re:volt magazine Archivhttps://revoltmag.org/articles/?author=202018-05-04T19:00:18.308803+00:00Ohne den Staat: Kolumbianische Bauern beseitigen Koka-Pflanzungen2018-05-04T18:47:06.254317+00:002018-05-04T19:00:18.308803+00:00Christopher Altgeldredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/ohne-den-staat-kolumbianische-bauern-beseitigen-koka-pflanzungen/
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<h1>Ohne den Staat: Kolumbianische Bauern beseitigen Koka-Pflanzungen</h1>
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<span class="content-copyright">Omar Uran</span>
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<div class="rich-text"><h3>Die Beseitigung des Kokas in Arauca war das Werk der Bauern</h3>Das Departamento Arauca – im Osten Kolumbiens – wurde am 22. März 2018 zum Territorium ohne illegale Pflanzungen erklärt. Dies wurde unter Beteiligung der sozialen und populären Organisationen, der UNO, der staatlichen Agentur für die Substitution illegaler Pflanzungen und dem Minister für Post-Konflikt in der Gemeinde Arauquita verkündet.<br/>Was diese Erklärung auszeichnet, ist, dass das Erreichte dem Widerstand, der Mobilisierung und Organisation der Bäuerinnen und Bauern in Arauca zu verdanken ist. Diese haben trotz jahrelanger staatlicher Vernachlässigung und Gewalt kollektive ökonomische Alternativen für das Leben entwickelt – wie zum Beispiel den Anbau von Lebensmitteln für den Konsum in der Region und im Land.<br/><br/>Carlos Núñez, Landarbeiter und Aktivist des linken KleinbäuerInnenverbandes Asociación Nacional Campesina José Antonio Galán Zorro (ASONALCA), welcher Teil des nationalen KleinbäuerInnennverbundes Coordinador Nacional Agrario (CNA) ist, berichtet uns über diese Erfahrung:<br/><h3>Wie war die Situation in Arauca, als noch Koka angebaut wurde?</h3>Dieses Territorium wurde in den 1950er und 1960er Jahre, als Folge des konservativ-liberalen Krieges, den der Staat gegen die Bauernschaft führte, kolonisiert. Mit dem Wachstum der Bevölkerung in Arauca wuchsen auch die Bedürfnisse, die der Staat unbefriedigt ließ. 1970 begann der Anbau von Koka und Marihuana, was die Entstehung einer Mafiakultur des Trinkens und der Prostitution und einen Rückgang der Lebensmittelproduktion zur Folge hatte. Außerdem hörten die sozialen Organisationen auf vom Staat Respekt für die Rechte der Gemeinschaften zu fordern. Gleichzeitig mit dem Ausbreitung dieser Pflanzungen nahmen staatliche Repression und Verfolgung zu.<br/><br/>Im Jahr 2002 erklärte das Regime von Uribe Arauca zur Zone der Konsolidisierung und Sanierung, was die Form einer extremen Repression gegen die Bauernschaft annahm. Soziale AktivistInnen wurden rechtlich verfolgt, Bäuerinnen und Bauern ermordet und die Ausrottung der Pflanzungen wurde als Waffe zur Vertreibung derjenigen eingesetzt, die auf ihren Grundstücken über Koka-Pflanzung verfügten. All dies half den Bäuerinnen und Bauern die Entscheidung zu treffen, Koka durch Lebensmittel zu ersetzen.<br/><br/>Zwischen 2007 und 2009 beseitigte die araucanische Bauernschaft die Koka-Pflanzungen in den Gemeinden Saravena, Fortul, Arauquita und Tame, und damit 80 Prozent der gesamten Anbaufläche. In Arauca gab es damals ungefähr 5.000 Hektar Koka, die zum Ziel der bäuerlichen Beseitigung wurden (Offizielle Stellen sprachen damals nur von 2.000 Hektar).<br/><h3>Wie funktionierte der gemeinschaftliche Prozess der Beseitigung und Ersetzung der Kokapflanzen durch Lebensmittel-Produktion?</h3>Die Leute hatten Angst die Pflanzen zu roden, weil sie sagten, dass sie dann an Hunger sterben würden. Diese Pflanze brachte die Rückständigkeit nach Arauca, da sie keine große Infrastruktur benötigt. So kann beispielsweise das Benzin, das für die Kokaproduktion benötigt wird, zu Pferd transportiert werden, ohne dass Straßen oder Produktionsgarantien des Staates erforderlich sind. Als die Gemeinschaften von Arauca die Entscheidung zur Beseitigung des Kokas trafen, starb niemand an Hunger – es ging soweit, dass sie die Existenz der Pflanze vergaßen. Heutzutage sind die Lebensbedingungen, die Produktion, die Forschung und Technologie sowie die Organisation der Bäuerinnen und Bauern besser.<br/><br/>Jetzt gibt es eine stabile Ökonomie mit besseren Lebensbedingungen, weil die Rückständigkeit, die das Koka einem auferlegt, hinter sich gelassen wurde. Es wurden Gremien für Kochbananen, Yuca, Cacao, Fleischwirtschaft, Milchproduktion, usw. organisiert und Vertriebswege für diese Lebensmittel im Land eingerichtet.<br/><h3>Wie hat der Staat auf diesen Prozess reagiert?</h3>Die Regierung redet viel über Anti-Drogen-Politik, aber dem Staat nützt es dass die Koka-Pflanzungen existieren. Sie sind notwendig, um die Aufrechterhaltung des Militärapparats zu rechtfertigen, der dafür da ist den Krieg gegen die Bevölkerung zu führen. Das Koka ist ein vorgeschobener Grund, der die Menschen ablenken soll und dabei hilft die staatliche Repression aufrechtzuerhalten. Als das Koka von der Bauernschaft beseitigt wurde, hat der Staat das weder anerkannt, noch hat er den Gemeinschaften geholfen. Die Leute gingen zur Antidrogenpolizei und zum Verteidigungsministerium, um sich ein Zertifikat für die Beseitigung geben zu lassen, welches das Establishment ihnen aber nie lieferte. <br/><br/>Die Gefahr die vom Koka ausging war eine Politik der Vertreibung der Bäuerinnen und Bauern Araucas durch die Regierung. Durch Paramilitarismus, die rechtliche Verfolgung und Verurteilung von sozialen AktivistInnen, die Besprühung von Pflanzungen und den Entzug des Eigentums wollte sie uns von unserem Territorium entfernen, weil es dort natürliche Ressourcen wie Erdöl gab.<br/><h3>Was sind die Vor- und Nachteile der Beseitigung von Koka?</h3>Der Vorteil ist, dass das Territorium die Rolle der Nahrungsmittelproduktion, der Verbesserung der Wirtschaft, der Schaffung eines sozialen Raumes sowie des Schutzes der Umwelt übernimmt. Die Bauernschaft übernimmt die Aufgabe der Erhaltung und des Schutzes des Territoriums, lässt die Mafiakultur hinter sich und bewegt sich in Richtung einer gerechteren und kritischeren Gesellschaft, die Wissenschaft, Technik und Technologie im Territorium entwickelt. <br/><br/>Die Bäuerinnen und Bauern, die Koka anbauen, bleiben in der Rückständigkeit und werden stigmatisiert. Die Droge, die aus den Koka-Pflanzen hergestellt wird, gefährdet junge Menschen und andere, die sie konsumieren. So passiert es zum Beispiel den Kindern der Bäuerinnen und Bauern, die zur Universität gehen und dort aus irgendwelchen Gründen die Drogen kennen lernen, die aus dem Prozess des Koka-Anbaus stammen. Das ist eines von vielen Beispielen für die Folgen des Anbaus dieser Pflanze. <br/><br/>Ein weiterer Vorteil der Beseitigung des Kokas ist das Verschwinden von Faktoren die mit dieser Pflanze einhergehen – wie der Gewalt, dem sozialen Zerfall, der Desorganisierung, der Verschmutzung der Natur und der Vernachlässigung des Schulbesuchs. Es ist vorteilhaft für das Leben, das Territorium und die bäuerliche Kultur, und stärkt die Forderung nach Rechten für die KleinbäuerInnen gegenüber dem Staat. Wir sind in der Pflicht einen Vorschlag zu einer Transformation zu machen, um das Koka hinter uns zu lassen und einen neuen Mann und eine neue Frau zu schaffen.<br/><h3>Was schlagt ihr den Gemeinschaften vor, die das Koka noch nicht aus ihren Territorien beseitigt haben?</h3>Für diese Gemeinschaften braucht es einen nationalen Plan, der vom Staat Garantien zur Erzeugung von Nahrungsmitteln einfordert und uns in eine nationale und internationale Agrarmacht verwandelt. Wie sollten eine Bestandsaufnahme des Binnenverbrauchs vornehmen, um zu wissen was wir im Inland produzieren können und was wir exportieren können, damit Kolumbien eine Macht der Nahrungsmittelversorgung wird, statt eine Macht des Krieges zu sein. Unser Ziel ist es unsere natürlichen Reichtümer für eine gesunde Produktion für die Welt zu nutzen; die Schaffung einer zukunftsfähigen und nachhaltigen Wirtschaft auf Grundlage der organisierten Arbeit der Bauern und Bäuerinnen.<br/><p><br/></p><hr/><b>Übersetzung: Christopher Altgeld</b><br/>Erschienen ist das <a href="https://www.periferiaprensa.com/index.php/component/k2/item/2028-la-erradicacion-de-la-coca-en-arauca-la-hicieron-los-campesinos">Interview am 09/04/2018 auf Periferia</a>. Als Autor wird die Secretaría de Comunicación y Formación del CNA (KleinbäuerInnenverband) angegeben.<br/><p><br/></p></div>
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</article>
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Kampf um Boden und indigene Autonomie2018-03-26T16:09:58.803422+00:002018-03-28T16:42:46.717151+00:00Christopher Altgeldredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/kampf-um-boden-und-indigene-autonomie/
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<h1>Kampf um Boden und indigene Autonomie</h1>
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<span class="content-copyright">geya garcia</span>
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</div>
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<div class="rich-text"><h3><b>Vorwort
des Übersetzers</b></h3>
<p>Der
folgende
Artikel handelt von den aktuellen Kämpfen Indigener gegen
kapitalistische Landnahme im
südkolumbianischen
Departamento
Cauca.
Er vergleicht diese
mit den Kämpfen der Maschinenstürmer*innen zu Beginn der
Industrialisierung in Großbritannien. Der Artikel wurde
<a href="http://www.cric-colombia.org/portal/tierra-cultura-autonomia-indigena-posible-revertir-capitalismo">auf</a><a href="http://www.cric-colombia.org/portal/tierra-cultura-autonomia-indigena-posible-revertir-capitalismo">
Spanisch auf der Internetseite </a><a href="http://www.cric-colombia.org/portal/tierra-cultura-autonomia-indigena-posible-revertir-capitalismo">des</a><a href="http://www.cric-colombia.org/portal/tierra-cultura-autonomia-indigena-posible-revertir-capitalismo">
</a><a href="http://www.cric-colombia.org/portal/tierra-cultura-autonomia-indigena-posible-revertir-capitalismo">Regionalrats
der Indigenen im</a><a href="http://www.cric-colombia.org/portal/tierra-cultura-autonomia-indigena-posible-revertir-capitalismo">
</a><a href="http://www.cric-colombia.org/portal/tierra-cultura-autonomia-indigena-posible-revertir-capitalismo">Cauca
(</a><a href="http://www.cric-colombia.org/portal/tierra-cultura-autonomia-indigena-posible-revertir-capitalismo">CRIC)</a>
veröffentlicht. Verfasst
wurde er vom kolumbianischen Kollektiv ,,Centro de Comunicación y
Educación Popular'' (Zentrum
der populären Kommunikation und Bildung).
Ausschlaggebend für die
Auswahl des Artikels war, dass er
die indigene Bewegung
Kolumbiens
in eine lateinamerikanische und globale Perspektive einordnet. Er
knüpft an Diskurse an, die nicht zuletzt durch die
Veröffentlichungen David Harveys
[1] und Silvia Federicis [2]
auch im deutschsprachigen Raum wieder
vermehrt geführt
werden (vgl.
u.a. Klaus Dörre
[3]).
Namentlich geht es um den
von Karl Marx
beschriebenen
Prozess der sogenannten
"ursprünglichen
Akkumulation" des
Kapitals. Dieser
beschreibt die gewaltsame Durchsetzung
kapitalistischer Produktionsformen
gegen die Bevölkerung,
wie sie
für die
Entstehungszeit des Kapitalismus in
Europa charakteristisch war.
Anders als es der
Begriff nahelegt, handelt es sich dabei jedoch nicht um ein
historisch abgeschlossenes
Phänomen. Enteignung und
Landnahme sind bis heute wichtige Motoren der Kapitalakkumulation.
Lange Zeit fanden diese Prozesse vorwiegend außerhalb der
kapitalistischen Zentren, in der sogenannten ,,Dritten
Welt'' statt, wo sie einfacher durchzusetzen waren. Spätestens
seit der Wirtschaftskrise
ab dem Jahre 2008
sind sie aber auch in
Europa und den USA wieder
häufiger zu
beobachten [4].</p>
<p>
Um
den folgenden Artikel auch im deutschsprachigen Kontext verständlich
zu machen, ist
eine kurze Darstellung
der Geschichte
des Kampfes der
Indigenen im Cauca nützlich:
</p><p>
Das
Departamento Cauca
im Südwesten Kolumbiens ist die Region mit der
zweitgrößten
indigenen Population in Kolumbien –
hier
leben rund
250.000
Menschen, die sich als
Indigene verstehen [5].
Auf Grundlage der kolumbianischen Gesetzgebung
von 1890 und der Verfassungen
von 1991, die den indigenen
Gemeinschaften
weitreichende Rechte bei
der
territorialen, politischen und juristischen Selbstbestimmung
zuspricht,
existieren im
Cauca 84
indigene Reservate, mit einer Gesamtfläche von 5.312
Quadratkilometern.
Die
mit
Abstand größte
indigene Gruppe im
Cauca sind
die
Nasa, auch
Paez
genannt,
mit
über
160.000
Angehörigen.
</p><p>
Die Vertreibung der Indigenen
im Cauca von ihrem kollektiven Land – und der Widerstand dagegen –
reicht zurück bis in die Zeiten der spanischen Invasion im 16. und
17. Jahrhundert. Insbesondere gegen Ende des 19. und zu Beginn des
20. Jahrhunderts eigneten sich Großgrundbesitzer, wie die Mosquera,
Zambrano, Valencia und Arboleda mit illegalen Mitteln und Gewalt
große Gebiete des indigenen Territoriums im Cauca an. Eine weitere
große Enteignungswelle folgte Mitte des 20. Jahrhunderts während
des kolumbianischen Bürgerkriegs, der sogenannten "La
Violencia" (Die Gewalt), sowie in den 1960er Jahren durch die
gestiegene Nachfrage nach kolumbianischem Zuckerrohr, das wegen der
Blockadepolitik der USA nicht mehr aus Kuba bezogen werden konnte.
[6] In den 1970er Jahren verweigerten sich die Indigenen im Cauca der
kolumbianischen Agrarreform. Im Zuge dieses Kampfes gründete sich
1971 der Regionalrat der Indigenen im Cauca (CRIC), der seitdem die
Wiederaneignung der indigenen Territorien auf die Agenda gesetzt hat.
</p><p>
Als Antwort auf Angriffe des
kolumbianischen Militärs und die Morde paramilitärischer Gruppen an
indigenen Aktivist*innen im Norden des Cauca, gründete sich dort in
den 1970er Jahre mit dem ,,Movimiento Armado Quintín Lame''
(Bewaffnete Bewegung Quintin Lame) eine indigene Guerilla.[7] Ende
der 1980er Jahre entschloss sie sich im Zuge eines Friedensprozesses
mit dem kolumbianischen Staat, gemeinsam mit anderen
Guerillaorganisationen, die Waffen niederzulegen. Politische
Bedingung für ihre Demobilisierung war die Beteiligung an einem
verfassungsgebenden Prozess, in dessen Zuge weitreichende
Autonomierechte für indigene Gruppen in der kolumbianischen
Verfassung festgeschrieben werden konnten, die heute ein wichtiges
Instrument im indigenen Kampf darstellen.<br/></p><p>Eine Verschärfung des
indigenen Kampfes kündigte sich im Jahr 2008 an. In Mitten der
Regierungszeit des rechtsautoritären Präsidenten Álvaro Uribe
Vélez, der bis heute die politische Symbolfigur der
paramilitärischen Rechten in Kolumbien ist, erhoben sich
zehntausende Indigene im ganzen Land und marschierten in die
Großstädte Cali und Bogotá. Diese erste kolumbienweite indigene
Großmobilisierung, die sich gegen die Politik der Vertreibung und
Tötung unter der Regierung Uribe richtete, stärkte die indigene
Bewegung kolumbienweit und legte die Grundlage für weitere nationale
Mobilisierungen in den folgenden Jahren. Der Cauca ist bis heute
eines der Zentren dieser Mobilisierungen geblieben.<br/></p><p>Am
14. Dezember 2014
gingen
die Indigenen im Cauca in
eine weitere Offensive: Zu
Hunderten
stiegen sie
im Norden des Departamentos
von den Hängen der zentralen Andenkordillere herab,
um sich die
Ebene des Cauca-Tals anzueignen.
Bis heute finden regelmäßig
solche kollektiven Aktionen zur "Befreiung
der Mutter Erde" ("Liberación de madre
tierra") statt. Dabei
kommen sie
aus ihren Rückzugsräumen
in den Bergen herunter und
zerstören die Zuckerrohrmonokulturen der Großgrundbesitzer. An
ihrer Stelle pflanzen sie traditionelle Pflanzen wie Mais. Den
im CRIC zusammengeschlossenen Gemeinden
geht es bei diesen Aktionen
nicht um eine
private Aneignung der Gebiete, ihr
Ziel ist die Einrichtung
kollektiven und demokratisch
verwalteten Landbesitzes,
als Lebensgrundlage für die hier lebenden Gemeinschaften. Der
zerstörerischen Ausbeutung von Naturressourcen
durch Agrar- und
Bergbaukonzerne setzen
sie einen sozialverträglichen und bewahrenden Umgang mit der Natur
entgegen.
</p>
<p>
Während
die Indigenen bei ihren
Aktionen lediglich mit
Stöcken und Macheten
bewaffnet sind, stehen auf Seiten der Konzerne und Großgrundbesitzer
polizeiliche Spezialeinheiten
und das Militär. Regelmäßig
kommt es deshalb zu schweren Verletzungen und Toten auf
Seiten der Protestierenden.
Parallel dazu
werden die Aktivist*innen
der indigenen Bewegung von
Paramilitärs bedroht und ermordet. <br/></p>
<p>
</p><hr/>
<h3><b>Boden,
Kultur und indigene Autonomie: </b>
</h3><h3>
</h3><h3><b>Ist es
möglich den Kapitalismus rückgängig zu machen?</b></h3>
<p>Zwischen den
Anhänger*innen des Mythos von Käptn Ludd [8] in Großbritannien und
den aktuellen Kämpfen für die Befreiung der Mutter Erde im Cauca
gibt es viele Gemeinsamkeiten. Die Ludditen hatten sich angesichts
der Einführung der Lohnarbeit zur Aufgabe gemacht, die industrielle
Maschinerie anzuzünden und zu zerstören. Mit ihren Aufständen in
den Jahren 1811 bis 1812 erschütterten sie die Kapitalist*innen. Im
Cauca widersetzen sich die indigenen Gemeinschaften den großen
wirtschaftlichen Monopolen durch die Zerstörung von
Zuckerrohrfeldern und mit Blockaden ihrer Infrastruktur. Gemeinsam
ist beiden Bewegungen die Zurückweisung industrieller Formen der
Produktion sowie die Praxis direkter und kollektiver Aktionen gegen
die materielle Welt des Kapitals. Vor allem ist beiden aber gemein,
dass traditionelle, kulturelle und kollektive Bindungen als
konstante, sich erneuernde und machtvolle Quellen des Widerstands
gegen das Kapital darstellen.
</p><p>Die
englischen Luddit*innen kämpften zu Beginn des 19. Jahrhunderts, zu
einem Zeitpunkt, als die Umzäunung und Einhegung vormals kollektiven
Bodens durch Gewalt, Enteignung und Vertreibung, die Ersetzung des
Handwerks durch industrielle Fabrikarbeit ermöglichte. Ohne Zugriff
auf Boden waren die ländlichen Gemeinschaften gezwungen, in die
Städte abzuwandern. Dort waren sie den Fabrikherren ausgesetzt, für
die sie, um zu überleben, lange Arbeitszeiten zu Hungerlöhnen
verrichten mussten. Seitdem war die Expansion des Kapitals immer mit
der Enteignung von gemeinschaftlichem Land verbunden. Das
beschleunigte den Prozess der Urbanisierung und führte zur
Entstehung nicht nachhaltiger Großstädte, die von Gürteln des
Elends umgeben sind, während gleichzeitig das Land zu Gunsten des
agro-industriellen und monopolistischen Landbesitzes unbewohnt
bleibt.
</p><p>Die
Enteignung des Bodens machte nicht nur den industriellen Kapitalismus
möglich, sie ist auch Ursache für die aktuellen Konflikte zwischen
den indigenen Gemeinden der Nasa [9] und den Großgrundbesitzern,
Agroindustriellen und multinationalen Bergbaukonzernen im Cauca. Es
scheint, als ob der Kapitalismus in dieser Region, abseits der großen
Zentren des Reichtums, noch nicht in der Lage sei, seinen endgültigen
Sieg zu feiern. Er versucht sich mit aller Gewalt durchzusetzen, aber
die Organisation und die Praxis des Widerstands der indigenen
Bewegungen bedrohen das Monopol des Landbesitzes und behindern die
Bergbauausbeutung.
</p><p>Flores Magon [10] irrte nicht als er
die indigenen Gemeinschaften Mexikos als eine solide Basis für den
revolutionären Kampf gegen die Landkonzentration bezeichnete. Nicht
umsonst erweisen sich die indigenen Kämpfe Lateinamerikas heute in
der Epoche der Globalisierung als große Herausforderung für die
globale Expansion des Kapitals, welches sich zur Überwindung seiner
eigenen Krise Territorien und Ressourcen aneignen muss und dafür
jede Zerstörung in Kauf nimmt.<br/></p>Auf die Durchsetzung neoliberaler
Politiken in Lateinamerika antworteten die indigenen Gemeinschaften
mit unzähligen großen Mobilisierungen, Landbesetzungen, bewaffneten
Aufständen, Straßenblockaden und Belagerungen von Städten: Der
zapatistische Aufstand im Jahr 1994, die indigenen Kämpfe für
Wasser und Gas in den Jahren 2000 und 2003 in Bolivien, die
schließlich zum Sturz des Präsidenten Gonzalo Sánchez de Lozada
und zum Ende der weißen Hegemonie im Land führten, die
unterschiedlichen indigenen Kämpfe in Ecuador, die 1997 und 2000 zum
Sturz zweier Präsidenten führten, die Kämpfe der Mapuche in Chile
und Argentinien für die Wiederherstellung ihrer angestammten
Territorien und die Schaffung neuer indigener autonomer Gemeinden in
Mexiko sind einige Beispiele. Ausgehend vom zapatistischen Aufstand
von 1994 entwickelte sich auf dem gesamten Kontinent ein Zyklus
indigener Kämpfe und Mobilisierungen, der noch lange nicht
abgeschlossen ist. Er gründet in den ethnischen und kulturellen
Kräften dieser Gemeinschaften.<br/><br/><p>Die indigenen Bewegungen widersetzen
sich nicht nur dem Neoliberalismus, sie kämpfen für die Ausweitung
und Konsolidierung neuer autonomer Räume. Ihr historisches
Gedächtnis ist ihr treibender Motor dafür, angestammte Territorien
und Praktiken wiederherzustellen, Enteignungen, die Herrschaft des
Kapitals und des Großgrundbesitzes rückgängig zu machen. Dies
trifft auch auf die Kämpfe im Cauca zu, die seit Beginn ihres
letzten Mobilisierungszyklus im Jahr 2014, das Eigentum von großen
agro-industriellen Konzerne, wie "Ingenio Castilla" und
"INCAUCA", herausfordern.</p>Wenn der Ursprung des Kapitalismus in
der Enteignung des Bodens zu suchen ist, dann folgt der indigene
Kampf im Cauca der entgegengesetzten Richtung zur historischen
Entfaltung des Kapitalismus. Bezugnehmend auf die wiederkehrende
Erfahrung der Nasa könnte man sagen, dass der Kampf für den Boden
rückwärts gerichtet ist. Er tendiert dazu den Prozess der
Enteignung umzukehren, der dem Kapitalismus zu Grunde liegt. Der
direkte Angriff auf die Basis der Kapitalakkumulation verliert sich
nicht in Wahlstrategien und wartet auch nicht auf eine Agrarreform.
Die Autonomie der Nasa ist kein Geschenk des Staates. Sie greifen die
Wurzeln des Kapitals auf positive Weise an, indem sie für eine
Wiederherstellung des kollektiven Eigentums an Boden kämpfen und
zugleich Räume für eine autonome Nahrungsmittelversorgung, Politik,
Justiz und Kultur der
Gemeinschaften eröffnen.<br/><p>
<b><br/></b></p><hr/><h3><b>Anmerkungen:</b>
</h3><p><b>[1]</b>
Vgl. David
Harvey (2005): Der neue Imperialismus, VSA Verlag.
</p>
<p><b>[2]</b>
Vgl. Silvia
Federici (2012):
Caliban und die Hexe, Mandelbaum Verlag.</p>
<p><b>[3]</b>
Z.B.:
Vortragsreihe "<a href="http://www.jourfixe.net/series/4">Die unheimliche Akkumulation</a>" der jour fixe
initiative, Berlin 02.07.2015.<a href="http://www.jourfixe.net/series/4"><br/></a></p><p></p>
<p>
<b>[4]
</b>Ein
gutes Beispiel dafür ist der Extraktivismus von Rohstoffen, z. B.
durch Fracking in den USA oder die
Eröffnung
neuer Großprojekte zum Goldabbau in Nord-Griechenland.
</p><p>
<b>[5]</b>
Vgl.
Centro de Memoria História (2012): Nuestra Vida Ha Sido Nuestra
Lucha – Resistencia Y Memoria En El Cauauca Indígena."
</p><p>
<b>[6]</b>
Heute
ist Kolumbien der zweitgrößte Produzent von Zuckerrohr in
Lateinamerika.
</p><p>
<b>[7]</b> Eine spanische Historie des <a href="http://www.indepaz.org.co/wp-content/uploads/2013/11/encuentro-izquierdas.pdf">Movimiento Armado Quintín Lame</a>(Bewaffnete Bewegung Quintin Lame). </p><p></p><p></p><p>http://www.indepaz.org.co/wp-content/uploads/2013/11/encuentro-izquierdas.pdf</p><p></p>
<p></p><p>
<b>[8]
</b>Ned Ludd war
der
fiktive Anführer
der
Luddit*innen, britischer Maschinenstürmer*innen, die Anfang
des 19. Jahrhunderts gegen
soziale Verelendung und Industrialisierung aufbegehrten.
</p><p>
<b>[9]</b>
Die
Nasa leben überwiegend
im
Departemento
Cauca im Südwesten Kolumbiens sowie
den angrenzenden Departamentos.
Mit rund
120.000
Menschen,
die sich als Nasa verstehen, sind
sie eine
der
größten
indigene Gruppe Kolumbiens.
Sie
gelten als sehr widerständig und haben eine lange Tradition von
Kämpfen.
</p><p>
<b>[10]</b>
Anarchistischer
Theoretiker
und Aktivist der
revolutionären
mexikanische Bewegung Anfang
des 20. Jahrhunderts.
Magón war Gründer der Partido Liberal Mexicano und Mitglied der
Industrial Workers of the World. <br/></p><p><br/>
</p>
<p><b>Spanisches Original:</b></p>
<p><a href="http://www.cric-colombia.org/portal/tierra-cultura-autonomia-indigena-posible-revertir-capitalismo">http://www.cric-colombia.org/portal/tierra-cultura-autonomia-indigena-posible-revertir-capitalismo</a></p></div>
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</article>
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Den Krieg gegen die Bevölkerung stoppen2018-02-12T17:36:06.308893+00:002018-02-12T18:02:19.019950+00:00Christopher Altgeldredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/den-krieg-gegen-die-bev%C3%B6lkerung-stoppen/
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<h1>Den Krieg gegen die Bevölkerung stoppen</h1>
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<img alt="Corinto - Angriff auf indigene Bevölkerung 2015" height="420" src="/media/images/Corinto_1_z8v2sBq.a42826d9.fill-840x420-c100.jpg" width="840">
<span class="content-copyright">cric</span>
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<div class="rich-text"><p>Auch über ein Jahr nach Zeichnung des Friedensvertrags
zwischen der marxistischen Guerilla FARC-EP (Revolutionäre Streitkräfte
Kolumbiens - Volksarmee) und der kolumbianischen Regierung um den konservativen
Präsidenten Juan Manuel Santos, gehen in Kolumbien die Morde an sozialen und
politischen Aktivist*innen weiter – Guillermo Cacciatore <a href="https://revoltmag.org/articles/das-morden-kolumbien-geht-weiter/">berichtete</a>.</p>
<p>Allein in der letzten Januarwoche dieses Jahres wurden nun
erneut 13 Aktivist*innen ermordet. Eine Region im südamerikanischen Land, in
der Terror und soziale Säuberungen an der Tagesordnung sind, ist der Norden des
Departamentos Cauca, südlich der Millionenstadt Cali. Besonders betroffen sind
hier die indigenen Gemeinschaften, die sich im Dachverband CRIC (Indigener
Regionalrat von Cauca) zusammengeschlossen haben. Beim nachfolgenden Text
handelt es sich um Auszüge eines kürzlich veröffentlichten Aufrufs der CRIC zur Abwehr
ihrer bedrohten Gebiete. Er gibt Einblick in die drängende Situation der
indigenen Gemeinden und die nachhaltigen Schwierigkeiten im kolumbianischen
Friedensprozess.</p>
<h2>Die
Kontrolle über das
Territorium zurückerlangen,
um den Krieg gegen die Bevölkerung
zu stoppen</h2>
<p>Sorge, Unruhe, Angst. Kolumbien wurde in der vergangenen Woche durch
eine Zunahme von Drohungen, Angriffen, Morden, Attentaten und dem Verschwinden-lassen
[1] von Menschen erschüttert. Die Situation kommt einem Krieg gegen die
Bevölkerung gleich. 13 soziale Aktivist*innen wurden in der letzten
Januarwoche ermordet, darunter drei Indigene, sechs Bäuer*innen, die auf die Rückgabe
ihres Landes klagten [2], zwei afrokolumbianische Aktivist*innen, ein Lehrer
aus dem ländlichen Raum und ein politisch aktiver Minenarbeiter. Drei dieser Morde
wurden von der kolumbianischen Armee verübt, welche zwei der Ermordeten fälschlicherweise
als Mitglieder der Guerilla ELN ausgaben [3]. Die restlichen Morde werden
vorwiegend paramilitärischen Gruppen zugeschrieben: kriminellen Banden,
die mit dem Drogenhandel in Verbindung stehen, als auch Gruppen, die gezielt
Vertriebenen-Aktivist*innen ermorden, die für die Rückgabe
ihres Landes kämpfen.</p>
<p>Ganz ähnlich ist auch die Situation in den indigenen
Territorien im Norden des Cauca. Dort geht die von uns bereits in der
Vergangenheit angeklagte Gewalt durch bis an die Zähne
bewaffnete Gruppen weiter. In Corinto, wo die Gemeinde noch nicht aufgehört
hat, um ihre Toten zu trauern, verkünden die paramilitärischen Kriegsherren mit einschüchternden
Flugblättern: <img alt="Drohung der Paramilitärs" class="richtext-image left" height="666" src="/media/images/cric-drohung_paramilitar.width-500.jpg" width="500">„Die Stunde der sozialen Säuberung
ist gekommen…Wir haben euch im Blick. Das Urteil und der Tod
werden zur Stunde unserer ersten Jagd kommen. Weitere verfaulte Existenzen müssen
identifiziert werden, aber das wird nicht lange dauern. Wir fangen sehr bald
an. Wir bitten die Gesellschaft um Vergebung falls Unschuldige fallen, aber sie
ist hiermit gewarnt.“</p>
<p> In der Zwischenzeit wurde in den Reservaten „Guadualito
de Santander de Quilichao“ und „Las Delicias en Buenos Aires“ die
höchste Alarmbereitschaft ausgerufen, weil dort in den letzten Monaten verdächtige
Personen gesichtet wurden. In ihrem Communiqué schreibt der Rat der Indigenen:,,Die
traditionellen Autoritäten und die Gemeinschaft konnten nachweisen, dass
es sich bei den Bewaffneten um sogenannte Dissident*innn handelt, die von der
sechsten Front der FARC übriggeblieben sind. [4] Sie versuchen indigenes
Territorium zu übernehmen, um kriminelle Aktivitäten zu
entfalten‘‘. Die indigenen Autoritäten haben ihre Ablehnung aller legalen und
illegalen bewaffneten Gruppen auf ihrem Territorium bekräftigt
und erklärten zur Sicherstellung der territorialen Kontrolle sowie „zum Schutz
der Muttererde“ die höchste Alarmbereitschaft und eine permanente
Versammlung der Bevölkerung.</p>
<p>Die gegenwärtige Situation ist erschreckend. Dieser Schrecken
wird zunehmen, wenn es den indigenen Räten nicht gelingt, die territoriale Kontrolle
wiederzuerlangen, um gemeinsam das Leben und die Forderungen der Bevölkerung
zu verteidigen. Der Rat schreibt: „Wenn es uns nicht gelingt, unsere
Territorien zu kontrollieren, werden die Kriegsherren –
Dissidenten, Legale, Illegale, Drogenparamilitärs, oder wie auch immer
sie sich nennen – am Ende unser Leben kontrollieren. Auch wenn
einige Reservate bereits im Alarmzustand sind und dadurch bereits weiteres Leid
verhindert werden konnte, so reicht dies doch nicht aus. Der Frieden mit dem
Kapital und der vermeintliche Frieden der Herrschenden tötet
weiterhin die Menschen, die unten stehen.</p>
<p>Wir lehnen jede Vertreibung und jeden Mord ab – Sie zielen darauf ab,
die Bewegungen und Prozesse für ein würdiges Leben in Kolumbien zu zerstören.
Angesichts des Terrors der sich uns nähert, rufen wir dazu auf, sich gemeinsam zu
erheben, um uns als Bevölkerung in Widerstand, Autonomie und Leben neu zu
erfinden. Das ist keine Option, sondern eine Notwendigkeit. Diesen Weg nicht zu
gehen würde bedeuten, weiter zuzusehen, wie sie uns auslöschen.
Keine weiteren Morde mehr! Völker, macht euch auf den Weg!“</p>
<hr/>
<p>Dieser Beitrag ist eine redigierte <a href="http://www.cric-colombia.org/portal/cauca-urge-control-territorial-frenar-la-guerra-los-pueblos/">Übersetzung
des Communiqués</a>, welches am 1. Februar 2018 vom "Rat der Indigenen im
Cauca" (CRIC) veröffentlicht wurde. Übersetzung und Kontext von Christopher Altgeld.</p><p></p><hr/>
<p><b>Anmerkungen:</b></p>
<p> [1] Das
,,Verschwinden-lassen‘‘ bezeichnet eine von den Geheimdiensten der
faschistischen Militär-Juntas in Südamerika entwickelte Strategie zum
systematischen Terror gegen die Zivilbevölkerung. Dabei werden Betroffene
verschleppt und zumeist an unbekanntem Ort ermordet. Den Familien bleibt oft
Jahrzehnte die Ungewissheit über das Schicksal ihres Verwandten. </p>
<p> [2] Auf Basis der <i>Friedensverträge von Havanna</i> ist die Rückgabe
illegal geraubten Landes vertraglich festgehalten worden. Kolumbien leidet
unter mehreren Millionen Inlandsvertriebenen, die zumeist aufgrund des Terrors paramilitärischer
Milizen, die von Großgrundbesitzern oder multinationalen Konzernen angeheuert
werden, in die Städte fliehen. Aufgrund dieses Terrors ist der Landbesitz in
Kolumbien heute in wenigen Händen konzentriert.</p>
<p> [3] Die sogenannte falsos-positivos-Strategie kam erstmals unter der
Präsidentschaft des rechten ex-Präsidenten Alvaro Uribe Velez und seines
damaligen Verteidigungsministers Juan Manuel Santos ans Tageslicht. Dabei töten
Armeeangehörige Zivilist*innen und geben diese als Angehörige der Guerilla aus,
um Erfolge zu simulieren oder Belohnungen zu erhalten.</p>
<p> [4] Die FARC sind heute offiziell politische Partei. Nicht alle
schlossen sich jedoch der neuen Partei und deren reformorientierte Strategie
an. Einige setzen den bewaffneten Kampf politisch fort und schlossen sich der
ELN an, andere sind zum organisierten Drogenhandel und dem Paramilitarismus
übergelaufen.</p>
<p> Das Titelbild stammt aus dem Jahr 2015 in Corinto. Dort fanden Kämpfen
zwischen paramilitärischen Einheiten und der indigenen Bevölkerung statt. <br/></p></div>
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<img alt="Info-Graphik über die Morde in Cauca" height="322" src="/media/images/cric-grafik.original.jpg" width="644">
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<p>Info-Graphik über die Morde von Rebeldía Contrainformativa</p>
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