re:volt magazine Archivhttps://revoltmag.org/articles/?author=132019-10-17T10:03:15.036825+00:00Fuck off, Amazon!2019-10-17T09:08:03.754957+00:002019-10-17T10:03:15.036825+00:00John Malamatinasredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/fuck-amazon/
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<link href="/static/revoltmag/app.bc8423e0087c1cde5a69.css" rel="stylesheet"><meta name="apple-mobile-web-app-title" content="re:volt mag"><meta name="apple-mobile-web-app-capable" content="no"><meta name="apple-mobile-web-app-status-bar-style" content="black"><meta name="theme-color" content="#99020b"><link rel="apple-touch-icon" sizes="180x180" href="/static/revoltmag/icon_180x180.f95a8c6b74bb715d326c7790779a0330.png"><link rel="manifest" href="/static/revoltmag/manifest.307d5e0f476ef238b243c472abadb46c.json"><link rel="icon" sizes="180x180" href="/static/revoltmag/icon_180x180.f95a8c6b74bb715d326c7790779a0330.png"><script defer="defer" src="/static/revoltmag/app.bc8423e0087c1cde5a69.js"></script>
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<h1>Fuck off, Amazon!</h1>
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<div class="rich-text"><p>Das Geheimnis des schrecklichen Turms an der Warschauer Brücke in Berlin wurde gelüftet: Kein anderer als der Internetgigant Amazon wird in das 140 Meter hohe Hochhaus namens EDGE East Side Berlin an der East Side Gallery einziehen. Es ist Berlins vorerst höchster Wolkenkratzer: Auf etwa 55.000 Quadratmetern möchte Amazon ein Forschungs- und Entwicklungszentrum einrichten und dabei 28 der 35 Stockwerke nutzen. Unter dem Label EDGE entstehen aktuell europaweit Bürohäuser, die den Beschäftigten in Coworkingspaces eine „wunderbare Arbeitsatmosphäre“ geben und besonders nachhaltig sein sollen. Allein in Berlin entstehen derzeit am Hauptbahnhof und am Südkreuz zwei weitere Bauten des niederländischen Immobilienentwicklers OVG Real Estate. Und dies ist nur ein kleiner Ausblick auf die kommenden Veränderungen in Berlin – auch Firmen wie Zalando, Lieferando und viele weitere eröffnen derzeit Zentralen oder bauen ihre eigenen Riesenprojekte. Es sind Veränderungen, die tiefe Auswirkungen in das Leben und Wohnen der Hauptstadt haben werden. Denn es ist klar, welche Teile der Bevölkerung durch Tech- und Yuppieeinzug nicht profitieren.</p><h2><b>Nicht wild und rau, aber hoch</b></h2><p>Der Bau des Hochhaus beschäftigt die Berliner Presse schon <a href="https://www.tagesspiegel.de/berlin/anschutz-und-mercedes-benz-bauen-east-side-gallery-erst-kinos-und-cafes-bald-ein-135-meter-hochhaus/11554654.html">seit einigen Jahren</a> – vor allem im Rahmen des großen Umbaus der Stadt, Stichwort Zalando City (auch dieser Konzern eröffnete in derselben Ecke Berlins 2019 seine Zentrale). Im ganzen Stadtgebiet soll „nach oben“ gebaut werden. Immer wieder hat die Senatsbaudirektion das Vergnügen, neue Wolkenkratzerpläne zu präsentieren. Derzeit stehen weitere Projekte in den Startlöchern, die teils noch deutlich höher geplant sind und die Skyline Berlins auf ewig verändern sollen: etwa der <a href="https://www.morgenpost.de/bezirke/neukoelln/article227264689/Estrel-Tower-Wann-Berlins-hoechstes-Haus-gebaut-wird.html">geplante Hotelturm</a> „Estrel Tower“ in Neukölln, der 175 Meter messen soll. Seit Jahren gibt es außerdem Pläne von der russischen Monarch-Gruppe für einen 150-Meter-Turm direkt neben dem Einkaufszentrum Alexa am Alexanderplatz.</p><p>Senatsbaudirektorin Regula Lüscher (parteillos, aber für die Linke) und ihrem Baukollegium war der Plan des dänischen Architekturbüros Bjarke Ingels Group (BIG) allerdings <a href="https://www.morgenpost.de/bezirke/friedrichshain-kreuzberg/article215299925/140-Meter-hoher-Turm-Hochhaus-an-der-Warschauer-Bruecke.html">im September 2018</a> nicht „wild und rau“ genug – es passte ihnen nicht zum „arm aber sexy“ Image von Berlin. Florian Schmidt von den Grünen hatte sich zudem mehr Grün am Gebäude sowie – hört, hört – mehr Nutzwert für den Kiez gewünscht. Im überarbeiteten Entwurf von Architekt Andy Young wurde deshalb – zum Glück! – ein stärkerer Fokus auf die Terrassen gelegt. Mehr Grün sei, so die Planer*innen, in einer Stadt mit so schlechtem Wetter kaum möglich. Auch für die Kieznähe ist gesorgt: Zur Freude aller – legalen – Sprayer*innen ist der gesamte Sockel des Gebäudes bis einschließlich der achten Etage „aus nacktem Beton, der in der untersten Etage mit Graffitikunst oder ähnlichem verziert werden kann“.</p><p>Die ersten acht Geschosse sollen einer öffentlichen bis halböffentlichen Nutzung zugeführt werden. In den ersten beiden Etagen soll es Cafés, Restaurants, Veranstaltungsräume und zur Tamara-Danz-Straße hin auch eine große Fahrradwerkstatt geben. Und auf dem Dach sei eine Skybar geplant. Von dort aus kann dann auf alle angrenzenden Hochhaus-Prestigeobjekte geblickt werden. Na prima!</p><p>Seit den Medienberichten in den letzten Jahren bleiben viele Fragen offen, insbesondere was den Einbezug lokaler Organisationen sowie der angemahnten Bürgerbeteiligung im Laufe des Planungsprozesses angeht. „Es muss noch genauer herausgearbeitet werden, wie genau die lokalen Akteure mit einbezogen werden sollen“, sagte Lüscher im September 2018. Sie wünsche sich deshalb, dass das Projekt noch einmal vorstellig werde. Im März 2019 hieß es dann erneut seitens Lüscher: „Der Bezirk handelt im Moment parallel zur architektonischen Gestaltung genau aus, wieviel öffentlich zugängliche Nutzung da untergebracht werden soll“. Einbezug von Anrainer*innen? Fehlanzeige. Nach den aktuellsten Berichten von Ende September scheint das Baukollegium immer noch nicht zufrieden zu sein. Das zu Beginn vorgegebene Thema „wild und rau“ zur besseren Integration des Hochhauses im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sei nicht adäquat umgesetzt worden. Dumm nur, dass der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg das Projekt <a href="https://www.berliner-zeitung.de/berlin/edge-eastside-eklat-im-baukollegium---heftige-kritik-an-turm-architektur-33219106">bereits genehmigt</a> hat.</p><h2><b>Amazons Zugriff auf Berlin</b></h2><p>Es geht also um mehr Nutzwert für den existierenden Kiez. Scheinbar. Naja, dafür gibt es kaum eine bessere Lösung als Amazon einzuladen, die wahren Expert*innen einer sozialfreundlichen Wirtschaft. Die raue und wilde Graffitikunst am eleganten Betonsockel soll also künftig tausenden IT-Entwickler*innen des Konzerns den Weg zum Büro verschönern.</p><p>Dabei ist die Anzahl der Amazon-Mitarbeiter*innen im Raum Berlin-Brandenburg jetzt schon beachtlich: Neben den 1000 Entwickler*innen arbeiten weitere 1800 Personen für die Hörbuch-Tochter Audible, im Kundenservice und vor allem den Logistikzentren in Brieselang und Kiekebusch bei Schönefeld. In den nächsten Jahren soll das Arbeitsangebot vor allem im Softwarebereich massiv um tausende Plätze erweitert werden; davon zeugen zahlreiche Jobausschreibungen auf der Unternehmensseite. Dafür braucht es Platz, die bisherigen Coworkingspaces reichen dafür nicht aus. Das bisherige Entwicklungszentrum mit etwa 500 Mitarbeitenden befindet sich hinter dem Springer-Hochhaus in Berlin-Mitte, bei den Krausenhöfen. Am Petri-Platz im alten Kaufhaus Hertzog entsteht ein weiterer Standort. Amazon <a href="https://www.tagesspiegel.de/berlin/amazon-tower-in-berlin-platz-fuer-tausende-entwickler-an-der-warschauer-bruecke/25115850.html">spielt mit dem Gedanken</a>, beide Standort auch nach Fertigstellung des Hochhaus beizubehalten.</p><p>Die Softwareentwickler*innen sollen an den bekanntesten Projekten von Amazon mitarbeiten. Darunter fallen etwa die Weiterentwicklungen des Sprachassistenten Alexa oder eines der lukrativsten Sparten des Konzerns, den Amazon web services und die Bereitstellung von Cloudkapazitäten. Die Hoffnung ist, in den nächsten Jahren tausende Entwickler*innen nach Berlin zu locken und, inmitten einem der wichtigsten Märkte des Internetgiganten, ein Mekka der Innovation zu erschaffen. Parallel scheint die Expansion des Amazon-Handels im öffentlichen Raum auf keine Grenzen zu stoßen: In Filialen von Handelsketten wie DM, REWE und anderen finden sich vermehrt Amazon Packstationen; in einigen Karstadt-Filialen stehen sogenannte Amazon Locker, Packstationen, in die Amazon-Kunden ihre Päckchen bestellen und dort während der Geschäftszeiten abholen können. Karstadt geht sogar noch einen Schritt weiter und plant richtige Amazon-Counter. Ob die Kaufhauskette so ihr Überleben sichern kann ist allerdings mehr als fraglich. Irgendwann kommen <a href="https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/amazon-gruender-jeff-bezos-die-drohnen-werden-kommen-12852508.html">Jeff Bezos Drohnen</a> und machen die altbackene Art von Zwischenhandel überflüssig – mit allen Konsequenzen für die Beschäftigten.In der Berichterstattung oder in den Statements der öffentlichen Stellen spielt die bisherige Kritik an Amazon bezüglich Arbeitsbedingungen in Fullfilment Centers (ver.di organisiert dort seit Jahren Streiks in den Betrieben) oder die Nichtzahlung von Steuern bisher keine Rolle – nicht im <i>Tagesspiegel,</i> wo die Nachricht <a href="https://www.tagesspiegel.de/berlin/amazon-tower-in-berlin-platz-fuer-tausende-entwickler-an-der-warschauer-bruecke/25115850.html?fbclid=IwAR2AQO9lwgLr7vVrlFCyBRbl7zjcW9YHYQAFJRs0p6wCpuKAi58F9U9UP8I">als erstes</a> die Runde machte, und natürlich nicht bei der Vorstellung der Zusammenarbeit durch EDGE selbst. Lediglich die Berliner Morgenpost erwähnte am Rande den Tweet von Blockupy Berlin: #kickitlikegoogle.</p><h2><b>Von New York lernen…</b></h2><p>Dabei kann sich Berlin in Punkto Widerstand gegen Großvorhaben von Internetgiganten durchaus sehen lassen. Der <a href="https://revoltmag.org/articles/google-strikes-back/">geplante Google-Campus scheiterte</a> im letzten Jahr an den lokalen Protesten von Einwohner*innen und Aktivist*innen. Dem Google Deutschland-Management war zu vernehmen, dass die „Fuck off google“ Transparente und die Berichte in der Presse enormen Schaden verursacht haben.</p><p>Auch Amazon selbst scheiterte schon mit einem prestigeträchtigen Riesen-Projekt, wenngleich an anderem Ort. In New York City wurden die Pläne von Jeff Bezos, mit einem riesigen Firmen-Campus ein neues Hauptquartier des Unternehmens im Stadtteil Queens zu bauen, und in der Zwischenzeit ebenfalls wie in Berlin einen Turm zu beziehen, von kontinuierlichen Protesten durchkreuzt und mussten schließlich <a href="https://www.nytimes.com/2019/02/14/nyregion/amazon-hq2-queens.html">im Februar 2019</a> aufgegeben werden. Antigentrifizierungsgruppen wie Queens Neigborhood United liefen von Haustür zu Haustür und mobilisierten gemeinsam mit anderen Gruppen die lokalen communities. Während der Prozess sich zuspitzte, verband der Kampf die Menschen im Viertel mit antirassistischen Aktivist*innen und Gewerkschafter*innen, die schon länger gegen die Ausbeutung durch Amazon und anderen Firmen ankämpften. Sie befürchteten ähnlich schreckliche Auswirkungen wie in Seattle, wo sich das erste Hauptquartier von Amazon befindet. Die Stadt leidet mittlerweile unter enormer Obdachlosigkeit, Verdrängung und Gentrifizierung. Das „Geheimrezept“ der Protestierenden in NYC hat funktioniert, und setzte sich aus drei zentralen Bausteinen zusammen:</p><p><i>Community organizing:</i> Wenn sie von „Tür zu Tür“ sagen dann meinen sie das auch. Nicht nur Stadtteilgruppen, aber auch linke Organisationen betrieben echtes <i>canvassing</i> nach dem Vorbild erfolgreicher linker Wahlkampagnen (die wiederum historisch inspiriert sind von community Organizer*innen wie Saul Alinsky). Wer um die Jahreswende 2018-2019 in New York war wird dies bestätigen können: Es wurden öffentliche Treffen in Schulen organisiert, Mieterversammlungen organisiert (am prominentesten bei den Queensbridge projects) und aktivistische Workshops zum progressiven nicht-hierarchischen organizing angeboten. Gruppen wie Queens Neigborhood United schauen auf eine lange Erfolgsgeschichte zurück: Auch die Händlerriesen Walmart und Target konnten bisher in NYC nicht Fuß fassen. Ihnen wurde vorgeworfen, das soziale Netz zu zerstören und die kleinen Geschäfte zur Schließung zu bewegen. Dieses Selbstvertrauen wurde mit dem Sieg über Amazon erneut bestätigt und bildet die Basis für zukünftige Kämpfe gegen Großkonzerne.</p><p><i>Themen verbinden und die Fronten multiplizieren lassen:</i> Sicherlich war Gentrifizierung eines der stärksten Themen der Bewegung. Für die Aktivierung weiterer Verbündeter war aber auch die Strategie zentral, anderen Machenschaften des Imperiums anzusprechen und zu skandalisieren: Obgleich es vielleicht schon zuvor bekannt sein mochte, wie Amazon die Arbeiter*innen in den Logistikzentren weltweit behandelt, brachte das Aufgreifen der Thematik Arbeitsbedingungen weitere (prekär) Beschäftigte und ihre Gewerkschaften ins Spiel. Amazon machte in den letzten Jahren häufig Schlagzeilen über Zusammenarbeit mit staatlichen Behörden – mit Höhepunkt der Bereitstellung von Gesichtserkennungs-Software an ICE, der US-Abschiebebehörde. Es war daher ein leichtes, von den zumeist migrantischen Aktivist*innen aus Queens, NYC eine Brücke zu weiteren antirassistischen Kämpfen zu schlagen. Anarchistische Gruppen präsentierten dazu noch eine antikapitalistische und unversöhnliche Perspektive mit dem System Amazon. Sozialistische Organisationen wie die Party for Socialism and Liberation richteten durch ihr eigenes community organizing auch den Fokus auf die anti-Amazon Kampagne. Gemeinsamer Konsens von allen Akteur*innen war dabei, dass es auf keinen Fall einen Deal geben soll, sondern Amazon komplett unterwünscht ist. Das ganze Paket trug schließlich zum Erfolg bei.</p><p><i>Imageschaden und Öffentlichkeitsarbeit:</i> Die Aktivist*innen in New York City schafften es, in großen Teilen der Nachbarschaft eine negative Stimmung gegen Amazon und die kapitalnahen Politspieler*innen – etwa denGouverneur Andrew Cuomo, der von Anfang an Amazon willkommen hieß – zu schaffen. Die Losung war einfach: „New York City is a union town and a sanctuary city“ („Die Stadt New York ist eine Gewerkschaftsstadt und ein Rückzugsort“, Anm. Red.). Die Beteiligten machten ihre Entschlossenheit deutlich, einen solchen massiven Eingriff in die sozialen und ökonomischen Strukturen des Stadtteils nicht mit sich machen zu lassen. Die verschiedenen Themen gaben enorm Stoff her: Bei Facebook-Gruppen informierten sich die Menschen gegenseitig, und dann wurde via sozialer Medien zum Angriff angeblasen. Der Widerstand war dann bei den Townhall-Meetings, den öffentlichen Anhörungen von Amazon im Rathaus, so stark, dass sogar Gegenmobilisierungen von gelben Gewerkschaften aus dem Bausektor dem Feind nicht mehr helfen konnten.</p><h2><b>Sich organisieren gegen den Tech-Angriff</b></h2><p>Die aktuelle Situation in Berlin kann nicht besser beschrieben werden als von den Menschen die dort wohnen und aktiv sind, <a href="https://www.facebook.com/bizimkiez/">etwa der Stadtteilgruppe Bizim Kiez:</a></p><p>„Zalando mit einem corporate-Viertel in Friedrichshain, Amazon in einem Wolkenkratzer an der Warschauer Brücke und die Lieferando-Zentrale mit 20.000 QM im Cuvry-Campus im Wrangelkiez. Auf beiden Seiten der Spree zwischen Schlesi und Warschauer Str. scheint ein Hotspot der Tech-Konzerne zu entstehen. Während Google noch versuchte, seinen Campus im Umspannwerk als klein und kiezfreundlich zu verkaufen, werden hier die Dimensionen ersichtlich, in denen Big-Tech die Stadtentwicklung beeinflusst.</p><p>Dass das Umwälzungen bringt, die in den anliegenden Nachbarschaften bis ganz nach unten reichen, muss eigentlich nicht mehr erklärt werden. Weil mit Raum und Boden spekuliert werden kann, bringt jede Ansiedlung “wertvoller“ Unternehmen erhöhte Preise, die sich die Immo-Wirtschaft mit allen Mitteln der Verdrängung auch bezahlen lässt. Das bedroht bestehende Kleingewerbe- und Wohnmietverhältnisse.</p><p>Das beliebte Argument, die Unternehmen brächten Arbeitsplätze, zieht übrigens nicht. Denn nicht alle Arten von Arbeit in der schillernden Tech-Welt werden so gut bezahlt, dass sie die explodierenden Mietpreise in der City decken (man denke z.B. an Reinigungskräfte oder eben die Lieferando-Fahrer*innen). Übrigens - auch darum brauchen wir einen Mietendeckel! Abgesehen davon ist es einfach nur zynisch zu behaupten, dass die Reduktion der Vielfalt der Bewohner*innen in Innenstadtgebieten dadurch wett gemacht wird, dass nun lauter Angestellte von Amazon, Zalando, Google & Co in deren alten Wohnungen wohnen. Die Neoliberalen, die sowas behaupten, zeigen dabei, wie blind sie auf dem sozialen Auge sind.“</p><p>Das Projekt von EDGE und Amazon in Berlin ist ein Schlag ins Gesicht von all jenen, die sich in den letzten Monaten und Jahren für niedrigere Mieten, (Re-)Kommunalisierung oder eine offene Stadt für alle eingesetzt haben. Trotz riesiger Demonstrationen zum Thema Wohnungspolitik, zahlreicher Mieter*innenkämpfe, großer schlagkräftiger Kampagnen wie „Deutsche Wohnen enteignen“ oder der Verhinderung des Google-Campus in Kreuzberg scheint die Politik dem Großkapital alles durchgehen zu lassen. Berlin wird regelrecht von außen verändert – ohne die Zustimmung der lokalen Bevölkerung. Die herum liegenden E-Roller, das Geräusch von Rollkoffern und Läden für Yuppie-Bedarf jeder Art sind die Vorzeichen dieses Umbaus und der Vertreibung. Jetzt gilt es für uns alle vor allem relativ schnell zu reagieren – und für eine andere Zukunft Berlins zu streiten. Ohne Google, Zalando und Amazon. Die Herrschenden werden aus den letzten Kämpfen ihre Lektion gelernt haben und ein Greenwashing organisieren. Sie haben sich auch schon schlau angestellt, den Endkunden Amazon so lange zu verschleiern. Der Bau, der im Moment beginnt und 2023 enden soll, wird schwierig zu stoppen sein. Aber den Einzug von Amazon zu verhindern – das könnte ein realistischer Plan werden. Es gilt, wie in New York das Thema Gentrifizierung mit anderen Themen, insbesondere dem jahrelangen Kampf der Amazon Beschäftigten um andere Arbeitsbedingungen, zu verbinden. Wir müssen klar erzählen, wer in der Skybar erwünscht sein wird und wer nicht. Dafür müssen wir zusammenkommen: Mieter*innen, Buchläden und Einzelhandel, Migrant*innen, Amazon-Beschäftigte in Logistikzentren und Tech-Worker*innen, Stadtteilgruppen und Antigentrifizierungskampagnen. Es lebe die neue zukünftige Anti-Amazon Koalition in Berlin!</p></div>
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First they take Exarchia...2019-08-26T18:36:08.719732+00:002019-08-27T08:43:55.840781+00:00John Malamatinasredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/first-they-take-exarchia/
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<div class="rich-text"><p>Das rebellische Viertel Exarchia in Athen, heute morgen: Die Bilder sprechen Horrorbände. Hunderte Riotcops mit Tränengas und zugehörigen Gasmasken stehen parat. Spezialeinheiten aller Art. Motorräder. Sogar Hubschrauber. Ein ganzes Viertel gesperrt. Jeder normal denkende Mensch würde vermuten, hier bricht gleich ein Bürgerkrieg oder schlimmeres aus. Logik oder irgendwas Ähnliches – fehl am Platz. Denn dann würde das hier nicht passieren: Der griechische Staat sendet seine ganze Repressionsarmada aus, um Besetzungen von geflüchteten Migrant*innen zu räumen. Es kann nicht besser beschrieben werden als <a href="https://web.facebook.com/agavriilidis/posts/10157814789168322">in den Worten</a> des antinationalen Theoretikers Akis Gavriilidis:</p><p>„Diese Angelegenheit ist eine skandalöse Verschwendung öffentlicher Mittel, für ein Ergebnis, das nicht nur Null, sondern in jeder Hinsicht negativ ist: moralisch, rechtlich, praktisch, wirtschaftlich und was auch immer man sich vorstellen kann. Dutzende von Geflüchteten – darunter auch Kinder –, die kein Verbrechen begangen haben, einzusacken, um von Orten vertrieben zu werden, an denen sie ein menschenwürdiges Leben führten, das sie selbst mit gestaltet haben, mit der einzigen Aussicht, in eine Hölle eingesperrt zu werden, in der sie unter viel schlimmeren Bedingungen leben, die auf Passivität und Untätigkeit hinarbeiten. Ich kann nicht sehen, wen diese Aktion glücklich machen kann, abgesehen von Rassisten und Schlägern. Als griechischer Bürger fordere ich, dass mir erklärt wird, warum öffentliche Mittel für so ein unethisches, illegales und ineffektives Ergebnis verschwendet wurden.“ Oder die <a href="https://athens.indymedia.org/post/1599604/">Besetzer*innen selbst</a>: „Der faschistische Staat hat uns heute um sechs Uhr morgens vertrieben und sie bringen uns zur Polizeistation Petrou Rali. Sie haben uns aus unserem Haus geholt. Sie nehmen unsere Sachen aus dem Gebäude und schließen die Tür und blockieren den Eingang und die Fenster. Sie versuchen, uns zu begraben. Sie wissen nicht, dass wir Samen sind.“</p><p>Heute morgen wurden vier Besetzungen im Athener Stadtteil Exarchia geräumt: Spirou Trikoupi 17, Transito, Rosa de Fon und die anarchistische Besetzung Gare. Die Offensive betrifft derzeit den nordwestlichen Teil des Bezirks, ausgenommen ist bisher die Besetzung Notara 26, die als erste historische Besetzung der „Flüchtlingskrise“ in der Athener Innenstadt besser bewacht und für den Bezirk von hoher symbolischer Bedeutung ist. Es wurden 143 Personen aus zwei Gebäuden in der Spirou Trikoupi 17 mitgenommen und zur Ausländerbehörde Atticas gebracht, um dort zu untersuchen, ob sie eine legale Aufenthaltserlaubnis im Land haben. Von den 143 Menschen sind 57 Männer, 51 Frauen und 35 Minderjährige aus dem Iran, dem Irak, Afghanistan, Eritrea und der Türkei.</p></div>
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<p>Die Refugees, die in den besetzen Häusern Exarchias Zuflucht fanden, werden von der Polizei mitgenommen.</p>
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<div class="rich-text"><p>Von einem weiteren Gebäude in der Kallidromiou Straße wurden laut Polizeiinformationen drei anwesende Personen in Gewahrsam genommen und zum Athener Polizeipräsidium gebracht. Das vierte Gebäude, in der Fotila Straße, war zum Zeitpunkt der Räumung leer. Bei der Operation beteiligten sich Einheiten der Riotpolizei MAT, diverse Spezialeinheiten zur Identifizierung und Spurensicherung, sowie die Motorradpatrouille DIAS. Anscheinend wurden keine Drogen oder Waffen in den Gebäuden gefunden – von „Gefahr“ also keine Spur. Gleichzeitig ließ ein Polizeisprecher im griechischen Privatfernsehen verlauten: „Wir sind der neue geräuschlose Staubsauger, der den ganzen Müll einsaugen wird“.</p><h2><b>Unser Exarchia – ihr Exarchia</b></h2><p>Wenn es nach den Wohlhabenden geht, soll Exarchia endlich zum Vorzeigeviertel von Athen verwandelt werden. Yuppiecafés, Massentourismus und schöne Aussichtspunkte sollen dies möglich machen. Zum Glück ist die Realität noch sehr fern von dieser Vision, die seit den 1990ern immer wieder in den Köpfen der Stadtplaner*innen und Herrschenden rumgeistert.</p><p>Insgesamt gibt es 23 Besetzungen in Exarchia und 26 weitere im Bezirk, also insgesamt 49 Besetzungen, die sich auf ein relativ kleines Gebiet konzentrieren. 49 Besetzungen, zu denen weitere Formen von selbstverwalteten Orten hinzukommen, von denen einige gemietet werden – wie etwa das soziale Zentrum Nosotros –, sowie Dutzende von Privathäusern, die Aktivist*innengruppen beherbergen. Exarchia, bekannt als alternatives Stadtviertel mit linker und anarchistischer Tradition und Basis illegaler Aktivitäten jeglicher Art, war dem Staat und seinen Regierungen schon immer ein Dorn im Auge. Immer wieder muss es im öffentlichen Sicherheitsdiskurs als Beispiel des „Ausnahmezustands“ herhalten. In den letzten Jahren griffen die Konservativen die steigende Anzahl an Ausschreitungen öfter auf, um der Regierung von Alexis Tsipras Kontrollverlust vorzuwerfen. In einer Parlamentsdebatte behauptete der Chef der konservativen Nea Demokratia (ND) und damalige Oppositionsführer, Kyrgiakos Mitsotakis, dass er im Falle einer Regierungsübernahme „Exarchia aufräumen werde“. Syriza antwortete damals auf solche Vorwürfen mit der Infragestellung einer klassischen „Law-and-Order-Politik“, die nur auf „repressive Polizeieinsätze und dem Schüren von Hass aufbaut“. Dies hinderte aber die damalige Regierungspartei nicht daran, selbst Räumungen von Besetzungen von Geflücheten durchzuführen. Das Zitat von Mitsotakis macht bis heute die Runde in den sozialen Medien – den damaligen Drohungen, die belächelt wurden, folgen aber nun, da Mitsotakis Premierminister ist, Taten.</p><p>Einem Plan zufolge, an dessen Ausarbeitung und Umsetzung sich Mitarbeitende verschiedener Abteilungen der Stadt Athen wie etwa Umwelt und Straßenbau beteiligt haben, soll Exarchia regelrecht gesäubert werden – vom illegalen Drogenhandel und von Sex-Arbeit ebenso wie von Geflüchteten und „antistaatlichen Elementen“ wie etwa anarchistischen Gruppen. Die Vision sieht den Bau der U-Bahn Station Exarchia innerhalb von fünf Jahren vor, auch die Entfernung von Graffitis und den Bau neuer Straßenlaternen. Schon im Sommer begann die erste Phase des großangelegten Aktionsplans mit verstärkten polizeilichen Kontrollen. Bei einer wurden ganze 42 Gramm Gras (!!!) gefunden und als Riesenfundstück der Öffentlichkeit präsentiert. Es sollen weitere Räumungen folgen, um sich langsam aber sicher bis zum persönlichen Erzfeind von Mitsotakis, zu der revolutionären und bei der Bevölkerung durch ihre Aktionen beliebten Gruppe Rouvikonas, vorzuarbeiten. Rouvikonas, benannt nach dem Fluss Rubikon, hat in den letzten Jahren spektakuläre direkte Aktionen gegen Privatfirmen, staatlichen Stellen und Botschaften durchgeführt und war mehrmals Thema im griechischem Parlament. Laut Medienberichten dient die anarchistische Besetzung Vox direkt am Exarchia Platz der Gruppe als Basis. Phase Eins lautet also säubern und aufräumen, Phase zwei das Gebiet halten und erste oberflächliche Veränderungen am Stadtteil durchführen, Phase drei der Aufbau des Athener Montmartre.</p><h2><b>Der Rollback</b></h2><p>Gestern wurde der neue Athener Bürgermeister, der konservative Kostas Bakoyannis vereidigt. Die heutigen Aktionen der griechischen Polizei sind daher kein Zufall. Die Aktionen des heutigen Tages sollen aber zugleich auch der offizielle Start der Erfolgsgeschichte des neuen Premiers Konstantinos Mitsotakis sein –– perfekt getimed zur großen Sommerrückkehr aus Urlaub und Saisonarbeit. Fast parallel zu der heutigen Repressionsoffensive annoncierte Mitsotakis im griechischen Parlament die <a href="https://in.mobile.reuters.com/article/amp/idINKCN1VG148?fbclid=IwAR0p1u8HSRf5QYhw3JVOVZ1dqBonu4fecAzeUuSb7J7wZ713ev2y3ye_HlE">Aufhebung der Kapitalverkehrskontrollen</a>, die seit 2015 Griechenland „plagten“. Ein Erfolg für ihn, dank seines Freundes Yannis Stournaras, des Präsidenten der griechischen Zentralbank. Ein Erfolg, welcher der Syriza-Regierung durch Druck der „internationalen Partner“ verwehrt wurde.</p><p>Die heutigen Räumungen in Exarchia sollten nicht nur als Teil eines regionalen Aktionsplans gesehen werden, sondern als Teil eines noch größeren Plans. Die Regierung der Nea Dimokratia ist eine Mischung aus kapitalgeilen, konservativen und neofaschistischen Elementen, die eine soziale Zertrümmerung veranlassen wollen, die sogar den Ausverkauf des Landes während der Krise übertreffen würde. Diese heuchlerische Regierung, die wie ein Bild aus der Vergangenheit anmutet, wird mehrere Fronten in Angriff nehmen – zuerst wird sie sich für die Aufhebung der Kapitalkontrollen feiern lassen, scheinbar etwas Geld an Kleinunternehmer*innen verteilen und somit vermeintlich deren Leben erleichtern, dann aber die soziale Katastrophe in Gang setzen.</p><p>Die <a href="https://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/griechenland-schafft-universitaets-asyl-ab-keine-sperrzone-mehr-fuer-polizei-a-1281099.html">Abschaffung des Universitäts-Asyls</a> – eine Regelung, die seit der Militärdiktatur gilt und die der Polizei das Betreten von Universitätsgeländen verbietet gilt –, ist nur der erste Schritt in der endgültigen Neoliberalisierung der griechischen Universitäten. Die Gründung privater Unis und somit von Investitionen von Firmen und ihren Partner*innen im Universitätssystem werden diesmal nicht scheitern. Dagegen formiert sich wieder Protest, von Student*innen bis Professor*innen, aber noch nicht so massenhaft wie beim letzten neoliberalen Angriff auf das Bildungssystem 2006 bis 2007. Das soziale Netz ist zerstört nach Jahren der Krise und politische Organisierungsprozesse befinden sich nach der Enttäuschung der Linksregierung am Boden. Gleichzeitig werden weitere Privatisierungen angetrieben, die vorher noch blockiert wurden, wie der Verkauf der staatlichen Elektritzitätsfirma DEI oder des alten Flughafengeländes in Athen, Elliniko. Und „griechische Werte“ dürfen und sollen wieder zelebriert werden. Räumungen von Geflüchteten sollen natürlich auch die Zustimmung der rechten bis faschistischen Wählerschaft verstärken, die von Goldene Morgenröte zurück an die Nea Dimokratia gewandert ist.</p><h2><b>Das Startsignal wurde gegeben</b></h2><p>Widerstand in Griechenland wird aber wieder aufkommen – auf allen Ebenen. Nicht wegen dem „aufrührerischen griechischen Blut“ oder sonstigem mystischem Unsinn, aber wegen der kontinuierlichen Geschichte der sozialen Kämpfe seit Beginn des letzten Jahrhunderts. Es ist nicht die Geschichte von angezettelten Weltkriegen oder friedlichen Revolutionen, sondern die Geschichte von großen Widerständen gegen den deutschen und griechischen Faschismus und von Aufständen abseits von identitären Millieus. In Exarchia wird der Kampf ums Territorium nur dann erfolgreich sein, wenn er sich als Teil einer größeren Gegenoffensive versteht. Eine, die schon im Kern von Exarchia steckt. Nicht mehr oder weniger als der Wunsch, die Welt zu verändern. Dafür muss erstmal die Solidarität wieder aufgebaut werden: Nach der Rückkehr aus dem Sommerloch und den ersten Repressionsschlägen beraten sich alle gemeinsam und zwar heute Abend in der bekannten Besetzung von und für Geflüchteten Notara 26. Und für uns im Ausland ist es wieder Zeit, wachsamer zu sein – nach Jahren der relativen Untätigkeit in unserer Solidaritätsarbeit während der Syriza-Regierung. Lange haben wir nicht mehr die griechischen Botschaften und Niederlassungen des Staates besucht. Exarchia wird fallen, wenn es sich fallen lässt und wir es fallen lassen. Wenn es bestehen bleibt, wird es ein Leuchtturm für uns alle sein in unseren unerledigten Abenteuern.</p></div>
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<p>Unser Exarchia: Widerstand in Griechenland wird aufkommen. Auf allen Ebenen.</p>
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<div class="rich-text"><p></p><hr/><h2>Themenschwerpunkt "Krise in Griechenland"</h2></div>
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<div class="rich-text"><ul><li><a href="https://revoltmag.org/articles/notwendiger-denn-je/">Notwendiger denn je!</a> | <b><i>Eleni Triantafyllopoulou<br/></i></b>[29. März 2019] <i>Die Frauen*bewegung in Griechenland wird jedes Jahr radikaler. Eleni Triantafyllopoulou darüber, weshalb es dringend notwendig ist, die politischen Streiks der Arbeiterinnen* am 8. März als antikapitalistische Kämpfe zu begreifen.<br/></i></li><li><a href="https://revoltmag.org/articles/alles-zu-verkaufen/">Alles zu verkaufen!</a> | <b><i>Eleni Triantafyllopoulou</i></b><br/>[23. Februar 2019] <i>Kulturelle Güter, Krankenhäuser, öffentliche Plätze: Das Ausmaß der – durch die griechische Regierung abgesegneten – Privatisierungen in Griechenland steigt immer weiter. Eleni Triantafyllopoulou über „attraktive neue Kapitalinvestitionen“ auf Kosten der Bevölkerung.</i><br/></li><li><a href="https://revoltmag.org/articles/antifaschistischer-kampf-ist-nur-gegen-das-system-m%C3%B6glich/">Antifaschistischer Kampf ist nur gegen das System möglich</a> | <b><i>Yannis Elafros</i></b><br/>[28. September 2018] <i>Jüngst jährte sich der Mord am Pavlos Fyssas in Athen zum fünften Mal. Nicht zuletzt der Umstand, dass seine faschistischen Mörder frei herumlaufen, macht deutlich, dass unser antifaschistischer Kampf eine neue Intensität erreichen muss.<br/></i></li><li><a href="https://revoltmag.org/articles/ein-freiluftgef%C3%A4ngnis-am-rande-europas/">Ein Freiluftgefängnis am Rande Europas</a> | <b><i>Eleni Triantafyllopoulou </i></b>und<b><i> Nikos Manavis</i></b><br/>[24. Juni 2018] <i>Tausende Menschen auf der Flucht sind auf der griechischen Insel Lesbos eingesperrt und kommen nicht weiter. Die rechten Übergriffe und Politiken vor Ort nehmen zu, aber auch die Solidarität mit den Refugees. Der gemeinsame Widerstand muss notwendig antiimperialistisch sein.</i><br/></li><li><a href="https://revoltmag.org/articles/jeder-tag-dem-wir-k%C3%A4mpfen-ist-ein-feiertag/">Jeder Tag an dem wir kämpfen ist ein Feiertag</a> |<i> </i><b><i>Eleni Triantafyllopoulou</i></b><br/>[12. März 2018] <i>In den Jahren der Wirtschaftskrise ist die sexistische Diskriminierung von Frauen und LGBTQ-Personen in Griechenland stark angestiegen: Neben Arbeitslosigkeit, Lohnungleichheit und Gewalt kämpfen Frauen* gegen die Abschaffung grundlegender Rechte.</i><br/></li><li><a href="https://revoltmag.org/articles/das-gegenteil-von-rot/">Das Gegenteil von Rot</a> | <b><i>George Pavlopoulos</i></b><br/>[19. Februar 2018] <i>Die Entwicklungen um die Radiostation ,,Sto Kokkino‘‘ (die Rote), die zur sozialdemokratischen SYRIZA-Partei gehört, sind bezeichnend für die arbeiterfeindliche Politik der griechischen Regierung. Lohnkürzungen, Entlassungen und Drohungen – insbesondere gegenüber jenen, die sich nicht fügen.</i><br/></li><li><a href="https://revoltmag.org/articles/antifa-athen-bleibt-stabil/">Antifa Athen bleibt stabil</a> | <b><i>John Malamatinas</i></b> und <b><i>George Pouleaux</i></b><br/>[4. Februar 2018] <i>In Griechenland kommt es derzeit im Zuge des Namensstreits mit der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien zum Ausbruch eines aggressiven Nationalismus. Die re:volt Autoren John Malamatinas und George Pouleaux zu einer unrühmlichen griechischen Tradition und antifaschistischer Gegenwehr.</i><br/></li><li><a href="https://revoltmag.org/articles/ein-h%C3%A4ssliches-wochenende/">Ein hässliches Wochenende</a> | <b><i>John Malamatinas</i></b> und <b><i>George Pouleaux</i></b><br/>[3. Februar 2018] <i>In Athen finden gleich zwei nationalistische und faschistische Massenaufläufe statt. Worum es den Faschos geht? John Malamatinas und George Poulaux über den langen Streit und seine Auswirkungen.</i><br/></li><li><a href="https://revoltmag.org/articles/libertatia-flammen/">Libertatia in Flammen</a> | <b><i>John Malamatinas</i></b> und <b><i>George Pouleaux</i></b><i><br/></i>[21. Januar 2018] <i>In Griechenland riefen am heutigen Sonntag rechte und rechtsradikale Gruppen zu einer nationalistischen Großdemonstration gegen Mazedonien auf. Dabei griffen faschistische Gruppen unter Schutz der griechischen Riot-Einheiten MAT besetzte Häuser an und brannten das anarchistische Libertatia nieder.</i><br/><br/></li></ul></div>
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Google Strikes Back2018-10-24T15:24:55.566952+00:002018-10-24T15:53:01.201109+00:00John Malamatinasredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/google-strikes-back/
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<h1>Google Strikes Back</h1>
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<div class="rich-text"><p></p><p>Überraschung? Am Mittwochmorgen gab Google in einer
gemeinsamen <a href="https://www.betterplace.org/c/neues/uploads/haus.betterplace.org/pressemitteilung-das-haus.pdf">Pressemitteilung</a>
mit den zivilgesellschaftlichen Akteuren betterplace und KARUNA bekannt, dass
doch alles anders werden soll im Umspannwerk im Reichenberger Kiez. Die 3.000
Quadratmeter, die mal der Google Campus werden sollten, werden ein „Haus für
soziales Engagement“. Google übergibt die Schlüssel und betterplace wird das
neue Projekt gemeinsam mit KARUNA leiten und das inhaltliche Programm
gestalten.</p><p></p><p></p><p>betterplace ist nach eigenen Angaben ein „gemeinnütziges
Kreuzberger Sozialunternehmen, das seit elf Jahren sozialen Akteur*innen dabei
hilft Gutes besser zu tun“ – sprich: Eine Internetplattform, die Fundraising
für soziale Projekte fördert. KARUNA Sozialgenossenschaft mit Familiensinn und
KARUNA Zukunft für Kinder und Jugendliche International e.V. sind gemeinnützige
NGOs, die vor allem die Inklusion von ausgegrenzten Jugendlichen, etwa durch
das Projekt MOMO – the Voice of disconnected youth, fördert. In der
Digitalisierung und der Kooperation mit Google sieht die Initiative laut ihrer
Mitteilung großes Potential, um soziale Probleme zu lösen.
</p><p>Wenn im Frühjahr 2019 das Projekt eröffnen wird, sollen
„gemeinnützige Organisationen, soziale Initiativen und engagierte Helfer*innen
gemeinsam neue Ideen entwickeln, voneinander lernen und Veranstaltungen für die
Community organisieren“, so der vielversprechende Teaser. Ist dieser
Geisteswandel ein Sieg der Proteste der vergangenen Monate? Ein näherer Blick
auf die Pressekonferenz lohnt, um das Vorhaben einzuordnen. </p>
<h2>„Licht am Ende des Tunnels“</h2>
<p>Die Show kann starten: Beim Akkreditierungsstand können zunächst
Bauhelm und Schutzschuhe für den späteren Rundgang abgeholt werden. Brezeln und
Mineralwasser stehen bereit, Informationsmaterial und Pressemappe werden verteilt
und die Podiumsteilnehmenden sitzen schon bereit. Das Dreiergespann scheint
perfekt eingespielt – Gutmenschen United; wichtig vor allem Lächeln und
obligatorische Selfies. Allen geht es prächtig.</p>
<p></p></div>
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<img alt="Pressekonferenz" height="1332" src="/media/images/pressekoferenz.original.jpg" width="1776">
</div>
<figcaption>
<p>Die Pressekonferenz: Alle so voll begeistert!</p>
</figcaption>
</figure>
</section>
<section class="content content-section content-type-paragraph">
<div class="rich-text"><p>Den Start der Runde macht Rowan Barnett, Vertreter von
Google for Startups. Erfreut vermeldet er, dass endlich Licht am Ende des
Tunnels zu sehen sei in der Auseinandersetzung der Firma mit dem Projekt Google
Campus in Kreuzberg. Google war es laut Barnett „von Anfang an wichtig, das
Projekt im Kiez sozial zu integrieren und einen Mehrwert für alle zu schaffen“.
Am Tag der offenen Tür konnte, „wer es <i>wirklich</i>
wollte, sich schon ein Bild davon machen“ – und hätte auch dort schon Jörg Richert von
KARUNA angetroffen. Was der Mehrwert für Kreuzberg sei, war die zentrale Frage der
Diskussionen der letzten Monaten mit sozialen und zivilgesellschaftlichen
Akteuren. Google Vertreter hätten dazu mehrmals „Cafés besucht, mit Nachbarn
gesprochen, mit Theatern Kontakt aufgenommen und mit der Politik und Wirtschaft
geredet“.</p>
<p>Die Proteste gegen den Google-Campus seien wahrgenommen
worden, heißt es. Daher wolle Barnett die wichtige Frage gleich vorweg
beantworten: Welche Rolle spielten die Proteste für die neue Entscheidung?
„Natürlich“ entscheiden Google und seine Partner selbst, erklärt er, aber es sei
wichtig gewesen, in Dialog mit der Community zu treten. „Leider sind die
Akteure des Protests nicht Teil des neuen Vorhabens“ konstatiert er gleich
darauf mit gespieltem Bedauern. Aber die Zeit wurde genutzt um das Feedback
auszuwerten: Die spontane Nutzung der Räume sei wichtig und es soll ein Ort für
Synergien und Innovation sein.</p>
<p>Was Google nun mit dem neuen Projekt zu tun habe? Unter dem Satz „Wir stellen nur die
Räume und die Infrastruktur!“ kommt einiges zusammen: 14 Millionen Euro sollen
in den Umbau, die Miete und Nebenkosten sowie neue Möbel fließen. Direkte
Geldtransfers an die neuen Betreiber sind nicht vorgesehen. Das ganze Projekt
soll fünf Jahre bis 2023 laufen. Danach ist offen, wie es weitergeht.</p>
<h2>„Übergabe an die neue Hausherrin“</h2>
<p>Mit diesem Satz übergibt Google das Mikro und die Schlüssel
des Projekt an Carolin Silbernagl von betterplace. Es sei wirklich schwer,
meint diese, über so einen Raum zu sprechen, „weil so viele wunderbare
Möglichkeiten bestehen!“. In den 3.000 qm sollen Klassen- und Workshopräume für
20-50 Leute entstehen, Kongressräume für bis zu 200 Teilnehmer*innen sowie
weitere flexible Arbeits- und Aufenthaltsräume, in denen gemeinsam soziale
Projekte ausgearbeitet werden. Auch in der Pause soll diskutiert und
nachgedacht werden: Ein Café mit einer langen Tafel mit 25 Sitzen soll das
möglich machen. Es soll nicht nur nebeneinander, sondern miteinander gearbeitet
werden!</p>
<p>Die geplante Begegnungsstätte für die Zivilgesellschaft soll
eine Antwort auf die zunehmende Gentrifizierung und Verteuerung der Stadt sein:
„Wer innerhalb des S-Bahn-Rings aktiv sein möchte, muss oft 10.000 Euro Miete
hinblättern“. Das Projekt entstehe inmitten großer ökologischer und sozialer
Herausforderungen und das Engagement sei wichtig für die soziale Veränderung
und eine nachhaltige Wirtschaftlichkeit.</p></div>
</section>
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<p>Die Baupläne der geplanten Begegnungsstätte</p>
</figcaption>
</figure>
</section>
<section class="content content-section content-type-paragraph">
<div class="rich-text"><p>Wer über die Nutzung der Räume entscheide, fragt ein Journalist. „Wir werden
zweigleisig fahren“ antwortet Silbernagl und führt aus: Erstens werde die
Nutzung nach dem Prinzip „first come, first serve“ über das Internet verteilt,
mit dem Kriterium, das breite soziale Engagement vielfältig abzubilden. Und
zweitens werden die Partnerorganisationen selber moderierend Themen setzten und
Akteure von Außerhalb einladen.</p><h2>„Dies ist die zweite Besetzung. Darf ich die Besetzer
fotografieren?“?</h2>
<p>Mit diesem … Witz ist der nächste Sprecher, Jörg Richert von
KARUNA, schon kurz vor offiziellem Beginn der Pressekonferenz aufgefallen.
Richert ist stolz auf die neue Entwicklung und äußert einen großen Dank an
Google für diese Chance. Aber die Lösung mache ihn nicht 100 Prozent zufrieden:
„Wenn ich ehrlich bin, wollten wir Google dabei haben. Keine Separation,
sondern gemeinsam arbeiten. Respekt vor Google für die Entscheidung aber
gleichzeitig ein weinendes Auge“. Die Genossenschaft KARUNA wird gemeinsam mit
der Jugendinitiative MOMO einziehen und möchte viele soziale Projekte, vor
allem auch für Jugendliche und Schüler*innen möglich machen.</p>
<p>Darunter fällt auch Richerts Lieblingsprojekt: „Eine
Buslinie für Obdachlose, die von hier aus los gehen soll!“ Wohin, bleibt
unklar. Allgemein sei er aber nicht optimistisch, was den Kampf gegen
Gentrifizierung angehe. Aber es sei wichtig, die lange Kausalkette zu den
Gründen der Verteuerung zu verstehen und die Diskussion, wie angestoßen von
Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales Elke Breitenbach, weiter zu
verfolgen. Dann durfte eine (namentlich nicht genannte) Vertreterin von MOMO
kurz das Projekt vorstellen. Die Quintessenz: Nur Tech-Unternehmen scheinen
aktuell in der Lage zu sein, auf die historischen Umbrüche antworten zu können.
Aber es könne nicht sein, dass nur ein Akteur das macht und Kooperationen oft
Lippenbekenntnisse sind. Es brauche einen multiperspektivistischen Weg. Und
diesen könne das neue Haus bieten.</p>
<p>Die Fragerunde im Anschluss ist unergiebig. Es werden keine wirklichen
kritischen Fragen gestellt, außer der, ob Google nach den fünf Jahren komplett
aussteige. Dies würde erst nach dem „Fünf-Jahresplan, bekannt von der DDR“
(allgemeines Gelächter) evaluiert, antwortet Richert. Kurz vor dem Ende der
Pressekonferenz erinnert der Google Vertreter die Moderation, dass unbedingt
der Baucontainer angesprochen werden soll. Ab Mitte November soll ein
Baucontainer außerhalb der Räumlichkeiten den Kontakt mit dem Kiez ermöglichen:
Jeden Mittwoch von 14:00-16:00 Uhr und Freitag von 10:00-12:00 Uhr solle der „Sprechcontainer“
verschiedene Aktivitäten anbieten. </p></div>
</section>
<section class="content-section content-type-photo">
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<img alt="Neue Baustelle" height="960" src="/media/images/google_campus.original.jpg" width="720">
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<p>Gutgelaunte Projektbeteiligte und der Soziale Container</p>
</figcaption>
</figure>
</section>
<section class="content content-section content-type-paragraph">
<div class="rich-text"><p>
</p><p>Beim anschließenden Rundgang erklären Silbernagl und Richert
mit Hilfe der jeweiligen Projektleiter*innen den Umbau und zukünftige Nutzung
der Räume. Gezeigt wird, wo der Empfang, das große Auditorium oder die
Workshopräume sein werden. Im Untergeschoss sei ein Herz- und Schmuckstück des
Hauses, der sogenannte „Prinzessinnengarten“, ein Wintergarten, der als
halb-offener Bereich dienen soll. Unter anderem soll das Projekt „Music for
good“, das Musikevents für gute Zwecke anbietet, hier angesiedelt sein.</p>
<p>Auch der soziale Baucontainer wird beim Rundgang besichtigt.
Er befindet sich innerhalb der Umzäunung des Geländes, der direkte Zugang ist
noch etwas schwer. Es bleibt abzuwarten, ob die Bevölkerung diesen abgezäunten
Baucontainer umarmen wird. Richert witzelt, er würde daneben seine Hängematte
aufhängen. Vielleicht hilft das ja.</p><h2>Alles anders? Wirklich? Das Mikro geht an die Bewegung</h2>
<p>Spaß beiseite. Google und seine Partner haben ihre Zeit wohl
wirklich geschickt genutzt und lancieren ein soziales Gegenprojekt – ein Haus
für soziales Engagement „für alle“. Wer sich aber ein offenes und gemütliches
soziales Zentrum zum abhängen, selbstorganisiert aktiv werden oder auch nur kiffen
darunter vorstellt, liegt falsch. Dort soll gearbeitet werden. Und diese Arbeit
soll ausgelebt und gefeiert werden: Die Grenzen zur Freizeit sollen weiter
verblassen. Dort soll „gesunde“, aber sicherlich keine direkte Demokratie
praktiziert werden.</p>
<p> Die Proteste gegen den Google-Campus waren und sind damit aber
auch weiterhin erfolgreich: Sie haben Google mit seinem gesamten Beraterstab
gezwungen, diese Proteste ernst zu nehmen und sich einen Alternativweg zu
überlegen. Zwar wird in längerer Frist die Start-Up-Kultur doch Eingang in
Kreuzberg finden – aber auf Umwegen, bei denen wiederum immer wieder neue
Widerstände entwickelt werden können. Die Taktik von Google erinnert an das
bekannte „Greenwashing“ anderer sozialer Projekte und Initiativen in der
Vergangenheit. An dieser Stelle sollte auch an die Ankündigung von Amazon in den USA vor wenigen Tagen erinnert werden, den Mindestlohn für seine Mitarbeiter auf 15 Dollar zu erhöhen – eine Antwort auf die breite Kritik –, ohne dabei zu erwähnen, dass Boni und andere Extras womöglich gestrichen werden. Die Nerds und Geeks aus Silicon Valley sehen sich als die ultimativen Weltverbesserer und Anführer einer breiten sozialen Veränderung auf neoliberale Art.</p><p>Die Vereinnahmung von Protest durch eine Alternative, bei der die
Zivilgesellschaft eingeweiht ist, ist dabei keine Innovation. Aber es ist eine
Chance: Vom Etappensieg aus hin zu einer weiteren und breiteren
Auseinandersetzung gegen Gentrifizierung, Verwertung und sozialen Ausschluss.
Die Lösungen von oben werden nie die unsere sein. Aber diese Weisheit reicht
nicht aus – sondern muss auf der Strasse und den Kiezen bestätigt werden. Und
diese Diskussion soll <a href="https://www.facebook.com/TOPB3rlin/photos/a.10152203242170256/10156588489390256/?type=3&theater">laut
TOP B3rlin</a>, einer Gruppe die mit dem Projekt
"Communist Counter Campus" gegen Google in den letzten Monaten aktiv
war, schon heute Abend beginnen.</p></div>
</section>
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<img alt="TOP B3RLIN Ankündigung" height="683" src="/media/images/top_berlin.original.jpg" width="541">
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<p>✔️Google Campus verhindert ✖️Google enteignet ✖️Kommunismus</p>
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Antifa Athen bleibt stabil2018-02-04T22:04:51.036641+00:002018-02-05T11:36:08.968669+00:00George Pouleaux und John Malamatinasredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/antifa-athen-bleibt-stabil/
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<h1>Antifa Athen bleibt stabil</h1>
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<span class="content-copyright">Marios Lolos</span>
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</div>
<section class="content content-section content-type-paragraph">
<div class="rich-text"><p>Es wurde <a href="https://revoltmag.org/articles/ein-h%C3%A4ssliches-wochenende/">weniger hässlich</a> als erwartet: Zwar kamen heute über 100.000 Nationalist*innen
auf dem Syntagma-Platz vor dem griechischen Parlament in Athen
zu einer pro-griechisch-mazedonischen Kundgebung zusammen, erfolgreiche Angriffe seitens faschistischer Gruppen, wie in
Thessaloniki vor zwei Wochen, aber blieben aus. Nicht zuletzt die
antifaschistische Mobilisierung der letzten Tage ermöglichte einen
stabilen Schutz linker Infrastruktur und einige offensive
Gegenaktionen. Die nationale Massenhypnose, mitorchestriert durch
Medien, Kirche und Teile der Politik und im Zusammenspiel mit
reaktionären Kräften, bleibt weiterhin die eigentliche politische
Gefahr, der alle gegenüberstehen, die sich für eine andere Gesellschaft einsetzen. Ein Ende der nationalen Hysterie, die ihre
Wurzeln in Bildung und Sozialisierung hat, ist nicht in Aussicht.</p>
<h3><b>Der nationale
Blödsinn erneut auf der Straße</b></h3>
<p>Unklar war bis zuletzt, wie groß die angekündigte Massenkundgebung sein würde. Seit Tagen
berichteten griechischen Leitmedien ununterbrochen von den
Vorbereitungen. Kein Detail wurde ausgelassen: Tausende Busse aus ganz Griechenland seien auf dem
Weg, irgendwelche Geistlichen würden die aufbewahrte
Revolutionsfahne von 1821 mitbringen oder übergroße XL-Fahnen
würden extra für den großen Tag produziert….usw. Ähnlichkeiten
der Ästhetik mit dem sogenannten nationalen Sommermärchen der
Fussball WM 2006 in Deutschland waren nicht zu übersehen -
Fahnenverkäufer*innen haben erneut das Geschäft ihres Lebens
gemacht! Mit einer großen Menge konnte vor allem deshalb gerechnet
werden, weil der Liebling der Nation, der bekannte Komponist Mikis
Theodorakis, die erste Rede halten würde. Und nicht nur in Athen
wurde demonstriert: Schon Samstag gingen 1000 Griech*innen in
Frankfurt auf die Straße, in London, Zürich und Australien fanden
weitere Aktionen statt. Die Kundgebung in Athen fand zudem mit
starker finanzieller Unterstützung der griechischen Migration aus
dem Ausland statt.</p>
<p>Die Rede Mikis
Theodorakis‘ wird vielen in Erinnerung bleiben. Sie drückt den aktuellen Diskurs des kirchlich-rechten
pro-griechisch-mazedonischen Blocks aus. Die Rede begann mit „Meine
lieben Griechen, Faschisten, Nazis, Anarchisten und sonstige“ als
Antwort auf alle – besonders aus der linken Ecke -, die sein
Erscheinen auf der Kundgebung als reaktionär kritisierten. Zu der
zentralen Frage bleibt seine Position so unverändert: Die
angestrebte diplomatische Lösung soll im Namen nicht mal das Wort
Mazedonien enthalten. Sonst droht großes Unglück über die
griechische Nation hereinzubrechen. Theodorakis griff dabei direkt die
aktuelle Regierung und die Minderheiten an, die diese unterstützen.
„Wir sind keine Nationalisten, sondern wir sind alle Patrioten“
ist der meist zitierte Satz seiner Rede in den sozialen Medien. Nicht zu vergessen der
größte Hammerschlag: „Der schlimmste Faschismus war schon immer
der linksgerichete Faschismus“. Im selben nicht verhandelbaren Ton
bewegte sich auch der konservative Fernsehsender Skai: Der Protest
finde nicht nur wegen dem Namensgebungskonflikt statt. Es sei ein
Protest gegen die Regierung als Ganzes. Tausende seien endlich von
ihrem Sofa aufgestanden und die Kundgebung sei Produkt der
Krisenpolitik von Premier Alexis Tsipras (SYRIZA). Die
Fernsehreporter*innen versuchten auch deutlich zu machen, dass
faschistische Gruppen kaum sichtbar seien und gerufenen Slogans sich
auf den Boden der nationalen Einheit bewegen. Das Ziel der gesamten
Aktion wurde langsam aber sicher deutlich: Es geht um ein politisches
Machtspiel. Die aktuellen Umfragen zeigen weiterhin, dass SYRIZA am
Boden liegt und die Medien suggerieren, dass die Regierung nicht mehr
repräsentativ für die griechische Gesellschaft sei. Eine Chance auf
Neuwahlen, auf die vor allem der konservative Chef Kyrgiakos
Mitsotakis weiterhin begierig wartet. Die erste Reaktion der
Regierung auf die Mobilisierungen und Berichterstattung kam durch
einen Tweet des Außenministers Nikos Kontzias: „Millionen von
griechischen Patrioten haben ihre Wahl getroffen. Deswegen werde ich
mit einem ruhigen Gewissen und Verantwortung für das Gute meiner
Heimat weiter verhandeln.“ Er sugeriert, dass die Mobilisierungen
kleiner ausgefallen sind als geplant und dass die Millionen
Abwesenden die derzeitige SYRIZA-Politik in dieser Frage
unterstützen.</p>
<p>Der sogenannte
Namensgebungskonflikt währt schon seit Jahrzehnten. Zehntausende
nahmen in den vergangenen Wochen an landesweiten Kundgebungen in
Thessaloniki und Athen mit der Forderung teil, den Begriff <i>Mazedonien</i>
nicht in den Namen der ehemaligen <i>jugoslawischen Republik
Mazedonien</i> aufzunehmen. Griechenland solle dies in keinem Fall
zulassen, weil dies die griechische Geschichte diskreditieren und zur
Destabilisierung der Region beitragen würde. Die letzte große
nationalistische Ansammlung mit tausenden Teilnehmer*innen zum
selbigen Thema fand 1992 statt – inmitten eines nationalistischen
Aufruhrs gegen die 1991 erfolgte Gründung des kleinen Nachbarstaats
nach Ende des Jugoslawienkriegs. Wegen des schwelenden Streits wird
Mazedonien bei der UNO mit dem sperrigen Namen <i>Ehemalige
Jugoslawische Republik Mazedonien</i> (eben FYROM) geführt. Seit
2008 blockiert Griechenland auch den NATO-Beitritt des
südosteuropäischen Landes. In der Zwischenzeit setzte auch
Mazedonien selbst, zumindest aus Sicht Griechenlands, auf eine
Politik der Provokation, indem Flughäfen und andere Wichtige Orte
nach dem historischen Eroberer Alexander dem Großen benannt wurden.
Seit 2014 liegen die Verhandlungen über den Namensstreit praktisch
still. Zuletzt zeichnete sich eine Einigung zwischen den Regierungen
beider Länder ab. Der UN-Vermittler in dem Streit, Matthew Nimetz,
zeigte sich kürzlich in New York „sehr optimistisch, dass der
Prozess in eine positive Richtung geht“. Nimetz unterbreitete
verschiedenen Medienberichten zufolge fünf Namensvorschläge, die
alle das Wort <i>Mazedonien</i> enthiellten, unter anderem
<i>Nord-Mazedonien</i> und <i>Neu-Mazedonien. </i>Neue
Aussagen von Nimetz, dass nur der Name und nicht die Identität der
Mazedonier zur Debatte stehen, befeuerten die Debatte in den letzten
zwei Tagen erneut. Als Provokation wurde seine Aussage aufgenommen,
die einfach besagt, dass Mazedonien ein größerer Raum sei, der vor
100 Jahren mit dem Abkommen von Bukarest definiert wurde.
Infolgedessen sei Mazedonien griechisch, bulgarisch und mazedonisch.</p>
<h3><b>Es leben die
antifaschistischen Reflexe</b></h3>
<p>Die Niederbrennung von
Libertatia und die anderen Übergriffe der letzten Wochen riefen
gleichfalls Vergeltungsaktionen hervor: Farbeier auf Büros der
Neonazis, brennende Autos und nächtliche Besuche. Am Freitagabend
verwüsteten 30 vermummte Aktivist*innen das Büro der Goldenen
Morgenröte in Piräus - einer Region, in der die Neonazis besonders
stark sind - und verjagten sie auch noch. Am Samstagmittag griffen
Antiautoritäre <a href="http://www.skai.gr/news/greece/article/366041/epithesi-adiexousiaston-sto-spiti-tou-miki-theodoraki-11/">das
Haus von Mikis Theodorakis mit Farbe</a> an und sprühten den Spruch
„Die Geschichte beginnt am Berg und endet im nationalen Sumpf des
Syntagma-Platzes“ an die Wand.</p>
<p>Die antifaschistische
Mobilisierung am Samstag Abend gegen den Imia-Aufmarsch der
neonazistischen Partei Goldenen Morgenröte war in ihrer Strategie
erfolgreich. Die Neonazis konnten sich nicht auf dem eigentlich
angekündigten Platz versammeln und hielten ihre Kundgebung mit
wenigen hundert Mitgliedern vor ihren zentralen Büros im Zentrum
Athens. Durch die große Polizeipräsenz und Absperrung großer
Straßen kam es nicht zu direkten Auseinandersetzungen zwischen
Demonstrant*innen und Neonazis. Das ganze Wochenende lang fanden
zudem Motorraddemos in verschiedenen Stadtteilen zur Gegeninformation
statt.
</p>
<p>Heute versammelten
sich, trotz Behinderungen durch die Polizei, den Versammlungsort zu
erreichen, 2.000 organisierte Antifachist*innen in der Nähe des
Syntagma-Platzes. Während des ganzen Tages bewachten hunderte
Antifas die zahlreichen sozialen Zentren, sowie die besetzten Häusern
von Geflüchteten. Die Schutzoperation läuft derzeit immer noch. Für
Aufmerksamkeit sorgte vor allem die Ankündigung der anarchistischen
Gruppe Rouvikonas sich auf den Schutz ihres Orts „Distomo“ und
der Präsenz im Stadtteil Agios Panteleimonas zu beschränken. In
ihrer Erklärung betonen sie, dass diese Präsenz den Faschisten
„besonders weh tun wird“, da das Viertel vor wenigen Jahren noch
in ihrer Hand lag und als ,,National befreite Zone‘‘ galt. Ein
Zustand der dank Gruppen wie Rouvikonas mit ihrem Freiraum <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Distomo">„Distomo“</a> in den letzten Jahren umgekippt wurde. Auf Indymedia tauchen
wiederholt Informationen auf von Auseinandersetzungen mit
Faschist*innen – wo letztere ausschließlich den kürzeren zogen.</p>
<p>Es
gab weiterhin einen gefährlichen Zwischenfall: Etwa 15 organisierte
Faschist*innen griffen mit Molotowcocktails das selbstverwaltete
Theater Empros im Viertel Psirri in der Nähe des Syntagma Platzes
an. Sie wollten scheinbar erneut einen Freiraum anzünden, genauso
wie zwei Wochen zuvor Libertatia, ein besetztes Squat in
Thessaloniki, niedergebrannt wurde. Die Anwesenden Antifas
verteidigten das besetzte Theater erfolgreich und trieben die
Neonazis in die Flucht, bevor die Polizeikräfte den Ort des
Geschehens erreichten. An einem früheren Zeitpunkt bewegten sich
etwa 200 organisierte Neonazis, einige mit Tarnkleidung, vermummt und
mit Holzlatten bewaffnet, von der Kundgebung weg in Richtung des
linksalternativen Stadtteils Exarchia, wurden aber von der Polizei
daran gehindert. Ein Mitglied der Goldenen Morgenröte wurde
verhaftet. Die Goldene Morgenröte hielt sich mit einer mittelgroßen
Gruppe ihrer Mitglieder und Parteichefs am Rande des Platzes auf, und
profitierte nicht von der medialen Öffentlichkeit. Scheinbar wurden
sie von den Organisator*innen am politischen Rand gedrängt. Für
viele Fragen sorge ein Angriff der griechischen Polizei auf die Büros
der linken Organisation NAR (Neu linke Strömung) <a href="https://www.youtube.com/watch?v=jPApBCAQpgM&feature=youtu.be">die
auf den örtlichen Schutz antraf</a><a href="https://www.youtube.com/watch?v=jPApBCAQpgM&feature=youtu.be">.</a></p>
<p>Die antifaschistischen
Reaktionen scheinen in Athen vorerst weiter zu laufen. Sie reichen
offenbar aus, um der organisierten faschistischen Gefahr
entgegenzutreten. Eine viel schwierigere Aufgabe wird es aber in den
nächsten Monaten sein, den nationalistischen Wahnsinn zumindest
etwas einzudämmen. Die Massenkundgebungen, die reaktionäre
Berichterstattung sämtlicher Medien und das Desinteresse der Massen
an wirklicher sozialer Veränderung sind nur die Spitze des Eisbergs.
Die nationale Erzählung Griechenland wurde seit der griechischen
Revolution geschickt mittels Neuschreibung der Geschichtsbücher
etabliert. Der nationale Mythos der Vereinigung Aristotles und
Platons, Alexander des Großen, den Spartaner*innen und Byzanz ist
tief verankert im Bewusstsein der griechischen Bevölkerung. Daran
änderten auch die Migrationserfahrungen und die jahrelange
ökonomische Krise nichts. In vielen Interviews vor und während des
Protests bekräftigten einige, dass „den Griechen alles weggenommen
werden kann, aber nicht die Heimat, Religion und die Familie“.
Heimat, Religion und Familie war auch der zentrale Slogan der
Militärjunta vor 50 Jahren. Die Leute sind erneut aus den Sofas
aufgestanden. Aber nicht wie im Sommer 2011, um empört über den
Umgang Europas und der Welt mit Griechenland und die aufkommende
soziale Krise anzuprangern, aber um das vermeintliche „kulturelle
Erbe Griechenlands“ zu verteidigen.</p>
<p><br/>
</p></div>
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</article>
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<h2>Lizenzhinweise</h2>
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Ein hässliches Wochenende2018-02-03T17:09:21.480819+00:002018-02-03T18:48:23.780732+00:00George Pouleaux und John Malamatinasredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/ein-h%C3%A4ssliches-wochenende/
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<h1>Ein hässliches Wochenende</h1>
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<div class="rich-text"><p><a href="https://revoltmag.org/articles/libertatia-flammen/">Libertatia
in Flammen</a>? Erinnert ihr euch noch? Vor zwei Wochen haben Faschisten und rechte
Fussballfans in der nordgriechischen Stadt Thessaloniki unter anderem die
anarchistische Besetzung Libertatia niedergebrannt, weitere soziale Projekte
angegriffen und das Holocaust Denkmal beschmiert. Die Aktionen fanden im Rahmen
einer nationalistischen Massenkundgebung statt, bei der etwa 50.000
Griech*innen forderten, dass „Mazedonien“ griechisch sei und der Nachbarstaat Mazedonien
bitte seinen komplizierten langen Namen mit dem Akronym FYROM beibehalten soll.
Sie setzten an diesem Tag bereits einen neuen Termin fest: Am morgigen Sonntag,
den 4. Februar, sollen Hunderttausende am zentralsten Platz des Landes, am
Syntagma in Athen, den Druck auf die griechische Diplomatie erhöhen. Und das
ist nicht genug: Schon am heutigen Samstagabend organisiert die Goldene
Morgenröte ihren jährlichen Imia-Marsch, an dem tausende Neonazis teilnehmen
werden. Es wird ein heißes Wochenende: Für die Regierung, die Polizei – aber
vor allem für den antifaschistischen Widerstand und für jede und jeden, der von
der faschistischen Gefahr betroffen sein wird.</p>
<p>Der sogenannte Namensgebungskonflikt währt schon
seit Jahrzehnten. Zehntausende Demonstrant*innen nahmen am vorletzten
Wochenende an der landesweiten Kundgebung mit der Forderung teil, den Begriff <i>Mazedonien</i> nicht in den Namen der
ehemaligen <i>jugoslawischen Republik
Mazedonien</i> aufzunehmen. Griechenland solle dies in keinem Fall zulassen,
weil dies die griechische Geschichte diskreditieren und zur Destabilisierung
der Region beitragen würde. Die letzte große nationalistische Ansammlung mit
tausenden Teilnehmer*innen zum selbigen Thema fand 1992 statt – inmitten eines
nationalistischen Aufruhrs gegen die 1991 erfolgte Gründung des kleinen
Nachbarstaats nach Ende des Jugoslawienkriegs. Wegen des schwelenden Streits
wird Mazedonien bei der UNO mit dem sperrigen Namen <i>Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien</i> (eben FYROM) geführt.
Seit 2008 blockiert Griechenland auch den NATO-Beitritt des südosteuropäischen
Landes. In der Zwischenzeit setzte auch Mazedonien selbst, zumindest aus Sicht
Griechenlands, auf eine Politik der Provokation, indem Flughäfen und andere
Wichtige Orte nach Alexander dem Großen benannt wurden. Seit 2014 liegen die
Verhandlungen über den Namensstreit praktisch still. Zuletzt zeichnete sich
eine Einigung zwischen den Regierungen beider Länder ab. Der UN-Vermittler in
dem Streit, Matthew Nimetz, zeigte sich kürzlich in New York „sehr optimistisch,
dass der Prozess in eine positive Richtung geht“. Nimetz unterbreitete
verschiedenen Medienberichten zufolge fünf Namensvorschläge, die alle das Wort <i>Mazedonien</i> enthalten, unter anderem <i>Nord-Mazedonien</i> und <i>Neu-Mazedonien.</i></p>
<h2>Massenmoblilisierung und Drohungen</h2>
<p>Am morgigen Sonntag soll eine
Wiederholung dieser nationalistischen Machtdemonstration folgen. Vor zwei
Wochen war noch nicht absehbar, ob die erste Mobilisierung gut besucht sein
würde; lediglich extrem rechte Gruppen riefen dazu auf. Mittlerweile aber
mobilisieren neben den Faschos auch große Teile der Kirche, konservative und
rechte Organisationen und Parteien und die pro-griechisch-mazedonischen
Verbände. Mikis Theodorakis, der bekannteste Komponist Griechenlands und
nationales Idol, wird eine Rede halten, ebenso der Ex-Premierminister der
Konservativen, Antonis Samaras, der schon 1992 den Widerstand gegen die
Namensgebung mit organisierte. Tausende Busse aus allen Ecken Griechenland
werden sich auf den Weg machen. Prognosen sagen voraus, dass sich bis zu einer
Million Menschen auf dem historischen Syntagma Platz versammeln werden. Sogar
in Deutschland wird zu dem Thema demonstriert: Unter dem Motto „Makedonien ist
Hellas“ werden heute am Samstag nach Veranstalterangaben zufolge bis zu 2000 Teilnehmer*innen
<a href="http://www.fr.de/frankfurt/frankfurt-demo-zum-griechischen-konsulat-a-1436716">in
Frankfurt</a> erwartet. </p>
<p>In den Medien und gesellschaftlichen
Diskursen ist eine regelrechte Hysterie ausgebrochen. Einen kräftigen Schub
bekam sie durch die Nachricht, dass der Außenminister Nikos Kotzias am
gestrigen Freitag drei Kugeln mit der Nachricht „Jede Kugel für jedes
Mazedonien“ per Post erhalten hat. Weitere Abgeordnete und Minister erhielten
ähnliche nationalistische Drohungen. Zudem hetzt der Chef
der konservativen <i>Nea Demokratia</i> (ND), Koyriakos Mitsotakis gegen die anarchistische Gruppe Rouvikonas, die
angekündigt haben soll, die Kundgebung anzufreifen. Die neuen Äußerungen des
UNO Chefverhändlers Nimetz, dass nur Name und nicht die Identität zur Debatte
steht, befeuerte nochmal die Polarisierung auf realpolitischem Terrain.</p></div>
</section>
<section class="content-section content-type-photo">
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<img alt="Spartakus rollt ein" height="450" src="/media/images/spartakus_rollte_ein.original.jpg" width="675">
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<p>Diensteifrige Spartaner auf Patrouille</p>
</figcaption>
</figure>
</section>
<section class="content content-section content-type-paragraph">
<div class="rich-text"><p>Die
Goldene Morgenröte – gegen die weiterhin ein Verfahren wegen krimineller
Vereinigung läuft – wird erneut eine starke Präsenz zeigen. In Athen ist sie
sogar viel besser aufgestellt und organisiert als im Norden des Landes. In den
letzten Tagen zirkulierte auf extrem rechten Webseiten und Emaillisten ein
Aufruf, den faschistischen Selbstschutz zu organisieren: Die Initiative
„Patriotische Union-Griechische Volkszusammenkunft HELLAS“ bittet Gruppen von
Reservisten, wie etwa den „Schild Nationaler Rettung“, für die Sicherheit der
tausenden Demonstrant*innen zu sorgen und vor Angriffen von Anarchist*innen zu
schützen. „Es wäre eine gute Idee, jemanden zu fangen und ihm die Sturmhaube
zu entfernen“, sagte Odysseus Telegadas, einer der Koordinatoren. Er fügte
hinzu, dass Mitglieder der Sicherheitsteams konkrete Anweisungen hätten, was in
einem solchen Fall zu tun sei.</p>
<h2>Internationaler Fascho-Auflauf </h2>
<p>Für
die Neonazis ist es ein großes Wochenende: Schon heute, am Samstag, organisieren
sie ihren eigenen faschistischen Massenauflauf. Anfang Februar findet jährlich
der sogenannte Imia-Marsch statt, einer der größten europäischen
Naziaufmärsche. Mit diesem faschistischen Großaufmarsch soll an den
Territorialstreit von 1996 um die Imia Inseln zwischen der Türkei und
Griechenland gedacht werden. Dort kam es zu einem militärischen Zwischenfall,
der beinahe in einem Krieg zwischen den beiden Ländern geendet hätte. Die
griechische Rechte ruft seit 1997 zu diesen Großaufmärschen auf. In den letzten
Jahren haben an diesen Aufmärschen regelmäßig Delegationen aus Deutschland und
anderen europäischen Ländern teilgenommen. Dass sich europaweit extrem rechte
Strukturen am Imia-Marsch beteiligen, beruht auch auf der internationalen
Ausrichtung und guten Vernetzung der <em>Goldenen Morgenröte</em>.</p>
<p>Auch
deutsche Neonazis der NPD Rheinland-Pfalz, des Freien Netz Süd (FNS) und
weitere Kader nahmen vor einigen Jahren schon an dem Marsch teil. In einem
Bericht das FNS hieß es dazu: „Die Partei wirkt über die Grenzen Griechenlands
hinaus als Fanal für alle nationalistischen Gruppen und Organisationen auf dem
Kontinent. Alle Besucher aus Deutschland waren sich darin einig, dass genau mit
diesem selbstlosen Einsatz und der überwältigenden Opferbereitschaft auch in
anderen Ländern des Abendlandes die schlafenden Massen noch erweckt werden können,
wenn die entsprechenden Rahmenbedingungen stimmen.“</p>
<p>Eines
ist klar: Es wird für jegliche Minderheiten, antifaschistische und demokratische
Kräfte ein wirklich hässliches Wochenende werden. Aber Gegenwehr bleibt nicht aus:
Sowohl heute als auch morgen finden parallel zu den nationalistischen und
faschistischen Spektakeln antifaschistische Gegendemonstrationen statt,
organisiert von demokratischen Bündnissen und anarchistischen-antiautoritären
Gruppen. Die Niederbrennung von Libertatia und die anderen Übergriffe der
letzten Wochen riefen ebenfalls schon Vergeltungsaktionen hervor: Farbeier auf
Büros der Neonazis, brennende Autos und nächtliche Besuche. Am Freitagabend
verwüsteten 30 vermummte Aktivist*innen das Büro der Goldenen Morgenröte in
Piräus, eine Region, in der die Neonazis besonders stark sind. Am heutigen Samstagmittag griffen Antiautoritäre <a href="http://www.skai.gr/news/greece/article/366041/epithesi-adiexousiaston-sto-spiti-tou-miki-theodoraki-11/">das Haus von Mikis Theodorakis mit Farbe</a> an und sprühten den Spruch „Die Geschichte beginnt am Berg und
endet im nationalen Sumpf des Syntagma-Platzes“ an die Wand. Ebenso besorgniserregend
wie die nazistische Gefahr ist aber auch die nationale Massenhypnose, die durch
Fernsehen und Funk stattfindet: Vielleicht werden am Sonntag wegen einem blöden
Namen mehr Leute auf der Straße sein als je gegen die Krisenverwaltung der
letzten Jahre.</p></div>
</section>
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<span class="content-copyright">OpenSource</span>
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<p>Antiautoritäre Gegendemonstration während der ersten Mazedonienkundgebung</p>
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<h2>Lizenzhinweise</h2>
<p>Copyright © 2017 re:volt magazine Redaktion - Einige Rechte vorbehalten</p>
<p>
Die Inhalte dieser Website bzw. Dokuments stehen unter der <a href="http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/">Creative Commons Namensnennung-NichtKommerziell-KeineBearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz</a>.
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</p>
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</div>
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Libertatia in Flammen2018-01-21T18:27:26.131176+00:002018-01-22T10:19:51.918230+00:00George Pouleaux und John Malamatinasredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/libertatia-flammen/
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<h1>Libertatia in Flammen</h1>
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</div>
<section class="content content-section content-type-paragraph">
<div class="rich-text">Der Konflikt währt schon seit Jahrzehnten.
Zehntausende Demonstrant*innen nahmen heute an der landesweiten
Kundgebung mit der Forderung, den Begriff <i>Mazedonien</i>
nicht in den Namen der ehemaligen <i>jugoslawischen Republik Mazedonien</i>
aufzunehmen, teil. Griechenland solle dies in keinem Fall
zulassen, weil dies die griechische Geschichte diskreditieren und zur
Destabilisierung der Region beitragen würde. Die
letzte große nationalistische Ansammlung mit tausenden
Teilnehmer*innen zum selbigen Thema fand zuletzt 1992 statt. Damals
fand diese inmitten eines nationalistischen Aufruhrs gegen die 1991
erfolgte Gründung des kleinen Nachbarstaats nach Ende des
Jugoslawienkriegs statt. Wegen des schwelenden Streits wird
Mazedonien bei der UNO mit dem sperrigen Namen <i>Ehemalige
Jugoslawische Republik Mazedonien</i>
geführt. Seit 2008 blockiert Griechenland auch den NATO-Beitritt des
südosteuropäischen Landes. In der Zwischenzeit setzte auch
Mazedonien selbst, zumindest aus Sicht Griechenlands, auf eine
Politik der Provokation, indem Flughäfen und andere Wichtige Orte
nach Alexander dem Großen benannt wurden. Seit 2014 liegen die
Verhandlungen über den Namensstreit praktisch still. Zuletzt zeichnete sich eine Einigung zwischen den
Regierungen beider Länder ab. Der UN-Vermittler in dem Streit,
Matthew Nimetz, zeigte sich kürzlich in New York "sehr
optimistisch, dass der Prozess in eine positive Richtung geht".
Nimetz hat verschiedenen Medienberichten zufolge fünf
Namensvorschläge unterbreitet, die alle das Wort <i>Mazedonien</i>
enthalten, unter anderem<i> Nord-Mazedonien</i> und <i>Neu-Mazedonien.</i><br/><br/>
<p><img alt="Nationalistische Kundgebung mit ungefähr 50.000 TeilnehmerInnen am Weißen Turm im Hafen von Thessaloniki, Griechenland." class="richtext-image left" height="281" src="/media/images/27042818_2066057417011343_1141053139_n.width-500.png" width="500">Seit Tagen wurde für die Großkundgebung am
heutigen Tag von verschiedenen Seiten aus kräftig die Werbetrommel
gerührt: Rechte Parteien und Organisationen, gewisse konservative
und christliche Kreise, Goldene Morgenröte, Fussballklubs, bekannte
Persönlichkeiten wie der Komponist <a href="http://greece.greekreporter.com/2018/01/09/mikis-theodorakis-warns-of-disaster-if-macedonia-is-included-in-compound-name">Mikis Theodorakis</a> machten in Erklärungen und social media posts klar: „Macedonia is
Greek“. Die Rede war bislang von 400 Bussen die sich
griechenlandweit nach Thessaloniki auf den Weg machten.
Regierungschef Alexis Tsipras mahnte den nationalistischen Wahnsinn
ab und versprach eine gute Lösung für sein Land zu erzielen.
Thessalonikis Bürgermeister Giannis Boutaris positionierte sich
gegen die nationalistische Mobilisierung, ebenso wie
antifaschistische und antiautoritäre Gruppen aus der
nordgriechischen Stadt. Letztere organisierten schon in den Tagen vor
dem nationalistischen Spektakel <a href="http://www.efsyn.gr/arthro/moroporeia-diamartyrias-enantia-syllalitirio-gia-ti-makedonia">Motorraddemos</a> und Kundgebungen zur Sicherung der <a href="https://l.facebook.com/l.php?u=https%3A%2F%2Fwww.neues-deutschland.de%2Fartikel%2F1076946.griechenland-und-fyrom-neuer-anlauf-im-streit-um-mazedonien.html&h=ATM63PrlqhK3qBO8sbt4_3rsRUQi3c48oLkSb9MHWqFOPpgxHMYfYql6yrO9FMWgU3ZicldKtDafTfBwaS3PFqf7oDSdAS64cLHzw5wE0jG670MGPcTr2qXWsqRD8WM&s=1&enc=AZM3oeyPi4-7bq04vwzWZdiKVFxZLHli-PVkUfoerpBwzRW9kmHYrasdai0MDXPEZCV4dxrJPLVZcFilodjS0h_AiTJty_6-oaKBilr7AAlYJQ">Gegenöffentlichkeit</a> und Warnung vor
der aufkommenden nationalistischen Rage .<br/>
</p><p><img alt="GoldenDawnGreece" class="richtext-image right" height="279" src="/media/images/27044817_2066057743677977_1817693333_n.width-500.png" width="500">Die rechten
Organisator*innen der heutigen Großkundgebung sprechen zwar von
über 400.000 Teilnehmern. Ganz so viele waren es aber sicherlich
nicht: Etwa 50.000 Menschen kamen an einem der zentralsten Plätze
Thessalonikis unter der Statue vom Alexander den Grossen in der Nähe
vom Weissen Turm, mit Griechenland Fahnen, Transparenten, sowie
<i>kreativer</i> und traditioneller Verkleidungen zusammen. Darunter
auch ein größerer organisierter Block der neonazistischen Partei
<i>Goldene Morgenröte</i>, die inzwischen als kriminelle Vereinigung
vor Gericht steht. Der Block hatte eigene Schutztruppen, die vom
Parlamentsmitglied und bekannten Kader Ilias Kasidiaris angeführt
wurden. Schon in den Tagen zuvor organisierten sie Flashmobs und
kündigten die Kundgebung auf dem Titelblatt ihrer Partei-Zeitung an.
Anwesend waren auch der konservative regionale Gouverneur der Region
<i>Zentralmazedonien</i> Apostolos Tzitzikostas, Parlementarier der
Unabhängigen Griechen und die Zentrumsunion, zahlreiche ehemalige
konservative Parlamentsabgeordnete und Bürgermeister
Nordgriechenlands.<br/>
</p><p><img alt="PAOK" class="richtext-image left" height="295" src="/media/images/27152684_2066057257011359_1796348411_n.width-500.png" width="500">Antiautoritäre Gruppen
warnten schon die Tage davor vor Angriffen auf Gegendemonstranten und
linker bzw. anarchistischer Infrastruktur. Schon auf dem Weg zur
Kundgebung wurden schon die Besetzung <i>Scholio</i> (Schule) unter
<a href="https://www.facebook.com/barikat.gr/videos/1781765455228233/">Schutz und Mitwirkung der <i>MAT</i>-Einheiten angegriffen</a>, aber von
den Anwesenden erfolgreich verteidigt. Etwa 150 Vermummte haben
während der Kundgebung versucht die Polizeiabsperrungn zu überrennen
und die antifachistische Demonstration am zentralen Platz
Thessalonikis <i>Kamara </i>anzugreifen. Die Riotpolizei <i>MAT</i>
setzte Tränengas ein um ein Aufeinandertreffen der Gruppen zu
verhindern. Im Anschluss der nationalistischen Kundgebung hat eine
Gruppe von über 100 Menschen den anarchistischen und
antifaschistischen Squat <i><a href="http://libertatiasquat.blogspot.de/">Libertatia</a></i> angegriffen und
<a href="https://www.youtube.com/watch?v=G-RlJgWBdpc&feature=youtu.be">schließlich angezündet</a>. Gerüchten in sozialen Medien zufolge
handelte es sich bei den Täter*innen um eine Gruppe von
nationalistischen Anhänger*innen von PAOK, dem Fanclub <i>Makedones</i>.
Das Gebäude von Libertatia ist mittlerweile komplett abgebrannt.
Motorradgruppen der <i>Goldenen Morgenröte</i> sind zurzeit mit
Knüppeln unterwegs; andere Besetzungen befinden sich weiterhin in
höchster Alarmbereitschaft. Ob es eine Koordination zwischen den
faschistischen Gruppen und den Fussballfans gab bleibt unbestätigt,
kann aber nicht ausgeschlossen werden.</p>
<p>Die größten
Befürchtungen haben sich hiermit bestätigt. Am heutigen Sonntag
gehörten die Strassen Thessalonikis den Faschist*innen und den
Tausenden, die ihnen mit ihrer Präsenz im nationalistischen
Spektakel Schutz gewährten. Die Faschist*innen bewegten sich
regelrecht wie Fische im Wasser. Die griechischen Medien bringen die
Niederbrennung erst langsam im Zusammenhang mit der Kundgebung.
Tatsächlich betitelte die größte griechische Tageszeitung
<i>Kathimerini</i> einen aktuellen Artikel, der sich mit dem Angriff
auf die Gegenkundgebung befasste: „Auseinandersetzung zwischen
Antiautoritären und <i>MAT</i> Einheiten“. Die nächste
nationalistische Massenkundgebung findet am 28. Januar in Athen am
geschichtsträchtigten Syntagma Platz statt. Der Nationalismus darf
erstmal weiter leben – die <i>Libertatia</i> wohl nicht.</p></div>
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Überwachen und lagern. Gegen die smarte Zukunft2017-11-22T16:58:55.934760+00:002017-11-22T19:17:54.674193+00:00John Malamatinasredaktion@revoltmag.orghttps://revoltmag.org/articles/%C3%BCberwachen-und-lagern-gegen-die-smarte-zukunft/
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<h1>Überwachen und lagern. Gegen die smarte Zukunft</h1>
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<img alt="Einblick in das spanische Logistikzentrum von Amazon España in San Fernando de Henares bei Madrid (2013)" height="420" src="/media/images/Amazon_Espana_por_dentro_San_.d87913ee.fill-840x420-c100.jpg" width="840">
<span class="content-copyright">Álvaro Ibáñez</span>
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<div class="rich-text"><p>
</p><p>Unterscheidet sich unsere Zukunft in 30 Jahren wirklich so
krass von heute? Die Rede von der Ära des digitalen Kapitalismus hat sich
durchgesetzt. Bei uns allen. Für wenige, die „Erfolgreichen“, ist es der
nächste Schub der Erneuerung und des Profits, für viele andere eine weitere bittere
Phase der politischen Ökonomie des Kapitalismus. Das heißt, für die meisten ein
Alptraum aus Funktionieren, Reproduzieren und Konsumieren, und nicht selten:
gesellschaftlicher Ausschluss. In der Nachkriegszeit wurde an vielen Punkten die
Abschaffung der Arbeit durch Innovation und Automatisierung herbei geträumt.
Fliegende Autos gibt es im Jahr 2017 immer noch nicht, obwohl die „Back to the
future“-Generation in den 1980er Jahren mit dieser Erzählung aufwuchs und mit
ihrer technischen Vorarbeit der Generation der „Millenials“ den Weg ins
„Informationszeitalter“ ebnete. Die zumeist männlichen Trekkies der 1980er und
1990er sind anfangs zu Softwarebossen (Bill Gates), dann zu Innovatoren (Steve
Jobs) und jetzt zu Alleskönnern (Jeff Bezos) mutiert und geben seit über 20
Jahren den Takt an. Dabei hat sich am Endziel dieses Traums nie etwas
verändert: Jedes einzelne verrückte Detail der Star Trek Serie, sei es das
Beamen, künstliche Intelligenz oder unendliches Leben, befinden sich weiterhin auf
der Agenda der Alphamännchen aus Silicon Valley und anderen Clustern dieser
Welt. Die „Internetrevolution“, die Vernetzung und Vermessung der Welt, bildet
die Basis für eine futuristische Zukunft, die gar nicht mehr so utopisch
anklingt, wie uns die kritische Serie Black Mirror spektakulär vorführt. Und
die Comedyserie Silicon Valley führt den Anspruch derselben, Glück für die
gesamte Menschheit herzustellen, vor. Geliefert haben sie bisher jedenfalls
nichts.</p>
<h2>Digitalisierung: eine Leerstelle der Linken</h2>
<p>Die Linke hat sich lange nicht wirklich bemüht, aus dem
Trauma der Erfahrung der gescheiterten techno-futuristischen Vision der
Sowjetunion ihre Lehren zu ziehen. Angesichts des proklamierten und längst
schon durchgesetzten Ende der Geschichte haben wir <i>uns</i> nicht gefunden –
vor allem nicht gegenüber der alternativlosen Technologisierung unserer Welt.
So fängt jede erste Diskussion an: Die Prozesse der Digitalisierung sind über
uns hinweg gerollt, heute sind wir bloß Teil von ihnen. Keine politische Gruppe
kann ohne Social Media in punkto Öffentlichkeitsarbeit überleben, ein großer
Teil von uns rutscht zum Ermessen unseres Erfolgs schon mal ins Like-zählen ab.
Sogar unter linken Aktivist*innen wächst der Teil derer, die im Sektor der
Sozialen Medien ihre Dienste anbieten, und zum Beispiel den Facebook-Account
der oder des nächsten Landtagsabgeordneten pflegen. Bei den Gewerkschaften
hingegen ist Automatisierung weiterhin ein Schreckenswort: Es gibt mittlerweile
zwar ein begrenztes <a href="https://www.verdi.de/themen/digitalisierung">Bildungsangebot</a>
zum Thema „Digitalisierung“; wohin das hinführen soll, ist aber unklar.</p>
<p>Die radikale Linke hat die Entwicklungen von Google,
Facebook, Amazon und Co zwar hin und wieder diskutiert, aber großteils schlichtweg
verpennt. Sowohl das Programm der Partei<i> Die.Linke</i>, wie auch
unterschiedliche technologiekritische Gruppen und NGOs konzentrieren sich
lediglich auf das Thema digitale Rechte – keine Spur von einer Art „linker
Innovation“. Die massiven Umstellungen in Produktion und Reproduktion der
Gesellschaft werden zwar etwas überfordert wahrgenommen, aber schon „zu groß und
mächtig“ seien die Gegner, zu kompliziert und überladen das System. Das
Potential an Organisierung von Leiharbeiter*innen, Wissensarbeiter*innen,
Beschäftigten der Logistikbranche und der Start-Up Industrie wurde bisher kaum
konkreter ins Auge gefasst (mit <a href="https://kritisch-lesen.de/rezension/klassenkampf-rebooten">wenigen
guten Ausnahmen</a>).</p>
<p>In linken akademischen Kreisen und der linken Öffentlichkeit
touren lediglich alt-neue Geister rum: Auf der einen Seite die
Postwachstumskritiker*innen, die sich für einen ökologischen Fußabdruck und
somit Veränderung des eigenen Konsums abgekoppelt von jeglichen
Verteilungsfragen einsetzen; auf der anderen Seite die Akzelarationist*innen
und Postkapitalist*innen, die durch Automatisierung die Chance für eine neue
linke Prophezeiung sehen – Beschleunigung für alle und zwar sofort!
Interessantere Debatten gab es aber bereits in feministischen Kreisen und
Kämpfen: Das<i> Cyborg Manifesto</i> von Donna Harraway war vor über 30 Jahren
bahnbrechend in der Diskussion über das Verhältnis von Mensch zur Maschine und
wird bis heute immer wieder aufgegriffen.</p>
<p>In diesen dunklen Zeiten, wo eine emanzipatorische Bewegung,
die nach den Sternen greift und dabei Träume in die Realität umsetzt, wohl noch
in weiter Ferne liegt, in denen die (extreme) Rechte jeglicher Couleur und Form
triumphiert, die Neoliberalen mit den Liberalen sich in einem vermeintlich grünen,
friedlichen und beschleunigten Kapitalismus vereinen, könnte der Blick auf die
Kämpfe um die Zukunft, die im Hier und Jetzt schon stattfinden, mehr als einen
Rettungsanker bilden. Bei den Prozessen der Reorganisation des Kapitals
entstehen Risse und Lücken, Plätze des Gemeinsamen und gesellschaftliche
Brüche, die vorher kaum vorstellbar waren. Aber die despotischen Arbeitsformen
des gegenwärtigen Kapitalismus und die Proteste der Arbeiter*innen gegen sie
sind aus der Vorstellungswelt und dem Vokabular vieler Linker verschwunden. Die
Kämpfe beim als Versandhandel getarnten Logistik-und Internetgiganten Amazon
könnten eine Chance für uns sein, der vorprogrammierten Langeweile und
Handlungsunfähigkeit zu entkommen. Und dabei etwas Gutes zu tun, nicht „nur“ für die
Beschäftigten. Das Prinzip des Kapitalismus verändert sich nicht: Die
Ausbeutung war, ist und wird immer da sein, solange es eben den Kapitalismus
gibt. Solange sich das Kapital weiterhin entwickelt (oder auch nicht),
reorganisiert oder Blasen aufbläht, sind Krisen und weiter soziale Zuspitzung
vorprogrammiert. Und wo Ausbeutung stattfindet, finden Kämpfe statt: Seit Marx,
Smith, Ricardo & Co wurde viel Tinte vergossen, um die Entwicklungsstadien
des Kapitalismus zu beschreiben, sie voneinander zu trennen oder ihnen einen
neuen Sinn zu geben. Der Kapitalismus, seine Reorganisation und
sein Reaktionsvermögen, kann vor allem aber an der Geschichte der Kämpfe gegen ihn
gemessen werden. Amazon gibt die Schablone ab für die Reorganisation der
Arbeitswelt, wie sie zukünftig auch in der restlichen Industrie stattfinden wird. Gerade
deshalb ist es wichtig, sich diese Logik aber auch die Logik der Widerstände
anzuschauen.</p>
<h2>„the
everything store“ - Der Logistikgigant Amazon</h2>
<p><i>„This is
not only the largest river in the world, it’s many times larger than the next
biggest river. It blows all other rivers away.“</i> [1]<br/>Jeff Bezos über den Namen
Amazon</p>
<p>Es ist – natürlich ohne Überraschung - die großartige
Geschichte eines Mythen erschaffenden Start-ups. Der New York Times
Finanzjournalist Brad Stone hat sie festgehalten in einem Buch, das die
britische Zeitung <i>Times</i> als
Meisterwerk des investigativen Finanzjournalismus bezeichnete. Die Suche nach
dem Unternehmensnamen ist lang, die verschiedenen Vorschläge allein sagen schon
einiges über die ursprüngliche Idee von Amazon selbst aus: Cadabra,
MakeItSo.com, Awake.com, Browse.com, Bookmall.com, Aard.com, Relentless.com
(also unerbittlich.com). Der Name sollte sich nicht von Anfang an auf Bücher
beschränken, wie etwa einer der ersten Konkurrenten, Books.com. Amazon-Gründer
Jeff Bezos, kommt aus der Wallstreet vom Hedgefund D.E. Shaw, mitten aus einem
Milieu von Nerds, die sich als erklärtes Ziel gesetzt hatten, so richtig viel
Geld zu machen. In der Zeit beginnt die Ära des Internets: The next big thing!
Und Jeff Bezos verlässt seinen gut bezahlten Job, um den Risikoritt auf einer
Welle der riesigen Weiten des Internets zu vollziehen. <br/></p><p>Amazon.com wird am 1.
November 1994 registriert. Am 9. August desselben Jahres lanciert Netscape
Communications ihren ersten Browser Mosaic Web und eröffnet somit die Pforte
ins weltweite Netz auch für die breite Öffentlichkeit. Das Netz ist bereit zum
Abheben. Bezos und sein kleines Team, darunter seine Frau Mackenzie und der
Techniker Kaphan, arbeiten bis zum erfolgreichen Launch zwei Jahre durch. Sie
überleben durch die finanziellen Investitionen von Familienmitgliedern und den
Kontakten aus Bezos D.E. Shaw Zeit. </p>
<p>In der ersten Woche nach dem Launch im April 2005 kommen
Bestellungen in Wert von 12.000 Dollar an, aber es werden Bücher in Wert von
gerade einmal 846 Dollar verschickt. In der zweiten Woche sind es 14.000 Dollar
an Bestellungen, und 7.000 Dollar verschickte Ware. Der lange Weg hin zur
heutigen Prime-Auslieferung – das Unternehmen wirbt heute im Jahre 2017 mit der
Auslieferung innerhalb einer Stunde – beginnt also mit deutlich kleineren
Schritten. <br/></p><p>Als das logistische Chaos der Lagerung und Verschickung bewältigt
war, begann die Expansion, die zum zentralen Motto der Zukunftsvision Amazons
wurde. Täglich stiegen die Bestellungen –
und die Investitionen. Expansion bedeutete bei Bezos und seinem Team
direkte Reinvestition aller verfügbaren Finanzressourcen. Die mittelfristige
Vision Amazons, das Versprechen auf Gewinne nach den ersten Expansionsrunden,
lockte die Investoren trotz der anfänglichen Schwierigkeiten. Das ausgebrochene
Abenteurertum des Internets tat bis zur Jahrtausendwende sein Übriges. Das Prinzip war einfach. Es besagte grob formuliert: Wir
haben einen Laden, der im Prinzip alles – erst einmal Bücher, aber sukzessive
andere Waren – verkauft und die Möglichkeiten bisheriger Warenhäuser
übersteigt. Wie das? Indem das Plattformprinzip die sonstigen Grenzsetzungen
des zweiseitigen Markts, die Verbindung zwischen Konsumenten und Produzenten, über
einen Mittler, das heißt die langfristige Lagerung und seine Kosten, umgeht. Die
Hoffnung war, dass der Netzwerkeffekt sein Übriges tun würde. Der Aktienkurs
bestätigt bis heute diesen unglaublichen Trend. Das Vertrauen in Amazon wächst
und wächst weiter, und hat beinah prophetische Züge genommen. „Everything is
possible“<b>,</b> sagt Bezos, und alle machen mit. Es sprießen die
plattformkapitalistischen Unternehmen aus dem Boden wie die Pilze.</p>
<p>Im Jahr 1997 wechselte Rick Dalzel von Amerikas größter
Einzelhandelsfirma Walmart zu Amazon. Vor seinem Weggang sagte ihm Don
Soderquist, Walmarts Chief Operating Officer, dass Amazon eine innovative Idee
sei, aber begrenztes Potential hätte, da es nicht sein eigenes Inventar hat und das Modell gegen eine Wand fahren wird, sobald es 100 Millionen Dollar
Umsatz erreiche. Wie herzzerreißend die Ereignisse waren, macht auch
folgender Satz des Managers deutlich: „Wenn du dich entscheidest zu gehen, dann
bist du nicht länger ein Mitglied der Walmart Familie.“ Frühe Konkurrenten wie
der renommierte Buchhandel Barnes and Nobles und eben Walmart waren schnell
gezwungen, mit eigenen Webangeboten nach zu ziehen. Ein hoffnungsloser Prozess,
der sich bis heute fortsetzt. Denn es kam halt gerade andersrum – die
Modernisierungsprozesse jener großen Unternehmen wurden zum Verhängnis der
tausenden von „reellen“ Läden.</p>
<p>Die Vision des „everything stores“ ist heute Realität. Mittlerweile
regelt ein Algorithmus die Wegläufe der Lagerbeschäftigten effizienter und
die neue Einkaufsform hat sich den flexiblen Beschäftigungsverhältnissen in
der Gesellschaft perfekt angepasst. Amazon beschäftigt weltweit 118.000
Menschen (in Deutschland über 16.000), operiert über alle Grenzen hinweg und
ist zum Schrecken – nicht nur - jeder*s Einzelhändlers*in geworden. Sogar der Möbelriese IKEA
überlegt, seine Produkte in Zukunft über Amazon zu verkaufen. Das
schwedische Fleischbällchen-Ritual samt Bällebad knickt ein vor Amazon. Die Lagerhäuser
bilden ein Netz, das die Belieferung in immer kürzeren Zeiten möglich macht.
Wie bei allen Start-ups ist „der Kunde König“. Immer schneller, immer präziser
sollen die Produkte jede und jeden auf den Planeten erreichen. Dabei ist dem
Einsatz von Technik als Technologie keine Grenzen gesetzt: Amazon
experimentiert in Kalifornien und anderswo mit vollautomatisierten Robotern und
Künstlicher Intelligenz, das erste vollautomatisierte Fulfillment Center wurde
schon in Betrieb genommen. Drohnen könnten bald den guten alten Postboten obsolet
machen, und sogar sich selber die Tür zum privaten Haus öffnen, um das Paket
abzulegen. Die bekannten „Jeffismen“, wie Stone die Phrasen von Bezos nennt,
drücken diese Träume aus: „Es gibt noch so viel, das
erst noch erfunden werden muss. Es gibt so viel Neues, das passieren wird. Die
Leute haben noch keine Ahnung, wie wirkungsvoll das Internet sein wird und das
ist immer noch Tag Eins auf diesem großen Weg.“ </p>
<p>Dass es nicht beim Wunderstore Amazon stehen bleiben wird,
machen sämtliche neueren und geplanten Projekte von Amazon deutlich. Seit dem
Winter 2016 wird auch in Deutschland das „intelligente Abhörsystem“ Alexa
angeboten. Alexa wird als die neue Assistentin im Haushalt angepriesen, die für uns auf die
Suche im Internet geht oder andere Dinge im smarten Zuhause regelt – quasi
reproduktive Tätigkeiten mehr und mehr ersetzen kann und vermutlich auch wird.
Der Unterschied zu der klassischen Suchmaschine ist, dass Alexa nur eine
Antwort gibt. Vielleicht stammt sie aus der Suchmaschine Bing, vielleicht von
Wikipedia, vielleicht vom Meistbietenden: In jedem Fall aber wird man Alexas
Worte für bare Münze nehmen – ohne jede Auswahlmöglichkeit.</p>
<p>Bisher ist es ein mit hoch empfindlichen Mikrofonen
bestückter Zylinder namens „Echo“, der in der Wohnung steht und auf das
Codewort Alexa und Anweisungen wartet. Kombiniert mit anderen Elementen im
Haushalt und außerhalb wettet Amazon auf das zukünftige Smart Home und Smart
City Konzept mit. Dieses Konzept basiert auf die massive Vernetzung und
Vermessung innerhalb der Metropolen und Haushalte mit dem Ziel, sämtliche
Bereiche des Lebens von Autofahren über Werbeeinblendungen im urbanen Raum bis hin zum automatischen Bestellen von Milch, wenn sie leer ist, ans Internet zu
koppeln. Amazon passt perfekt in einer Ökonomie des Bedingungslosen
Grundeinkommens und der „Sharing-Economy“, wo am Ende – idealerweise – niemand
mehr ein Auto besitzt oder Pakete per Hand ausliefern muss. </p>
<p>Ein Großteil der Einnahmen bei Amazon macht mittlerweile
auch das Cloud-Geschäft aus. Schon seit 2006 bietet Amazon Unternehmen Serverkapazitäten
zur Datenablegung zur Verfügung an und hat bis heute, neben Firmen
wie IBM und Microsoft, etwa ein Drittel dieses Marktes erobert. Das Ganze wird
infrastrukturell von sogenannten Serverparks, also riesigen Computerverbünden, getragen, neben den Fulfillment Centern
das wichtigste fixe Produktionsmittel Amazons. Riesiger Beliebtheit erfreut
sich auch die Crowdworking Plattform „Mechanical Turk“ – dazu aber später mehr.</p>Der frühe Jeffism „get big fast“ („werde schnell groß“)
dominiert noch heute das Geschehen bei Amazon – die Expansionsmöglichkeiten
scheinen grenzenlos zu sein. Im Buch von Stone und in der gesamten aktuellen
Presse zu Amazon erscheinen stündlich neue News zum Unternehmen, wie etwa dass
Amazon Studios Herr der Ringe zur Serie machen will als Antwort auf Game of
Thrones<i> </i>von Netflix. Dabei wird kein
Wort über die Menschen verloren, die hinter Bezos und seinem mittlerweile
umfangreichen Team die wirkliche Arbeit verrichten. Schon früh hat sich Bezos’
Führungsstil angedeutet. Sein altes Team hat er graduell durch neue Leute
ersetzt – diese manische Suche nach Superbrains, die die alten verrosteten
Hirne ersetzten, setzt sich bis heute weiter fort. Und ist kein
Alleinstellungsmerkmal Amazons. Gleiches gilt für das andere „Team“ – was
Amazon unter dem Motto „Work hard, have fun and make history“ als Arbeitgeber
gemeinsam mit seinen tausenden Vorarbeiter*nnen und niedrig qualifizierten
Beschäftigten vorgibt zu sein. Nur durch ein autoritäres und hochtechnisiertes
Arbeitsmodell gelingt es Amazon, Jeff Bezos’ Träume der vernetzten Zukunft
umzusetzen. Durch seine Marktmacht übt Amazon nebenbei auch Druck auf
Produzent*innen aus und beeinflusst somit indirekt auch die dortigen
Arbeitsverhältnisse. Im Mittelpunkt steht letztlich nicht einfach ein einsamer
Algorithmus, der ähnlich wie bei Google die populäre Suchfunktion von
Amazon.com regelt, sondern eine gigantische Maschinerie der Logistik, die im
Laufe des letzten Jahrhunderts durch Europaletten – Stichwort: Rationalisierung – möglich geworden ist.
<h2>Amazons Arbeitsregime – Basis für die globale Ausbeutung</h2><p>Seit Marx hat sich das Kapital vielfach verändert. Die
neueste Reorganisation vollzieht sich unter dem Label der „Digitalisierung“.
Wir erleben neue und alte Formen der Unterwerfung von Menschen unter das
kapitalistische Kommandosystem. Digitalisierung ist, wie wir sie heute erleben,
dennoch keine Revolution. Die neuen Arbeitsverhältnisse sind lediglich eine
Rekombination aus Taylorismus, also der Zerteilung und Reorganisation von
Arbeitsprozessen, dem Fabriksystem des Fordismus und der Flexibilisierung und
Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen im Postfordismus. Die Auswirkungen
dieser Transformationen für die Arbeitswelt sind weiterhin gravierend und
Gewerkschaften finden kaum angemessene Antworten auf die vielen Fragen, die
diese Veränderungen aufwerfen. Die Prozesse der Disruption – bei denen ein
bestehendes Geschäftsmodell oder ein bestehender Markt durch eine neue Innovation abgelöst wird
– wie sie Amazon mit seinem aggressiven Expansionsverhalten vollführt, schlagen
um sich und verschärfen wie oben beschrieben die Digitalisierung ganzer
Sektoren.</p><p>Die Wissenschaftler Barthel und Rottenbach gehen in ihrer
Analyse über die Arbeitsbedingungen bei Amazon davon aus, „dass die
kapitalistische Anwendung der digitalen Maschinerie bei Amazon und die
Strategien der Subsumtion der Arbeit zeigen, unter welchen Bedingungen ein
wachsender Teil der Arbeiter*innen in den kommenden Jahren leben und kämpfen
wird.“ Diese technische Entwicklung und die ihr entsprechende reelle Subsumtion
der Arbeit müssen ihnen zufolge daher als Momente des Klassenkampfes analysiert
werden. Dabei ergeben sich vielfache Widerstandsmöglichkeiten: Hunderte
Beschäftigte wie bei Amazon Leipzig versuchen auf individuelle und kollektive
Weise sich der vollkommenen Kontrolle durch Vorgesetzte und Handscanner zu entziehen
durch längere Pausen oder gemeinsamen Streiks.
</p><p>Die Fulfillment Center von Amazon sind die Industriefabriken
der aktuellen kapitalistischen Ära. Sie sind in strukturschwachen Region
angesiedelt, wo Arbeitsplätze rar sind. Wichtigste Merkmale: Kleinstadt,
Autobahn- und Schienenanbindung. Tausende Menschen verrichten täglich
anstrengende und repetitive Arbeit, dürfen ihr eigenes Gehirn nicht einschalten
und sind ihren Vorgesetzten lückenlose Rechenschaft schuldig. Es ist eine
Arbeit, von der ein Großteil der Gesellschaft profitiert – zumindest der Teil,
der auf den Internetbestellhype aufgesprungen oder oft auf Paketauslieferung
angewiesen ist. Bestellen bei Amazon ist zu einer wichtigen reproduktiven Säule
wie die Post oder das Wasserwerk geworden. Mit dem Unterschied, dass sich
Amazon von Anfang an in privaten Händen befand. Angepasst an die heutigen
technologischen Erfordernissen wurde das Fabriksystem für die neuen
Kapitalbedürfnisse modernisiert: Der Handscanner als das neue zentrale
Produktionsmittel, automatisierte
Lagerungssysteme, computerisierte Steuerung durch den Algorithmus und
allseitige Kontrolle sind die bestimmenden Elemente dieses modernisierten
Fabriksystems. Amazons „Chaos Prinzip“ (das Lagerungssystem, welches durch den
Algorithmus organisiert wird) ist kein Chaos, sondern versucht, unmittelbarer
den Bestellvorgang rückzukoppeln mit der Logistikorganisation zum Zweck der
Beschleunigung und Erfüllung der Lieferzeit. Jeder Klogang, jede Zigarette,
jedes Gespräch kann und wird in vielen Fällen eingesehen werden. Die
Möglichkeiten der direkten Kontrolle haben sich in den letzten Jahrzehnten
verbilligt und durchgesetzt. Da braucht es nicht mal mehr das Argument
„Diebstahlschutz“ für die Installation von Kameras, wogegen sich einige
Beschäftigte in der Vergangenheit eingesetzt hatten.</p><p>
</p><p>Das Arbeitsmodell Amazon umfasst
nicht nur die Arbeit an den Fulfillment Center – ein Fakt, der bei der Breite
der Aktivitäten dieses globalen Unternehmens leicht vergessen wird. Tausende
und abertausende von Menschen verrichten weltweit Arbeit für Amazon direkt von
zuhause aus an ihren Bildschirmen, sind also Arbeiter*innen. Und zwar nicht nur die Konsument*innen, die mit ihren
Daten und Bewertungen die Maschinerie weiter für lau speisen. Amazon betreibt
seit 2005 die Plattform Mechanical Turk, eine digitale Crowdwork-Plattform der
On-Demand Ökonomie [2], die es Unternehmen ermöglicht, tausende
Klickworker*innen für verschiedenste Aufträge, sogenannte Microtasks, zu
gewinnen. „Klickworker“ zeichnen sich dadurch aus, dass sie kleine, nicht
komplexe aber dennoch (noch) nicht computer- oder algorithmusgesteuerte
Aufgaben – eben Microtasks – wie die Beseitigung von unerwünschtem Inhalt, per
„Mausklick“ erledigen – und zwar über Stunden hinweg. Allein in
Deutschland wird die Zahl von Klickworker*innen auf über eine Million
beziffert. Die Fabrik verlässt dabei den klassischen materiellen und fixen
Standort und nistet sich in jedem Leben ein, das gewillt und flexibel oder
genötigt genug ist, nebenbei Zusatzarbeiten auszuführen. Amazon ist also
Vorreiter einer „digitalen Taylorisierung“ in Form von lückenloser Kontrolle
und maschineller Menschensteuerung, ob nun in den Lagerhallen durch den
Handscanner oder für die Crowdworker durch die App. Gewerkschaftliche
Organisierung? Eine Seltenheit.</p><p>
</p><p>Das Fulfillment Center und die
tausenden von Klickworker*innen bilden die Basis für das globale
hochtechnisierte Ausbeutungsmodell der Zukunft. Daran ist außer der enormen
Technisierung und Reorganisation der Arbeitsprozesse nicht viel neu. Die
technische Entwicklung des Logistikbereichs, nicht nur bei Amazon, ging
einerseits mit der Qualifizierung Weniger und massenhafter Entqualifizierung
andererseits einher. Die Klassenzusammensetzung ändert sich: zum Beispiel werden viele ehemals
Erwerbslose oder Zeitbeschäftigte angestellt. Diese veränderten Klassenzusammensetzungen basieren auf „Errungenschaften“ des
Kapitals in den letzten Jahrzehnten, wie etwa die hohe Flexibilisierung und
Prekarisierung, die mittlerweile auch die „white-collar workers“, also das
klassische Industrieproletariat betrifft. Die Vision und Umsetzung der
<i>Agenda2010</i> in Deutschland machte solche Formen der Ausbeutung – wie etwa Arbeitsverhältnisse
ohne feste Verträge und Kündigungsschutz – hier überhaupt erst möglich. Nicht
zuletzt deswegen setzt Emanuel Macron im Moment in Frankreich <a href="https://revoltmag.org/articles/der-vergehende-glanz-des-monsieur-cac-40/">folgenreiche
Arbeitsreformen</a> durch. Der charismatische Leader von „En Marche“ ist
bekannt für seine Faszination für neue Technologien und seine Kooperation mit
Plattformfirmen wie Uber und Airbnb. In den nächsten Jahren und Jahrzehnten
könnten Visionen eines Bedingungsloses Grundeinkommens und selbstfahrender
Autos, wo jede*r sich zumindest einige Fahrten mittels Uber leisten darf,
durchaus Realität werden. Aber nicht ohne die Tausenden, die entweder mit
Handscannern oder 3D-Druckern die ganze Party erst möglich machen.</p><p>
</p>
<h2><b>„Wir sind keine Roboter“ - Der langjährige Kampf der
Amazon Beschäftigten</b></h2>
<p>Seit 2013 streiken die Amazon Beschäftigten an verschiedenen
Standorten in Deutschland. Allein am Standort Rheinberg bei Düsseldorf gab es über 80 Streiktage. Für
Deutschland eine Ausnahme, für Amazon Beschäftigte Normalität. Noch immer
zählt Deutschland im europäischen Vergleich zu den streikarmen Ländern und
gilt in diesem Sinne als wirtschaftsfreundlich. [3] Unterstützt durch die
Gewerkschaft ver.di fordern die Streikenden einen einheitlichen Tarifvertrag,
wie er auch im Einzelhandel gilt. Amazon selbst sieht sich als
Logistikunternehmen und orientiert sich zwar an den Löhnen der Branche, zahlt
aber nicht den geltenden Tarifvertrag. Amazon Mitarbeiter*innen verdienen
„nicht schlecht“. Für einige der neuen Mitarbeiter*innen, die an Leiharbeit und
Erwerbslosigkeit gewohnt sind, bedeutet der Job oft auch sozialer Aufstieg.
Dieser Aufstieg und die – erzwungene – Teambildung sind zwei Aspekte, die
Amazon in seiner Propaganda positiv hervorhebt. Für andere, die im Bereich Einzelhandel
oder Logistik tätig sind, können die neuen Methoden im Punkto
Arbeitsorganisation und Kommunikation zur Überforderung führen. Die
Beschäftigten im Onlineversandhandel sind im Verhältnis zu ihren Kolleg*innen
im stationären Einzelhandel besonders stark mit sinkenden Einkommen und
Einschränkungen ihrer Rechte konfrontiert, da gerade die großen Unternehmen
union buster sind, also nicht mit Gewerkschaften verhandeln und sogar
versuchen, Gewerkschaftsarbeit aktiv zu behindern und aus den Arbeitgeberverbänden
auszutreten.</p>
<p>Und zwar zum Beispiel wie folgt: Bei der Streikwelle 2014
bei Amazon organisierten sich auch Beschäftigte gegen ver.di und distanzierten
sich „von den derzeitigen Zielen, Argumenten und Äußerungen der ver.di, die in
der Öffentlichkeit über Amazon und damit über uns verbreitet werden.“ Sie
sammelten über 1000 Unterschriften, 700 allein aus dem Standort in Leipzig. Ver.di <a href="https://www.verdi.de/themen/geld-tarif/amazon/++co++0963ba3c-7795-11e3-9dec-5254008a33df">bezweifelte</a>
die Echtheit der Aktion: „Angeblich ist er allein von Beschäftigten getragen,
doch im Umfeld der Aktion gibt es Hinweise, dass das Management die Aktion
unterstützt.“ Übrig geblieben ist die „Pro Amazon“ Gruppe ALTIV e.V., die von
einer Amazon-Beschäftigten aus Koblenz geleitet wird und sich rechtlich gegen
die Streiks wehren möchte.</p>
<p>Es können unter den Amazon Beschäftigten drei große Gruppen
ausgemacht werden. Auf der einen Seite eine relativ große Minderheit, die nicht
viel von den Arbeitsbedingungen und Amazon selbst hält sowie bei der
Dienstleistungsgewerkschaft ver.di organisiert und streikwillig ist. Auf der
anderen Seite steht eine andere relativ große Minderheit, die sich bei Amazon
sehr gut aufgehoben fühlt, nicht in der Gewerkschaft organisiert ist und sich
von Streiks fern hält. In der Mitte befindet sich ein großer Pool an
Beschäftigten, die sich weder so richtig mit dem Unternehmen identifizieren,
noch aber sich an den Streiks beteiligen. Die Gründe dafür sind ähnlich wie bei
anderen Unternehmen: Angst vor Problemen und Mobbing, Entlassung von
Befristeten, Versperrung von Aufstiegschancen.</p>
<p>Die Streiks werden von ver.di-Vertrauensleuten in den
Betrieben organisiert und von ver.di-Sekretär*innen unterstützt. In Leipzig
streikten in den letzten Jahren immer jeweils 200 bis 600 Menschen, in
Rheinberg 400 bis 600. Die Streiks werden in vielen Fällen koordiniert. In
einzelnen Standorten wie Rheinberg wurden zuletzt neue Streiktaktiken wie die
Abweichung vom angegeben Streikzeitpunkt eingesetzt. Am 30. Oktober 2017 streikten Beschäftigte in Leipzig, Bad Hersfeld und Graben. Aber Rheinberg trat erst am 2. November spontan in einen dreitägigen Streik, da das Management auf den 30. Oktober
vorbereitet war und der Effekt dadurch gering gewesen wäre. Die Geheimhaltung
eines Streiks ist für den Effekt des Kampfs von enormer Bedeutung: Aufgrund der
Vielzahl der Standorte plus die Fulfillment Center in Polen kann das Amazon
Management bequem per Mausklick auf die Veränderungen reagieren.<b> </b>Ein
effektiver Streik muss daher überraschend sein, was wiederum auf Kosten der
kurzfristigen Medienaufmerksamkeit gehen kann, die für das Durchsetzen des
Anliegens ebenfalls enorm wichtig ist. Die Organisation eines Streiks gleicht
dabei einem wahren Balanceakt. Beim Kampf von Amazon können wir von solchen
kollektiven Organisierungsprozessen lernen. </p>
<p>Die Studie von Sabrina Apicella bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung geht der Frage nach, warum eigentlich bei Amazon in Deutschland
gestreikt wird. Ihr zentrales Argument ist, „dass der Wandel der Verkaufsarbeit
erstens durch die Einführung technischer und digitaler Geräte und Software
gekennzeichnet ist, zweitens durch ihre Taylorisierung, also die zunehmende
Zerstückelung in ihre kleinsten Bestandteile und künstliche
Neuzusammensetzung (Outsourcing des Kundenkontakts, Hierarchien).“ Eines der
Ergebnisse der Studie ist, dass es den Streikenden gar nicht primär „nur“ um
mehr Lohn geht. Zentral sind eher die Arbeitsbedingungen und das geringe
Mitspracherecht. In den Interviews der Studie, in vielen Berichten und Artikeln
und in unseren Gesprächen mit Beschäftigten an verschiedenen Standorten wird
von ihnen immer wieder hervorgehoben, dass sie sich wie Maschinen fühlen. Die
engen Arbeitsvorgaben und die technisierte Kontrolle empfinden die
Arbeiter*innen als Angriff auf ihren Körper, die in ernst gemeinten Scherzen
mit Robotisierung oder gar Cyborgisierung, also einer mit einer fremdbestimmten
Mechanisierung verglichen werden.</p>
<p>Das Fazit der Studie von Apicella beinhaltet mitunter den
Aufruf, dass der Kampf von Amazon auch von der Unterstützung von Außen lebt. In
den Interviews äußern die Beschäftigten, dass ihnen zwar der Tarifvertrag
zentral sei, aber die Arbeit von ver.di auch ihre Grenzen erreicht. Hier muss,
wie Apicella bemerkt, das Rad nicht neu erfunden werden: In Leipzig wurden von
den Aktiven im Betrieb und den zuständigen Gewerkschaftssekretär*innen
bereits Aktionen durchgeführt, die in die Richtung einer Thematisierung der
robotisierten Arbeitsverhältnisse weisen. So wurden etwa Flyer zu den Themen
„Pausenklau“ oder „Skandalisierung von Feedback-Gesprächen wegen weniger
Minuten Inaktivität“ verteilt. Mit Widerstandsformen wird reichlich
experimentiert, wie etwa der Amazon-Arbeiter <a href="https://www.akweb.de/ak_s/ak631/17.htm">Christian Krähling in einem Interview</a>
(ak 631) beschreibt: „Bei den Kollegen ist der „Dienst nach Vorschrift“ sehr
beliebt. Es gibt eine Unmenge an Vorschriften und Arbeitsanweisungen bei
Amazon, und wenn man die wirklich alle verfolgt, dann kann man eigentlich nicht
mehr richtig arbeiten.“ </p>
<p>In der Zukunft wird weiterhin mit Streiks zu rechnen sein,
da die „egalitär-libertären Ideale des horizontalen Milieus“, also des Teils
der Beschäftigten, die nach Apicella offen für Organisierung sind, weiter mit
den Arbeitsbedingungen in Widerspruch geraten werden. Bisher ist aber, so das
Fazit der Studie, die zivilgesellschaftliche und politische Unterstützung
begrenzt gewesen: „Diese Schwäche des gewerkschaftlichen Arbeitskampfes dürfte
besonders für die gewerkschaftlich Aktiven in den Betrieben, aber auch für
die Gewerkschaftssekretär*innen nach fast drei Streikjahren eine eher
deprimierende Erfahrung darstellen.“</p>
<p>Die Organisierung der Amazon-Beschäftigten hat auch schon
eine internationale Dimension erreicht. Arbeiter*innen aus Polen, Deutschland
und Frankreich befinden sich seit paar Jahren im Austausch im Rahmen des
Projekts Amworkers. Dabei zeichnet sich auch eine interessante Diskussion um
Gewerkschaftsmodelle ab, die natürlich auch Widersprüche hervorbringt. In
Poznan bei Polen organisiert die anarchosyndikalistische Gewerkschaft IP etwa 350
Beschäftigte (Februar 2016), in Wroclaw die Solidarnosc etwas mehr als über 100 Beschäftigte.
Beide Gewerkschaften trennen Welten, was aber nicht bedeutet, dass nicht auch
Grenzen überwunden werden. Die IP tritt in Leipzig öffentlich mit ver.di Leuten
in den Austausch. In Frankreich sind die CGT und Sud Solidaires die
Hauptakteure. Kontakte gibt es wohl auch nach Spanien, Italien und sogar in die
USA. Eines der positiven Ergebnisse: Wenn die Beschäftigten an deutschen
Amazon-Standorten streiken, treten die Kolleg*innen im polnischen Poznan
inzwischen in einen Bummelstreik, statt sich zu Streikbrecher*innen machen zu
lassen. Mit dem Bummelstreik umgehen sie die „50-Plus-Regel“, die besagt, dass
eine Gewerkschaft erst an einem Standort als vertreten gilt, wenn über 50
Prozent der Belegschaft dafür stimmen.</p>
<h2><b>Werden wir zur Hydra des Kapitalismus!</b></h2>
<p>In dem beeindruckenden Buch <i>Die Vielköpfige Hydra</i> beleuchten Peter Linebaugh und Marchus
Rediker die Geschichte von Kämpfen in einer frühen Phase des Kapitalismus,
namentlich in einer Phase der Expansion des britischen Empires über die großen
Meere hinweg. Sie präsentieren die Geschichten der Enteigneten der ehemals in
Gemeineigentum genutzten Allmende, der gewaltsam verschleppten afrikanischen
Sklav*innen, der zum Militär oder zur See gepressten städtischen Proletarier
sowie der Ureinwohner*innen der Karibik und der „Indianer“ der beiden Amerikas.
Sie alle revoltierten gegen die gnadenlose Gewalt des sich entfaltenden
Kapitalismus. Sie alle wurden von den Herrschenden als Hydra bezeichnet, das
mehrköpfige Monster aus dem antiken Mythos des Herkules, der stets zwei Köpfe
nachwuchsen, wenn einer abgeschlagen wurde. Ein unkontrollierbares Wesen also,
das immer wieder neu und gewissermaßen „vermehrt“ auftaucht, trotz aller
Enthauptungsversuche. Zwar hat sich heute die kapitalistische Barbarei
weiterentwickelt und verändert, und die Phase der ursprünglichen Akkumulation
durch Landnahme von damals scheint erstmal nicht direkt mit der Erschließung
neuer Räume durch das Kapital mittels der Sammlung von Daten und mittels Algorithmen verbunden
zu sein. Nichtsdestotrotz werden aber weiterhin Märkte erobert, neusortiert und Lohnabhängige und Ausgeschlossene in immer neuen Episoden ausgebeutet. In den
Plantagen und Sklavenkolonien des frühen Kapitalismus wurde neben dem Surplus
auch Erfahrungen in der Arbeitsorganisation beziehungsweise Terrorismus gegen die
Sklav*innen erprobt. Erfahrungen, die dann in Europa reimportiert wurden und in
die Fabriken gelangten. </p>
<p>Dieser transkontinentale Erfahrungs- und
Widerstandszusammenhang, „der revolutionäre Atlantik“, hat das entstehende
globale Kapitalsystem in Frage gestellt. Die jetzigen Kämpfe bei Amazon sind
auch Teil eines potentiell globalen Widerstandes, die, ausgehend von ihren Arbeitsverhältnissen, in ähnlicher Weise das gesamte System anzweifeln.</p>
<p>Die größte Aufgabe wird das Zusammenbringen der Kämpfe und
Auseinandersetzungen sein. Aber das heißt nicht zwangsläufig, alle in eine
einzige Organisation zu pressen. Das wäre ein Missverständnis, eine große
Illusion. Etwas mehr als das Alt(oder Nicht-)bewährte sollte uns umtreiben.
Viele der Postkapitalist*innen (z.B. Paul Mason) hingegen beenden ihre Bücher
mit einem Plädoyer für das Bedingungslose Grundeinkommen. In all diesen Fällen
wird die Perspektive der Kämpfe fallen gelassen, oder sie tauchen maximal in
einer Aufzählung von großartigen Sachen, die gerade so passieren, auf. Diesen
Fehler sollten wir als radikale Linke auch nicht machen. Es sind gerade die
Kämpfe und ihre Potenziale, die unseren Fokuspunkt bilden sollten.</p>
<p>Wenn Logistik und Infrastruktur, Extraktion und Reproduktion
der Ware Arbeitskraft ins Zentrum der kapitalistischen Produktion rücken,
werden sie zu optimalen Angriffszielen, die sich, wie Basisgewerkschaften immer
betonen, bereits mit dem Einsatz weniger Mittel effektiv stören lassen. Der
Logistikbereich hat eine enorme „Produktionsmacht“ (Beverly Silver), so dass
hier bei entsprechender Organisation das Potenzial für die Wiedergewinnung von
Handlungsfähigkeit liegen kann, die durch die Globalisierung der Weltwirtschaft
wesentlich geschwächt wurde. Die Logistik ist das Nadelöhr der globalen
just-in-time-Produktion, einer Organisation der Produktion und des Transports
von Waren, die das Ziel hat, lange Lagerung zu vermeiden und die Märkte direkt
und effizient zu bedienen. Teilweise findet diese Logistik in aller
Öffentlichkeit – auf der Straße – statt, so dass sie dort auch unterbrochen
werden kann. </p>
<p>Indem wir die Klassenkomposition des aktuellen Kapitalismus
untersuchen und darin agieren, lassen sich neue Verbindungen herstellen. Das
Verschwinden der fordistisch organisierten Lohnarbeit in ihrer bisherigen Form
bringt Verteilungskämpfe mit sich, wie in den vergangenen Jahren etwa die
Auseinandersetzungen der Taxifahrer*innen mit Uber zeigten, ebenso wie die
Angestellten des Lieferservice Deliveroo, die ihre prekären Arbeitsverhältnisse
hinterfragen, und Careworker*innen, die gegen den Umbau des Gesundheitssystems
streiken. Kontrolle, Arbeitsverdichtung und psychisch und körperliche
Belastungen, wie sie bei Amazon erfahren werden, spielen gerade auch bei diesen
(Frauen-)Betriebskämpfen in den Kranken-und Pflegeberufen eine große Rolle. Es
gilt außerdem, den Fokus auf den Westen zu hinterfragen – Kämpfe gegen die
Ausbeutung von Ressourcen oder inhumane Produktionsbedingungen vollziehen sich
auf dem ganzen Globus. Auch die Kritik der Disziplinierung und Messung des
Körpers – Stichwort: Selbstoptimierung – sowie neuer Formen von Kontrolle und
Spaltung könnten eine größere Rolle einnehmen.</p>
<p>Konkret bedeutet es für uns als radikale Linke, in der
nächsten Zeit durch die Kampagne<i> Make Amazon Pay!</i> dem Kampf der
Beschäftigten bei Amazon näher zu kommen – es ist ein erstes Experimentierfeld,
das mit Vorsicht und Respekt betreten werden sollte. Diese Menschen kämpfen
schon seit Jahren – hören wir uns an, was sie zu sagen haben. Und bleiben wir
im Bereich Logistik bei Amazon nicht stehen: Auch bei Zalando, DHL oder Obi
finden sich kämpferische Belegschaften, die den Kampf in ihrem Bereich als
gemeinsamen Kampf begreifen und die Diskussionen führen, die über bloße
Lohnforderungen hinausgehen. Ein erster Schritt ist schon getan, wenn so viele
von uns wie möglich den <a href="https://makeamazonpay.org/2017/10/30/offener-brief-von-amazon-beschaeftigten-an-ihre-kolleginnen/">öffentlichen
Brief der internationalen Amazon Arbeiter*innen</a> ausdrucken und mit
Beschäftigten an den verschiedenen Standorten ins Gespräch kommen. Wir werden
relativ schnell entdecken, dass uns keine Welten trennen.</p>
<p>Was wird passieren, wenn sich ver.di mit Amazon auf einen
Tarifvertrag einigt? Und was wenn nicht? Eine Niederlage in den Verhandlungen
wäre verheerend nicht nur für die Leute bei Amazon, sondern für den gesamten
Bereich Einzelhandel und Logistik. Amazon schafft da Tatsachen – da fängt es
erst an, spannend zu werden. Schaffen wir es, in der Öffentlichkeit die
Forderung nach einem gesellschaftlichen Verhandeln über Arbeitsbedingungen und
Automatisierung zu etablieren? Die Hydra schlummert schon in den sich weiter
verbreitenden Kämpfen der Foodora-Fahrer*innen, Freelancer und
Massenarbeiter*innen – und in uns. Können wir die Kämpfe verbinden? <i>Make Amazon
Pay!</i> ist ein erster winziger Schritt. Machen wir mehr draus.</p>
<hr/>
<p>John Malamatinas lebt in Brüssel, Köln und Thessaloniki und ist in verschiedenen antikapitalistischen Gruppen und Netzwerken aktiv. Seine vornehmliche Beschäftigung gilt den Themengebieten Nationalismus, soziale Kämpfe und Krise in Griechenland.</p><hr/><p>Die Aktionswoche <i>Make Amazon Pay!</i> findet vom 20. bis zum 26.
November 2017 in mehrere Städten in der Bundesrepublik mit verschiedenen
Unterstützungsaktionen weltweit statt. Mehr Infos findet ihr <a href="https://makeamazonpay.org">hier</a>.</p><hr/><p><b>Anmerkungen:</b></p><p>[1] Auf Deutsch: „Das hier ist nicht nur der größte Fluss
der Welt, er ist zugleich um ein Vielfaches größer als nächstgrößte Fluss. Er
stellt alle anderen Flüsse in den Schatten.“</p>
<p>[2] Laut der technologiekritischen Gruppe Capulcu ein viel
geeigneter Begriff für die Sharing- oder Plattformökonomie, denn Uber oder
Mechanical Turk haben nichts mit „Teilen“ zu tun, sondern eher mit der marktförmigen
Erschließung ehemals nicht kommodifizierter Tätigkeiten, wie das Auto zu teilen.</p><p>[3] Vergleiche Sabrina Apicella,<i> Amazon in Leipzig. Von
den Gründen, (nicht) zu streiken</i>, RLS-Studie 09/2016, 2016.</p><hr/><p><b>Weiterführende Literatur:</b>
</p><p><a href="https://makeamazonpay.org/aufruf/">Aufruf</a>
zu Make Amazon Pay, Herbst 2017</p>
<p>Sabrina Apicella<b>: </b><i>Amazon in Leipzig<b>. </b>Von den
Gründen, (nicht) zu streiken</i>, <a href="https://www.rosalux.de/publikation/id/8801/">RLS-Studie</a>, Mai 2016 </p>
<p>Nina Scholz / Carolin Wiedemann: „Widerstand durch „Dienst
nach Vorschrift“. Interview mit Christan Krähling“, in: <a href="https://www.akweb.de/ak_s/ak631/17.htm">Analyse & Kritik, Ausgabe 631</a>
, November 2017.</p>
<p>Georg Barthel und Jan Rottenbach: „Reelle Subsumtion und
Insubordination im Zeitalter der digitalen Maschinerie. Mit-Untersuchung der
Streikenden bei Amazon in Leipzig“, in: <i>Prokla 187</i>, 2017.</p>
<p>Ralf Ruckus: „Der
amerikanische Traum für zwei Euro pro Stunde, in: <i><a href="https://sozialgeschichteonline.files.wordpress.com/2016/03/sgo_18_2016_ruckus_amazon_polen.pdf">Sozial.
Geschichte Online</a></i>, 18 – 2016. </p>
<p>Brad Stone: <i>the everything store. Jeff
Bezos and the age of Amazon</i>, Corgi Books 2013.</p><p>
</p><p>
</p><p>
</p><p>
</p><p>Donna Haraway: „Manifesto for Cyborgs: Science, Technology,
and Socialist Feminism in the 1980's“, in: <i>Socialist Review 80</i>, 1985, S. 65-108.
</p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p>…ums Ganze!<b>: </b><i><a href="https://umsganze.org/prime-life-now/">Prime Life Now!</a> Ein Plädoyer dafür,
den Kampf gegen den Rechtsruck mit den Auseinandersetzungen im Logistiksektor
zu verbinden</i>, 2017.</p>
<p>Capulcu: <i>Disrupt!
Widerstand gegen den technologischen Angriff</i>, Unrast Verlag 2017.</p>
<p>Timo Daum: <i>Das Kapital
sind wir! Zur Kritik der digitalen Ökonomie</i>, Edition Nautilus 2017.</p>
<p>Nina Scholz: <i>Nerds,
Geeks und Piraten. Digital Natives in Kultur und Politik</i>, Bertz+Fischer
2014.</p>
<p><i><a href="http://top-berlin.net/de/texte/beitraege/keine-zukunft-ist-auch-keine-loesung">Keine
Zukunft ist auch keine Lösung</a>. Eine Broschüre von
Theorie.Organisation.Praxis B3rlin zu Digitalisierung und Kommunismus</i>, 2016</p>
<p>Peter Linebaugh und Marcus Rediker: <i>Die Vielköpfige Hydra. Die verborgene Geschichte des
revolutionären Atlantiks</i>, Assoziation A, 2008.</p></div>
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