re:volt magazine Archivhttps://revoltmag.org/articles/?author=982020-03-29T11:53:03.177858+00:00Das „Hannibal“-Netzwerk – eine faschistische Geheimarmee?2019-12-20T13:37:34.597603+00:002019-12-20T13:42:34.083052+00:00Antifaschistische Aktion (Aufbau) Mannheim, Antifaschistische Aktion (Aufbau) Stuttgart, Antifaschistische Aktion (Aufbau) Tübingen, Antifaschistische Aktion Karlsruhe, Antifaschistische Aktion [o] Villingen-Schwenningen und Antifaschistischer Aufbau Münchenredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/das-hannibal-netzwerk-eine-faschistische-geheimarmee/
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<link href="/static/revoltmag/app.bc8423e0087c1cde5a69.css" rel="stylesheet"><meta name="apple-mobile-web-app-title" content="re:volt mag"><meta name="apple-mobile-web-app-capable" content="no"><meta name="apple-mobile-web-app-status-bar-style" content="black"><meta name="theme-color" content="#99020b"><link rel="apple-touch-icon" sizes="180x180" href="/static/revoltmag/icon_180x180.f95a8c6b74bb715d326c7790779a0330.png"><link rel="manifest" href="/static/revoltmag/manifest.307d5e0f476ef238b243c472abadb46c.json"><link rel="icon" sizes="180x180" href="/static/revoltmag/icon_180x180.f95a8c6b74bb715d326c7790779a0330.png"><script defer="defer" src="/static/revoltmag/app.bc8423e0087c1cde5a69.js"></script>
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<h1>Das „Hannibal“-Netzwerk – eine faschistische Geheimarmee?</h1>
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<div class="rich-text"><p><i>Heute ist die Broschüre „</i><a href="http://antifa-aufbau.org/2019/12/19/broschuere-staat-nazis-hand-in-hand/?fbclid=IwAR1dWxET9Iipo50oHOnSIDO6kfs0Pg4MkPfqSorH5ztJdH-dhjjulsIDhw8"><i>Staat und Nazis Hand in Hand? Einschätzung zur Aktualität der faschistischen Gefahr in Deutschland</i></a><i>“ erschienen, herausgegeben von einem Kollektiv antifaschistischer Gruppen.</i> <i> Beteiligt sind die</i> <a href="http://antifa-karlsruhe.org/"><i>Antifaschistische Aktion Karlsruhe</i></a><i>,</i><a href="http://antifa-aufbau.org/"><i>Antifaschistischer Aufbau München</i></a><i>,</i> <a href="http://antifa-stuttgart.org/"><i>Antifaschistische Aktion (Aufbau) Stuttgart</i></a><i>,</i><a href="http://antifaaufbautue.blogsport.de/"><i>Antifaschistische Aktion (Aufbau) Tübingen</i></a><i>,</i> <a href="http://antifaaufbauma.blogsport.de/"><i>Antifaschistische Aktion (Aufbau) Mannheim</i></a> <i>und</i><a href="http://antifavs.noblogs.org/"><i>Antifaschistische Aktion [o] Villingen-Schwenningen</i></a><i>. Im Folgenden unsere zweite Vorabveröffentlichung aus der Broschüre; für den Erwerb der Broschüre einfach bei den beteiligten Gruppierungen auf der Homepage schauen. Der folgende Artikel ist leicht redaktionell bearbeitet worden.</i></p><p></p><hr/><p></p><p>Im August 2017 und im April 2018 fanden mehrere Durchsuchungen in Mecklenburg-Vorpommern gegen die „Nordkreuz“-Struktur statt. <b>[1]</b> Öffentliche Aufmerksamkeit erlangten diese Fälle allerdings erst im Juni 2019, als die Bundesanwaltschaft ihre ersten Ergebnisse präsentierte und die Dimension der rechten Terrororganisation sichtbar wurde. „Nordkreuz“ rekrutiert sich hauptsächlich aus SoldatInnen und PolizistInnen, vorwiegend aus Spezialeinheiten. Sie verfügen mit „Süd-“ und „Westkreuz“ über bundesweite Strukturen. Offen auftretende FaschistInnen befinden sich nicht unter den Mitgliedern, wohl aber sind sie in der Szene gut vernetzt. Die Struktur legt großen Wert darauf, unter dem Radar zu bleiben. Für ihr Vorhaben ist das auch unumgänglich. Das „Kreuz“-Netzwerk – auch als „Hannibal-Netzwerk“ bekannt – wurde ins Leben gerufen, um bei einem Sturz der aktuellen Ordnung die linke Opposition zu liquidieren. Hierfür wurden Feindeslisten angelegt, mehrere zehntausend Schuss Munition gebunkert, Waffen beschafft und Passierscheine zum Überwinden von Straßensperren besorgt. Auf der Einkaufsliste standen zudem 200 Leichensäcke und Ätzkalk zur Desinfektion von Massengräbern.</p><h2><b>Das Erbe der Gladio</b></h2><p>Ihre Ziele und die Art der Organisation weist Ähnlichkeiten zu den <i>stay behind</i>-Strukturen, die während des Kalten Krieges aktiv waren, auf. Unter <i>stay behind</i>-Strukturen versteht man paramilitärische Verbände, die im Falle einer feindlichen Besetzung nachrichtendienstliche Aufklärung leisten und Sabotageakte gegen die Besatzungsmacht ausführen. Die NATO betrieb von 1947 bis 1991 nachweislich in mehreren europäischen Ländern solche Netzwerke. Anfänglich um im Falle eines sowjetischen Einmarsches hinter den feindlichen Linien kämpfen zu können. Rekrutiert wurden hierfür stramme AntikommunistInnen. Zu Beginn hauptsächlich ehemalige Mitglieder der Waffen-SS und Mussolini-FaschistInnen, später Mitglieder aus diversen neofaschistischen Strukturen. Für ihren ursprünglichen Zweck kamen die Geheimarmeen nie zum Einsatz, was aber nicht heißt, dass diese untätig geblieben wären. Anfang der 1970er Jahre begannen sie im Zuge der „Strategie der Spannung“ terroristische Anschläge zu verüben, welche sie der Linken anhängen wollten, um diese zu diskreditieren. Ihre Aktionen reichten von Sprühereien bis hin zu Bombenanschlägen und gezielten Morden an PolizistInnen. Am bekanntesten ist wohl der Bombenanschlag auf den Bahnhof von Bologna im August 1980 mit 85 Toten, wofür kurz danach die Roten Brigaden beschuldigt wurden. In den nachfolgenden Ermittlungen konnte aber nicht mehr verheimlicht werden, dass faschistische Todesschwadronen mit dem Namen „Gladio“, welche Teil der NATO-Geheimarmeen waren, hinter dem Anschlag steckten. Die italienische Regierung musst daraufhin deren Existenz offiziell einräumen.</p><h2><b>Sehnsucht nach Tag X</b></h2><p>In Deutschland wurden ab 1950 mit dem „Bund Deutscher Jugend“, dem „Technischen Dienst“ und dem „Schweigenetz“ geheime faschistische Verbände aufgebaut. Im Gegensatz zu Italien, Belgien und der Schweiz, in denen es nach dem Ende des Kalten Krieges Untersuchungsausschüsse zu den Geheimarmeen gab, wurde in Deutschland der gesamte Komplex unter den Teppich gekehrt. Mit dem Ende des Systemkonflikts wurden solche <i>stay-behind</i>-Strukturen überflüssig. Bei den heutigen Netzwerken handelt es sich also um ein anderes Phänomen. Auch ohne Kalten Krieg hat der Staat ein Interesse daran, sich ein gut organisiertes, ideologisch gefestigtes, und verlässliches paramilitärisches Potenzial zu erhalten. Über das Maß an Eigenständigkeit des „Hannibal“-Netzwerks und über die Beteiligung von Geheimdiensten kann zwar nur spekuliert werden, dass sich solche Netzwerke völlig ohne Wissen der Geheimdienste bilden können, ist aber zu bezweifeln.</p><p>Aufgeflogen ist das „Kreuz-Netzwerk“ wohl, weil einigen Mitgliedern der „Tag X“ noch in zu weiter Ferne lag und sie deshalb versuchten, diesen selbst herbei zu führen. Auch der Soldat Franco Albrecht war wohl Teil des Netzwerks. Er versuchte sich als Geflüchteter auszugeben, um anschließend Anschläge zu verüben und dadurch den „Tag X“ auszulösen. Auf seiner Todesliste standen neben antifaschistischen AktivistInnen und dem Zentralrat der JüdInnen auch der damalige Bundespräsident Joachim Gauck und der damalige Justizminister Heiko Maas. Auch die Pläne einiger weiterer Mitglieder der Struktur sollen schon sehr konkret gewesen sein. Die Behörden stoppten die putschistischen RechtsterroristInnen kurz vor der Durchführung ihrer Aktionen. Harte Strafen gab es aber in keinem Fall.</p><p>Zerschlagen wurde das „Hannibal“-Netzwerk auch nicht. Lediglich die Munitionsvorräte und die nicht registrierten Schusswaffen wurden beschlagnahmt. Hierfür werden einige Mitglieder des Netzwerks wohl auch angeklagt. Der Großteil der Organisation bleibt aber unangetastet. Auch bei Franco Albrecht und seinen UnterstützerInnen, bei denen bereits ausgearbeitete Anschlagspläne, Schusswaffen, Munition und Zünder gefunden wurden, ließ das Oberlandesgericht Frankfurt das Verfahren einstellen, noch bevor überhaupt Anklage erhoben wurde. Der Fall liegt allerdings noch beim Bundesgerichtshof.</p><p></p><hr/><p></p><h3><b>Anmerkungen:</b></h3><p><b>[1]</b> Das Beitragsbild zeigt einen Polizisten, der mit dem Abzeichen von Uniter e.V. posiert. Der Verein dient zur Vernetzung von SoldatInnen und PolizistInnen, meist aus Spezialeinheiten, taucht aber vor allem in Verbindung mit rechten Umtrieben bei Polizei und Bundeswehr auf. So gilt einer der Vereinsgründer, André S. alias „Hannibal“, als Gründer des „Kreuz (Hannibal)“-Netzwerks. Deren Mitglieder wiederum sind zum größten Teil Vereinsmitglieder von Uniter e.V. Auch der Verfassungsschutz hat seit der Gründung des Vereins seine Finger mit im Spiel.</p></div>
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<h2>Lizenzhinweise</h2>
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Der Tanz mit dem Faschismus2019-12-19T21:14:34.477824+00:002020-03-29T11:53:03.177858+00:00Antifaschistische Aktion (Aufbau) Mannheim, Antifaschistische Aktion (Aufbau) Stuttgart, Antifaschistische Aktion (Aufbau) Tübingen, Antifaschistische Aktion Karlsruhe, Antifaschistische Aktion [o] Villingen-Schwenningen und Antifaschistischer Aufbau Münchenredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/der-tanz-mit-dem-faschismus/
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<div class="rich-text"><p><i>Morgen erscheint die Broschüre „Staat und Nazis Hand in Hand? Einschätzung zur Aktualität der faschistischen Gefahr in Deutschland“, herausgegeben von einem Kollektiv antifaschistischer Gruppen. Beteiligt sind die</i> <a href="http://antifa-karlsruhe.org/"><i>Antifaschistische Aktion Karlsruhe</i></a><i>,</i> <a href="http://antifa-aufbau.org/"><i>Antifaschistischer Aufbau München</i></a><i>,</i> <a href="http://antifa-stuttgart.org/"><i>Antifaschistische Aktion (Aufbau) Stuttgart</i></a><i>,</i> <a href="http://antifaaufbautue.blogsport.de/"><i>Antifaschistische Aktion (Aufbau) Tübingen</i></a><i>,</i> <a href="http://antifaaufbauma.blogsport.de/"><i>Antifaschistische Aktion (Aufbau) Mannheim</i></a><i> und</i> <a href="http://antifavs.noblogs.org/"><i>Antifaschistische Aktion [o] Villingen-Schwenningen</i></a><i>. Wir veröffentlichen heute und morgen vorab Artikel aus der Broschüre; für den Erwerb der Broschüre einfach bei den beteiligten Gruppierungen auf der Homepage schauen. Der folgende Artikel ist leicht gekürzt und redaktionell bearbeitet worden.</i></p><p></p><hr/><p></p><p>Seit der letzten großen Wirtschaftskrise vollzieht sich in vielen Ländern der Welt ein Rechtsruck. Im Windschatten dieser Entwicklung konnte auch die militante Rechte erstarken. In Deutschland äußert sich diese Entwicklung beispielsweise in den unzähligen Angriffen auf Geflüchtete und deren Unterkünfte. Zwar erübrigte sich deren Zweck mit dem Schließen der europäischen Außengrenzen und ihre Zahl nahm wieder ab, doch die BrandstifterInnen sind immer noch da.<b> [1]</b></p><p>Weniger offensichtlich bildeten sich mit dem Aufschwung der rechten Bewegung immer mehr bewaffnete faschistische Gruppen. Wie viele es mittlerweile sind, kann wohl außer dem Verfassungsschutz niemand sagen. Doch die Anzahl der Gruppierungen, welche in den letzten zwei Jahren aufgedeckt wurden, gibt zumindest einen verschwommenen Einblick. Der Mord an Walter Lübcke<b> [2]</b> und die Aufdeckung der Organisation „Nordkreuz“ <b>[3]</b> dürften den meisten noch am besten im Gedächtnis sein. Aber auch das Waffenlager in Hannover<b> [4]</b>, der geplante Aufstand der Gruppe „Revolution Chemnitz“ <b>[5]</b> oder die Gruppe „Nordadler“ <b>[6]</b> sind ebenfalls Beispiele dieser Entwicklung.</p><p>Um die eigentliche Frage zu beantworten, muss allerdings auch ein Blick auf die gesamtgesellschaftliche Entwicklung geworfen werden. Die letzte große Wirtschaftskrise im Jahr 2007 brachte die kapitalistische Akkumulation weltweit ins Wanken. Im Vergleich zu den südeuropäischen Ländern waren die Auswirkungen der Krise in Deutschland verhältnismäßig gering. In den südeuropäischen Ländern formierte sich ein massiver Widerstand innerhalb der Bevölkerung. Und auch wenn in diesem Fall alles wieder in systemkonforme Bahnen gelenkt worden konnte, zeigte die kämpferische Bewegung in Griechenland, wie schnell sich in Krisenzeiten Dynamiken entwickeln können.</p><p>Die Methoden zur Krisenbewältigung, welche den Laden beim letzten Mal gerade noch zusammen gehalten hatten, sind für die nächste Krise keine Option mehr. Die Auswirkungen der Krise wurden vor allem auf der Grundlage einer massiven Ausweitung der öffentlichen Verschuldung bekämpft. Die Zentralbanken setzten den Leitzins auf Null und kauften Staatsanleihen im Wert von mehreren Billionen Euro. Das Zinsniveau ist immer noch auf einem historischen Tief und die Staatsverschuldungen sind hoch. Damit verengen sich die ökonomischen Spielräume für die Lösung der nächsten zu erwartenden Krise. Darüber hinaus ist die Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa immer noch exorbitant hoch und viele Länder wie zum Beispiel Frankreich befinden sich in tiefen politischen Krisen.</p><p>Der nächste Crash wird kommen und er wird auch in Deutschland einschlagen. Durch die starke Exportorientierung ist das deutsche Kapital besonders abhängig von der Lage der Weltwirtschaft. Und so werden bereits jetzt Vorbereitungen für die nächste Krise getroffen. Durch die neuen Polizeiaufgabengesetze (PAG) werden die Befugnisse der Sicherheitsbehörden erweitert und der Überwachungsstaat ausgebaut. Auch die Umgehung demokratischer Mitbestimmung mittels der EU und die Einschränkung des Streikrechts zeigen, dass die herrschende Klasse auf den autoritären Staat setzt, um auch die nächste Krise zu überstehen.</p><h2><b>Der diskrete Charme des Faschismus</b></h2><p>Doch warum arbeitet die Bourgeoisie nicht gleich auf den Aufbau einer faschistischen Diktatur hin? Die Interessen des Kapitals gegen revoltierende Lohnabhängige lassen sich in der Krise doch wohl kaum besser durchsetzen als durch fanatische FaschistInnen. Doch genau darin liegt auch das Risiko für die Bourgeoisie. Sie muss hierbei einen Teil ihrer Macht an die FaschistInnen abgeben. Und dies ist für sie mit einigen Risiken verbunden.</p><p>Solange es den gemeinsamen Gegner – die organisierte ArbeiterInnenbewegung – gibt, können Widersprüche innerhalb der faschistischen Bewegung oder zwischen Kapital und faschistischer Bewegung überdeckt werden. Doch auch historisch war die erste Zeit nach der kompletten Zerschlagung der Arbeiterbewegung (ab Mitte 1933) in Deutschland durch Richtungskämpfe innerhalb der NSDAP-Elite geprägt. Die Politik der FaschistInnen war in weiten Teilen deckungsgleich mit den Interessen des Kapitals, trotzdem kam es immer wieder zu Konflikten. Sollten diese einmal zu groß werden, lässt sich eine parlamentarische Regierung letztlich deutlich leichter absetzen als eine faschistische Diktatur. Und die FaschistInnen sind keineswegs bloße BefehlsempfängerInnen der herrschenden Klasse. Vereinfacht gesagt kann ihre Politik auch im Chaos und in der totalen Niederlage enden. Der unglaubliche Aufwand mit welchem die physische Vernichtung der JüdInnen betrieben wurde, war nicht unbedingt im Sinne der herrschenden Klasse. Im Gegenteil: Die Fokussierung der faschistischen Führung auf ihren antisemitischen Wahn mitten im zweiten Weltkrieg trieben Teile der herrschenden Klasse in eine oppositionelle Haltung zum NS-Regime, die bis hin zur Vorbereitung zum Tyrannenmord reichte.</p><p>Mögen die Gewinnaussichten noch so traumhaft sein, wenn die Überreste des Sozialstaats und der Gewerkschaften beseitigt sind, ist die herrschende Klasse langfristig doch darauf angewiesen, auf ein stabiles politisches System bauen zu können. Aus diesem Grund ist der Faschismus für die Bourgeoisie immer der letzte Notnagel in einer ansonsten ausweglosen Situation. Solange weniger risikoreiche Herrschaftsmöglichkeiten eine Option sind, wird sie auch auf diese setzen.</p><p>Für die heutige Lage schließen wir daraus, dass der bürgerliche Parlamentarismus mit seinen Volksparteien zwar angezählt sein mag, aber immer noch funktioniert. Offensichtlich arbeitnehmerInnenfeindliche Politik wie die Hartz-Reformen oder die oben aufgezählten Entwicklungen lassen sich ohne großen Widerstand durchsetzen. Die faschistische Bewegung wird deshalb nur von kleinen Teilen des Kapitals unterstützt. Konsequent bekämpft wird sie natürlich nicht, weil die grundlegenden Pfeiler des Kapitalismus durch die FaschistInnen niemals angetastet werden.</p><h2><b>Schön bei der Leine halten – noch</b></h2><p>Auf der Agenda der FaschistInnen steht zurzeit vor allem eins: Rache an den „Schuldigen“ der „Flüchtlingskrise“. In ihrem Weltbild kommen Geflüchtete nicht nach Europa, weil sie vor Krieg, Hunger und Armut flüchten, sondern aufgrund eines angeblichen Plans zum großen „Bevölkerungstausch“. Demnach würden die Eliten der bürgerlichen Politik daran arbeiten, durch gezielte Zuwanderung die europäischen Völker unter Druck zu setzen, um willige ArbeitssklavInnen zu erhalten. Der Linken wird vorgeworfen die passende Hegemonie dazu herzustellen. Und so stehen neben Linken eben auch eine ganze Reihe bürgerlicher PolitikerInnen auf den Todeslisten der Nazis. Der Mord an Walter Lübcke und die Mordversuche an Andreas Hollstein <b>[7]</b> und Henriette Reker <b>[8]</b> zeigen diese Tendenz des Rechtsterrorismus. Die Verselbständigung der faschistischen Ideologie wird hier deutlich. Denn zumindest solange die bürgerliche Demokratie noch im Sinne der Herrschenden funktioniert, hat das Kapital kein Interesse an Angriffen auf politische MandatsträgerInnen. Aus diesem Grund werden die putschistischen Kräfte innerhalb der militanten Rechten eingebremst.</p><p>Mehr wird im staatlichen Kampf gegen rechten Terror aber auch nicht passieren. Solange FaschistInnen ihre Angriffe auf Linke und vermeintliche AusländerInnen beschränken, bleibt die Praxis von Polizei und Verfassungsschutz die gleiche wie schon vor der Selbstenttarnung des NSU. Die unzähligen ungeklärten Angriffe auf Geflüchtetenunterkünfte und linke Hausprojekte, sowie Übergriffe auf MigrantInnen sprechen für sich.</p><p>Ein Beispiel hierfür ist die Gruppe „Revolution Chemnitz“. Die Mitglieder waren schon jahrelang in verschiedenen rechtsradikalen Strukturen in Sachsen aktiv. Mindestens vier hatten bereits in der Gruppe „Sturm 34“ Erfahrung in Hetzjagden, Waffenbeschaffung und dem Aufbau terroristischer Organisationen gesammelt. Die Gruppe wurde 2006 unter Beteiligung eines Geheimdienstspitzels gegründet und wütete zwei Jahre lang in Sachsen. Obwohl mehrere Opfer lebensgefährliche Verletzungen davon trugen, musste niemand mit schweren Strafen rechnen. Christian Keilberg, der sowohl bei „Sturm 34“, als auch später bei „Revolution Chemnitz“ Führungsrollen übernahm, hatte seit 2006 zudem regelmäßig Kontakt zum Verfassungsschutz. Auch als „Revolution Chemnitz“ konnte die Gruppe unbehelligt Menschenjagden auf MigrantInnen veranstalten. Sie beteiligten sich unter anderem an den Ausschreitungen in Chemnitz im August 2018 und patrouillierten als „Bürgerwehr“ durch die Stadt. Erst aber, als sie mit konkreten Vorbereitungen für einen Putsch begannen, wurden sie von den Behörden als ernstzunehmende Bedrohung wahrgenommen. Im Oktober 2018 wurde die Gruppe schließlich verhaftet. Diesmal waren aber nicht MigrantInnen das Ziel, sondern die Feierlichkeiten zur Wiedervereinigung in Berlin. Die FaschistInnen hofften durch den Terroranschlag einen Bürgerkrieg auszulösen und infolgedessen die Regierung zu stürzen.</p><p>Natürlich bekommen Polizei, Geheimdienst und Staatsanwaltschaften keine Anweisungen des Kapitals, ob und wann sie eine faschistische Terrorgruppe hochnehmen sollen. Dass die Polizeibehörden aber auf dem rechten Auge blind sind, ist kein Zufall. Zum einen legt das die Geschichte dieser Behörden nahe. Das Bundeskriminalamt (BKA) wies bei seiner Gründung genauso wie die Justiz oder der Verfassungsschutz eine große personelle und strukturelle Kontinuität zur Zeit des Faschismus auf. Aufgebaut wurde es von ehemaligen SS-Angehörigen. Diese Leute wurden in erster Linie für diese Aufgaben ausgewählt, weil sie stramme AntikommunistInnen waren und sind. Und zum anderen ist das aber auch die logische Folge einer ihrer grundlegenden Aufgaben innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft, dem Schutz der herrschenden Eigentumsverhältnisse.</p><p>Der Umgang des Staates mit faschistischen Strukturen hängt aber noch von mehreren Faktoren ab. Wie gut ist die Organisation mit Spitzeln durchsetzt? Hat sie internationale Kontakte? Welche Aktionen plant sie im Einzelnen und wie konkret sind ihre Pläne? Für uns ist wichtig festzuhalten, dass dieser Staat niemals grundsätzlich gegen die faschistische Bewegung vorgehen wird. Einzelne Verhaftungen oder Verbote ändern daran nichts.</p><p></p><hr/><h3><b>Anmerkungen:</b></h3><p><b>[1]</b> Die Angriffe auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte stiegen ab 2015 stark an. Für 2016 verzeichnet die gemeinsame Chronik der Amadeu Antonio Stiftung und Pro Asyl einen Höchstwert von 3.768 Angriffen. Danach sank die Zahl wieder von 2.285 in 2017 auf 1.434 in 2018. Für 2019 sind zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Textes 37 Übergriffe dokumentiert. Die Dunkelziffer liegt vermutlich für alle Jahre deutlich über den angegebenen Zahlen.</p><p><b>[2]</b> Walter Lübcke war ein hessischer CDU-Politiker und bis zu seinem Tod Regierungspräsident im Regierungsbezirk Kassel. Durch Aussagen gegen Pegida-Anhänger erlangte er größere Bekanntheit. Am 02. Juni 2019 wurde er mutmaßlich durch den Faschisten Stephan Ernst getötet.</p><p><b>[3]</b> Nordkreuz war zusammen mit Südkreuz und Westkreuz Teil des faschistischen Hannibal-Netzwerks. Im Rahmen der Ermittlungen gegen den faschistischen Oberleutnant der Bundeswehr Franco Albrecht im Sommer 2017 wurde die Struktur aufgedeckt.</p><p><b>[4]</b> Im April 2019 wurden bei einem Faschisten in Hannover 51 Waffen, Munition, rund 100.000€ Bargeld sowie Nazi-Orden gefunden.</p><p><b>[5]</b> Die faschistische Gruppe „Revolution Chemnitz“ wurde im Herbst 2018 festgenommen, nachdem bekannt geworden war, dass sie sich um halbautomatische Schusswaffen bemüht hatten. Sie waren schon in der Vergangenheit an faschistischen Attacken beteiligt und sollen für den 03. Oktober einen Angriff auf die „Einheitsfeierlichkeiten“ geplant haben.</p><p><b>[6]</b> Bei der Gruppe „Nordadler“ fanden im April 2018 Hausdurchsuchungen statt. Sie hatten Listen mit persönlichen Daten von AntifaschistInnen sowie PolitikerInnen angelegt und sich in Chats über Waffen und mögliche Anschlagsziele ausgetauscht.</p><p><b>[7]</b> Andreas Hollstein ist Mitglied der CDU und Bürgermeister der westfälischen Stadt Altena. Am 27. November 2017 stach ihm ein Mann mit einem Messer in den Hals und verletzte in gefährlich. Sein Motiv war die Politik gegenüber Geflüchteten des CDU-Mannes. Sie war ihm zu „liberal“.</p><p><b>[8]</b> Henriette Reker ist parteilose Oberbürgermeisterin von Köln. Am Tag vor ihrer Wahl wurde sie bei einem Wahlkampftermin mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt. Auch hier wurde die Politik gegenüber Geflüchteten als Motiv angegeben. Der Täter war ein früheres Mitglied der ehemaligen faschistischen Partei FAP.</p></div>
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