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Diktatur und Widerstand. Die Türkei nach den Wahlen

Menschen feiern Newroz 2018 Murat Bay

Die Ergebnisse der vorgezogenen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Türkei vom 24. Juni stellen auf dem ersten Blick einen klaren Sieg des Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan dar. Während es bisweilen so aussah, als hätte die Opposition diesmal eine wirkliche Chance gehabt, waren die Ergebnisse letztlich ernüchternd. Erdoğan hat die Präsidentschaftswahlen in der ersten Runde gewonnen, während die Volksallianz (Cumhur İttifakı), das Wahlbündnis bestehend aus Erdoğans Partei der Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) und der faschistischen Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP), eine Mehrheit der Parlamentssitze gewinnen konnte. Den vorläufigen Ergebnissen des Hohen Wahlausschusses zufolge gewann Erdoğan den Präsidentschaftswahlkampf mit 52,6 Prozent, während sein Hauptrivale Muharrem Ince, der Präsidentschaftskandidat der Republikanischen Volkspartei (CHP), einen Stimmenanteil von 30,6 Prozent erreichte. In der Parlamentswahl erhielt die Volksallianz 53,7 Prozent der Stimmen, während die Allianz der Nation (Millet İttifakı) – die sich aus der CHP, der nationalistischen Guten Partei (İYİ Parti) und der religiös-konservativen Partei der Glückseligkeit (SP) zusammensetzt – ein Ergebnis von 33,9 Prozent erzielen konnte. Demzufolge erhält die Volksallianz 344 der insgesamt 600 Parlamentssitze, womit sie eine absolute Mehrheit sicherstellen kann. Die Allianz der Nation hingegen erlangte lediglich 189 Sitze. Darüber hinaus erreichte die unabhängige, linke und pro-kurdische Oppositionspartei der HDP 67 Sitze mit einem Wahlergebnis von 11,6 Prozent der Stimmen.

So viel zu den nackten Zahlen. Aber was bedeuten sie? Anbei sechs Anmerkungen zu den Wahlen:

1. Die Wahlen waren illegitim.

Sämtliche Parteien und PräsidentschaftskandidatInnen akzeptierten prompt die Wahlresultate. Währen der Präsidentschaftskandidat der CHP Ince und der Parteisprecher der CHP Tezcan im Zuge der ersten Meldungen zu den Auszählungen darauf pochten, dass die vorläufigen Resultate völlig abwegig seien, ruderten sie binnen Stunden komplett zurück. Derweil gab die Kandidatin der Guten Partei Akşener überhaupt nichts von sich. Wir können nur darüber spekulieren, ob es hinter den Kulissen zu Absprachen gekommen ist oder sich alle mit den Ergebnissen mehr oder weniger zufriedengegeben haben. Nichtsdestotrotz gab es am Sonntag zahlreiche Unregelmäßigkeiten im Wahlablauf. Beispielsweise in der südöstlichen kurdischen Provinz Urfa, wo Beobachter*innen der Oppositionsparteien gewaltsam aus den Wahllokalen entfernt oder Leute dabei erwischt wurden, wie sie tausende Stimmzettel einzuschmuggeln versuchten und dergleichen mehr. In derselben Provinz wurden zehn Tage zuvor vier Personen ermordet, als es während des Wahlkampfes eines AKP-Kandidaten zu einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen dessen Bodyguards und der Familie eines Kleinhändlers kam, der sich als Unterstützer der HDP zu erkennen gab. Tatsächlich konzentrierten sich die Unregelmäßigkeiten auf die kurdischen Provinzen Urfa und Şırnak, wo es im Grunde keine internationalen Wahlbeobachter*innen gab und lokale Beobachter*innen einfach rausgekickt wurden. Der vorläufige Bericht der OSZE-Wahlbeobachtungsdelegation berichtet von heftigen Einschränkungen und Irregularitäten (im Bericht ab S. 14): In 12 Prozent aller besuchten Wahllokale wurde starke Präsenz von Sicherheitskräften festgestellt, die sich oft (33 Prozent) in den Wahlprozess einmischten; 14 Prozent aller beobachteten Auszählungen wurden als „mangelhaft durchgeführt“ eingestuft (counting was assessed negatively); bei 20 Prozent (!) aller beobachteten Auszählungsprozesse waren schwer identifizierbare „nicht authorisierte“ Personen anwesend, die teils in den Prozess eingriffen; 25 Prozent (!) aller beobachteten Wahlurnenkommissionen hatten Probleme beim Ausfüllen der Ergebnisprotokolle; bei 20 Prozent aller beobachteten Auszählprozesse wurden seitens der Wahlurnenkommissionen leere Ergebnisprotokolle im vornherein unterschrieben oder Eintragungen bewusst (!) gefälscht (deliberately falsified); ebenfalls bei 20 Prozent aller beobachteten Fälle wurden die Ergebnisse nicht öffentlich ausgehangen; zusätzlich wurden bei über 10 Prozent der Bezirkswahlkommissionen, bei denen die Zusammenführungen von Ergebnisprotokollen stattfanden, Mängel festgestellt, bei 25 Prozent der beobachteten Fälle „korrigierten“ (?!) die jeweiligen Wahlurnenkomissionen ihre Protokolle während der Zusammenführungen ohne formalen Beschluss. Diese durchaus in nüchternem, technischen Tonfall gehaltene aber an sich vernichtende Beurteilung des Wahlablaufs seitens der OSZE-Wahlbeobachtungsdelegation, die noch nicht einmal in die problematischsten Bezirke reisen konnte, zeigt, dass millionenfacher Wahlbetrug durchaus im Bereich des Möglichen liegt.

Derlei Zwischenfälle deuten lediglich auf die Tatsache hin, dass es den Wahlen an Legitimität mangelt, nicht zuletzt aufgrund des Ausnahmezustandes, der seit dem gescheiterten Militärputsch vom Juli 2016 herrscht. Unter dem Vorwand des Kampfes gegen die Drahtzieher des Militärputsches schreckten Erdoğan und seine AKP – zusammen mit ihrer faschistischen Bündnispartnerin der MHP – vor nichts zurück, um einen regelrechten Krieg gegen oppositionelle Stimmen zu führen und zehntausende Politiker*innen und Aktivist*innen einzukerkern, um die Justiz schrittweise zu übernehmen und eine nahezu absolute Kontrolle über die im Grunde vollends zentralisierten Medien zu erlangen. Sogar die rechten Parteien und Präsidentschaftskanditat*innen konnten sich keiner Medienberichterstattung erfreuen, ganz zu schweigen von der HDP und ihrem ehemaligen Co-Vorsitzenden und inhaftierten Präsidentschaftskandidaten Selahattin Demirtaş. Was also klar und sehr viel bedeutsamer ist als die unmittelbaren Unregelmäßigkeiten am Wahltag selber, ist die allumfassende Illegitimität der Wahlen an sich.

2. Die MHP ist zu einem zentralen Akteur geworden.

Wenn es einen klaren Wahlsieger gibt, dann ist es der sunnitisch-türkische Block, bestehend aus der AKP, der MHP und der Guten Partei (İYİ Parti). Obwohl letztere sich als oppositionelle Kraft positioniert, unterscheidet sie sich vor allem in Bezug auf ihr politisches Projekt und ihre Vision kaum von den beiden anderen Parteien. Der Stimmenanteil dieses Blocks beläuft sich auf circa 64 Prozent. Dies muss vor dem Hintergrund einer permanenten chauvinistischen Mobilisierung und dem Narrativ des Anti-Terror-Krieges im Allgemeinen und der Kriegsführung gegen die Kurden im Besonderen gedeutet werden.

In Bezug auf die siegreiche Volksallianz lohnt es sich, die Wahlresultate der AKP und der MHP genauer unter die Lupe zu nehmen. Während Erdoğan als Sieger dieser Wahlen erscheint und freilich als solcher dargestellt wird, ist das bei näherer Betrachtung gar nicht so selbstverständlich. Er selbst weiß genau, dass es vor allen Dingen seine Partei gewesen ist, die schwere Rückschläge einstecken musste. Die nur bedingte Freude über die Wahlresultate zeugt davon.

Die AKP hat über zwei Millionen Stimmen verloren, was einem Verlust von sieben Prozent der Wählerstimmen gleichkommt. Damit misslang es ihr, 301 Sitze im Parlament zu ergattern und sich damit eine Parlamentsmehrheit zu garantieren. Erdoğan kann den politischen Prozess künftig nur zusammen mit der MHP nach seinem Gutdünken einrichten.

Das wiederum bedeutet, dass die MHP gestärkt aus den Wahlen hervorgeht. Der absolut unerwartet hohe Anteil an Stimmen, welche der MHP zufielen, ist eine der Besonderheiten dieser Wahlen, die einer Erklärung bedarf. Obwohl die Partei sich gespalten und die daraus neu entstandene İYİ Parti über 10 Prozent der Stimmen erlangt hat, ist die MHP in der Lage gewesen, ihren Stimmenanteil von ungefähr 11 Prozent bei den letzten Wahlen vom 1. November 2015 zu erhalten. Dabei hat die MHP seit dem abrupten Auftakt zum Wahlkampf im Grunde keine öffentliche Kampagne geführt – ihr Führer Devlet Bahçeli beispielsweise hielt insgesamt nur zwei oder drei Kundgebungen ab, verglichen mit den 107 Kundgebungen, die Muharrem İnce zustande gebracht hat. Trotz ihrer völligen Untätigkeit schaffte es die MHP, eine wesentliche Steigerung ihres Wähleranteils in den vorwiegend kurdischen Regionen zu erzielen, während sie in vielen ihrer traditionellen Hochburgen wie Osmaniye, Adana oder Mersin regelrecht eingebrochen ist. Laut ersten Analysen von Wähler*innenwanderung – die natürlich mit offiziellen Zahlen und „ehrlichen“ Wähler*innenangaben operieren und deshalb mit Vorsicht zu genießen sind – hat die MHP 66 Prozent (!) ihrer Wählerschaft vom 1. November 2015 an die İYİ Parti verloren, dafür aber fast eben so viele Stimme aus der AKP-Wählerschaft hinzugewonnen (15 Prozent der gesamten AKP-Wählerschaft vom 1. November 2015). Es ist klar: Falls es einen Betrug größeren Ausmaßes gegeben haben sollte, dann wurde dieser zum Vorteil der MHP vollzogen.

Da nun der AKP eine absolute Mehrheit im Parlament fehlt, konnte der MHP-Führer Bahçeli nach den Wahlen verlauten lassen, dass seine Partei ab sofort eine „Schlüsselposition im Parlament“ halte. Die MHP wird künftig in der Lage sein, sich selbstsicherer und entschiedener durchzusetzen, vor allem was die „Kurdische Frage“ anbelangt. Es ist sehr wahrscheinlich davon auszugehen, dass die AKP-MHP-Allianz in den kommenden Monaten einen noch unverhohlener faschistoiden Kurs fahren wird.

3. Die CHP wird zerrüttet.

Die CHP und ihr Präsidentschaftskandidat Muharrem Ince sind im Hinblick auf eine zweite Wahlkampfrunde ziemlich optimistisch und von sich überzeugt gewesen. Insbesondere Ince betrieb einen erfolgreichen Wahlkampf, der eine Restauration in Aussicht stellte und Millionen von anfangs demoralisierten Wählern mobilisierte. Allerdings markieren die Wahlresultate eine neu entstehende Krise innerhalb der Partei. Die CHP verlor im Vergleich zu den Ergebnissen der Wahlen vom 1. November 2015 sogar noch drei Prozent und verharrte bei 22,6 Prozent – eine sehr ernüchternde Bilanz für ihre Anhänger*innen. Ince selbst ließ in seiner Stellungnahme am Montag nach der Wahl durchblicken, dass er als derjenige Präsidentschaftskandidat, der acht Prozentpunkte mehr als seine Partei bekommen habe und damit der erste CHP-Kandidat sei, der seit 1977 mehr als 30 Prozent der Stimmen erlangte, entweder auf die Übernahme der Partei drängen oder andernfalls eine neue Partei gründen würde, und dass er unverzüglich mit den Vorbereitungen für die anstehenden Wahlen beginnen wird. Der amtierende Parteivorsitzende Kemal Kılıçdaroğlu entgegnete dem am Dienstag mit der Verweigerung einer Gratulation Erdoğans – was Ince wiederum getan hatte – und brachte seinen Unmut über Karrierismus innerhalb der Partei gehässig zum Ausdruck. Die Tatsache, dass Kılıçdaroğlu, der die Partei nun schon durch neun Wahlen geleitet hat, die alle sehr enttäuschend für die Partei ausgingen, trotz allem noch immer nicht zurücktritt, karikiert das Gepolter über Karrierismus und Leute, die sich an ihre Posten krallen. Demgegenüber erwiderte Ince, dass er durchs ganze Land reisen und in allen 81 Provinzen Treffen halten würde, um den Menschen für ihre Unterstützung zu danken. Es ist offensichtlich, dass eine solche Tour etwas ist, was ein Parteiführer „so macht“. Demnach kündigt sich eine Krise an, die durchaus zu einer Spaltung der Partei führen könnte.

4. Die HDP trotzte den Umständen.

Eine andere Gewinnerin der Wahlen ist die HDP gewesen. Trotz der umfassenden Repression, der Vertreibung und Einkerkerung unzähliger politischer Kader (einschließlich ihres Präsidentschaftskandidaten Selahattin Demirtaş), trotz der Gewalt und der Drohungen am Tag der Wahlen, insbesondere in den kurdischen Provinzen, schaffte es die HDP einmal mehr, sich zu konsolidieren; sie überwand die höchst undemokratische Wahlhürde von 10 Prozent und schaffte den Einzug ins Parlament. Dabei ist die HDP diejenige Partei, die, wie erste Analysen von Wähler*innenwanderung aufzeigen, am meisten Stammwählerschaft deshalb verlor, weil diese nicht zu den Wahlurnen gegangen ist oder, was nahe liegt, aufgrund von Repression und Wahlurnenverlegung nicht gehen konnte: So hat die HDP fünf Prozent ihrer Wählerschaft des 1. Novembers 2015 (was in etwa ein halbes Prozent all derjenigen, die gewählt haben, ausmacht) durch Wahlabstinenz verloren. Dies zeigt erneut, dass trotz aller Repression eine starke pro-kurdische Partei zur unbestreitbaren Realität der türkischen Politik geworden ist.

Darüber hinaus bemühte sich die HDP – ungeachtet einiger Tendenzen der Liberalisierung – darum, die Dynamiken sozialistischer Organisationen und Repräsentant*innen weiterer populärer Strömungen zu integrieren. Diesmal werden offen revolutionäre Sozialist*innen wie Erkan Baş von der Arbeiterpartei der Türkei (TİP), Oya Ersoy von den Halkevleri (Volkshäuser), Misa Piroğlu von der Revolutionären Partei (DP), Murat Çepni von der Sozialistischen Partei der Unterdrückten (ESP) und einige andere im Parlament sitzen und unentwegt gegen Diktatur und Kapital ankämpfen. Die HDP ist die einzige Partei im Parlament und somit die einzige größere Partei der türkischen Politik, die standhaft gegen die türkisch-sunnitisch-patriarchale Allianz ankämpft. Es bleibt abzuwarten, was mit der CHP passieren wird; die HDP jedoch muss nun die Initiative ergreifen und die popularen Dynamiken anfachen.

5. Von der Perspektive der Kämpfe her betrachtet ist die Lage gar nicht so schlecht.

Der Charakter der türkischen Bourgeoisie und als solcher jener ihres Staates ist dergestalt, dass sie die Tradition des despotischen Staates reproduziert, die bis auf das Osmanische Reich als Garanten der Klassenherrschaft zurückgeht. Während diese Staatstradition historisch grundlegende Transformationen durchmachte und sich im Zuge dieser Wahlen vorübergehend um die AKP/MHP herum stabilisiert, konnten sich vor allem seit den Gezi-Aufständen 2013 bestimmte populare Dynamiken als konstante Faktoren der türkischen Politik etablieren, die sich dem Staat widersetzen und diesem gegenüber wenig bis gar keine Erwartungen mehr hegen. Dies ist auch der Grund dafür, weshalb jene Kräfte, die durch Gezi und Rojava entfesselt wurden, dem AKP/Erdoğan-Regime nach wie vor mehr Angst einflößen als innerstaatliche Rivalitäten oder Putschversuche und dergleichen. Frauen, Alevit*innen, Kurd*innen, Arbeiter*innen und viele mehr haben diesem Regime gegenüber keinerlei Erwartungen mehr. Die Bemühungen der CHP und der İYİ Parti richten sind deshalb an diese Teile der Gesellschaft, da sie kurz davor sind, gänzlich mit dem Staat zu brechen – natürlich mit dem Zweck, sie wieder einzugliedern.

Im Hinblick auf diese Massendynamiken wirkten die Wahlergebnisse zwar entmutigend, jedoch sollten sie kein Grund für eine allgemeine Frustration sein. Obwohl sich die meisten einen Abgang Erdoğans erhofft und erwünscht hatten, bleiben die gesellschaftlichen Machtbeziehung weitestgehend intakt. Zugegebenermaßen konnten Erdoğan und der AKP/MHP-Block zwar einen gewissen Machtzuwachs verzeichnen, jedoch sollte man den auf Solidarität zwischen den popularen Lagern beruhenden Wahlkampf als Erfolg deuten, der hoffen lässt.

6. Was wird nun passieren?

Die Wahlergebnisse zeigen, dass das soziale und politische System der Türkei weiterhin blockiert ist. Auch wenn sich die Machtbeziehungen in Folge der Wahlen und der Institutionalisierung des faktisch bereits vorherrschenden diktatorialen Präsidialsystems geringfügig zum Vorteil des Erdoğan-AKP/MHP-Blockes verschoben haben, stellen sie keinen entscheidenden Sieg dieses Blocks dar. Obwohl es andererseits klar ist, dass der Gegen- oder alternative hegemoniale Block ebenso wenig einen entscheidenden Sieg davongetragen hat, ist es ebenfalls der Fall, dass er keine entscheidende Niederlage erfuhr. Etwa die Hälfte des Landes leistet weiterhin Widerstand gegen den dominanten Block wie es durchgehend seit 2013 der Fall ist. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Institutionalisierung der bereits existierenden Präsidialdiktatur in dieser Hinsicht viel verändern wird. Demgegenüber macht der Aufstieg Inces und der İYİ Parti Akşeners deutlich, dass sich die divergierenden Meinungen innerhalb des Staates und der Eliten zu Fraktionen mit eigener politischer Repräsentation ausformieren. Neulich gab Akşener beispielsweise bekannt, dass ihre Partei „keine Kinderspiele“ spiele und die HDP als „Repräsentantin der kurdischen politischen Bewegung“ akzeptiere. Von einem Erdoğan, der alles und jeden kontrolliert und vor dem sich jeder zu verbeugen hat, kann trotz der Dominanz des Blocks sicherlich keine Rede sein. Darüber hinaus wird es zu einem Machtkampf innerhalb des Erdoğan-AKP/MHP-Blocks kommen, da es der MHP weitaus besser ergangen ist, als zu erwarten war (gesetzt dem Fall, dass es keine Übereinkommen über systematischen Wahlbetrug zum Vorteil der MHP gegeben hat). Nach wie vor gilt, dass der Machtkampf innerhalb des dominanten Blocks dessen Kraft in Zeiten der Krise bedrohen wird; und in der Tat ist es so, dass eine ökonomische Krise ansteht. Die Heftigkeit und das Management dieser Krise, die Haltung der Opposition und, was entscheidend sein wird, die Aktivität der Massen werden darüber entscheiden, ob sich die Institutionalisierung der Diktatur stabilisiert – oder nicht.


Anmerkung:

Der Artikel erschien zu erst am 29. Juni 2018 im Onlinemagazin Jacobin. Aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt von Evrim Muştu; leicht verändert und aktualisiert von Alp Kayserilioğlu.