Ich habe in seinem Bett geschlafen und bin erst am nächsten Morgen gegangen. Ich habe verdrängt, was er getan hat. Ich habe mich dafür verantwortlich gemacht, dass es nicht schön war für mich. Ich bin ein zweites Mal zu ihm gegangen, um es besser zu machen. Ich hab‘ den Angst-Knoten in meinem Bauch ignoriert und bin trotzdem hingegangen. Habe wieder mein erstes <i>nein</i> nicht durchgesetzt. Bin wieder nicht gegangen. Ich habe wieder mein letztes <i>nein</i> nicht durchgesetzt und danach einfach gar nichts mehr gesagt. Ich habe wieder nichts getan und gewartet bis er fertig ist.</p><p>Ich habe wieder verdrängt was er getan hat. Ich habe nicht ernst genommen, dass es mir dreckig ging. Ich habe nicht ernst genommen, dass ich nachts von Vergewaltigungen träume und morgens nicht aufstehen will. Ich habe die Freude am Leben verloren. Ich habe angefangen mich selbst zu verletzen. Ich bin jeden Morgen aufgewacht und wollte nicht mehr leben. Ich bin jeden Abend eingeschlafen, und war froh, noch einen Tag geschafft zu haben.</p><p>Ich habe denen geglaubt, die mir das Gefühl gegeben haben, dass es mir schlecht geht, weil ich schwach und krank bin. Ich habe viel zu lange Menschen meine Freunde genannt, die mich stumm gemacht haben, statt zu fragen, was passiert ist. Ich habe ein Jahr gebraucht, um zu erinnern und zu benennen, dass ich vergewaltigt wurde. Ich habe heute, fast vier Jahre später, manchmal immer noch Probleme damit.</p><p>Ich hätte so viel besser machen können. Aber ich vergebe mir. Ich vergebe mir, dass ich mich nicht besser geschützt habe. Ich vergebe mir, dass ich ihn nicht aufgehalten habe. Ich vergebe mir, dass ich meine Wahrnehmung verleugnet habe. Ich vergebe mir. Er allein ist verantwortlich für seine Taten. Das Recht, sicher vor emotionalen, körperlichen oder sexualisierten Übergriffen zu sein, muss ich mir nicht erst verdienen. Egal was ich tue. Ich habe es. Punkt.</p><p>Ihm werde ich nie vergeben. Und auch wenn ich manchmal gerne würde, ich werde nie vergessen. Denn Erinnern heißt Kämpfen. Ich werde nie wieder aufhören mit dem Kämpfen. Ich werde nie wieder die Rolle der stummen Zuschauerin akzeptieren.</p><p>Also kämpfe ich, gegen ihn und jeden, der auf seiner Seite steht.</p><p>Für alles, was Menschen wie er uns genommen haben. Für alle, die nicht überlebt haben. Für alle, die ihre Stimme noch nicht gefunden haben. Für alle, die immer noch unter den Folgen leiden. Für alle, die ohne Angst vor Übergriffen leben wollen. Für jede von uns!</p></div>
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<h2>Lizenzhinweise</h2>
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Tatmotiv: Misogynie. Frauen als Opfer rechter Gewalt2020-11-24T17:02:13.383934+00:002020-11-25T20:00:19.192927+00:00Redaktionredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/tatmotiv-misogynie-frauen-als-opfer-rechter-gewalt/
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<div class="rich-text"><p>Abwertung und Unterdrückung von Frauen* bis hin zu tödlicher Gewalt gegen sie sind fester Bestandteil von unterschiedlichen ultrakonservativen, rechten und neonazistischen Ideologien. Das zeigen Studien und Recherchen der letzten Jahrzehnte über Dominanz, Gewaltbereitschaft und rechte Tötungsphantasien, von Klaus Theweleits ‚Männerphantasien‘ über faschistische Frauenbilder bis zu aktuellen Forschungen zu Incel- und Rechtsterrorismus. Der Antifeminismus, der in diesen Gewaltakten mündet, wird aber nicht zuletzt tatkräftig aus den Reihen der rechten Formierungen, der Evangelikalen, der Konservativen und weiterer, auch parlamentarischer, Akteure befeuert, die ein hierarchisches Geschlechterverhältnis aufrecht erhalten und die kapitalistischen Verwerfungen und Unsicherheiten durch eine Rückkehr zu einer Welt ohne feministische Gegenwehr (notfalls auch mit Gewalt) herbeizwingen wollen. Jüngstes Beispiel: Die Debatte über die künftige Ausrichtung der <i>Alternative für Deutschland</i> (AfD) in Fragen der Sozialpolitik, welche die Partei am kommenden Wochenende (28./29. November 2020) führen will. Ihr Sexismus, Antifeminismus und Antikommunismus fällt derzeit auch bei all jenen Menschen auf fruchtbaren Boden, denen durch die bisherige neoliberale Politik der Leistungsoptimierung und In-Konkurrenz-Setzung die Luft zum Atmen immer dünner wird. Feminismus, Frühsexualisierung und ganz allgemein „gesellschaftlicher Wandel“ habe, so greift die AfD in ihrem Leitantrag dieses Sentiment auf, dazu geführt, dass eine „Bestandserhaltung“ des „Volkes“ aktuell nicht umfassend genug stattfände: „In einer zunehmend auf die eigene Bedürfnisbefriedigung ausgerichteten, hedonistischen Gesellschaft ist die Bereitschaft naturgemäß gering, zugunsten einer stabilen Ehe auf eigene Wünsche zu verzichten. Entsprechend hoch ist die Trennungsrate.“ Dass sich vor allem Frauen* nicht mehr ohne weiteres in gewaltvolle und ausbeuterische Beziehungen qua Zwang (ökonomisch, politisch oder religiös durch ein ewiges Ehegelübde begründet) einlassen müssen, findet die AfD höchst bedauernswert. Allerdings: Eine Welt ohne feministische Gegenwehr, die hat es noch nie gegeben – und wir werden auch künftig diesen Bestrebungen mit aller Kraft entgegentreten.</p><p><i>Die folgenden Falldokumentationen entstammen dem jüngst veröffentlichten Band „</i><a href="https://unrast-verlag.de/neuerscheinungen/kein-vergessen-detail"><i>Kein Vergessen – Todesopfer rechter Gewalt nach 1945</i></a><i>“, erschienen im Unrast Verlag. Autor Thomas Billstein widmet sich darin den über 300 Todesopfern rechter Gewalt in Deutschland. Anliegen des Buchs ist es, den Opfern zu gedenken, aber auch auf die unvermindert drohende Gefahr durch rechte, nationalistische und neonazistische Gewalttäter aufmerksam zu machen. Autor und Verlag stellten uns die dokumentierten Morde mit dem Tatmotiv Misogynie – das meint die Verachtung und Abwertung von Frauen*, Frauenhass – zur Veröffentlichung im Kontext des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen* zusammen.</i></p><p></p><hr/><p></p><h2><b>Fatma E.</b></h2><p><b>Verstorben am 25. September 1984</b></p><p>Tatort: Berlin<br/> Status: Nicht offiziell anerkannt<br/> Motiv: Misogynie</p><p>Fatma E. wurde bei einem Attentat auf eine Beratungsstelle für Migrantinnen erschossen. Die tödliche Gewalttat ereignete sich im Treff- und Informationsort für Frauen aus der Türkei im Berliner Stadtteil Kreuzberg. Dort wurden überwiegend Frauen beraten, die sich vor häuslicher Gewalt in der Familie schützen wollten. Fatma E. war als Klientin in einem Gespräch mit Seyran Ateş, die heute als Autorin und Rechtsanwältin in Berlin tätig ist, als der Täter in den Raum stürmte und auf beide Frauen schoss. Dabei wurde Fatma E. tödlich getroffen. Seyran Ateş überlebte eine lebensgefährliche Verletzung und benötigte mehrere Jahre für den Heilungsprozess.</p><p>Obwohl der Täter durch einige Zeug*innen identifiziert wurde und eine Zugehörigkeit zu den rechtsextremen Grauen Wölfen festgestellt wurde, konnte er vor Gericht einen Freispruch mangels Beweisen erwirken. Dies lag auch daran, dass der vor Gericht geladenen Vertreter des Verfassungsschutzes sich weigerte, Auskunft und Hintergründe über die <a href="http://webstory.zdf.de/graue-woelfe/">Grauen Wölfe</a> preiszugeben.</p><p></p><hr/><p></p><h2><b>Birgit Meier</b></h2><p><b>Verstorben im August 1989</b></p><p>Tatort: Lüneburg, Niedersachsen<br/> Status: Verdachtsfall<br/>Motiv: Misogynie</p><p>Birgit Meier wurde von einem rechten Serienmörder entführt und erschossen.</p><p>Die Ermordete war Fotografin und hatte sich einige Monate vor der Tat von ihrem Ehemann getrennt, welcher ein erfolgreicher Unternehmer war. Sie lebte alleine in dem ehemals gemeinsamen Haus. Birgit Meier hinterließ eine erwachsene Tochter und wurde 41 Jahre alt. Seit dem 15. August 1989 wurde sie vermisst.</p><p>Aufgrund der beendeten Beziehung und der noch nicht geklärten Gütertrennung wurde nach dem Verschwinden zunächst der Exmann verdächtigt, Birgit Meier etwas angetan zu haben. Die Untersuchungen von Polizei und Ermittlungsbehörden waren von zahlreichen Ermittlungsfehlern gezeichnet und führten über Monate und Jahre nicht zum Erfolg, das Opfer blieb zunächst spurlos verschwunden.</p><p>Erst mit der Einsetzung einer neuen Staatsanwältin kamen weitere Ermittlungen in Gang. Im Jahr 1993 wurde gegen den Friedhofsgärtner Kurt-Werner Wichmann Anklage wegen Mordverdachts im Fall Birgit Meier erhoben. Täter und Opfer kannten sich flüchtig, u.a. durch eine gemeinsam besuchte Party. Bei der Hausdurchsuchung fanden die Ermittler*innen zahlreiche Waffen, Folterwerkzeuge und ein im Garten vergrabenes Auto, indem sich zwar Blutflecken, aber keine Leiche befanden. Der Täter war kurz vor der Durchsuchung geflohen, wurde aber kurze Zeit später bei Heilbronn gefasst und festgenommen. Er erhängte sich nach einigen Tagen in der U-Haft, ohne sich zuvor konkret zum Tatverdacht zu äußern.</p><p>Kurt-Werner Wichmann wurde bereits in der Jugend durch extreme Gewalttaten und Sadismus auffällig. Im Haus seiner Eltern bedrohte er eine Untermieterin mit einem Messer und versuchte sie zu erwürgen. 1968 wurde er dringend tatverdächtig, eine Radfahrerin hinterrücks erschossen zu haben. 1970 wurde er für die Vergewaltigung einer Anhalterin zu fünfeinhalb Jahren Jugendstrafe verurteilt. Bei der Hausdurchsuchung fanden sich in einem versteckten Raum neben Waffen auch rechtsextreme Bücher und Propaganda. Zudem hisste der Täter auf seinem Grundstück oftmals die Reichskriegsflagge.</p><p>Erst im September 2017 wird im ehemals vom Täter bewohnten Haus die Leiche von Birgit Meier entdeckt, da sich ihr Bruder, der ehemalige Leiter des Landeskriminalamts Hamburg, in seiner Freizeit mit anderen Helfer*innen weiter um die Aufklärung des Falls bemühte.</p><p>Kurt-Werner Wichmann ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch an anderen Morden beteiligt gewesen. Dies gilt vor allem für die sogenannten ›Göhrde Morde‹, zwei Doppelmorde im niedersächsischen Staatsforst Göhrde. Hier geht die Polizei allerdings davon aus, dass Wichmann einen Mittäter hatte.</p><p>Der Fall ist als Verdachtsfall aufgeführt, weil die Tatmotivation offenkundig zwar kein rechtes Motiv erkennen lässt, der Täter allerdings neben seinem gewalttätigen frauenfeindlichen Angriffen, ein auf den Nationalsozialismus basierendes abwertendes <a href="https://www.spiegel.de/panorama/justiz/lueneburg-mord-an-birgit-meier-lka-untersucht-%20217-gegenstaende-a-1230604.html">Menschenbild</a> verinnerlicht hatte.</p><p></p><hr/><p></p><h2><b>Beate Fischer</b></h2><p><b>Verstorben am 23. Juli 1994</b></p><p>Tatort: Berlin<br/>Status: 2018 offiziell anerkannt<br/> Motiv: Misogynie</p><p>Beate Fischer wurde von vier Neonazis misshandelt, vergewaltigt und erwürgt.</p><p>Die Frau, die im Alter von 32 Jahren starb, kam aus Berlin-Weißensee. Sie war Sexarbeiterin und hinterließ einen Ehemann und zwei Kinder im Alter von vier und sechs Jahren.</p><p>Beate Fischer traf am Abend der Tat am S-Bahnhof Lichtenberg auf die Täter und war ihnen zunächst freiwillig in die Wohnung von Heiko B., ebenfalls Neonazi und ein Bekannter der vier Täter, gefolgt. Nachdem es anfänglich vermutlich zu einvernehmlichem Geschlechtsverkehr kam, wurde das Opfer misshandelt. Beate Fischer wollte daraufhin gehen, wurde jedoch durch die Neonazis daran gehindert. Anschließend vergewaltigten sie die Sexarbeiterin mehrfach und strangulierten sie. Am nächsten Tag wurde ihr Leichnam zu den Mülltonnen in den Hof des Hauses gelegt.</p><p>Die besagte Wohnung war den Ermittler*innen als Neonazi-Treff bekannt, so dass <a href="https://rechtsaussen.berlin/2017/07/neonazimord-mit-frauenhass-als-motiv">Ermittlungen</a> in die rechte Szene unternommen wurden. Die Täter Oliver P. und Mirko D. gestanden später, an der <a href="http://berlin.niemandistvergessen.net/31/in-gedenken-an-beate-fischer-1994-von-neonazis-ermordet">Ermordung</a> von Beate Fischer beteiligt gewesen zu sein. Daraufhin wurde am 26. Juli 1994 auch der damals 22-jährige Matthias F. aus Reinickendorf festgenommen.</p><p>Das Landgericht Berlin verhängte eine lebenslange Haftstrafe für den Haupttäter und neun bzw. zehn Jahre Jugendstrafe für die Mittäter.</p><p></p><hr/><p></p><h2><b>Bianca B.</b></h2><p><b>Verstorben am 20. Februar 2008</b></p><p>Tatort: Leer, Niedersachsen<br/> Status: Nicht offiziell anerkannt<br/> Motiv: Misogynie</p><p>Bianca B. wurde von einem rechten Freund erwürgt und enthauptet. Kurz bevor er weitere geplante Morde durchführen konnte, tötete der Täter sich selbst.</p><p>Die Ermordete arbeitete als gelernte Arzthelferin und verstarb im Alter von 27 Jahren. Täter und Opfer kannten sich gut und hatten in der Vergangenheit eine sexuelle Beziehung. Offensichtlich strebte der Täter Matthias S. eine feste Bindung mit dem Opfer an, das aber nicht daran interessiert war. In den frühen Morgenstunden erwürgte der zweiunddreißigjährige Täter Matthias S. die siebenundzwanzigjährige Frau. Dann köpfte er die Leiche mit einer Machete und machte zahlreiche Fotos von der entkleideten Leiche. Anschließend setzte der Täter seine Wohnung in Brand und fuhr mit seinem Auto weg. Unterwegs wurde allerdings die Polizei auf das Auto aufmerksam. Matthias S. raste daraufhin mit seinem PKW in einen entgegenkommenden Laster. Er war augenblicklich tot und somit fanden keine weiteren Angriffe mehr statt. Im Autowrack fand die Polizei Waffen und den abgetrennten Kopf von Bianca B.</p><p>Wie genau der Täter weitere Morde geplant hatte, ließ sich seinem Abschiedsbrief entnehmen: »Die Leute, die ich umgebracht habe stellen für mich die Gesellschaft dar. (...) sie sind die Angehörigen derjenigen, die mich ungerecht behandelt haben.« Gemeint waren hier vermutlich staatlich Bedienstete und Sachbearbeiter*innen, da sich der Täter im Brief u.a. über ein Gerichtsurteil nach einem Verkehrsdelikt beklagte und darüber, dass ihm sein Arbeitslosengeld gekürzt worden war. Der Mörder war Fan von (rechter) Metalmusik und bekennender Antisemit. In seinem Abschiedsbrief hieß es unter anderem: »Ja, ich habe eine Einstellung, die man als ›rechts‹ bezeichnen kann.« Danach folgten Hetztiraden und die Anzweiflung des Holocaust.</p><p>Obwohl in vielen Medien die persönliche Komponente und der unerfüllte Beziehungswunsch in den Vordergrund gerückt wurde, war der geplante, aber glücklicherweise nicht erfolgte, Serienmord mit den Bekenntnissen eines gefestigten <a href="https://www.noz.de/deutschland-%20welt/vermischtes/artikel/274819/bluttat-in-leer-wirrer-abschiedsbrief-des-taters-im-internet">rechten</a> und antisemitischen Weltbildes <a href="https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/notizen-zum-mord/1173396.html">nicht</a> zu übersehen. Die Tat sollte daher nicht nur als Verdachtsfall betrachtet werden.</p><p></p><hr/><p>Die Illustrationen des Artikelbilds stammen von moteus.<br/><br/>Sehr guter weiterführender Rechercheartikel zum Thema: <a href="https://www.antifainfoblatt.de/artikel/extrem-rechter-frauenhass-und-neonazistische-gewalt">Extrem rechter Frauenhass und neonazistische Gewalt</a> von Heike Kleffner, erschienen 2014 im Antifa Infoblatt. <br/></p></div>
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